Damit sind wir endlich unserem Ziel ein gutes Stück näher gekommen, in Thüringen ein moderneres Teilhaberecht im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zu realisieren. Ich sage bewusst „nur ein Stück näher am Ziel“, denn der Weg zur Verwirklichung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe ist gerade für Menschen mit Behinderungen voller Hemmschwellen, Stolpersteine und Schranken. Mit diesem vorliegenden Gesetzentwurf sind wir ein Stück näher dran, diese Hindernisse ein wenig überwindbarer zu machen und Menschen mit Behinderungen die notwendige Unterstützung und Teilhabe zu geben.
In § 1 heißt es nun – ich würde gern zitieren, Frau Präsidentin –: „Ziel des Gesetzes ist es, durch die Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen […] den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen inne wohnenden Würde zu fördern. Dabei wird ihren besonderen Bedarfen Rechnung getragen. […] Die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Dieser Aufgabe fühlt sich Rot-Rot-Grün verpflichtet. Deshalb wurde im Koalitionsvertrag als ein wesentliches Ziel dieser Legislatur die Überarbeitung des Gesetzes zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen festgeschrieben.
Nun wurde diese große Aufgabe mit dem vorliegenden Thüringer Gesetz zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen umgesetzt. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass der hier vorliegende Gesetzentwurf wirklich lange erwartet wurde – von vielen Menschen, schon in der vorausgegangenen 5. Wahlperiode. Damals war unter Schwarz-Rot eine bereits vorgesehene Novelle des Gesetzes gescheitert.
Doch heute beraten wir über den Gesetzentwurf. Wie allgemein bekannt ist: Was lange währt, wird schlussendlich gut, denn der Erarbeitung des Gesetzentwurfs ging ein intensiver Beteiligungsprozess voraus. Ein erster Arbeitsentwurf wurde zahlreichen Vereinen, Verbänden und Institutionen der Menschen mit Behinderungen und Trägern der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung gestellt. Im Resultat wurden zahlreiche Forderungen der Vereine und Verbände in den Gesetzentwurf aufgenommen und finden sich in dem nun vorliegenden Gesetzentwurf wieder. Diese Beteiligung war wichtig, wertvoll und hat wesentlich zu dem hier vorliegenden Ergebnis beigetragen. So waren die Vertretungen der unmittelbar betroffenen Bürgerinnen und Bürger von Thüringen an diesem wichtigen landespolitischen Gesetzesvorhaben wesentlich beteiligt – dafür an dieser Stelle mein herzliches Dankeschön.
Sehr geehrte Damen und Herren, rund 13 Prozent der Menschen in Deutschland leben mit einer Behinderung, 9,4 Prozent der gesamten Bevölkerung in Deutschland mit einer Schwerbehinderung. In Thüringen ist derzeit von etwa 380.000 Menschen mit amtlich festgestellten Behinderungen auszugehen. Davon haben circa 229.100 schwerbehinderte Menschen einen Grad der Behinderung von 50 bis 100 und circa 150.900 behinderte Menschen einen festgestellten Grad der Behinderung von 20 bis 40. Etwas mehr als die Hälfte, 51 Prozent, sind Männer, 49 Prozent Frauen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen also, dass dieses Gesetz ein wichtiges Gesetz ist, weil es einen großen Teil der Bevölkerung betrifft. Für diese Menschen regelt das Gesetz wesentliche Bereiche des Lebens neu und besser. Es wurde hier schon viel gesagt, ich möchte es auch nur noch einmal ganz kurz anreißen: So sind die Herstellung von Barrierefreiheit oder das Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und Leichter Sprache ein ganz wichtiges Thema oder andere Kommuni
kationsformen wie das Lormen ganz klar formuliert. Zudem erfährt die Stelle des Landesbeauftragten oder der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen eine Stärkung. Ich bin ganz bei Frau Pelke: Wir haben das in unserer Fraktion auch diskutiert und ich finde, wir sollten grundsätzlich auch der Wertigkeit halber über das komplette Beauftragtenwesen in Thüringen sprechen. Es kann nicht sein, dass das unterschiedlich gewertet wird. Aber die Stellungnahmen und die Gespräche haben uns davon überzeugt, dass wir das jetzt in den Gesetzentwurf so aufnehmen und das auch so weiterverfolgen.
