Protokoll der Sitzung vom 27.03.2019

Thema: „Enteignung der Pflegebedürftigen in Thüringen stoppen – Notwendigkeit der Systemveränderung in der Pflegeversicherung“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 6/6978 -

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubitzki das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nur am Rande: Ich komme noch öfter heute.

Wir stellen zurzeit bei Gesprächen mit Menschen – in der Presse wird das dargestellt, aber auch bei Gesprächen, die im Wahlbüro geführt werden – fest, dass besonders Bewohner von Altenheimen jetzt neue Pflegevereinbarungen bekommen und dass ihre Beiträge für die Unterbringung im Heim bzw. Pflege im Heim teurer werden, dass sie mehr bezahlen müssen. Das Gleiche trifft auch auf Menschen zu, die ambulant betreut werden; auch hier steigen die Zuzahlungen. Es ist ja bekannt, dass ich in meiner Trägerschaft Pflegedienste habe. Selbst wir haben jetzt neue Pflegeverträge mit unseren Pflegebedürftigen abgeschlossen und die Erhöhung der Zuzahlung betrifft je nach Pflegegrad teilweise bis 250 Euro mehr. Warum ist das so gekommen? Weil wir zum Beispiel Pflegesatzverhandlungen mit den Krankenkassen geführt haben, im Interesse, dass unsere Pflegekräfte mehr Geld für ihre Arbeit bekommen. Es ist ja in diesem Land gesellschaftlicher Konsens, dass die Pflegekräfte eine angemessene, ihrer Arbeit entsprechende gerechte Vergütung bekommen sollen. Das wollen wir alle und das wird überall bekundet. Und hier an dieser Stelle habe ich schon öfter gesagt: Aber wie das System funktioniert, bezahlen das nicht die Pflegekassen – diese Gehaltserhöhung und die Lohnerhöhung für die Pflegekräfte –, sondern diese Erhöhung müssen die Pflegebedürftigen bezahlen. Und können die das nicht, bezahlen das die Kommunen.

Ursache dafür ist, dass die Pflegeversicherung eine sogenannte Teilversicherung ist, manche sagen auch, es ist eine Teilkaskoversicherung. Das heißt, die Deckelbeträge für die Pflegenden bleiben gleich, wird etwas erhöht, zahlen es die Betroffenen selbst. Und das ist nicht nur wegen der Gehaltserhöhungen für unsere Pflegekräfte so, sondern privat muss auch noch die Umlage für die Ausbildungsvergütung bezahlt werden. Wenn eine Pflegeeinrichtung ausbildet, werden eigentlich die Pflegebedürftigen in der Einrichtung bestraft, weil die

mit einer Umlage die Ausbildungsvergütung bezahlen müssen. Und es werden von den Pflegebedürftigen sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich Investitionskosten verlangt und eine Investitionsumlage. Das heißt, mit diesem System werden unsere Pflegebedürftigen enteignet – und das kann es nicht sein, da brauchen wir einen Systemwechsel. Der Systemwechsel kann nur darin bestehen, dass aus der Pflegeversicherung – aus dieser Teilversicherung – eine Vollversicherung wird.

(Beifall DIE LINKE)

Da wird gleich wieder die nächste Frage kommen: Vollversicherung bedeutet mehr Geld, wo nehmen wir das Geld her? Ja, da müssen wir uns alle tief in die Augen schauen: Entweder Beitragserhöhung oder – was wir favorisieren – wir bauen das System der Pflegeversicherung auf der Grundlage einer Bürgerversicherung auf. Jeder, der Einkommen erzielt, zahlt in diese Versicherung ein, ebenfalls die Beamten, Politiker und so weiter, damit mehr Geld in die Pflegekasse reinkommt. Oder wir müssen das System steuerfinanzieren. Nur das sind die Auswege aus der Krise, in der die Pflege zurzeit ist. Was Herr Spahn jetzt vorschlägt, die Deckelung der Eigenanteile und dergleichen mehr, das ist aus unserer Sicht nicht weit genug gegriffen, das ist Kosmetik am System. Wir brauchen eine grundsätzliche Veränderung.

