Ich will aber noch zwei Sätze sagen, weil das Herr Dittes und auch mein Kollege Adams hier schon richtig ausgeführt haben: Wir haben uns sehr intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt und deswegen ärgert es mich so, dass Sie dann aus wahlkampftaktischen und populistischen Überlegungen einfach mal im Wahlkampfjahr um die Ecke kommen und glauben, uns belehren zu müssen, was das Recht auf Versammlungsfreiheit angeht. Gehen wir mal davon aus, Ihr Gesetz würde in Bezug auf die Versammlung irgendetwas bringen und wir könnten auf Grundlage dieses Gesetzes Versammlungen einschränken, dann haben Sie immer noch das Problem, dass ein Großteil der Rechtsrockkonzerte in Thüringen als Vergnügungen und eben nicht als Versammlungen angemeldet sind, Herr Geibert.
Deswegen nur noch mal, um zu entlarven, dass Sie sich hier hinstellen und behaupten, Sie würden damit irgendetwas ändern: Der Großteil sind Vergnügungen. In Kirchheim ist ein Großteil der Rechtsrockkonzerte als Vergnügungen angemeldet
und damit können Sie nämlich dem Ganzen überhaupt gar keinen Riegel vorschieben. Das Einzige, was eine legitime Forderung an dieser Stelle ist, ist tatsächlich zu fragen: Warum müssen wir als Staat denen noch den roten Teppich ausrollen und sie quasi dabei unterstützen, ihre Veranstaltung durchzuführen? Das ist der einzig legitime Grund, warum wir darüber diskutieren. Wir haben als Grüne übrigens schon 2017 darüber diskutiert. Mit einem Gutachten sind wir da auch schon vorangegangen und
haben sozusagen da auch eine Debatte gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Koalition angestoßen.
Deswegen will ich noch einmal betonen: Wir brauchen keine Belehrung der CDU-Fraktion in Sachen Versammlungsrecht, Herr Geibert. Ich glaube, da sind wir alle fit genug und haben wahrscheinlich auch deutlich mehr Erfahrungen in der Praxis und können beurteilen, was gut ist und was nicht.
Frau Henfling, die Zeit ist um. Für die Landesregierung erhält das Wort der Innenminister. Nein, es gibt noch eine weitere Wortmeldung aus den Reihen der Abgeordneten – Entschuldigung. Herr Geibert für die CDU-Fraktion.
Wenn sich die Landesregierung zu Wort meldet, darf sie an sich immer sprechen. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.
Herr Dittes, ich bin dankbar für den Beitrag, der zeigt, dass dieser Gesetzentwurf eine wirkliche Diskussion im Ausschuss und eine Auseinandersetzung mit den vielen Argumenten verdient.
Aber was Sie hier alles falsch erzählt haben, das kann man so nicht im Raum stehenlassen. Wenn Sie etwa behaupten, der § 16 a „Ausnahmen für religiöse Feiern und Volksfeste“: „Die Bestimmungen in §§ 15 bis 16 finden keine Anwendung für Gottesdienste unter freiem Himmel, kirchliche Prozessionen, Bittgänge und Wallfahrten“ etc. – das ist wortwörtlich das, was in § 17 des Bundesversamm
lungsgesetzes steht. Dagegen kann kein Mensch etwas haben. Das können wir in unserem Landesrecht genauso regeln. Dann der § 2, den Sie kritisieren. Frau Abgeordnete Marx hat zu Recht darauf hingewiesen, wenn dort steht: „Ob eine Versammlung vorliegt, entscheidet sich maßgebend [...] 3. nach dem Grad und Umfang der Kommerzialisierung.“ Das ist Ausfluss der Love-Parade-Entscheidung. Das sind doch Fakten, die durch das Bundesverfassungsgericht gesetzt wurden. Das können Sie doch hier nicht negieren, können Sie nicht einfach ausschalten.
Was Sie komplett ausblenden, ist doch die Tatsache, dass fünf Länder Gesetze machen und RotRot-Grün in Thüringen keines machen möchte. Das wird doch einen Grund haben. Sie halten Sonntagsreden und verkünden, man muss sich gegen den rechten Mob wenden, aber wenn es ein Instrumentarium geben kann, dann verzichten Sie darauf, es in die Hand zu nehmen. Das kann ich am allerwenigsten akzeptieren. Das muss man doch in diesem Rund auch mal enttarnen.
Warten Sie ab! Ich glaube, das eine haben Sie bei Arthur Schopenhauers „Die Kunst, Recht zu behalten“ gelernt: Ich rede von § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Sie argumentieren zu Nummer 3. Kann man machen, muss aber nicht nachvollziehbar sein. Das kommunikative Anliegen – ich glaube, Sie können sich erinnern.
