Protokoll der Sitzung vom 01.03.2019

Frau Herold, ich musste über Ihren Redebeitrag an sich nicht lachen, weil der nicht zum Lachen ist, weil der vor allen Dingen wie immer gezeigt hat, dass sich Ihr faschistisches Weltbild eben auch in dieser Enquetekommission erstreckt. Man muss nur mal Ihr Sondervotum lesen und man weiß, welchen Geistes Kind Sie sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind ja sogar nach wie vor der Meinung, dass es in dieser Welt Rassen gibt. Das ist Ihre Position. Wenn sich jemand hinstellt und sagt, dass das Konstrukt – so nennen Sie es ja, was wir als Rassismus verstehen – „Rassismus ohne Rassen“ Schwachsinn wäre, dann gehen Sie davon aus, dass es Rassen gibt, weil Sie grundsätzlich erst mal nicht leugnen, dass es Rassismus gibt. Gegenüber Deut

(Abg. Herold)

schen wollen Sie den ja konstruieren, was auch immer das sein soll.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Reden Sie bitte weiter!)

Aber von daher bleibt mir dieser Satz zu sagen: Das ist das übliche faschistische Zeug, was wir von Ihnen hier sonst auch hören.

Bei der CDU-Fraktion muss ich aber sagen, ist das eine tiefere Enttäuschung, weil ich da tatsächlich auch mehr erwartet habe. Ich möchte zwei Sachen tatsächlich wirklich von mir weisen: Niemand von uns in dieser Enquetekommission missbraucht den Begriff „Rassismus“ und wir gebrauchen ihn auch nicht inflationär.

(Beifall DIE LINKE)

Das, was wir getan haben, ist tatsächlich, genau zu definieren, worüber wir reden. Und warum haben wir es abgelehnt, uns auch noch mit dem Komplex „Rechtsextremismus“ zu beschäftigen? Diese Antwort ist relativ einfach. Wir haben uns in der Enquetekommission mit den Themen des strukturellen und des institutionellen Rassismus beschäftigen wollen, und das sind quasi die Bereiche des Rassismus, die sich in der Breite dieser Gesellschaft und auch in Institutionen und Behörden finden. Damit wollten wir arbeiten und darüber wollten wir tatsächlich reden, und das haben wir auch getan.

Der NSU-Untersuchungsausschuss setzt sich sehr intensiv mit dem Thema „Rechtsextremismus“ auseinander und eben auch mit dem ideologischen Konstrukt, das dem Rechtsextremismus zugrunde liegt, zu dem natürlich Rassismus gehört. Darüber hinaus würde ich mich sehr freuen, wenn wir diese Kritik, die wir hier gerade von Herrn Tischner gehört haben, im Alltag auch hören würden. Ich würde mich freuen und ich würde die CDU dazu einladen, sich stärker mit Rechtsextremismus in dieser Gesellschaft auseinanderzusetzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da haben Sie uns alle im Boot, da gibt es hier ein breites Bündnis in diesem Haus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich mit meinem Redebeitrag auf die Inhalte des Zwischenberichts und den vorliegenden Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen eingehe, möchte ich vorab einige Anmerkungen zur Erstellung des Zwischenberichts machen. Das auch deshalb, weil wir als Enquetekommission bis zum Herbst dieses Jahres auch noch einen Abschlussbericht mit konkreten Handlungsempfehlungen zur

Zurückdrängung und Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung in Thüringen vorlegen wollen.

Allein die Verfahrensdauer für die Erarbeitung des Zwischenberichts einschließlich der Sondervoten hat sich nun über fast ein Jahr hingezogen. Das ist umso erstaunlicher, weil der mit der Mehrheit der Kommission beschlossene Hauptbericht und das Sondervotum der CDU-Fraktion zu fast 90 Prozent identisch sind. Das heißt, der übergroße Teil des Berichts wäre in der Kommission einigungsfähig gewesen. Ich finde es deshalb sehr bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, diesen Teil gemeinsam zu beschließen und dann auch nach außen gemeinsam zu vertreten.

(Beifall DIE LINKE)

Vor allem im Interesse der von Rassismus und Diskriminierung betroffenen Menschen in diesem Land möchte ich an dieser Stelle deshalb noch mal an alle Beteiligten appellieren, bei der nun anstehenden Erarbeitung des Abschlussberichts nicht das Trennen in den Vordergrund zu stellen. Auch wenn nicht alle Punkte einigungsfähig sein werden, sollten wir in der Kommission dennoch versuchen, zunächst die unstrittigen Maßnahmen zu identifizieren und mit einer breiten Mehrheit zu beschließen und so die Situation für die Betroffenen zu verbessern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu Beginn meiner inhaltlichen Ausführungen möchte ich noch einmal an den Anlass zur Einsetzung der Enquete erinnern: Er bezieht sich – das hat Kollegin Berninger schon ausgeführt – auf eine Empfehlung aus dem NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags aus der vorherigen Legislaturperiode. Die Empfehlungen aus den NSU-Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern haben dementsprechend als Ansatzpunkte für die Arbeit der Kommission in den unterschiedlichen Themenfeldern gedient.

