Die AfD-Fraktion wird auch in Zukunft sehr genau darauf achten, dass sich das linksextreme Milieu nicht aus Steuergeldern nähren kann. Und wir werden immer wieder anmahnen, dass die Mittel des Landesprogramms zur Bekämpfung jeder Art von Extremismus eingesetzt werden. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben heute das Thema „Unterschätzt die Landesregierung linksextremistische Gefahren in Thüringen?“. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann ganz kurz darauf sagen: ja. Natürlich will ich Ihnen meine Antwort auch begründen.
Thüringen konzentriert sich völlig zu Recht in erster Linie auf die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Insbesondere – wir haben es ja heute schon diskutiert – die Vorfälle rund um den 1. Mai zeigen deutlich, welch negativen Stellenwert der Rechtsextremismus besitzt. Dieser ist qualitativ und quantitativ das größere Problem. Aber ein Grund, über den Linksextremismus zu schweigen, ist das natürlich noch lange nicht. Laut aktuellem Verfassungsschutzbericht gibt es in Thüringen rund 130 gewaltbereite Linksextremisten. 2014 wurden in Thüringen 303 links motivierte Straftaten verzeichnet, darunter 31 Gewaltstraftaten. Nur zum Vergleich: 2013 waren es noch 192 links motivierte Straftaten und davon 24 Gewaltstraftaten. Im Vergleich dazu die rechts motivierten Gewaltstraftaten: 2013 waren es 49 und 2014 waren es 57. Ein Blick in den aktuellen Verfassungsschutzbericht von Thüringen offenbart noch eine weitere Erkenntnis: In Thüringen überwiegen seit Jahren die Aktivitäten gewaltbereiter Autonomer. Inspiriert von dem ihnen eigenen Antifaschismus-Verständnis nahmen Protest- und Blockadereaktionen zur Be- und Verhinderung rechtsextremistischer Veranstaltungen breiten Raum ein. Dabei kam es neben Sachbeschädigungen mitunter auch zu Angriffen auf Polizeibeamte. Linksextremismus ist im Vergleich zum Rechtsextremismus also keineswegs ein Randphänomen oder zu vernachlässigen. Und was macht Rot-Rot-Grün? Gemäß Koalitionsvertrag vom 20. November 2014 soll das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Homophobie umgewandelt werden.
Ich erinnere daran, dass in der letzten Legislatur die hier vertretenen Parteien ausgiebig alles diskutiert hatten und es gab dann hier, ich glaube, eine einstimmige Resolution, was dort alles hineingehört. Nun zählt das wahrscheinlich heute nicht mehr, aber das ist in der Politik manchmal so, was ich gestern erzählt habe, muss ja heute nicht mehr stimmen, vor allen Dingen bei der Koalition. Da frage ich mich, meine Damen und Herren, ist Rot-RotGrün blind oder wird die linke Gefahr bewusst in Kauf genommen oder ist sie sogar gewollt?
Linksextreme Strömungen gibt es auch innerhalb der Linken, in Thüringen zum Beispiel die Kommunistische Plattform oder die Vereinigung Cuba Si, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft werden.
Bitte? Schade, ich habe es nicht verstanden. Es dürften sich aber auch darüber hinaus Ideologiefragmente bei Mitgliedern der Linken finden, die man als linksextrem klassifizieren kann. Das gilt im Prinzip schon für alle, die zum Sozialismus der DDR zurückwollen.
Auch die Rede von „Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe“, wie es im Erfurter Programm der Linken von 2011 heißt, halte ich für keine vertrauensbildende Maßnahme. Debatten unter Demokraten zu verhindern, statt sie zu führen, ist kein Beitrag zu einer demokratisch-politischen Kultur.
