Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen stellt unsere bewährten Förder- und Sonderschulen keineswegs infrage. Die Forderung, behinderten Kindern Teilhabe am Bildungssystem zu garantieren, haben wir hier bereits in Deutschland umfassend und erfolgreich erfüllt. Die ideologisch motivierte Inklusion um jeden Preis verursacht erhebliche Kosten und hemmt behinderte wie nicht behinderte Kinder in ihrem Lernerfolg.
Wir als AfD Thüringen setzen uns deshalb mit Nachdruck für den Erhalt der Förder- und Sonderschulen sowie für das Prinzip des Elternrechts ein. Das heißt, die Eltern sollen auch weiterhin das erste Recht haben, ihre Kinder in spezialisierte und den Bedürfnissen ihrer Kinder entsprechende Einrichtungen zu schicken.
So unterstützenswert der Grundgedanke einer Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ist, so überarbeitungsbedürftig sind manche Überlegungen im vorliegenden Gesetzentwurf. Wir halten die Drucksache 6/6825 für sehr wertvoll und einer näheren Erörterung im Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit unbedingt diskussionswürdig und stimmen der Ausschussüberweisung zu. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächste spricht für die Fraktion Die Linke Frau Abgeordnete Stange.
Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne und am Livestream, seien Sie herzlich willkommen zu der heutigen hoch interessanten Diskussion für ein neues Gesetz zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Ich möchte mich zuerst recht herzlich bei den Gebärdendolmetscherinnen bedanken, die im Livestream für uns mitarbeiten,
damit über die Grenzen von Thüringen hinaus die Diskussion erlebbar wird. Gleichzeitig möchte ich mich bei den Sprachdolmetscherinnen und
Frau Herold, schauen Sie doch einfach mal in das Schulgesetz! Da ist alles formuliert, was Mitsprache anbelangt – § 7 sollten Sie nachlesen. Somit können Sie Ihre Falschbehauptungen und Fake News einfach ad acta legen und die Menschen nicht noch weiter verunsichern. Das wäre wichtig. Wichtig wäre auch, einfach mitzuteilen, dass es gar keine Sonderschulen in Thüringen gibt. Ich weiß gar nicht, woher Sie das haben. Es gibt Förderschulen und weitere Schuleinrichtungen, wie TGS, Gemeinschaftsschulen, Regelschulen, Gymnasien etc. – das ist Nummer eins.
Nummer zwei: Frau Meißner, mangelnde Wertschätzung haben Sie hier der Landesregierung vorgeworfen, mangelnde Wertschätzung habe sie an den Tag gelegt. Ich sage an der Stelle: Nein, es ist nicht mangelnde Wertschätzung, sondern es ist Wertschätzung. Denn in den zurückliegenden Jahren – und meine Vorrednerinnen haben es bereits genannt – ist durch die Landesregierung ein intensiver Diskussionsprozess mit den Vertreterinnen und Vertretern der unterschiedlichsten Verbände zu diesem Gesetzentwurf auf den Weg gebracht worden. Da kann man nur Danke sagen an die Landesregierung für diesen wirklich intensiven Diskussionsprozess.
Danke, dass Sie ihn so lange durchgehalten haben, und danke, dass wir heute einen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt bekommen haben, welcher wirklich das Wort „Inklusion“ in den Mittelpunkt gestellt hat. An der Stelle sage ich auch für die Linke: Wir schauen noch mal gemeinsam in die Thüringer Verfassung, denn da ist bereits von Anfang an beschrieben worden, dass in Artikel 2 Abs. 2 der Verfassung ein umfangreiches Nachteilsausgleichsgebot für Menschen mit Behinderungen in Thüringen existiert. Es wird jetzt mit diesem Gesetzentwurf weiter umgesetzt – das ist gut – und wir kommen mit diesem Gesetzentwurf dem Thema der Inklusion viel näher, als wir es je waren.