Frau Meißner, ich weiß, jetzt fangen Sie wieder an, 2015 haben Sie das eingebracht. Wir haben das alles zur Kenntnis genommen. Es steht jetzt auch im Gesetz und es ist doch auch schön. Sie machen Ihre Arbeit als Opposition sehr ordentlich.
Also wenn Sie mal gelobt werden möchten, dann habe ich das jetzt hier getan. Aber, wie ich auch vorhin schon erwähnt habe, Sie haben es davor nicht geschafft, dieses Gesetz in diesem Hohen Haus zu verabschieden. Wir machen es doch jetzt. Wir haben lange die Verbände angehört. Ich habe es eben auch gesagt, die Ministerin hat es gesagt, Frau Pelke hat es gesagt, Frau Stange hat es gesagt: Noch mehr Beteiligung ging nicht. Deshalb ist es jetzt ziemlich spät hier im Landtag, das stimmt. Wir hätten es uns auch letztes Jahr gewünscht. Bei jedem Treffen mit Behindertenverbänden habe ich auch immer gesagt: Ich wünsche mir, dass es 2017 kommt – das haben wir nicht geschafft –, ich wünsche mir, dass es 2018 kommt. Aber jetzt ist es 2019 hier, und das ist doch toll. Ich bin total glücklich darüber.
Ich bin davon überzeugt, dass wir es in dieser Legislaturperiode hier noch verabschieden werden. Ich wäre froh, wenn wir das vor der Sommerpause noch hinbekommen, aber ich bin da auch ganz zuversichtlich. Wenn Sie uns dabei noch unterstützen würden, ist das doch eine tolle Sache. Wie gesagt, nachher beschließen wir in unserer Sondersitzung noch die Anzuhörendenlisten.
Ich möchte jetzt fortfahren und noch einige Aspekte sagen. Es wurde schon vieles gesagt, was dieses Gesetz alles bringt, und wir haben auch noch bei der Anhörung die Zeit, die eine oder andere Sache sicherlich noch mit aufzunehmen. Aber wenn wir
über ein selbstbestimmtes Leben sprechen, müssen wir die gesamte Gesellschaft in den Blick nehmen. Bei der Verwirklichung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe gibt es gerade für Menschen mit Behinderungen viele Hemmschwellen, Stolpersteine und Schranken. Diese Hindernisse ein wenig überwindbarer zu machen und die nötige Unterstützung zur Teilhabe zu ermöglichen, dem sind wir mit diesem Gesetzentwurf ein Stück näher gekommen und damit auch unserem Ziel, in Thüringen ein modernes Teilhaberecht im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zu realisieren.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen werden uns weiter vehement dafür einsetzen, dass Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe für alle nachhaltig erreicht werden. Dessen dürfen Sie sich gewiss sein. Ich freue mich auf den gemeinsamen Prozess, auf die weiteren Schritte und auf die zweite Beratung, auf die Anhörung in diesem Hohen Haus und bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich.
Und wir bedanken uns. Ich frage: Gibt es weitere Wortmeldungen seitens der Abgeordneten? Das sehe ich nicht. Möchte die Landesregierung noch sprechen? Ebenfalls nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung über die Ausschussüberweisung.
Es wurde Ausschussüberweisung von allen Rednern an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit beantragt. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe Zustimmung in allen Fraktionen. Gibt es Enthaltungen? Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Damit ist die Ausschussüberweisung des Gesetzentwurfs einstimmig festgelegt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Ach, auch der Gleichstellungsausschuss, ja? Okay, dann machen wir den Tagesordnungspunkt wieder auf. Wer stimmt der Überweisung an den Gleichstellungsausschuss zu? Ich sehe Zustimmung in allen Fraktionen. Wer stimmt dagegen? Niemand. Wer enthält sich? Das sehe ich auch nicht. Dann ist die Überweisung an diesen Ausschuss beschlossen.
Wir stimmen über die Überweisung an den Innenund Kommunalausschuss ab. Wer ist für die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss? Zustimmung bei der AfD und bei der CDU. Wer ist dagegen? Kann man sich einigen? Wer ist dagegen? Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in der Abstimmung. Ich bitte Sie, sich zu entscheiden. Gut. Wer ist dagegen? Einzelne Stimmen aus der Fraktion Die Linke. Wer enthält sich? Damit ist die Ausschussüberweisung angenommen.