An dieser Stelle muss ich natürlich auch sagen: Die Krankenkassen bezahlen keinen müden Pfennig mehr. Und wenn sich die Kassen aber hinstellen – und das habe ich selbst erlebt: Wenn sich der Chefunterhändler oder Chefverhandler, der extra aus Chemnitz kam, einer großen grünen Kasse, die für zwei Bundesländer zuständig ist, in den Gebührenverhandlungen so arrogant und überheblich hinstellt und ich mir Sätze gefallen lassen musste wie: „Herr Kubitzki, Sie sind selbst dran schuld, wenn Sie ältere Pflegekräfte beschäftigen, die viel Geld kosten!“, dann ist das einfach nicht richtig und ist falsch. Das sollten sich die Kassen mal überlegen, wie sie hier mit Pflegekräften umgehen.

Oder wenn ich einen Artikel lese, geschrieben von Hanno Müller in der TLZ: „Wer pflegt, kämpft allein auf weiter Flur“. Was hier drinsteht, dass Pflegebedürftige überfordert sind, die Rechnung zu verstehen, das stimmt, das erlebe ich manchmal jeden Tag. Aber was hier unterschwellig auch drinsteht, dass die Pflegedienste und -einrichtungen teilweise als Abzocker dargestellt werden, das ist in meinen Augen eine Riesensauerei. Und damit danken wir den vielen Pflegekräften nicht, die tagaus tagein, nachts, am Tag, am Wochenende arbeiten. Denen gehört unser Dank und dafür gehört sich auch eine gerechte Bezahlung.

(Beifall DIE LINKE)

Diesen Herrn Hanno Müller würde ich gern mal für eine Woche in meine Einrichtung einladen. Da kann er jeden Tag eine Doppelschicht fahren, da kann er Wochenenddienst machen, da kann er mal sehen –

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

wie das Leben einer Krankenschwester ist. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Thamm das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Enteignung der Pflegebedürftigen stoppen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist schon eine schwere Aussage und aus unserer Sicht pauschal nicht richtig. Ja, die Pflegeversicherung basiert auf einer Teilversicherung, wie Herr Kubitzki schon sagte, und ist keine Vollversicherung. Als solche war sie bei der Einführung in den Neunzigerjahren auch nicht gedacht. Und es ist auch richtig, dass sich in den letzten 25 Jahren die Uhren weitergedreht haben und wir heute andere Bedingungen haben, vor anderen Herausforderungen stehen. Und da macht natürlich besonders der demografische Wandel in der heutigen Situation das alles komplexer und schwieriger. Dieser Landtag hat sich zu dieser gesellschaftlichen Aufgabe schon mehrfach sehr intensiven Diskussionen unterzogen und auch im Haus bekannt. Ich erinnere daran, dass wir hier 2012 einen Thüringer Pflegepakt beschlossen haben und er 2015 gemeinschaftlich erneuert wurde. Dass diese neuen Rahmenbedingungen auch zu einer Kostenerhöhung führen, haben nicht zuletzt die Akteure auf dem Pflegemarkt immer wieder vorhergesagt.

Ich möchte an dieser Stelle aber darauf hinweisen: Wir stehen zu dem Pflegepakt und seinen Zielen. Die erzielten Ergebnisse in der Bezahlung sind richtig und wichtig. Sie steigern die Attraktivität des Berufs, des Images und stehen deshalb nicht zur Diskussion. Aber wir müssen uns schon Gedanken machen, wie die Pflege als gesellschaftliche Aufgabe auch zukünftig bezahlt werden soll. Dabei ist eine unterstützende Kofinanzierung über Steuern

(Abg. Kubitzki)

schon als eine Möglichkeit neben einer Steigerung der Beiträge zur Pflegeversicherung zu betrachten. Auch die Festschreibung des Eigenanteils an der Pflege ist ein Baustein im Konstrukt der Finanzierung.

