Protokoll der Sitzung vom 10.05.2019

Vielen Dank. Wir kommen dann zu den Abstimmungen. Zunächst ist über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/7190 abzustimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Mitglieder der AfD-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? Das sind die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Rietschel. Damit ist dieser Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen dann zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Naturschutz in der Drucksache 6/7167. Wer für diese Beschlussempfehlung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist gegen diese Beschlussempfehlung? Das sind die Fraktionen der CDU, der AfD und der fraktionslose Abgeordnete Rietschel.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 6/5692 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Soll das namentlich gemacht werden?

Ja, wir bitten um namentliche Abstimmung.

Damit ist namentliche Abstimmung beantragt. Dann treten wir in die namentliche Abstimmung ein und ich bitte die Schriftführer, entsprechend die Urnen bereitzuhalten.

Ich gehe davon aus, dass jeder Gelegenheit zur Stimmabgabe hatte. Ich schließe die Abstimmung und bitte um Auszählung.

Ich darf Ihnen das Ergebnis der Abstimmung bekannt geben. Abgegeben wurden 72 Stimmen, es gab 43 Jastimmen, 29 Neinstimmen, Enthaltungen

(Ministerin Siegesmund)

gab es nicht (namentliche Abstimmung siehe Anla- ge). Damit ist der Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 6/5692 mit Mehrheit angenommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen nun zur Abstimmung über diesen Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung. Ich bitte alle, die dem Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung zustimmen wollen, sich von den Plätzen zu erheben. Wer ist für diesen Gesetzentwurf? Das sind die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen. Wer stimmt gegen diesen Gesetzentwurf? Das sind die Abgeordneten der CDU-Fraktion, der AfD-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Rietschel.

Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt und schlage vor, dass wir jetzt in die Mittagspause eintreten. Ich weise darauf hin, dass wir die Fragestunde gestern abgearbeitet haben und der TOP Wahlen entfällt. Das heißt, es geht nach der Mittagspause um 13.20 Uhr mit dem Tagesordnungspunkt 16, das sind die europapolitischen Anträge, weiter.

Es trifft sich jetzt 5 Minuten nach Beginn dieser Mittagspause der Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit im Raum F 202 zu einer außerplanmäßigen Sitzung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16 in den Teilen

a) Europa parlamentarisch stärken – Evaluierung der Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union Beschluss des Thüringer Landtags - Drucksache 6/5642 - dazu: Bericht des Ausschusses für Europa, Kultur und Medien hier: Nummer II des Beschlusses - Drucksache 6/6846 -

dazu: Erfahrungsbericht der Landesregierung hier: Nummer I des Beschlusses - Drucksache 6/6032 -

dazu: Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6966 -

b) Die Zukunft der Europäischen Union mitgestalten – Impulse für ein geeintes, soziales, demokratisches und ökologisches Europa Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/7141 -

Das Wort hat Herr Abgeordneter Kubitzki aus dem Ausschuss für Europa, Kultur und Medien zur Berichterstattung zu TOP 16 a.

Frau Präsidentin, liebe anwesende Mitglieder des Europaausschusses, ich begrüße Sie hier recht herzlich im Plenarsaal. Es sind auch noch ein paar andere Abgeordnete da, die begrüße ich natürlich auch recht herzlich, aber vor allem wende ich mich jetzt an die Kollegen im Speisesaal am Bildschirm und an ihren Lautsprechern in ihren Zimmern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen jetzt über Europa. Das wollte ich euch an dieser Stelle sagen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe jetzt die Aufgabe als Berichterstatter des Ausschusses, hier zu stehen und den Bericht des Ausschusses zur Evaluierung der Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtags in den Angelegenheiten der Europäischen Union vorzunehmen. Der Antrag liegt Ihnen in der Drucksache 6/6846 vor. Es sind 17 Seiten, die ich jetzt hier an dieser Stelle verlesen werde. Dann haben wir den Saal vielleicht auch voll an dieser Stelle. Nein, ich werde natürlich hier jetzt nicht die ganze Beschlussempfehlung verlesen, es ist eine Drucksache und da wir Abgeordneten ja auch alle europabegeistert sind, werden wir das auch schon gelesen haben. Aber ich werde natürlich den einen oder anderen Schwerpunkt, der hier in dem schriftlichen Bericht ist, noch einmal darlegen.

