Das ist auf jeden Fall eine Besonderheit. Es ist nicht ganz neu, dass dieses Thema aufgegriffen und auch ge- oder benutzt wird. Ich will aber dazu durchaus sachlich Stellung nehmen. Wir haben es eben schon von mehreren gehört: Die Regeln zum Religionsverfassungsrecht im Grundgesetz stammen – wie gesagt, es ist auch häufig schon darauf hingewiesen worden – aus der Weimarer Reichsverfassung und sind damit 100 Jahre alt. Die religiös-weltanschauliche Wirklichkeit aber hat sich ja – wie wir alle wissen – doch stark verändert, gerade auch hier in Thüringen. Die beiden sogenannten großen Volkskirchen sind nicht so groß. Mitgliedschaft und Zugehörigkeitsgefühl differenzieren sich stark aus und andere Religionsgemeinschaften sind in Deutschland auch längst – manche wieder – heimisch geworden. Weltanschauungsgemeinschaften sind entstanden. Eine zunehmende Anzahl von Menschen versteht sich auch selbst als nicht religiös und die religiös-weltanschauliche Landkarte Deutschlands wird zugleich individueller, aber auch pluraler. Thüringen macht hier gar keine Ausnahme. Insofern begrüßen wir durchaus Debattenbeiträge, denn Grüne verstehen die Entwicklung zu einer multireligiösen Gesellschaft als Chance und zugleich als Herausforderung. Übrigens habe ich auch Herrn Minister Hoff genau so verstanden, dass er sich die Debatte wünscht. Er hat das auch so gesagt und freut sich auf die Debatte. Insofern habe ich die Kritik von Herrn Kowalleck nicht so recht verstanden.
Selbstverständlich muss Politik auf diese Veränderungen aber auch reagieren und zeigen, dass sie gestaltungsfähig ist. Bündnisgrüne Politik nun wieder – das ist das, wofür ich hier stehe – ist Menschenrechtspolitik. Für uns ist deshalb die Orientierung am Menschenrecht der Glaubens-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit ganz maßgeblich. Sie muss in all ihren drei Dimensionen auch gesichert werden. Grundlegend ist zunächst die individuelle Religionsfreiheit. Sie ist gleichermaßen – das habe ich hier auch schon mehrfach ausgeführt – Freiheit zum Glauben, also das Recht, einen Glauben zu haben, zu pflegen und auszuüben, genauso wie auch die Freiheit vom Glauben, also das Recht, eben keinen Glauben zu haben.
Zur kollektiven Dimension der Religionsfreiheit gehört schließlich, dass Religion auch im öffentlichen Raum stattfindet – auch diese Debatte haben wir hier schon häufiger gehabt –, dass Religionsgemeinschaften auch als Akteurinnen und Akteure im öffentlichen Raum auftreten.
Bündnisgrüne Politik ist weiterhin auch Freiheitspolitik. Eine lebendige Demokratie und ein funktionierender Rechtsstaat sind Voraussetzungen für politische Freiheit, und hierfür wiederum braucht es eine starke Zivilgesellschaft. Zu dieser zählen – ganz klar – auch die Kirchen und viele andere Religionsgemeinschaften. Sie stellen eine wichtige Säule für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dar und sind konstitutiv für eine lebendige Demokratie.
Neutralität und Trennung von Religion, Weltanschauung und Staat bedeuten aber – das ist ganz wichtig – kein Kooperationsverbot. Wir Grünen stehen daher für das in Deutschland historisch gewachsene kooperative Modell und wollen dies – wo nötig – auch weiterentwickeln. Dies tun wir in Thüringen zum Beispiel bei der Ausgestaltung des Religionsunterrichts, der – so wie es auch in der Thüringer Verfassung steht – selbstverständlich im Verantwortungsbereich der Religionsgemeinschaften bleiben muss.
Die CDU hat sich in ihrem Antrag nun allerdings zwei Handlungsfelder herausgegriffen, für welche die Zuständigkeit des Landtags schlicht fehlt, da es Bundesangelegenheiten sind bzw. die im Fall der Ablösung der sogenannten Staatsleistungen zunächst durch ein Grundsatzgesetz des Bundes vorbereitet werden müssen.