Ich sage auch – und das sage ich auch noch mal mit Blick auf die CDU-Fraktion, auch wenn Sie es nicht mehr gern hören wollen –, es ist so, dass nur durch den steigenden Druck – auch der Verbände, auch des Thüringer Gleichstellungsbündnisses – in den zurückliegenden Jahrzehnten Sie damals als CDU-Fraktion ein Thüringer Behindertengleichstellungsgesetz auf den Weg gebracht haben, worin das Thema „Inklusion“ nicht zu hören und zu lesen war. Es war immer von „Integration“ die Rede, Nachteilsausgleiche oder Ähnliches suchte Mensch vergeblich. Das hat sich jetzt mit diesem Gesetzentwurf geändert, der 16 Jahre später mit der Handschrift einer linken Ministerin auf den Weg gebracht wird, und das ist genau die Handschrift, die wir hier als Koalition von Rot-Rot-Grün auch gern sehen wollen und sehen werden.
Werte Kolleginnen und Kollegen, dem Gesetzentwurf – ich hatte es bereits erwähnt – liegen das Inklusionskonzept und der Inklusionsgedanke sehr nahe. Das sagt natürlich auch – und das haben wir auch bereits gehört – die UN-Behindertenrechtskonvention, denn diese ist für alle Vertragsstaaten, die sie unterschrieben haben, gültig. In circa vier Wochen werden wir die zehnjährige Ratifizierung dieser UN-Behindertenrechtskonvention hier begehen und der Gesetzentwurf passt sehr gut dazu. Er ist ein Paradigmenwechsel von dem jetzt gültigen Gesetz hin zu dem neuen, das muss man einfach auch immer wieder formulieren.
Ich will es noch mal sichtbar machen, weil die Themen „Integration“ und „Inklusion“ ganz oft in einen Topf geschmissen und verrührt werden. Aber es gibt einen großen Unterschied, denn Integration bedeutet, man schließt konzeptionell oder tatsächlich erst einmal Menschen aus, um sie dann mehr oder weniger großzügig wieder in die normale Gesellschaft hineinzunehmen. Ich sage immer: Wer heute von Integration spricht, der sagt eigentlich, es ist ein „Gnadenrecht der Mehrheitsgesellschaft“. Das bedeutet, man kommt von oben nach unten wieder in die Gesellschaft rein, das wollen wir nicht.
Wir wollen Inklusion, werte Kolleginnen und Kollegen. Und Inklusion heißt auch, alle Menschen gehören von Anfang an zur Gesellschaft, sind ein Teil der Gesellschaft, denn es wird die Tatsache akzeptiert: Alle Menschen sind unterschiedlich, sind anders und alle sind doch gleich im Sinne von Gleichstellung und gleicher Teilhabe, niemand ist draußen, sie sind alle eingeschlossen. Das ist wirklich Inklusion, wie sie nach den Buchstaben des Gesetzes steht, aber auch wie wir sie gemeinsam leben sollten.
In einer inklusiven Gesellschaft haben alle das gleiche Recht auf umfassende Teilhabe, auf ein selbstbestimmtes Leben, und das, werte Kolleginnen und Kollegen, wird auch mit diesem Gesetzentwurf weiter verankert und festgeschrieben. Ich sage auch: Bei Inklusion zugunsten behinderter Menschen geht es nicht um „wohlfeiles Mitleid“ von oben herab, es geht um Anerkennung und Respekt von behinderten Menschen auf gleicher Augenhöhe, werte Kolleginnen und Kollegen.
Und beim Thema „gleiche Augenhöhe“ kann ich es Ihnen nicht ersparen, noch mal ein paar Sätze zu der Aktuellen Stunde vom vergangenen Mittwoch zu äußern, als die Abgeordnete Muhsal hier in der Aktuellen Stunde von Bündnis 90/Die Grünen äußerte, so war es in der TA und bei dpa zu lesen – ich zitierte, werte Frau Präsidentin –: „Klimafanatiker schrecken nicht davor zurück, den Protest eines autistischen schwedischen Mädchens zu instrumentalisieren.“ Ja, wo sind wir denn hier, sage ich an der Stelle, Frau Muhsal.
