Ein dritter Dank gilt den fast 200 Personen, Institutionen, Verbänden und Behörden, die uns in den Anhörungen als Sachverständige mit ihren mündlichen und/oder schriftlichen Stellungnahmen in den vergangenen eineinhalb Jahren unterstützt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit der Konstituierung der Enquetekommission im Juni 2017 sind aus meiner Sicht für die Arbeit in der Enquetekommission zwei Grundsätze arbeitsleitend gewesen. Der erste Grundsatz gilt im Prinzip der wissenschaftlichen Arbeitsweise. Was in Wissenschaft kontrovers diskutiert wird, muss auch in der Kommission entsprechend abgebildet werden. Hierfür gilt besonderer Dank den gerade genannten sachverständigen Mitgliedern der Enquetekommission. Gerade diese Mitglieder bilden den sehr wichtigen wissenschaftlichen Diskurs ab, der mal mehr und mal weniger gewinnbringend vom regelmäßig aufkommenden Diskurs ergänzt wird. Das können wir regelmäßig erleben. In diesem Sinne sei mir gestattet anzumerken, dass ich mir gewünscht hätte, dass dieser Diskurs auch im Zwischenbericht deutlicher wird. Dies ist leider nun erst über die Sondervoten erfolgt.
Der zweite Grundsatz lässt sich zusammenfassen mit: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Das wird glücklicherweise von allen Fraktionen geteilt. In diesem Sinne verständigten sich die Kommissionsmitglie
der in ihrer dritten Sitzung am 12. September 2017 auf ein Arbeitsprogramm, das folgende drei Phasen umfasst: als erste Phase die Informationsgewinnung, als zweite Phase die Informationsverarbeitung und als dritte Phase die Systematisierung der Ergebnisse. Mit der ersten Phase „Informationsgewinnung“ haben sich die Kommissionsmitglieder in insgesamt 18 Sitzungen intensiv auseinandergesetzt. Die Phase bildet den Schwerpunkt des nun hier vorliegenden Zwischenberichts und der Sondervoten, wenngleich der Bericht nur die Ergebnisse bis zur 11. Sitzung dokumentiert. Im Fokus der Informationsphase standen dabei Ursachen, Formen und Folgen der Verbreitung von rassistischen Einstellungen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, eine Analyse der politischen Entwicklung und Kultur in Thüringen anhand vorliegender wissenschaftlicher Untersuchungen unter Einbeziehung der Länder- und NGO-Berichte, Diskriminierungserfahrungen durch die Anhörung der von Diskriminierung Betroffenen, von Multiplikatoren und von Expertinnen, die Situationsanalyse der Strategien gegen Diskriminierung und Rassismus der verschiedenen Thüringer Ministerien und Behörden sowie Strategien anderer Bundesländer, des Bundes und der EU im Umgang mit Diskriminierung und Rassismus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Erstellung des Zwischenberichts haben sich die sachverständigen Mitglieder der Kommission in folgende vier Arbeitsgruppen aufgeteilt: die erste Arbeitsgruppe „Bildung“, die zweite Arbeitsgruppe „Polizei und Justiz“, die dritte „Öffentliche Verwaltung“ und die vierte „Weiterbehandlungsfelder“. Der Arbeitsaufwand in dieser Phase war für die einzelnen Sachverständigen außerordentlich hoch. Eine große Koordinierungsleistung musste bewältigt werden. Leider haben sich hierdurch aber auch die Befürchtungen bewahrheitet, dass die einzelnen Teile des Zwischenberichts durch dieses arbeitsteilige Verfahren in quantitativer und stilistischer Form auseinanderfallen. Waren manche Teile sehr deskriptiv, sind andere Teile schon vorausgreifend auf mögliche Handlungsfelder. Auch gab es von den sachverständigen Mitgliedern Rückmeldungen, dass die ursprünglich konsensual erarbeiteten Papiere vor Abgabe an die gesamte Kommission wie von Geisterhand ergänzt oder umgestellt wurden. All diese Dinge haben letztlich auch einen Zeitverzug in der Vorlage der Unterlagen zur Folge. Letztlich haben diese Differenzen in der Kommission dazu geführt, dass die CDU-Fraktion ein Sondervotum vorgelegt hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, um die Arbeitsintensität noch mal zu verdeutlichen, darf ich nummerisch ein paar Sätze ausführen: In den zu