Aber dabei pauschal von einer Enteignung zu sprechen, ist nicht gut und verbreitet Angst. Sie wissen genauso gut wie wir, dass es eine Einzelfallprüfung gibt, die sicher für den Einzelnen auch nicht einfach ist. Aber es gibt heute schon das Schonvermögen, sowohl für den zu Pflegenden als auch für den eventuell Unterhaltspflichtigen. Selbstgenutztes Wohneigentum muss nicht zwangsläufig veräußert werden, der Ehepartner kann im Haus oder in der Wohnung bleiben und auch die Kinder haben Selbstbehalt für ihren Lebensunterhalt von 1.800 Euro bei Singles, von 3.204 Euro pro vierköpfige Familie. Auch das Einkommen über dem Selbstbehalt wird nur anteilmäßig auf die Unterhaltsunterstützung angerechnet. Die Altersvorsorge in ihren verschiedenen Formen liegt bis zu 5 Prozent des Jahreseinkommens ebenfalls im Schonvermögen. Auch Rücklagen für Sanierungsarbeiten an den eigenen Immobilien sind laut eines BGH-Urteils von 2013 nicht zwingend aufzulösen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen also um die schwierige Situation nicht nur des Pflegepersonals, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Aus- und Weiterbildung, sondern auch der heutigen und zukünftigen Finanzierung der Pflege.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch zwei kurze Aussagen zur Finanzierung ansprechen. Zum Ersten ein Gutachten – von ver.di 2012 in Auftrag gegeben – von Prof. Lüngen aus Osnabrück. Herr Lüngen sagte damals schon, dass zu diesem Zeitpunkt die Vollversicherung der Pflege 13,25 Milliarden Euro zusätzlich kosten würde, und das vor dem Pflegestärkungsgesetz II, vor der Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade 2017.

Und noch eine zweite Meinung durch die PKV. Laut PKV würde die Vollversicherung entweder eine Beitragserhöhung auf sofort 6 Prozent oder ebenfalls Milliardenzuschuss bedeuten. So die Aussage 2018.

Zusätzlich müssen wir das alles mit dem Wissen betrachten, dass jetzt und heute noch die geburtenstarken Jahrgänge in die Pflegeversicherung einzahlen. Aber in zehn/fünfzehn Jahren werden die ersten dieser Jahrgänge als Einzahler wegfallen. Zusätzlich werden sie später Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen oder nehmen müssen.

Ein weiterer Punkt ist der Bedarf an Pflegeplätzen, der sich in den kommenden Jahren entwickeln wird.

Wer wird diese Menschen pflegen, wo wir heute schon von Fachkräftemangel sprechen und in Thüringen allein circa 25.000 Pflegekräfte bis 2035 ersetzen und ergänzen müssen?

Wir sollten mit diesem Wissen auf der einen und der gegebenen Notwendigkeit auf der anderen Seite immer auch die Folgen der Finanzierung und der Belastung der öffentlichen Haushalte beachten und genau beleuchten.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich bin gleich fertig – einen Satz noch.

Dabei müssen wir alle Rahmenbedingungen und Folgen in die Waagschale werfen und prüfen, wie wir die Aufgaben für die Menschen und mit den Menschen lösen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich jemanden auf der Besuchertribüne begrüßen, natürlich alle Besucher, aber den ehemaligen Landtagspräsidenten Herrn Dr. Frank-Michael Pietzsch. Herzlich willkommen hier im Haus!

(Beifall im Hause)

Wir setzen die Aussprache fort und als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Pelke.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Insbesondere an die Kollegen der Linksfraktion: Herzlichen Dank für diese Thematik, die heute hier auf der Tagesordnung steht. Ich will vielleicht auch aus einem Stück persönlicher Betroffenheit, aber auch insgesamt einfach sagen, das Thema „Pflege“ ist für jeden wichtig, das Thema „Pflege“ nimmt mittlerweile einen ganz großen Stellenwert in den Medien ein. Das Thema „Pflege“ ist trotz und alledem bei vielen Diskussionen ganz weit weg, bis zu dem Zeitpunkt, an dem man persönlich betroffen ist, in welcher Form auch immer, ob man selber pflegebedürftig ist, ob es sich um pflegende Angehörige handelt, ob es sich um Familienangehörige handelt, die beispielsweise in der Pflege, wo auch immer, arbeiten. Ich glaube, das macht die Sache auch so diffus: Es geht hier um Geld und wir wissen, dass im Pflege

(Abg. Thamm)

bereich unzweifelhaft ein ganz dringender Handlungsbedarf besteht.

