Protokoll der Sitzung vom 01.03.2019

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich auch ganz herzlich insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen danken.

(Beifall DIE LINKE)

Ganz herzlichen Dank an die Kollegen in der Enquetekommission. Es ist mir eine Ehre, mit euch zu arbeiten, bei allem Streit, den wir häufig haben. Einen herzlichen Dank an die Landtagsverwaltung für ihre gute Arbeit. Ich erspare mir, von der AfD-Fraktion zu erhoffen, dass sie irgendwann mal konstruktiv mitarbeitet – ich glaube, das ist eine Illusion.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung von Herrn Abgeordneten Schaft, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, ich bin auch noch mal vorgegangen, um ein paar Sachen klarzustellen.

Ich meine, der Redebeitrag der AfD verwundert nicht. Eine Partei, die Rassismus und Diskriminierung fest in ihrem Denken und in ihren Zielen hat, sieht natürlich den Wald vor lauter Bäumen nicht.

(Abg. Henfling)

Insofern kann man das auf der Seite auch mal rechts liegen lassen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber was passieren muss, ist, die eine oder andere Aussage noch mal einzuordnen. Ich war doch ein bisschen verwundert, Herr Tischner. Einmal sagen Sie, wir hätten jetzt voreilig Maßnahmen in den Entschließungsbericht gepackt, die nicht mit den Betroffenen abgestimmt gewesen wären. Was wurde denn gemacht, als wir die Anhörung der Betroffenen hatten? Sie haben auf der einen Seite die Probleme klar benannt, aber uns auch gleichzeitig – ich sage jetzt einmal so – ins Hausaufgabenheft geschrieben, wie diese Probleme angegangen werden müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Die haben wir im weiteren Prozess versucht, mit weiteren Expertinnen noch einmal zu konkretisieren. Jetzt gerade sind wir in der Phase, dass wir schauen, ob diese Maßnahmen, die jetzt im Zwischenbericht stehen, tatsächlich umsetzbar sind. Da sei beispielsweise für den Bereich Arbeitsmarkt und Bildung erwähnt, dass alle Anzuhörenden – sowohl die der rot-rot-grünen Fraktionen als auch die Anzuhörenden, die die CDU-Fraktion benannt hat – sowohl beim Arbeitsmarkt als auch im Bereich Bildung alle Maßnahmen, die in dem Maßnahmenpapier stehen, grundsätzlich begrüßt haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann haben Sie gesagt, man müsste dem wissenschaftlichen Sachverstand vertrauen, das hätte man jetzt bei der Erarbeitung des Zwischenberichts nicht gemacht. Das ist doch aber auch ein Schlag ins Gesicht der Sachverständigen, die von der CDU-Fraktion benannt wurden,

(Beifall DIE LINKE)

denn auch sie haben doch wie die Sachverständigen von Rot-Rot-Grün gemeinsam an dem Zwischenbericht gearbeitet. Insofern vertrauen wir sehr wohl auf den Sachverstand der Sachverständigen der demokratischen Fraktionen in diesem Hause und eben auch auf den der Sachverständigen von Ihrer Fraktion. Was mich dann auch immer wieder ein Stückchen auf die Palme bringt, weil es die – ich sage es einmal so – ewig selbe Leier ist, ist, dass es keinen institutionellen Rassismus gebe oder dass es, wie Sie gesagt haben – ich habe es mir noch einmal aufgeschrieben –, kein flächendeckendes Problem sei. In dem Zwischenbericht steht, dass beispielsweise ausgehend vom Thüringen-Monitor festgestellt wurde, dass wir über die Jahre ein hohes Niveau von über 40 Prozent beim