rückliegenden 18 Sitzungen der Enquetekommission wurden insgesamt 94 Personen aus unterschiedlichsten Fachbereichen und Institutionen – regional sowie überregional – angehört sowie 80 schriftliche Stellungnahmen entgegengenommen. Gleichwohl gehört zur Ehrlichkeit, dass das Interesse der eingeladenen Anzuhörenden trotz vielfacher telefonischer Nachfragen und möglicher angebotener Sondersitzungen deutlich besser hätte sein können. Von 170 mündlichen Anzuhörenden haben letztlich nur 55 Prozent den Weg in den Thüringer Landtag gefunden. Noch dramatischer war es bei den schriftlich Anzuhörenden. Hier haben von 204 Eingeladenen lediglich 39 Prozent die Möglichkeit zur Stellungnahme genutzt. Wenn nur 46 Prozent – das heißt 174 von 374 – der extern Eingeladenen ihre Rechte auf Anhörung wahrnehmen, kann dies auch ein Signal dafür sein, dass die Betroffenheit und Relevanz von rassistischen und diskriminierenden Phänomenen nicht ganz so gespürt wird und vielfach vielleicht auch in Thüringen nicht gegeben ist. Das ist nicht zu kritisieren, aber es gehört zur Wahrheit über die Arbeit der Kommission mit dazu.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich frage, bevor wir in die Debatte einsteigen: Wünschen die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und die SPD das Wort zur Begründung des Entschließungsantrags? Nein. Dann kommen wir zur Aussprache. Ich rufe als Erste die Abgeordnete Berninger von der Fraktion Die Linke auf.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Zuhörerinnen am Livestream, liebe Romy und liebe Gäste hier auf den Zuschauerrängen, vielleicht haben Sie am Montag im Ersten – im Fernsehen – die Dokumentation „Heimatland – Oder die Frage, wer dazugehört“ gesehen. Dort wird am Ende der Dokumentation die 1975 in Celle geborene Schauspielerin İdil Baydar vorgestellt, die vielleicht einigen von Ihnen als Kunstfigur Jilet Ayşe bei YouTube bekannt ist. Frau Baydar ist – wie gesagt – in Celle geboren, hat die Waldorfschule besucht, in Berlin ihr Abitur gemacht und am Hamburger Schauspielhaus gespielt. Ihre Eltern sind türkischer Herkunft.
Frau Baydar wird von der Filmcrew in einem Café in der Karl-Marx-Straße in Neukölln interviewt – Zitat aus dem Film –: „für viele das Symbol für das
andere, neue Deutschland, dominiert von Zuwanderern. İdil Baydar mag die Cafés hier“, das erzählt die Sprecherin. Weiter sagt sie, „trotzdem ärgert sie, dass Filmteams ihr immer wieder Orte wie diesen vorschlagen, nie schicke Hotels oder Theatersäle – auch wir.“ İdil sagt dann: „Das ist so tief drin, dass man den anderen darstellen möchte in dem, was man denkt, was er ist“. Weiter sagt Frau Baydar, sie fragt ihr Publikum ganz oft: Sag mir mal fünf gute Sachen über Türken – und sie meint nicht den Dienstleistungsbereich oder nicht den guten Döner –, sag mir was aus der Kunst, aus der Wissenschaft, aus der Architektur oder aus der Literatur. „Das kann dir keiner beantworten, weil die Assoziation dahin überhaupt nicht geht. Das heißt, wir werden nie so erzählt.“
Dieses „wir werden nie so erzählt“ fand seine schlimmste Entsprechung in deutschem Behördenhandeln, seit im September 2000 die rassistische Mordserie des NSU begann. Barbara John, die Ombudsfrau für die Opfer und die Opferangehörigen des NSU, hat es im März 2012 auf den Punkt gebracht: Die Familien der Mordopfer seien nicht nur jahrelang alleingelassen, sondern – Zitat – „aus dem Kreis der Anständigen ausgeschlossen“ worden, indem man sie selbst verdächtigt hat, die Taten in irgendeiner Weise mitverursacht zu haben.