Lassen sie mich zunächst einiges zur Kirchensteuer sagen. Die Kirchensteuer ermöglicht es den Kirchen, mit soliden und planbaren Beiträgen zu kalkulieren. Überdies sind diese Beiträge solidarisch, weil sie nämlich einkommensabhängig erhoben werden. Sie macht Kirchen in Deutschland im Vergleich zu den USA oder Frankreich auch weniger abhängig von den – ich sage das ganz deutlich – besonders frommen regelmäßigen Gottesdienstbesucherinnen und -besuchern. Das solide Finanzierungssystem hat die Kirchen für die Gesellschaft geöffnet und eben nicht radikalisiert. Vor diesem Hintergrund stellt für uns die sogenannte Kultursteuer, wie sie in Teilen von Südeuropa erhoben wird, keine praktikable Alternative dar. Denn eine solche Steuer wäre kein Mitgliedsbeitrag für die eigene Kirche, sondern ein Teil der Einkommensteuer, der eben einer Kirche oder einem sonstigen gemeinnützigen Zweck gewidmet werden kann. Wir sehen im Moment zu dem Kirchensteuersystem keine Alternative, zumal der Gesamtgesellschaft durch den staatlichen Kirchensteuereinzug finanziell gar keine Nachteile entstehen, weil die Kirchen für den Einzug mehr an den Staat zahlen, als dieses Verfahren den Staat überhaupt kostet. Das sei vielleicht auch noch mal den Kritikerinnen und Kritikern der Kirchensteuer gesagt. Innerhalb dieses Systems sind Reformen bei Einzelheiten durchaus
denkbar, etwa beim Datenschutz oder bei der Besteuerung von glaubensverschiedenen Ehen. Dies allerdings müssen wir auf Bundesebene angehen und eben nicht im Thüringer Landtag und da wiederum tragen Sie ja Verantwortung.
Ein weiteres Thema sind in dem Zusammenhang auch Religionsgemeinschaften, die sich eben nicht in das auf die deutschen Kirchen zugeschnittene Religionsverfassungsrecht integrieren lassen, aber unabhängig von Finanzierung aus dem Ausland werden sollen. Zum Beispiel wird eine Moscheesteuer nicht einführbar sein, da strenge Organisationsformen, wie sie bei unseren christlichen Kirchen üblich sind, dem Islam fremd sind. Die niedersächsischen Grünen haben daher eine Landesstiftung in die Diskussion gebracht, die Moscheegemeinden dabei unterstützen soll, in Deutschland ausgebildete Imame einzustellen und unabhängig von ausländischer Hilfe zu werden. Das ist übrigens ein Gedanke, den man – wie wir meinen – durchaus weiterentwickeln kann und der überdies in die Zuständigkeit des Landes fällt.
Nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 ist der Bund verpflichtet, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, nach der die Länder Gesetze zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen erlassen müssen, also jene Leistungen an die Kirchen, die ihren Ursprung in der Säkularisation kirchlichen Vermögens und sogar noch aus der Reformationszeit haben. 100 Jahre nach Entstehung des Ablösegebots in der Weimarer Reichsverfassung wird in zahlreichen Diskussionen gefragt, wann dieses denn nun in die Tat umgesetzt werde. Hierbei ist zu beachten, dass der Freistaat Thüringen, ähnlich wie übrigens die anderen östlichen Bundesländer, mit den Kirchen Verträge geschlossen hat, und zwar mit der evangelischen Kirche 1994 und mit dem Heiligen Stuhl 1997. In diesen Verträgen werden die altrechtlichen Staatsleistungen abgegolten, ohne aber den Begriff „Ablösung“ zu verwenden. Es wird dort anstelle früher gewährter Dotationen ein jährlicher Gesamtzuschuss an die Kirchen vereinbart. Die Staatsleistungen, von denen die Weimarer Reichsverfassung spricht, existieren also in dieser Form in Thüringen gar nicht mehr. Eine einseitige Änderung oder gar Aufhebung der Verträge durch den Freistaat ist damit gar nicht möglich. Die Rechtsverpflichtung bleibt auf beiden Seiten Rechtsverpflichtung. Während die vorgenannten Staatsleistungen bei den Kirchen auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik im kirchlichen Haushalt nur einen kleinen Teil ausmachen, liegt dieser Anteil bei den Kirchen auf dem Gebiet
der ehemaligen DDR bei rund einem Fünftel. Mit anderen Worten: Die Kirchen in Thüringen sind auf die Zahlungen aus den Verträgen mit dem Freistaat angewiesen, wenn sie weiter ihre Arbeit leisten wollen. Und dies sollten sie aus Sicht von uns Grünen tun, denn sie sind für uns, wie eingangs bereits dargestellt, unverzichtbarer Bestandteil der Zivilgesellschaft.