Meine Damen und Herren, ich habe es schon mehrfach von dieser Stelle aus gesagt – ich bin nun schon lange Innenpolitiker: Egal, wo die Gewalt herkommt, ob von links oder von rechts oder von wem auch immer, Gewalt darf es in dem Land nicht geben und wir müssen alle gemeinsam dagegen aufstehen und wir dürfen nicht nur in eine Richtung schauen und auf einem Auge blind sein, sondern auch in die andere Richtung. Das erwarten wir auch von der Landesregierung.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe verbliebene Zuschauerinnen und Zuschauer und sonstige Zuhörer und Zuschauer am Livestream, wir erleben jetzt hier einen ideologischen Schaukampf. Ich habe gar nicht gewusst, was sich hinter dem Titel „Unterschätzt die Landesregierung linksextremistische Gefahren [...]?“ verbergen soll. Wir haben dann gehört, es gibt ganz verschiedene Facetten, die jeder der bisherigen Redner darunter
versteht. Da ist auf der einen Seite die Sorge, dass die Kriminalität, die auch auf der linken Seite politisch motiviert ist, zu wenig bekämpft wird. Da wird behauptet, dass das Landesprogramm jetzt nur noch einseitig ausgerichtet wird, aber was dahintersteht, ist immer noch dieser alte Extremismusbegriff, den wir eigentlich überwunden haben und überwinden wollten
und den auch die Wissenschaft überwindet. Wir haben in unserem NSU-Abschlussbericht einstimmig festgestellt: „Die gleichsetzende Wahrnehmung und Einordnung von ‚Links- und Rechtsextremismus‘ als sich gegenseitig bedingendes Problem an den Rändern der Gesellschaft ignoriert sowohl damalige als auch heute vorhandene Einstellungen und Verhaltensweisen in der ‚Mitte der Gesellschaft‘“. Deswegen gibt es Forschungen, die sagen: Was ist denn eigentlich Extremismus und wogegen sollen wir uns wenden? Extremismus – gerade da ist der Rechtsextremismus eben sehr viel stärker vertreten – ist hauptsächlich eine Ideologie der Ungleichwertigkeit von verschiedenen Menschen. Die gilt es zu bekämpfen und auf diesem Fokus liegt der Schwerpunkt des Landesprogramms und das ist auch richtig so.
Wir haben bei den gewaltbereiten Strukturen und Übergriffen nicht ständig zunehmende Fallzahlen, aber wir haben aufgrund des Aufmarschs der Neonazis, der zunehmend unverfrorener stattfindet und über den wir heute auch schon geredet haben, natürlich auch eine Zunahme an konfrontativer Gewalt und wir müssen dem vorbeugen. Aber die Ursache liegt hier in Thüringen im rechtsextremen Bereich. Auch wenn Sie in anderen Gremien dieses Landtags zuhören, dann wissen Sie, dass hier die Gefahren von rechts weitaus größer eingeschätzt werden – auch in den letzten Verfassungsschutzberichten –, als das von der linken Seite der Fall ist. Deswegen ist das eigentlich eine ideologische Scheindebatte, die hier von der AfD aufgemacht wird,
und ich will mal sagen, ausgerechnet von der AfD. Ich habe mich sehr gewundert, dass Sie sich trauen, ausgerechnet Sie, hier Extremismus zu brandmarken,
denn am weitesten überdurchschnittlich sind radikale Positionen, Demokratieverachtung einschließlich eines Achselzuckens bei Verdacht auf Begehung von Straftaten durch eigene Mitglieder wohl derzeit bei Ihrer eigenen Fraktion und durch Ihren
eigenen Vorsitzenden anzutreffen. So alt, wie Sie nach sechs Monaten aussehen, so alt sehen wir anderen Parteien noch lange nicht aus.
Deswegen sehe ich also Ihre sogenannte Aktuelle Stunde als ein Haltet-den-Dieb-Geschrei an, was von diesem jämmerlichen Bild, was Sie selber abgeben, nicht ablenken kann.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, das Thema „Linksextremismus“ beschäftigt das Parlament in jüngster Zeit durch die Kleine Anfrage 132 des Abgeordneten Henke über „Aktivitäten der linksextremen bzw. autonomen Szene in Thüringen in den Jahren 2013 und 2014“, die Kleine Anfrage 291 des Abgeordneten Zippel über „Wird das demokratiegefährdende Potenzial des Linksextremismus ignoriert?“ – beide beantwortet in der Zuständigkeit des Innenministers –, die Kleine Anfrage 255 des Abgeordneten Dr. Voigt über „Entwicklungsstand hinsichtlich der Beendigung der Gleichsetzung von Rechtsextremisten und Linksextremisten“, beantwortet in der Zuständigkeit des Bildungs- und Jugendministeriums. Es hat eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Brandner gegeben, die dieses Thema auch aufgreift. Hierzu ist schon durch den Fraktionsvorsitzenden der antragstellenden Fraktion zitiert worden sowie eine Besprechung im Mai des Jahres im Innenausschuss. Es kann also von einem Erkenntnisdefizit über die Position der Landesregierung angesichts dessen ebenso wenig die Rede sein wie von fehlendem Sachstand über Zahlen und Fakten und deren Bewertungen im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs.