Ich finde, das ist einfach skandalös, was Sie hier gesagt haben, denn in einer inklusiven Gesellschaft, die niemanden ausschließt, ist es egal, ob ein Mensch, der sich für ein wichtiges Problem, für ein wichtiges Thema persönlich engagiert, behindert ist oder nicht. Es zählt das persönliche Engagement des Menschen.
Das ist Ihr Bild von einem behinderten Menschen, Kollegin Muhsal. Wir sagen an der Stelle ausdrücklich: Das ist menschenfeindlich.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben vorhin schon viel über das Prinzip „Nicht ohne uns über uns“ gehört. Ja, das ist hier bei der Erstellung des Gesetzentwurfs ausdrücklich gelebt worden. Es ist in die Erarbeitung mit eingeflossen. Ich bin mir sehr sicher: Dieses Prinzip werden wir in der Anhörung, die wir gemeinsam beschließen werden, auch leben.
Mir ist es sehr wichtig, dass wir uns vielleicht auch gemeinsam über die demokratischen Fraktionen hinweg darauf verständigen, dass es uns in der Aussage darauf ankommt, dass es nicht sein kann, dass Menschen mit Behinderungen gesellschaftlich diskriminiert oder ausgegrenzt werden. Wir müssen alles dafür tun, dass konkrete Lebensumstände im Alltag so gestaltet werden, dass alle Menschen die
Meine Vorredner haben sich in ihren Reden schon auf verschiedene Paragrafen berufen, die wir in dem Gesetzentwurf lesen können. Ich werde das auch noch einmal tun. Für mich ist auch sehr gut und wichtig, dass in § 16 die Zielvereinbarungen genau formuliert worden sind, denn sie sind in unserem Sinne – im Sinne der Fraktion Die Linke – unter anderem ein Garant dafür, dass dieser Gesetzentwurf auch in allen Ministerien, in den öffentlichen Einrichtungen, in den kommunalen Einrichtungen umgesetzt werden kann. Man verständigt sich auf eine gemeinsame Verabredung.
Wichtig ist uns auch – und das haben meine Vorrednerinnen bereits gesagt –, dass das Thema der Barrierefreiheit jetzt einen höheren Stellenwert erhält. Es ist also vorgesehen, mehr zwingende Maßnahmen einzuführen. Dass der Finanzvorbehalt für die Kommunen endlich wegfällt, ist gut und richtig, denn das war in den zurückliegenden zwölf Jahren immer ein Argument, warum Kommunen nicht an der Barrierefreiheit gearbeitet haben.
Auch hervorheben möchte ich, dass § 14 vorsieht, die Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken so auf den Weg zu bringen, dass der Behördensprech, den wir alle oft verfluchen, endlich wegfällt. Man muss amtliche Schreiben verstehen können. Das hat nicht nur etwas mit behinderten Menschen zu tun, sondern auch Seniorinnen und Senioren oder eine Vielzahl von ausländischen Bürgerinnen und Bürgern haben es schwer, Behördenbescheide zu lesen und zu verstehen. Darum ist der Paragraf wichtig für alle in der Gesellschaft der in Thüringen lebenden Menschen.
Ich will ganz ausdrücklich an dieser Stelle auch § 15 „Verständlichkeit und Leichte Sprache“ noch einmal zitieren, wenn ich darf, Frau Präsidentin. In § 15 ist zu lesen: „Die Träger der öffentlichen Gewalt sollen mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in einfacher und leicht verständlicher Sprache kommunizieren. Insbesondere sollen sie diesen Menschen auf Verlangen Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke ohne zusätzliche Kosten in einfacher und leicht verständlicher Art und Weise erklären. Diese Erklärung kann durch die Träger der öffentlichen Gewalt sowohl in mündlicher Form als auch in schriftlicher Form in Leichter Sprache erfolgen.“ Ja, was wollen wir denn mehr? Das ist ein Meilenstein, den wir in diesem Gesetz vorgelegt bekommen haben. Leichte Sprache – Sie haben es vorhin erleben können – ist eine wirkliche Herausforderung für die Gesellschaft, damit Menschen mit Lernschwierigkeiten, ältere Menschen die Bescheide lesen
können. Das ist wichtig. Das werden wir im wirklichen Umsetzungsleben in den Kommunen und vor Ort erleben können.