Ich will es noch ein bisschen deutlicher machen. Ob die Frage der Enteignung in dem Zusammenhang der richtige Begriff ist, darüber kann man streiten. Aber ich will Ihnen anschließend an die Worte von Herrn Kubitzki noch mal deutlich sagen: Aus meiner Sicht ist die Lage im Pflegebereich mittlerweile bedrohlich, und zwar sowohl für die, die im Pflegebereich arbeiten, als auch für die zu Pflegenden und deren Angehörige. Es geht natürlich auch um Geld, das muss alles finanziert werden, aber es geht auch um die Kraft, die Menschen investieren, um diese Arbeit zu leisten. Das bezieht sich auf das hauptamtliche Personal und das bezieht sich auf diejenigen, die privat begleiten, selber pflegen und immer dabei sind. Deswegen ist der von dir, lieber Kollege Kubitzki, zitierte Artikel schon ein – aus meiner Sicht – wichtiger Ruf gewesen, weil man oft allein ist. Es ist die Frage von Wertigkeit für Arbeit am Menschen und mit dem Menschen. Ich glaube, wenn wir darüber reden, wie denn eine Vollversicherung – und keine Teilversicherung mehr – aus der Pflegeversicherung zu machen ist, dann geht es sehr wohl um die Frage, wie wir das finanzieren. Da hat Herr Kubitzki einiges gesagt. Herr Thamm, Sie haben es auch noch mal mit angesprochen. Da gibt es die Variante der steuerfinanzierten Regelung, Beitragserhöhungen, andere Möglichkeiten, die es gibt, die man in Ruhe beraten muss, die man diskutieren muss, das Thema „Bürgerversicherung“ ist an dieser Stelle auch nichts Neues, aber durchaus ein wesentliches Faktum, das mit einzubeziehen ist in die Diskussionen. Aber letztendlich – Sie haben es gesagt – müssen wir uns da tief in die Augen schauen und müssen einfach sagen, was uns die Arbeit am Menschen wert ist, um einen vernünftigen Pflegealltag zu gewährleisten, sowohl für die, die es tun, als auch die, die es brauchen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zahlen kennen Sie alle. Von allem, was mit dem demografischen Faktor zu tun hat, sind wir mittlerweile in Thüringen sehr intensiv betroffen. Nach Angaben der Arbeitsagentur kommen im Freistaat auf 100 offene Stellen nur 14 Fachkräfte. Im Jahr 2017 waren im Durchschnitt mehr als 730 Stellen im Pflegebereich nicht besetzt. Wir müssen also dringend handeln. Demzufolge ist auch die Thematik heute hier wichtig, wenngleich wir in dieser Aktuellen Stunde nicht alles thematisieren können. Aber wir wollen natürlich insbesondere auch alles in den Blick nehmen, nämlich die Perspektive der Pflegebedürftigen, der Angehörigen und der Fachkräfte. Nur wenn wir beides glei