Nun bin ich als Mitglied der Landesregierung weit davon entfernt, die Entscheidungen des Parlaments oder einer seiner Fraktionen zur Auswahl von Aktuellen Stunden zu kritisieren, bitte den Präsidenten gleichwohl, mir zu gestatten, festzustellen, dass in § 93 der Geschäftsordnung des Landtags formuliert ist, Aktuelle Stunden sind bestimmt bezeichneten Themen von aktuellem und allgemeinem Interesse vorbehalten. Was aus der Sicht der Fraktion der AfD an diesem Thema von aktuellem Interesse ist, hat sich auch nach dem Redebeitrag des Vertreters der antragstellenden Fraktion mir zumindest nicht erschlossen. Vielmehr erscheint es, dass die an
tragstellende Fraktion mit der Aktuellen Stunde dem Thema selbst erst eine aktuelle Bedeutung und Beachtung verschaffen möchte, die sich sonst kaum ergäbe.
Es ist durch den Vorsitzenden der antragstellenden Fraktion oder die die Aktuelle Stunde vorschlagende Fraktion bereits ausgeführt worden, dass die Landesregierung selbst in der Antwort auf die Frage 215 vom 28.04. festgestellt hat: „Grundsätzlich gefährden alle Formen des Extremismus die freiheitliche demokratische Grundordnung. Der Phänomenbereich ‚Linksextremismus‘ ist derzeit hinsichtlich der personellen Entwicklung weitgehend durch Stillstand und Stagnation gekennzeichnet.“ Der Vorsitzende, der hier gesprochen hat, hat zu dieser Aussage der Landesregierung wörtlich formuliert, dass es sich dabei um eine Lüge handeln würde. Das ist hier im Parlament zunächst unwidersprochen geblieben. Ich bin mir nicht sicher, ob das gleichwohl der adäquate Umgang mit einer Antwort der Landesregierung ist.
Die Landesregierung hat in ihrer Stellungnahme, anders als derjenige, der die Landesregierung einer Lüge zeiht, dafür eine evidenzbasierte Grundlage, denn in der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar wurde zwischen 2010 und 2012 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Projekt „Demokratische Kompetenzen im Diskurs entwickeln“ finanziert. Im Rahmen dieses Projekts wurde sich intensiv mit dem Phänomen Linksextremismus beschäftigt. Als Ergebnis fassen die Projektmitarbeiterinnen und Projektmitarbeiter zusammen, dass – ich zitiere mit Zustimmung des Präsidenten – „sich nach drei Jahren Projektdauer, intensiver Auseinandersetzung mit externen Partner(inne)n und über 400 Teilnehmenden […] sagen lässt, dass sich ein Vorhandensein linksextremer Einstellungen und Haltungen im Sinne eines Rückriffs aus [sic!] geschlossene linksextreme Welt- und Menschenbilder nicht konstatieren lässt.“ Die EJBW sieht dieses Projektergebnis als zentral an. Sie können das gern nachlesen in Lohe/Hofmann/Beier et al. „Fokus (Links-) Extremismus? Entwicklungen und (Zwi- schen-) Ergebnisse des Projekts ‚Demokratische Kompetenzen im Diskurs entwickeln‘“. Die Zeitschrift dürfte Ihnen vom Namen her vielleicht gefallen, „deutsche jugend“, Zeitschrift für die Jugendarbeit, 61. Jahrgang, Heft 6 (2013), Seiten 265 bis 272.
Wenn das Thema der Aktuellen Stunde der Wortlaut einer Mündlichen Anfrage wäre, würde ich Sie beantworten mit: Nein.
Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich den fünften Teil und damit insgesamt den Tagesordnungspunkt 19, Aktuelle Stunde.
Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes (Gesetz zur Einführung eines Gedenktags für die Be- freiung vom Nationalsozialis- mus am 8. Mai) Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/584 ERSTE BERATUNG