Diese Richtung der Ermittlungen – Sie erinnern sich alle, es wurde von „Dönermorden“ gesprochen, eine Soko „Bosporus“ eingerichtet, nach dem Mord an Michèle Kiesewetter wurde von einer „heißen Spur ins Zigeunermilieu“ gesprochen – begann unmittelbar nach dem Mord an Enver Şimşek, dem ersten Mordopfer der Jenaer Gruppe. Sie setzte sich dann bei allen folgenden Morden und Anschlägen fort. Es waren rassistische Ermittlungen im Fall NSU.
Nach gründlicher Ursachenforschung und Fehlersuche kam der erste Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss 2014 zu der einstimmig verabschiedeten Empfehlung: „Neben der Fortsetzung der Aufklärung sollte eine Enquetekommission ‚Rassismus‘ Maßstäbe setzen und beispielsweise Vorschläge für die öffentliche Auseinandersetzung mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entwickeln.“ Genau das versuchen wir in der Enquetekommission „Rassismus“ seit Sommer 2017. Der heute endlich vorliegende Zwischenbericht dokumentiert den Beratungsverlauf und erste Schlussfolgerungen.
Die wichtigste Etappe war, dass wir in der Kommission eine Basis für die Arbeit finden, eine Verständigung darüber, worüber wir eigentlich reden, wenn wir „Rassismus“ und „Diskriminierung“ sagen. Nach kurzem Disput, wie wir zu einer solchen Diskussionsbasis kommen – vorgeschlagen war einer
seits, dass die Fraktionen einen Textvorschlag unterbreiten, andererseits wurde vorgeschlagen, die sachverständigen Kommissionsmitglieder um ihre Expertise zu bitten –, entschieden wir uns für die parteipolitisch unabhängige Expertise und baten die sachverständigen Mitglieder um Stellungnahmen zu Ursachen, Formen und Folgen von Rassismus und Diskriminierung. Wir haben diese Stellungnahmen dann in der Enquetekommission in öffentlicher Sitzung diskutiert – wie übrigens alle Anhörungen, die wir durchführen, in öffentlicher Sitzung stattfinden. Sie sind alle herzlich eingeladen, die Arbeit der Enquetekommission zu beobachten.
Kurz gefasst beschreibt der Begriff „Rassismus“ die Unterscheidung von Menschen aufgrund zugeschriebener Gruppenmerkmale und dient der Ableitung oder der Konstruktion von Ungleichwertigkeiten aus Unterschieden. „Rassismus konstruiert Rassen, sodass (zugeschriebene) körperliche, kulturelle oder religiöse Aspekte oder Besonderheiten […] als genuine Gruppenmerkmale erscheinen, die für alle Gruppenmitglieder zentral bedeutsam seien und einen grundsätzlichen Unterschied zur ‚eigenen Gruppe‘ markierten“ – der Unterschied zwischen dem „wir“ und dem „die“, und zwar unabhängig davon, ob die betreffende Person der zugeschriebenen Gruppe tatsächlich angehört oder nicht.
Die Konstruktion von Rassen hat zum Effekt, dass eine eigene Gruppenidentität durch Abgrenzung von anderen geschaffen wird und dass Aggressionen, Ausschlüsse und Privilegien damit legitimiert werden. Zu institutionellem Rassismus kommt es, wenn durch Normen und Verhaltensweisen bestimmte Gruppen regelmäßig in alltäglichen Routinen im Zusammenspiel mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen zum Nachteil der von Rassismus und Diskriminierung Betroffenen behandelt werden.
Die Debatte um Rassismus in Deutschland ist durch epistemische Gewalt gekennzeichnet, also dadurch, dass den von Rassismus Betroffenen ihre Diskriminierungserfahrungen abgesprochen werden, dass sie geleugnet oder bagatellisiert werden, etwa wenn behauptet wird, die Juden seien einfach nur zu empfindlich, oder wenn man das N-Wort damit rechtfertigt, es sei überhaupt nicht böse gemeint, zum Beispiel wenn man über Schaumküsse spricht.