Aber, was ich Ihnen jetzt noch mal entgegenstelle, und da will ich gar nicht im Detail diskutieren: Sie sagen, es gäbe ein Instrumentarium. Genau das, Herr Geibert, ist falsch. Das Instrumentarium hat das Bundesverfassungsgericht über 30 Jahre mindestens wirklich jeder Versammlungsbehörde aufgeschrieben. Herr Scherer hat vorhin darauf verwiesen, das Bundesversammlungsgesetz ist von 1953. Ich gebe Ihnen recht, Herr Scherer: Wer das Bundesversammlungsgesetz zur Hand nimmt, versteht und liest das Versammlungsrecht nicht, sondern Sie müssen die Rechtsprechung der vergangenen Jahrzehnte danebenlegen. Dann haben Sie die tatsächlichen Anwendungsfälle. Was Sie aber suggerieren, dass wir jenseits dieser Rechtsprechung in Thüringen ein Instrument schaffen können, das das Versammlungsrecht neu regelt, ist
rundweg falsch. Wir müssen uns an dieser grundgesetzlichen, verfassungsrechtlichen Rechtsprechung orientieren.
Der Eindruck, den Sie erwecken, mag populär bei Ihnen klingen, aber er ist eben auch zutiefst gefährlich.
Vielen Dank. Herr Dittes, das ist ja wirklich eine interessante Diskussion. Endlich gibt es mal eine spannende Diskussion zu dem Punkt. Aber Recht und Rechtsprechung ist nichts Statisches. Das ist in Bewegung. Das wird immer wieder verändert. Es wird immer wieder angepasst.
Na, selbstverständlich. Aus der Wunsiedel-Entscheidung können Sie doch ganz deutlich entnehmen, dass man sagt, die Bestimmungen des Grundgesetzes sind Ausfluss der Erfahrungen aus der nationalsozialistischen Herrschaftszeit. Das hat eine neue Interpretation in Bezug auf das Strafrecht ausgelöst.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Ja, aber es braucht eine neue Interpretation des Bundesverfassungsgerichts, nicht des Lan- desverfassungsgerichts!)
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das entwickelt sich doch nicht durch Landesgesetze weiter!)
Jetzt sehe ich keine weiteren Wortmeldungen mehr aus den Reihen der Abgeordneten. Ich erteile jetzt dem Innenminister das Wort. Bitte schön, Herr Maier. Ich bitte um Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Geibert, Sie haben natürlich vollkommen recht: Bei so einem wichtigen Thema – auch, wenn der TOP viel
schneller drankam, als gedacht – muss sichergestellt sein, dass das verantwortliche Ministerium anwesend ist. Das wird noch mal Gegenstand einer Überprüfung der Abläufe in meinem Haus sein. Insofern tut es mir leid, ich bitte um Entschuldigung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor zwei Wochen hat der Präsident des Oberverwaltungsgerichts in Weimar, Klaus Hinkel, eine Vorlesung in der Verwaltungsfachhochschule in Gotha gehalten.
Die Verwaltungsgerichte und natürlich insbesondere das Oberverwaltungsgericht sind Hüter des Versammlungsrechts. Insofern war es hoch spannend, diesem Vortrag, dieser Vorlesung vor Hunderten von Studierenden zu lauschen. Es waren übrigens auch viele Vertreter der Kommunen anwesend bis hin zum Präsidenten des Gemeinde- und Städtebunds. Das hat noch mal deutlich gemacht, wie wichtig das Thema auch für die Gemeinden ist, insbesondere natürlich für diejenigen, die von dieser Plage ständig betroffen sind. Diese Ortschaften zerreißt es, aber das ist ein anderes Thema.
Was ich ausführen wollte ist Folgendes: Der Präsident endete mit folgenden zwei Sätzen an die Studierenden gerichtet: Die Rechtsordnung ist nur begrenzt wirksam gegen Gesinnung. Demokratie braucht Demokraten. – Er hat ausdrücklich auf das Bezug genommen, was vor 100 Jahren in der zweitschönsten Stadt Thüringens stattgefunden hat, in Weimar: Die Tatsache, dass dort eine Verfassung entwickelt wurde, die gut war, die aber gescheitert ist. Sie ist nicht daran gescheitert, weil die Verfassung nicht gut war, sondern sie ist daran gescheitert, weil es an Demokraten gemangelt hat. Ich glaube, das ist der wesentliche Satz, den er uns auch mitgeben wollte,