Einstellungsmuster des Ethnozentrismus in Thüringen haben. Da kann man doch nicht von Einzelfällen reden, sondern muss sagen, dass es ein flächendeckendes Problem bei den Einstellungsmustern ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es ist doch aber auch keine pauschale Verdächtigung, sondern tatsächlich einfach zu sagen, wo denn die Probleme liegen. Ich will vielleicht als kleine Leseempfehlung noch einmal etwas mitgeben, nämlich einen Bericht in der „Thüringer Allgemeinen“ vom 18.02.2019, wo ein junger Mann aus Gera eine Situation schilderte, wo er einen jungen Marokkaner am Bahnhof trifft, der von der Erstaufnahme in Neumünster einen Brief bekommen hat, dass er in die Erstaufnahmestelle Gera soll – zu einem Zeitpunkt, wo die Erstaufnahmestelle Gera schon längst geschlossen war. Er bemühte sich dann den ganzen Abend über die Nacht hinweg bis zum nächsten Morgen, diesem jungen Menschen zu helfen. Egal bei welcher Behörde, sei es die lokale Migrationsbeauftragte, sei es die Polizei, sei es die Erstaufnahmestelle in Suhl, überall blitzte er ab. Da fiel beispielsweise, als er das Büro der Migrationsbeauftragten in Gera kontaktierte, der Satz, sein Engagement sei ja rührig, aber es sei das falsche Zeichen. Mit ähnlichen Argumenten wurde er auch an den anderen Türen und bei den anderen Telefonaten abgewiesen. Ich finde, er brachte es am Ende seines Berichts, nämlich was die Quintessenz des Begriffs des institutionellen Rassismus ist und warum diese Enquetekommission so wichtig ist, um zu schauen, wo die Probleme liegen, auf den Punkt, indem er dann schrieb: „Solange Hilfsbedürftige gleich welcher Herkunft auf das zufällige, individuelle und private Engagement Einzelner angewiesen sind, handeln die […] Behörden nicht nur fahrlässig, sondern menschenunwürdig.“

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau deshalb kann ich, wie gesagt, diesen Artikel einerseits nur empfehlen. Zum anderen – um es wieder in die Kommission zu heben – ist es doch genau das, was wir versuchen, mit dem Begriff des institutionellen Rassismus zu machen, nicht das, was immer wieder gesagt wird, dass wir Polizistinnen pauschal verdächtigen würden, dass wir Lehrerinnen pauschal verdächtigen würden. Nein, wir wollen schauen, warum es in bestimmten Behörden bestimmte Mechanismen gibt, die am Ende zu Rassismus und Diskriminierung und Ungleichbehandlung führen, und wie wir das abstellen können,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

vor allem, wie wir dabei die Personen in den Behörden stärken können, die an unserer Seite stehen.

Dann der letzte Punkt: Herr Tischner, Sie haben gesagt, es sei Quatsch, dass Punkte von der CDUFraktion auch in dem vorliegenden Entschließungsantrag seien. Dann schauen Sie doch einfach einmal unter Punkt 3, dem Normenscreening, ähnlich wie es schon bei der UN-Behindertenrechtskonvention stattgefunden hat, oder auch Punkt 6, die Organisationsentwicklung. Das sind beides Punkte, die sich so auch in dem Sondervotum der CDUFraktion wiederfinden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dann will ich vielleicht noch einmal auch im Hinblick darauf, dass gesagt wurde, es sei kein flächendeckendes Problem, nur noch mal kurz schlaglichtartig auf ein paar andere Handlungsfelder eingehen – Bildung wurde schon erwähnt, öffentliche Verwaltung wurde schon erwähnt, die Frage Justiz und Polizei. Das sind natürlich die großen Themenfelder, die auch in der Öffentlichkeit, wenn wir über Rassismus sprechen, immer wieder eine Rolle spielen. Aber wir haben in dem Zwischenbericht auch das Kapitel „Weitere Handlungsfelder“. Da tauchen dann so Themenfelder wie „Medien und Öffentlicher Raum“ auf, wo uns die Anzuhörenden darauf hingewiesen haben, dass beispielsweise die medialen Diskurse durchaus auch zu einer bestimmten Wahrnehmung beitragen, dass es um Repräsentationspolitik im öffentlichen Raum geht, wir uns also beispielsweise damit auseinandersetzen müssen, wie Straßennamen benannt sind, ob beispielsweise Straßen nach ehemaligen Kolonialherren benannt sind, weil das dann alles eine Rolle dabei spielt, wie wir mit unserer eigenen Historie umgehen, inwiefern wir das kritisch aufarbeiten und ob wir dann auch die Vielfalt, die mittlerweile in unserer Gesellschaft vorhanden ist, im öffentlichen Raum abbilden.