Bei der Diskriminierung handelt es sich um eine illegitime Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Zuordnung in bestimmte kulturelle oder soziale Kategorien. Zu institutioneller oder struktureller Diskriminierung kommt es, wenn durch Normen und Verhaltensweisen bestimmte Gruppen regelmäßig
in alltäglichen Routinen im Zusammenspiel mit den gesellschaftlichen Machtverhältnissen zum Nachteil der Diskriminierten behandelt werden, zum Beispiel wenn Kinder ausländischer Herkunft regelmäßig schlechtere Schullaufbahnempfehlungen bekommen als Kinder ohne Migrationshintergrund.
Diskriminierung läuft den Grundsätzen von Gleichheit und Gerechtigkeit zuwider und stellt eine Menschenrechtsverletzung dar. Im Gegensatz zum Rassismus ist die Diskriminierung nicht auf der Einstellungsebene angesiedelt, sondern auf der Handlungsebene. Die grundlegende Differenz zwischen der CDU-Fraktion und den Kommissionsmitgliedern der rot-rot-grünen Fraktionen bestand bei dieser Festlegung der Begriffsdefinition darin – und aus diesem Grund stimmten die CDU-Mitglieder auch nicht den getroffenen Begriffsbestimmungen zu –, dass die konservative Seite Rassismus und Diskriminierung eher als individuelles und nicht als institutionelles oder strukturelles Problem versteht und dass sie eine sozialpsychologische Herangehensweise präferiert. Sie versucht, die gefundene Definition als ideologisch motiviert zu diskreditieren, obgleich auch die Stellungnahmen der durch die CDU benannten sachverständigen Kommissionsmitglieder in diese Begriffsbestimmungen einbezogen wurden.
Der rot-rot-grüne Rassismusbegriff, um es einmal parteipolitisch zu sagen, wird von der CDU als umfassender oder erweiterter Rassismusbegriff bezeichnet, der auf – Zitat – „subjektiven Theorien“ beruhe, in die teilweise eigene Erfahrungen und solche von Teilen der Bevölkerung eingeflossen seien, von denen eine Verabsolutierung stattfinde und die nicht empirisch überprüfbar seien. Woran da eine individuelle Prävention anschließen solle, erschließe sich für die CDU nicht, so wurde argumentiert. Sie behauptet – Zitat –: „Wenn Rassismus und Diskriminierung als flächendeckende Probleme angenommen werden, ist die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen gegen wirkliche Formen von Rassismus und Diskriminierung zunehmend erschwert.“ Das Stichwort „epistemische Gewalt“ hatte ich schon erwähnt, Sie erinnern sich sicher.
Die CDU weiter: „Formen von Rassismus und Diskriminierung werden demzufolge als ein ‚fehlgeleitetes Verlangen‘ einiger Menschen verstanden, bei denen es gilt, Rahmenbedingungen zu schaffen, um dieses Verlangen abzustellen oder nicht-rassistisch zu entkräften.“ Rassismus und Diskriminierung werden als fehlgeleitetes Verlangen definiert; gleichzeitig unterstellt die CDU der Mehrheit in der Kommission, sie würde unwissenschaftlich arbeiten. Ich halte das für einen Antagonismus. Wir hätten uns wirklich gewünscht, die CDU-Abgeordneten
hätten einmal die Stellungnahmen ihrer sachverständigen Mitglieder Abou-Taam und Mannewitz gründlich gelesen oder zur Kenntnis genommen, was in der wissenschaftlichen Debatte aktuell diskutiert wird.