Jetzt müssen wir noch über die Federführung abstimmen. Gibt es eine Beantragung? Federführung für den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit, ja? Gut. Wer für die Federführung des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Gesundheit ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe Zustimmung aus allen Fraktionen. Wer ist dagegen? Ich sehe keine Gegenstimmen. Wer enthält sich? Ich sehe auch keine Enthaltungen. Damit ist die Federführung festgelegt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte doch jetzt um Konzentration auf den neuen Tagesordnungspunkt und darum, die etwas diskussionswürdigen Abstimmungen des vorherigen Tagesordnungspunkts vielleicht auf später zu verlegen.
Beratung des Zwischenberichts der Enquetekommission „Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierungen in Thüringen sowie ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die freiheitliche Demokratie“ Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6818 - dazu: Maßnahmen zur Zurückdrängung von Rassismus und Diskriminierung in Thüringen umsetzen
Entschließungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6868 -
Vor der Aussprache erteile ich dem Vorsitzenden der Enquetekommission 6/1, Herrn Abgeordneten Tischner, das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Besucher auf der Tribüne und am Livestream, am 26. Januar 2017 hat der Thüringer Landtag mit breiter Mehrheit und nach sehr kontroversen Verhandlungen die Enquetekommission „Rassismus und Diskriminierung“ eingerichtet. Damit wurde einem Auftrag infolge der Aufarbeitung der schrecklichen Geschehnisse des NSU mit breiter Mehrheit hier im Thüringer Landtag Rechnung getragen. Es sind aber eben nicht nur diese Geschehnisse, die uns gemeinsam in der Kommission interessieren, sondern es ist insgesamt die Analyse der gesellschaftlichen und politischen Kultur Thüringens in Zeiten wahrzunehmender Spannungen in der Gesellschaft gegenüber einzelnen gesellschaftlichen Gruppen und einzelnen Menschen.
Nach zwei Jahren intensivsten Anhörungen und Diskussionen kann grundsätzlich festgestellt werden, dass die Analysen und Betrachtungen ein Gewinn sind. Sie sind zunächst ein Gewinn für die gesellschaftlichen Gruppen und einzelnen Menschen, denn die Kommission ermöglicht erstmals eine ernsthafte Befassung mit ihren Erfahrungen. Sie können ferner ein Gewinn für unsere parlamentarische Demokratie werden,
wenn es der Kommission gelingt, politische Handlungsfelder zu skizzieren und Maßnahmen zu beschreiben, die nicht weiter stigmatisieren, sondern eine mit Anstand und Respekt gelebte gesellschaftliche und politische Kultur fördern und leben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es hat sich gezeigt, dass trotz sehr konzentrierter Arbeit und meist langer Sitzungen der Kommission eine fundierte und umfassende Bearbeitung des komplexen Einsetzungsbeschlusses der Enquetekommission nicht im Eiltempo zu erzielen ist. Deshalb war es den Mitgliedern der Kommission auch nicht möglich, wie angedacht im I. Quartal 2018 einen aussagekräftigen Zwischenbericht für den Bereich der Bestandsanalyse vorzulegen. Dieser mit Mehrheit der Koalitionsfraktionen nun beschlossene Be
richt liegt heute mit insgesamt 296 Seiten vor. Er gibt einen Überblick über die umfassenden Arbeitssitzungen der Kommission.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen herzlich danken. Ich möchte zuallererst der Landtagsverwaltung danken, allen gegenwärtigen und ehemaligen Mitarbeitern, die die Kommission begleitet, beraten und unterstützt haben. Der offene Prozess einer Enquetekommission ist eine besondere Herausforderung für den juristischen Dienst, welcher bei der ergebnisoffenen und propädeutischen Vorgehensweise häufiger herausgefordert ist, alle strengen formalen, parlamentarischen Regularien und Erfordernisse auch zu wahren. Auch die inzwischen fast 400 versandten Einladungen an die Anzuhörenden sind ein immenser und ungewöhnlicher Aufwand für unsere Verwaltung.
Ich möchte zweitens als Vorsitzender herzlich allen Mitgliedern, insbesondere den wissenschaftlichen Sachverständigen der Fraktionen danken. Sie haben gerade bei der Erstellung des Zwischenberichts ein großes Engagement unter nicht einfachen Voraussetzungen gezeigt. Herzlichen Dank auch Ihnen dafür.
Ein dritter Dank gilt den fast 200 Personen, Institutionen, Verbänden und Behörden, die uns in den Anhörungen als Sachverständige mit ihren mündlichen und/oder schriftlichen Stellungnahmen in den vergangenen eineinhalb Jahren unterstützt haben.