Der zweite Ansatzpunkt ergibt sich aus den menschenrechtlichen Verpflichtungen des Grundgesetzes und aus den von der Bundesrepublik ratifizierten, völkerrechtlich verbindlichen Menschenrechtsabkommen. In der Kommissionsarbeit wurde noch einmal deutlich, dass diese Verpflichtungen noch nicht vollständig umgesetzt sind. In den Staatenberichten des UN-Fachausschusses zur Antirassismuskonvention oder der vom Europarat eingesetzten Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz finden sich dazu Empfehlungen, an die wiederum in der Kommissionsarbeit angeknüpft werden konnte.

In dem nun vorliegenden Zwischenbericht finden sich in den unterschiedlichen Themenfeldern Vorschläge zu Maßnahmen, die geeignet sein könnten, die beschriebenen Defizite in der Umsetzung zu beseitigen. Als Koalitionsfraktionen haben wir zur Debatte des Zwischenberichts noch einen Entschließungsantrag eingebracht. Dazu haben wir sechs aus den im Zwischenbericht diskutierten Maßnahmen herausgegriffen, die in der Kommissionsarbeit von einem weit überwiegenden Teil der Anzuhörenden sowie der Kommissionsmitglieder unterstützt wurden und deshalb auch sehr wahrscheinlich in den Abschlussbericht einfließen werden.

Mit dem Antrag möchten wir deshalb anregen, dass zeitnah mit der Umsetzung der Maßnahmen begonnen werden kann. Da möchte ich auch noch mal Herrn Tischner ganz klar widersprechen: Wir haben uns hier nicht einfach irgendwie wild irgendwas ausgedacht, sondern es handelt sich dabei um Maßnahmen, die ein Großteil der Anzuhörenden tatsächlich auch explizit benannt hat, die in anderen Bundesländern teilweise schon umgesetzt und angewendet werden. Das heißt also, das sind keine wilden Hirngespinste von Rot-Rot-Grün, sondern das sind tatsächlich sinnvolle und zielführende Maßnahmen, um Rassismus in Institutionen und Behörden ganz konkret zu begegnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Da sind sogar Punkte aus dem CDU-Votum drin!)

Und es sind teilweise Punkte von der CDU, da muss ich der Kollegin Berninger recht geben.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: So ein Quatsch!)

Ich werde mich im Folgenden darauf beschränken, mich mit dem Themenfeld „Inneres und Polizei“ zu beschäftigen. In unserem Entschließungsantrag haben wir dazu unter der Ziffer II.2 die Weiterentwicklung der Polizeivertrauensstelle aufgenommen. Wir begrüßen, dass mit der Einrichtung der Vertrauensstelle im Dezember 2017 im Hinblick auf eine bürgerorientierte Polizeiarbeit eine Verbesserung erreicht wurde. Dennoch gibt es eine Fehlstelle zu konstatieren, denn bisher können sich nur von polizeilichen Maßnahmen betroffene Bürgerinnen und Bürger an die Stelle wenden. Wir halten es allerdings für sehr wichtig, die Zuständigkeit der Vertrauensstelle auch auf die Beschwerden und Anliegen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auszuweiten.

(Beifall DIE LINKE)

So soll vermieden werden, dass Polizistinnen und Polizisten berufliche Nachteile befürchten müssen, wenn sie problematische Entwicklungen innerhalb der Polizei ansprechen.

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: So ist es!)

Für die Beamtinnen und Beamten muss daher die Möglichkeit geschaffen werden, solche Dinge auch außerhalb der Diensthierarchie ansprechen zu können. Eine entsprechende Erweiterung des Auftrags der Vertrauensstelle könnte noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden, indem das Innenministerium eine entsprechende Anpassung in der Dienstanweisung für die Vertrauensstelle der Thüringer Polizei vornimmt.