Der Antrag der CDU greift zum einen in die Zuständigkeit des Bundes ein und ergeht sich im Übrigen in Mutmaßungen und Selbstverständlichkeiten. Er leistet daher leider keinen sinnvollen Beitrag zum gedeihlichen Miteinander zwischen Kirchen, anderen Religionsgemeinschaften und dem Staat und ist daher abzulehnen. Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Kowalleck, Sie haben mir ja Spaß gemacht zu Beginn Ihrer Rede.
Und zwar, was ich mich wirklich frage ist, wie man nach einem Sofortbericht, wo man eindeutige und klare Aussagen der Landesregierung zu Ihren Fragen hört –
nein, ich habe zugehört im Gegensatz zu Ihnen offensichtlich – sich hier hinstellt und dann sagt: Oh, Herr Minister, jetzt haben Sie sich aber hier ganz schön gewunden, und dann ganz große Probleme hat, zu seinem Redemanuskript zurückzukommen, weil man ja vorhatte, dieses Thema weiter zu skandalisieren. Und dummerweise gab es klare Aussagen der Landesregierung und das kann man dann offensichtlich von Ihrer Seite nur damit kommentieren, dass es angebliche Nebelkerzen sind, die hier geworfen worden sind. Das finde ich lustig. Deswegen hat mich das durchaus sehr gefreut.
Sie haben in Ihrem Sofortbericht zu den Punkten, zu denen Herr Prof. Dr. Hoff gesprochen hat, eine klare Aussage bekommen. Das dürfte auch Ihren Pressesprecher freuen, der ja heute erst wieder bei Twitter eine Stellungnahme von Rot-Rot-Grün zu den Äußerungen von Bodo Ramelow gefordert hat.
Das halte ich für erledigt in diesem Zusammenhang. Und ich will Ihnen auch eines sagen: Wenn Sie wirklich glauben und das hier auch noch mal betont haben in Ihrer Rede, dass der Minister Hoff in seinem Sofortbericht gesagt hat bzw. quasi die Debatte dazu abkanzeln würde, dann kann ich Ihnen nur sagen, genau das Gegenteil war das Fall. Denn er hat bis zum Schluss gesagt, er freut sich auf die Debatte. Und wenn Sie sich darüber beschweren, dass der Ministerpräsident nicht da ist und Ihnen Rede und Antwort steht – ich kann Ihnen immer nur empfehlen: Wenn Bodo Ramelow ein gesellschaftspolitisches Thema anspricht und Sie dazu sich mit ihm austauschen möchten, dann laden Sie ihn doch einfach mal ein.
(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Wir sind hier im Plenum. Die ganze Zeit sprechen Sie über mich! Sprechen Sie doch mal zum An- trag!)
Ja, eben, wir sind hier im Plenum und wir behandeln zum zweiten Mal auf Grundlage der CDUFraktion ein – und jetzt kommt es wieder – Luftschloss. Möchten Sie mir vielleicht auch zuhören? Ich habe Ihnen auch zugehört.