chermaßen in den Blick nehmen und alle Interessen und berechtigten Förderungen sorgsam austarieren, wird das Ganze vernünftig zu regeln sein. Denn wir alle wissen, wenn wir mehr investieren und wenn wir mehr zur Verfügung stellen, dann werden sich die Kosten entsprechend erhöhen. Dazu habe ich eben schon was gesagt. Ich denke schon, dass wir mittlerweile dringlichst handeln müssen. Wenn es so ist, dass teilweise Pflegedienste keine Patienten mehr aufnehmen können, wenn es so ist, dass Sie drei Mal täglich Besuch vom Pflegedienst kriegen und drei Mal täglich dieselbe Person kommt, weil anders der krankheitsbedingte Ausfall nicht mehr auf die Reihe zu bekommen ist, dann ist es mittlerweile an der Zeit, dass wir dringlich zu all dem, was wir schon diskutiert haben und zu all dem, was schon gemacht worden ist, handeln müssen. Denn ich glaube – und ich will es an der Stelle noch mal sagen –, die Frage der Pflege ist ja nicht nur eine Frage von alten Menschen. In die Situation, pflegebedürftig zu werden kann jeder kommen – nach einem Unfall, nach einer Krankheit, nach einer Operation, wie auch immer. Insofern bitte ich wirklich: Wir müssen uns gemeinsam im Interesse der Menschen dieser Aufgabe stellen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Es spricht jetzt Frau Abgeordnete Herold von der Fraktion der AfD.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Internet, pflegebedürftig zu werden, gehört zu den größten Risiken im Leben eines jeden Menschen völlig unabhängig von seiner Lebensweise. Anders als bei Krankheit ist das Risiko der Pflegebedürftigkeit unter Umständen vermögensverzehrend. Eine Belastungsgrenze wie bei der Zuzahlung zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung existiert in der Pflegeversicherung nicht. In der Krankenversicherung liegt die Belastungsgrenze bei 2 Prozent der Bruttoeinkünfte aller im Haushalt lebenden Personen pro Kalenderjahr. Bei chronisch Kranken liegt die Grenze bei 1 Prozent. Damit ist die gesetzliche Krankenversicherung de facto eine Vollversicherung.

Wenn Pflegebedürftige liebevoll von Angehörigen in ihrer gewohnten Umgebung gepflegt werden können, finden wir das außerordentlich schön. Doch was, wenn keine Angehörigen diese Pflege über

(Abg. Pelke)

nehmen können, wenn kein ambulanter Pflegedienst unterstützen kann? Wir wollen, dass grundsätzlich keiner mit den weitreichenden Folgen, die Pflegebedürftigkeit nach sich zieht, alleingelassen wird. Das in Deutschland einmal gut entwickelte Netz aus Maßnahmen häuslicher Pflege und teilund vollstationärer Pflege kommt an seine Grenzen. Grundsätzlich funktioniert das System noch, muss aber ständig angepasst und fortentwickelt werden, um den Herausforderungen des demografischen Wandels wirkungsvoll begegnen zu können. Eine dieser Herausforderungen ist der seit Langem bestehende und nur sehr schwer zu behebende Mangel an gut ausgebildeten Pflegekräften, denn nur mit ihnen ist es möglich, unsere Alten und Kranken menschenwürdig und für die Betroffenen so angenehm wie möglich zu versorgen.

(Beifall AfD)

Diesem Missstand wurde nun mit einer überfälligen und deutlichen Anhebung der Vergütung der Pflegekräfte begegnet. Im Gefolge dieser notwendigen und angemessenen finanziellen Besserstellung der Pflegekräfte kommt es jetzt zu dem unerwünschten Nebeneffekt, dass die gesetzlich fixierten Zuzahlungen für die Pflegebedürftigen in den Heimen teilweise exorbitant steigen. Die finanziellen Ressourcen vieler Gepflegter werden damit völlig aufgebraucht, Sparvermögen und Wohneigentum müssen zur Bezahlung des Eigenanteils herangezogen werden. Wo Beides nicht vorhanden ist, werden die Angehörigen auf Leistungsfähigkeit geprüft und erst nachdem auch dort der Griff des Staates ins Leere geht, springen die Kommunen ein. Auch die Kommunen leiden zunehmend unter der Belastung durch ihren Sozialetat.

Die hier von den Linken vorgeschlagene Lösung für diese Kostenfalle klingt sehr einfach und ist es auch – allerdings im Sinne von simpel. Bevor der Gesetzgeber nach dieser einfachen Lösung greift, mehr Geld durch Beitragserhöhung in ein System zu pumpen, dessen Kostenentwicklung systembedingt immer nur einen Weg kennt, nämlich immer ansteigend, und es sich also einfach macht und nach einer Vollkaskoversicherung ruft, sollten wir uns Gedanken darüber machen, ob es nicht ergänzend zu den bisher vorhandenen Instrumenten auch sinnvolle Alternativen gibt.