Wir haben den Themenbereich „Wohnen“ betrachtet, wo ich nur auf ein groß angelegtes Experiment aus dem Jahr 2017 verweisen kann, wo 8.000 Anfragen von Datenjournalisten aus dem „Bayerischen Rundfunk“ und dem „Spiegel“ gestellt wurden und am Ende herauskam – es wurde der Vergleich gemacht, einmal stellte die Anfrage für eine Wohnung Hanna Berg und einmal Ismail Hamed –, dass in jedem vierten Fall eher der Deutsche die Einladung zur Besichtigung der Wohnung bekam als die Person mit dem vermeintlich ausländischen oder migrantischen Hintergrund. Dabei sagen wir

die ganze Zeit, dass Sprache, Job und Wohnraum die drei Eckpfeiler für gelungene Integration sind. Aber genau das sind die Punkte, wo es tatsächlich immer noch zu Diskriminierung kommt und wo leider beispielsweise auch das Antidiskriminierungsgesetz immer noch zu kurz greift.

Und so können wir das dann durchgehen mit vielen anderen Themenfeldern, die noch kommen. Ich will beispielsweise noch abschließend auf den Themenbereich „Gesundheit“ verweisen, wo im Bericht zu lesen ist: „Zum Themenfeld Gesundheit wurden nur einzelne Aspekte in der Enquetekommission berichtet, etwa im Rahmen der Stellungnahme des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie“. Und das zeigt aus meiner Sicht, dass wir mit dem Ende dieser Legislatur bei dem Zwischenbericht nicht stehen bleiben dürfen …

Herr Abgeordneter, gestatten Sie – aber nein, Sie haben ja gar keine Zeit mehr.

Genau, ich wollte gerade zum Schluss kommen, deswegen nicht.

Die Zeit ist leider um, Prof. Dr. Voigt.

Ich will zum Schluss nur noch dafür plädieren, dass wir weder den Zwischenbericht noch den Abschlussbericht am Ende dieser Legislatur einfach ad acta legen und sagen, wir haben unseren Auftrag erfüllt, sondern die Aufträge und Maßnahmen, die uns der Bericht, die Betroffenen und die Anzuhörenden mitgegeben haben, jetzt schon anzugehen, keine Zeit verstreichen zu lassen, weil vieles davon bereits jetzt auch im aktuellen Verlauf bestätigt wird und weil wir es den Betroffenen von Rassismus und Diskriminierung und ihnen gegenüber verantwortlich sind, Rassismus und Diskriminierung in Thüringen zu beenden. Deswegen vielleicht auch der Appell, in der nächsten Legislatur mit einer weiteren Kommission fortzusetzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Tischner.

(Abg. Schaft)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will nur noch mal ganz kurz etwas sagen, weil wir jetzt ein paar Mal angesprochen worden sind und die Kollegen möglicherweise nicht ganz nachvollziehen konnten, wie wir argumentiert haben.

Sie können sich noch so viel Mühe geben, sowohl von Rot-Rot-Grün als auch von der AfD, den Dissens wegzureden. Der Dissens zwischen dem, was im Zwischenbericht steht, und dem, was wir im Sondervotum haben, ist eindeutig da und der Dissens entsteht eben gerade in der Definition dessen, was Rassismus und Diskriminierung ist. Alle Redner haben das auch anerkannt und haben gesagt, dass Rot-Rot-Grün einen Institutionenbegriff bei Rassismus und Diskriminierung pflegt und dass wir von der individuellen Ebene her denken.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt nicht! Wir ha- ben drei Ebenen! Sie blenden aber zwei aus!)