Meine Damen und Herren, die Kommission hat sich viel Zeit genommen, zivilgesellschaftliche Initiativen, Betroffenengruppen, Expertinnen anzuhören, die sich sowohl auf der wissenschaftlichen als auch der alltäglichen Ebene mit den Ursachen und Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung beschäftigen und auch viele Anregungen und Vorschläge in die Debatte eingebracht haben. Wir haben Behörden und Institutionen befragt, uns mit der Landesregierung über bereits bestehende Maßnahmen zur Prävention ausgetauscht und über institutionelle Rahmenbedingungen gesprochen, die Rassismus und Diskriminierung entgegenstehen oder aber möglicherweise befördern. Wir haben mit dem Zwischenbericht erste Schlussfolgerungen getroffen. Vorgeschlagene Maßnahmen diskutieren wir derzeit mit Expertinnen in einem weiteren Anhörungsprozess. Am übernächsten Dienstag zum Beispiel stehen die Themen „Gesundheit“, „Kultur“ und „Medien“ auf der Tagesordnung – in öffentlicher Sitzung übrigens, fühlen Sie sich alle herzlich eingeladen.
Einige der Schlussfolgerungen wurden im Übrigen auch schon im Landtag beraten, zum Beispiel gestern mit dem Antrag zur Fachkräfteentwicklung und seit Dezember mit der Schulgesetznovelle. Die Koalition hatte sich vorgenommen, Vorschläge der Kommission noch in dieser Legislatur zu implementieren. Durch den sehr verspäteten Start der Kommission würde das nichts werden, wenn wir damit auf den Abschlussbericht warten müssten. Aber das brauchen wir nicht, denn einige Aspekte sind ausdiskutiert und die Maßnahmen können umgesetzt werden. Dem dient unser Entschließungsantrag.
Daraus möchte ich noch einen Punkt herausgreifen, den Punkt 1 in den Forderungen: „Der Landtag bittet die Landesregierung, eine unabhängige und niedrigschwellig erreichbare Antidiskriminierungsberatungs- und Fachstelle einzurichten und deren Ausstattung und Arbeit entsprechend der Empfehlungen und Standards des Antidiskriminierungsverbands Deutschland und ECRI“ – das ist die Europäische Anti-Rassismus-Kommission – „anzupassen“. Die Betonung bei dieser Anti-Rassismus-Beratungs- und Fachstelle liegt in den Attributen „unabhängig“ und „niedrigschwellig erreichbar“. Von Beginn der Kommissionsarbeit an zog sich die dringende Bitte nicht allein der Betroffeneninitiativen durch, dass von Rassismus und Diskriminierung
Betroffene eine Stelle bräuchten, die nicht staatlich ist, die sich nicht hinter den dicken Mauern der Staatskanzlei versteckt und die nicht durch eine staatliche Person, eine bei der Landesregierung oder einer Behörde beschäftigte Beamtin, repräsentiert wird. Eine Stelle, bei der die Betroffenen ihr Problem vortragen können und die dann gemeinsam mit ihnen schaut, wie das Problem, die Diskriminierung behoben werden kann, an wen man sich wenden kann, welche Stelle für eine Beschwerde oder eine Petition zuständig ist. Eine von Verwaltung und Behörden unabhängige Fachstelle, die empathisch beraten und vermitteln kann, die wollen wir mit unserem Entschließungsantrag schon in den Gang bringen, damit wir sie spätestens nächstes Jahr haben.
Ich möchte mich abschließend dem Dank des Vorsitzenden bei allen Kommissionsmitgliedern – also denen, die demokratisch mitgearbeitet haben – anschließen, ganz besonders den sachverständigen Mitgliedern und all denen, die uns mit ihren Stellungnahmen und in den Anhörungen unterstützt und beraten haben. Das Ergebnis, der Zwischenbericht, kann sich sehen lassen, finde ich. Ich freue mich, dass es durch ein Lektorat gelungen ist, eine halbwegs verständliche Sprache zu finden. Ich freue mich auch darüber, dass der Zwischenbericht noch ins Englische und Arabische übersetzt werden wird. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Wesentlichen kann ich mit Dank und mit dem Mehrwert der Kommission an dem anschließen, was ich vorhin hier als Vorsitzender schon ausgeführt habe, ich sage aber gern noch ein paar Punkte aus Sicht der CDU-Fraktion zum Zwischenbericht der Enquetekommission und den Sondervoten.