Der Punkt ist, Sie stellen sich wieder hierhin und hantieren jetzt sogar mittlerweile mit neuen Zahlen, auch das finde ich total spannend. Als Sie angefangen haben mit der Debatte um die Kultursteuer und an die Wand malen wollten,
dass das jetzt losgeht und Bodo Ramelow das jetzt einführt, und zwar bundesweit, da haben Sie argumentiert, mit Zahlen angefangen von 34 Millionen bis 200 Millionen. Heute – und das wird beweisen, dass ich Ihnen gut zugehört habe – haben Sie von 36 Millionen bis 330 Millionen erzählt. Es muss Ihnen ja auffallen in der Diskrepanz, dass Sie überhaupt gar keine Grundlage haben, weswegen wir hier im Thüringer Landtag über etwas reden, was es nicht gibt. Sie haben heute gehört, es gibt keine Bundesratsinitiativen, es gibt keine Vorhaben der Landesregierung, irgendwelche Gespräche zu suchen, um Staatskirchenleistungen abzuschaffen, um die Kultursteuer einzuführen und die Kirchensteuer abzuschaffen. Ich wiederhole mich – und deswegen finde ich das sogar ein bisschen schade, dass ich mir immer keine Redemanuskripte aufschreibe, weil ich mir sonst das von der Aktuellen Stunde jetzt mal nach vorne geholt und einfach noch mal vorgelesen hätte –: Bodo Ramelow kann als einzelner Mensch und auch im Übrigen nicht als
Ministerpräsident alles auf Bundesebene regeln. Wenn Sie das sozusagen immer insinuieren, dass er, weil er einen Gedanken hat, einen Vorschlag macht, eine gesellschaftspolitische Debatte aufmacht, dann sofort übrigens Ihre Bundesregierung losrennt und Dinge umsetzt, dann frage ich mich: Worüber reden wir denn hier eigentlich? Sie wissen ganz genau, dass das nicht der Fall ist, und Sie machen mit diesem Antrag eines, Sie wollen nur noch mal an die Wand malen dürfen, dass angeblich jetzt hier große Steuererhöhungen auf uns warten, weil Sie ganz, ganz dringend und krampfhaft nach einem finanzpolitischen Thema für den Wahlkampf suchen. Mehr ist es nicht!
Denn wenn Sie mal in einem Antrag etwas vorlegen würden, was Tatsachen und Grundlagen betrifft, mit denen sich der Thüringer Landtag beschäftigen kann, bin ich gern bereit, über alles zu reden. Aber so machen Sie eines und Sie werden es weiter tun: Auch wenn der Minister im Sofortbericht Ihnen heute klare Aussagen gegeben hat zu all Ihren Fragen und eigentlich Ihre Bedenken, die Sie offenbar haben, längst ausgeräumt sein müssten, freue ich mich jetzt schon wieder, heute Abend und morgen bei Twitter alle Mutmaßungen zu lesen, dass ja hier das alles nicht stimmen würde, was der Minister Ihnen heute erzählt hat. Und das, lieber Herr Kowalleck und liebe CDU-Fraktion, ist unredlich. Schönen Abend.
Gibt es noch Redebedarf von hier vorne? Nein, das ist nicht der Fall. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I des Antrags erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch?
Nein. Es hat niemand widersprochen. Gut. Dann müssen wir über die Nummern II und III des Antrags abstimmen. Frau Abgeordnete Tasch.
Dann ist eine namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführer, sich mit den Urnen bereitzuhalten.
Hatten alle Kolleginnen und Kollegen die Gelegenheit, ihre Karte einzuwerfen? Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um Auszählung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Nummern II und III des Antrags der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/6965 bekannt geben. Es wurden 69 Stimmen abgegeben: 23 Jastimmen, 41 Neinstimmen, 5 Enthaltungen (namentliche Ab- stimmung siehe Anlage). Damit sind die Nummern II und III des Antrags in Drucksache 6/6965 mit Mehrheit abgelehnt.
Damit kann ich auch diesen Tagesordnungspunkt und gleichzeitig auch die Sitzung schließen. Ich freue mich, Sie morgen früh um 9.00 Uhr hier wieder zu unserer 144. Plenarsitzung begrüßen zu dürfen.