Natürlich gibt es Schnittmengen, das ist ja auch vernünftig. Es muss ja auch Schnittmengen geben, wenn die Kommissionsmitglieder gemeinsam in Arbeitsgruppen Papiere erarbeiten. Aber es ist eben nicht fair gewesen, dass die Kommissionsmitglieder, die Wissenschaftler Sachen erarbeiten und dann durch irgendwelche Dinge auf einmal Sachen fehlen oder hinzugedichtet worden sind, wo man sich eben ganz deutlich voneinander unterscheidet. Wer ein bisschen sozialwissenschaftlich bewandert ist, der weiß, dass es in der Sozialwissenschaft manchmal auch auf ein Wort oder auch nur auf eine Endung ankommt.

Und dann noch mal zu dem Thema „Handlungsmaßnahmen“: Ich habe vorhin ausgeführt, in welcher Phase wir den Zwischenbericht erstellt haben, nämlich in der Phase, wo es um die Informationsgewinnung ging, wo es darum ging, sich mit Betroffenen auseinanderzusetzen. Natürlich haben die einen oder anderen Betroffenen gesagt: Wir wünschen uns, dass wir dort eine Meldestelle kriegen, und wir wünschen uns da noch ein bisschen mehr Druck. Aber wir waren uns alle einig in der Kommission, dass wir gesagt haben: Die erste Phase gilt der Bestandsanalyse und nicht der Generierung von Maßnahmen, sondern die Maßnahmen werden nachher in der zweiten und dritten Phase diskutiert und besprochen. Und die zweite und dritte Phase laufen im Grunde erst seit der 15. Sitzung.

Der Zwischenbericht deckt nur die Beratungen bis zur 11. Sitzung ab und deshalb kritisieren wir, dass dieser Zwischenbericht – und auch der jetzt vorlie

gende Entschließungsantrag – irgendwelche Maßnahmen vorschlägt, die für Gesetzesinitiativen herhalten sollen, obwohl wir im Grunde noch gar nicht ausgiebig mit den verschiedensten Beteiligten gesprochen haben. Es ist wie im Parlament, man kann nicht einfach nur sagen, wir nehmen jetzt die CDU‑Ideen und setzen die mal um, sondern es gehört in der Demokratie dazu, dass man sich mit allen Betroffenen, mit Gewerkschaften, mit Arbeitgebern, mit Arbeitnehmern auseinandersetzt, welche Maßnahmen am Ende vielleicht sinnvoll sind.

In dem Sinne können wir uns vorstellen, dass wir am Ende vielleicht zu gemeinsamen Maßnahmen kommen – gerade im Bereich der politischen Bildung kann ich mir das vorstellen –, aber es wird sicherlich viele Punkte geben, die wir nicht mittragen können. Dazu zählen auch Punkte, die jetzt im Zwischenbericht angedeutet worden sind.

Herr Abgeordneter Tischner, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Berninger?

Vielen Dank, Herr Tischner. Ich will genau dazu noch mal nachfragen: Was wäre denn an der Überprüfung von Lehrinhalten und Lernmitteln auf beispielsweise Sichtbarkeit von betroffenen Gruppen oder rassismuskritische Inhalte noch zu diskutieren oder was wäre denn noch mit Anzuhörenden daran zu diskutieren, dass wir ein Normenscreening Thüringer Rechtsvorschriften und Gesetze auf rassismuskritische Inhalte durchführen wollen?

Wir sind doch derzeit dabei, in der Kommission genau das mit den Anzuhörenden zu diskutieren,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Aber was muss denn da noch diskutiert wer- den?)