(Beifall DIE LINKE)

Für meine Fraktion möchte ich aber unterstreichen, dass es sich bei der Umsetzung dieser Maßnahme nur um einen ersten Schritt bei der Weiterentwicklung der Vertrauensstelle hin zu einer echten Polizeibeschwerdestelle handeln kann. Die Weiterentwicklung der Vertrauensstelle zu einer unabhängigen und mit weiten Befugnissen ausgestatteten Beschwerdestelle halten wir als Grüne für unabdingbar.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir knüpfen damit bewusst an die entsprechenden Handlungsempfehlungen des ersten Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses in Ziffer C.III und die Empfehlung der ECRI in Nummer 63 des fünften Staatenberichts über Deutschland an. Da es für die Etablierung einer solchen Stelle allerdings einer gesetzlichen Grundlage bedarf, kann dies in dieser Legislatur leider nicht mehr komplett in Angriff genommen werden. Dennoch möchte ich auf der Grundlage der Anhörung aus der Enquetekommission kurz skizzieren, welche Kriterien für eine echte Beschwerdestelle nach unseren Vorstellungen erfüllt sein müssen:

Wirklich unabhängig ist die Beschwerdestelle erst dann, wenn sie aus der Exekutive herausgelöst und somit ihre institutionelle Unabhängigkeit sichergestellt ist. Wir fordern deshalb die Ausgliederung der jetzigen Vertrauensstelle aus dem Innenministerium.

(Beifall DIE LINKE)

In der Anhörung der Enquetekommission haben auch die Vertreter der Gewerkschaft der Polizei und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter darauf hingewiesen, dass sie es besser fänden, die Stelle außerhalb des Innenministeriums anzusiedeln. Das ist

also keine Minderheitenmeinung von R2G, sondern das sehen auch die Betroffenen so.

Wir schlagen vor, die Beschwerdestelle nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein als ein Hilfsorgan des Parlaments über einen Beauftragten dem Landtag zuzuordnen. Bei der Erweiterung der Befugnisse für die Beschwerdestelle würden wir uns gern an der Stelle der Beauftragten für die Landespolizei in Schleswig-Holstein orientieren.

Wie wichtig die Einrichtung einer Beschwerdestelle ist, verdeutlichen auch die aktuellen Vorfälle um rechtsradikale Chatgruppen in der hessischen Polizei und die mit NSU 2.0 unterzeichneten Drohschreiben gegen die Rechtsanwältin Seda BaşayYıldız und ihre Familie. Auch wenn die dortigen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, hat jetzt selbst der hessische CDU-Innenminister angekündigt, Konsequenzen aus diesem Fall ziehen zu wollen. So plant er unter anderem die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle. Ich kann nur hoffen, dass dieser Fall eines rassistischen Verhaltens von Polizistinnen und Polizisten nun endlich dazu führt, dass in der Zukunft ein solches Verhalten nicht mehr reflexhaft als Einzelfall abgetan wird, wie es ja auch die CDU heute wieder getan hat.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Auch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kann ein Einzelfall sein. Sie haben das immer noch nicht verstanden mit dem institutionellen und strukturellen Rassismus – aber gut.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Auch die strukturellen Probleme der Sicherheitsbehörden müssen in den Blick genommen werden. Wenn man einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ von 21. Februar glauben darf, hat das Bundesministerium letzte Woche jedenfalls mal wieder unter Beweis gestellt, dass dort kein entsprechendes Problembewusstsein existiert. Der Bericht handelt im Groben von den Dienstanweisungen zu den Bodycams der Bundespolizei. Da soll es möglich sein, dass die Aufzeichnungen zwar verwendet werden, wenn gegen Polizeibeamtinnen und -beamte vorgegangen wird. Wenn sich aber jemand über das Vorgehen von Polizeibeamtinnen und ‑beamten beschweren will, so darf das aufgezeichnete Material nicht verwendet werden. Das beweist uns, dass hier ein Problembewusstsein deutlich fehlt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt weitere Vorschläge im Bereich des Inneren, die wir in diesen Zwischenbericht aufgenommen haben. Beispielsweise geht es um das Verbot von Racial

Profiling im Polizeiaufgabengesetz und um die Erfassung von Fallzahlen in Thüringen – beispielhaft sei hier die PMK-Statistik zur politisch motivierten Kriminalität erwähnt. Um hier rassistische und andere Straftaten der Hasskriminalität besser erfassen zu können, bedarf es dazu auch verbesserter Aus- und Fortbildungsangebote für Polizistinnen und Polizisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus wollen wir ein Beratungsgremium für das Innenministerium einrichten, das eine Arbeitsgemeinschaft „Rassismus und Diskriminierung“ sein könnte.

Damit möchte ich zunächst schließen. Ich möchte noch betonen, dass wir uns natürlich eine bürgernahe und starke Polizei wünschen, die personell und materiell gut ausgestattet ist. Wir wollen aber auch, dass eine Polizei in der Lage ist, sich Kritik zu stellen. Ein modernes Staatsverständnis bedeutet eben auch, eine Fehlerkultur zu entwickeln.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)