Die CDU-Fraktion kritisiert weiterhin – und Frau Berninger hat es gerade auch noch mal sehr fair, finde ich, erläutert –, dass die Mehrheit der Kommissionsmitglieder von Rot-Rot-Grün die Definition dieser Begriffe, was Rassismus und Diskriminierung ist, mit Mehrheitsbeschluss festgelegt hat. Ei
nen inflationären Gebrauch dieser Begriffe, das heißt, ein weites Verständnis von Diskriminierung und Rassismus, sehen wir als CDU skeptisch, da sie dadurch konturlos und in der politischen Auseinandersetzung zu stumpfen Schwertern werden. Wenn Rassismus und Diskriminierung als flächendeckendes Problem angenommen werden, ist die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen aus unserer Sicht schwierig und geht an den wirklichen Formen von Rassismus und Diskriminierung zunehmend vorbei. Formen von Rassismus und Diskriminierung werden unserer Auffassung nach demzufolge als „ein ‚fehlgeleitetes Verlangen‘ einiger Menschen verstanden, bei denen es gilt, Rahmenbedingungen zu schaffen, um dieses Verlangen abzustellen oder nichtrassistisch zu entkräften.“
Der CDU-Fraktion war es vor allem wichtig, die in der Persönlichkeit liegenden Ursachen für rassistische Einstellungen und diskriminierende Handlungen nicht aus dem Blick zu verlieren, denn sie bieten aus unserer Sicht die wirksamsten Anknüpfungspunkte, um diese Phänomene zu bekämpfen. Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass auch extreme politische und religiöse Überzeugungen als Quelle entsprechender Einstellungen und Handlungen berücksichtigt werden müssen. Wir warnen deshalb davor, Schlussfolgerungen aus einem noch lückenhaften Lagebild abzuleiten, wie das heute mit dem Entschließungsantrag passieren soll.
Gern hätten wir bei den Anhörungen auch explizit das Thema „Rechtsextremismus und andere Formen des Extremismus“ behandelt. Die rot-rot-grüne Ausschussmehrheit hat es abgelehnt, eine von der CDU beantragte schriftliche und mündliche Anhörung zu diesem Teilaspekt durchzuführen. Wir finden diese Weigerung abenteuerlich, weil die Auseinandersetzung mit Rassismus dadurch in einem wesentlichen Punkt verkürzt wurde. Rassismus gilt als zentraler Bestandteil rechtsextremer Ideologien. Wenn sich die Enquetekommission damit nicht ausdrücklich auseinandersetzt, weicht sie der aggressivsten und gefährlichsten Form des Rassismus in ihrer Arbeit letztlich aus. Vielmehr wäre es gewinnbringend für die Schlussfolgerungen der Kommissionsarbeit, ergebnisoffen zu untersuchen, ob und inwiefern Rassismus für andere Formen des Extremismus eine Rolle spielt. Gern möchte ich in diesem Zusammenhang anführen, dass der NSU-Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ausdrücklich empfohlen hat und selbst Ministerpräsident Bodo Ramelow vor nicht mal 16 Monaten im September 2017 im Deutschlandfunk von einer Enquetekommission ge
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Dezemberplenum 2018 wurde von einer Kollegin aus den regierungstragenden Fraktionen die Behauptung aufgestellt, die CDU‑Fraktion habe im Kapitel B.II aus dem mehrheitlich beschlossenen Zwischenbericht abgeschrieben. Gern möchte ich diesen Punkt heute nochmals aufgreifen und richtigstellen. Die Kapitel des Zwischenberichts zum Teil B.II wurden in den Arbeitsgruppen der wissenschaftlichen Sachverständigen der Regierungsfraktionen und der CDU-Fraktion erstellt. Die Organisation für die Erstellung der Kapitel verlief explizit auf Wunsch der Wissenschaftler in Eigenregie und ohne eine Beteiligung oder Beeinflussung der Landtagsabgeordneten. Den Wissenschaftlern war es wichtig, einen Zwischenberichtsentwurf einzureichen, den man – Zitat – „aus einer wissenschaftlichen Perspektive verantworten kann“, so Frau Prof. Attia. Insbesondere in den Arbeitsgruppen zu den Kapiteln 4 „Öffentliche Verwaltung“ sowie 5 „Weitere Handlungsfelder“ hatten die von der CDU benannten Sachverständigen einen maßgeblichen Anteil an der Erstellung der Kapitelentwürfe. Der CDU-Landtagsfraktion war es dabei von Bedeutung, diesen wissenschaftlichen Schreibprozess auch in der späteren Entwurfsfassung nicht zu beeinflussen. Es galt für uns in dieser Phase die klare Trennung von Wissenschaft und Politik, so wie es von den sachverständigen Mitgliedern auch gewünscht worden war.