Ich will noch einmal auf das Thema der Behindertenbeauftragten eingehen – sicherlich können wir uns in den Ausschussberatungen damit inhaltlich auseinandersetzen. Richtig ist die Ansiedlung des Landesbehindertenbeauftragten hier beim Thüringer Landtag. Das hat meine Fraktion in den zurückliegenden Legislaturen schon immer gefordert. Wir haben auch immer gefordert, dass er gemeinsam hier aus dem Hohen Hause heraus gewählt wird, dass die Vereine und Verbände ein Vorschlagsrecht haben und wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier entscheiden können, wen wir wählen werden, mit welchen Befugnissen er ausgestattet ist. Es steht hier drin.
Ihr Gesetzentwurf, Frau Meißner, ich muss es Ihnen noch einmal sagen, war ein Stückchen Abschreiben eines alten linken Gesetzentwurfs einer Legislatur davor. Das war nicht wirklich eigenständige Initiative. Sie wollten als Opposition versuchen zu punkten. Das haben Sie leider nicht geschafft, Frau Meißner. Das muss ich an der Stelle mal so formulieren.
Wenn wir den Gesetzentwurf verabschiedet haben, wird der Behindertenbeauftragte hier im Landtag in einer neuen Legislaturperiode von einem neuen Landtag gewählt. Das ist gut und richtig. Wir haben ihn auch mit Befugnissen ausgestattet. Man kann immer über alles reden. Wenn wir einen Konsens finden, dass man noch etwas verbessern kann, so werden wir das auch tun. Wir verschließen uns an der Stelle nicht.
Ein Wort will ich noch zu den kommunalen Beauftragten sagen: Ja, Sie haben die Chance, Sie können jetzt kommunale Beauftragte und kommunale Behindertenbeiräte in den Kommunen wählen, Sie können sie in ihre Arbeit bringen. Dafür stellt das Land immerhin schon ab dem Haushaltsjahr 2019 700.000 Euro zur Verfügung. Wir sollten uns gemeinsam anstrengen, dass diese 700.000 Euro auch in diesem Jahr noch bei den Kommunen ankommen, damit wir sie nicht in den Haushalt zurückgeben, sondern wir auch in diesem Jahr noch sagen: Für die Arbeit der kommunalen Beiräte und Beauftragten gibt es Geld. Das ist ein erster Anreiz, damit in den Kommunen das Thema „kommunale Behindertenbeauftragte“ nicht länger abgewehrt wird. An der Stelle bitte ich um sachliche, konstruktive und zügige Diskussion, denn die Verbände erwarten von uns, dass wir diesen Gesetzentwurf zeitnah verabschieden, vielleicht vor der Sommer
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, lieber Herr Pfeffer, sehr geehrter Herr Leibiger! Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre Worte am Anfang. Ich möchte mich auch anschließen. Ich bin sehr froh, dass wir heute hier im Landtag endlich das Thüringer Gesetz zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen beraten.
Damit sind wir endlich unserem Ziel ein gutes Stück näher gekommen, in Thüringen ein moderneres Teilhaberecht im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zu realisieren. Ich sage bewusst „nur ein Stück näher am Ziel“, denn der Weg zur Verwirklichung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe ist gerade für Menschen mit Behinderungen voller Hemmschwellen, Stolpersteine und Schranken. Mit diesem vorliegenden Gesetzentwurf sind wir ein Stück näher dran, diese Hindernisse ein wenig überwindbarer zu machen und Menschen mit Behinderungen die notwendige Unterstützung und Teilhabe zu geben.