Mit Verwunderung haben wir daher in der Enquetekommissionssitzung im August 2018 zur Kenntnis nehmen müssen, dass zum einen Passagen und Textstellen in eine spätere Entwurfsfassung aufgenommen wurden, ohne dass die von uns benannten Sachverständigen dazu ihre Stellungnahme noch hätten abgeben können – trotz einer nachherigen namentlichen Nennung dieser Sachverständigen auf den Deckblättern der Kapitel; ich rede hier von Frau Dr. Panreck und Herrn Prof. Mannewitz. Zum anderen hat uns verwundert, dass eine Vertreterin der regierungstragenden Fraktionen öffentlich zu Protokoll gegeben hat, dass es für sie – ich zitiere – „keine Trennung zwischen Politik und Wissenschaft in der Enquetekommission“ gebe. Für die CDU-Landtagsfraktion war hingegen immer klar: Zweck einer Enquetekommission ist es, dass die benannten Sachverständigen die Politik objektiv bei der politischen Meinungsbildung beraten. Das Ziel darf es hierbei nicht sein, dass wissenschaftliche Positionen in Einzelanträgen der Fraktionen politisch abgestimmt werden, sondern vielmehr ist es von Bedeutung, dass der Zwischenbericht die wissenschaftlichen Kontroversen der jeweiligen Berei
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gern möchte ich auch noch einmal kurz auf die besagten Zitationen unseres Sondervotums eingehen, die letztendlich sogar zu einem Gutachten der Landtagsverwaltung geführt haben. Wie bereits eben zum Erstellungsprozess des Zwischenberichts ausgeführt, gibt es in den Unterkapiteln 2 bis 5 des Teils B.II selbstverständlich inhaltliche Schnittmengen aus der gemeinsamen Arbeit der Sachverständigen bei Absätzen und Textstellen aus dem mehrheitlich beschlossenen Zwischenbericht. Um wissenschaftlich sauber zu arbeiten, wurden die Textstellen im Fließtext jedoch direkt oder indirekt im Sondervotum der CDU-Landtagsfraktion kenntlich gemacht. Was war unser Anliegen damit? Mit den besagten Textstellen wurde auf der Inhaltsebene versucht, das Konsensuale bei der Erstellung des Zwischenberichts hervorzuheben – ich glaube, es ist auch wichtig, das Konsensuale zu zeigen –, und wir wollten den vorhandenen Dissens, der natürlich auch da ist, mit akzentuieren. Im Allgemeinen ging es uns bei den benannten Kapiteln um eine deskriptive Analyse der verschiedenen mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen der Anzuhörenden sowie der wissenschaftlichen Diskurse im bisherigen Verlauf der Enquetekommission.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, an einigen Stellen des Zwischenberichts werden aus unserer Sicht voreilig Handlungsempfehlungen abgeleitet, die mit den Betroffenen bis dahin auch gar nicht diskutiert wurden. Wir sind gerade erst dabei. Um es klar zu sagen: Die CDU lehnt deshalb alle vorgeschlagenen Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt ab. Auch Maßnahmen, die Institutionen wie die Schule, die Polizei, unsere Gerichte, die Bundeswehr unter einen rassistischen Generalverdacht stellen, lehnen wir konsequent ab.
Nach anderthalb Jahren Kommissionsarbeit kann es ein Zwischenfazit geben: Unserer Gesellschaft mangelt es an Anstand, unserer Gesellschaft mangelt es an Respekt. Anstand, Respekt, gegenseitige Rücksichtnahme und Achtung müssen wieder viel breiter in der Gesellschaft gelebt und eingefordert werden.