Der Landtag hat mit Beschluss vom 26. April 2018 den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien gebeten, dem Landtag sowohl über seine Aktivitäten, Erfahrungen und Ergebnisse bei der allgemeinen Beteiligung des Landtags in den Angelegenheiten der Europäischen Union als auch in der Beteiligung

(Vizepräsidentin Marx)

des Landtags im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems unter Beachtung der Arbeit der mitberatenden Ausschüsse zu berichten. Der Ausschuss für Europa, Kultur und Medien hat über das Berichtsersuchen in seiner 47. Sitzung am 18. Mai 2018, in seiner 51. Sitzung am 21. September 2018, in seiner 56. Sitzung am 25. Januar 2019 und in seiner 57. Sitzung am 22. Februar 2019 beraten und erstattet nun folgenden Bericht, der in der Drucksache 6/6846 veröffentlich ist.

Grundlage dieser Vereinbarung war der Vertrag von Lissabon, wo es die Möglichkeiten gab, im Rahmen der Schaffung des Frühwarnsystems die Mitgliedstaaten in Entscheidungen einzubeziehen. Aufgrund des Föderalismus in der Bundesrepublik werden natürlich dann auch die regionalen Parlamente, sprich die Landtage, mit in die Entscheidungsfindung einbezogen. Um dem Thüringer Landtag zu ermöglichen, seine hinzugewonnenen Kompetenzen effektiver wahrnehmen zu können, wurde am 19. Mai 2011 auf der Grundlage des Artikels 48 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 67 Abs. 4 der Verfassung des Freistaats Thüringen die Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtags in den Angelegenheiten der Europäischen Union zwischen dem Landtag und der Thüringer Landesregierung geschlossen. Zugleich wurden mit § 54 a und § 54 b die geschäftsordnungsrechtlichen Grundlagen geschaffen. Gemäß Ziffer IV der Vereinbarung 2011 wurde diese zwei Jahre nach ihrem Wirksamwerden auf der Grundlage von Erfahrungsberichten überprüft. Im Ergebnis der Evaluierung empfahl der Landtag, die am 16. April 2014 unterzeichnete Novellierung der EU-Vereinbarung soll ebenfalls nach vier Jahren überprüft und evaluiert werden und an dieser Stelle stehen wir hier. Das war damals 2011, einige können sich noch erinnern, eigentlich war das wirklich eine tolle Sache, die hier im Thüringer Landtag stattgefunden hat. Ich möchte da auch an die Akteure noch einmal erinnern, die hauptsächlich vonseiten der drei Fraktionen, die damals im Landtag waren, agiert haben. Zu nennen wäre hier auf alle Fälle Gustav Bergemann von der CDU-Fraktion, der sich stark dafür eingesetzt hat,

(Beifall CDU)

aus der SPD-Fraktion war das der Herr Höhn und ein bisschen Anteil habe ich auch von unserer Fraktion an dieser Vereinbarung, die wir geschaffen haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir waren damals als Thüringer Landtag der erste Landtag in der Bundesrepublik, der so eine Verein

barung abgeschlossen hat, mit konkreten Mitwirkungsrechten und ‑pflichten des Landtags und wo eine Landesregierung sich verpflichtet hat, dem Landtag zu berichten und sich auch an das Votum des Landtags bei Entscheidungen im Bundesrat zu europapolitischen Angelegenheiten zu halten. Das ist ja Ziel und Inhalt dieser Vereinbarung gewesen.

Ein weiterer Schritt wurde dort vereinbart, hier in diesem Landtag einen Ausschuss speziell für Europaangelegenheiten zu gründen.

Jetzt konzentriere ich mich vorrangig auf den Berichtszeitraum, um den es jetzt geht. In dem jetzigen Berichtszeitraum – also seit 2014 – hat die Landesregierung dem Landtag 273 Frühwarndokumente übermittelt. Die Übermittlung durch die Landesregierung erfolgte per E-Mail an ein Postfach des Landtags und in der Regel informierte die Landesregierung innerhalb eines Tages dann auch in schriftlicher Form. Von den 273 eingegangenen Frühwarndokumenten wurden 81 vom Ausschuss beraten, wovon wiederum 74 in andere Ausschüsse entsprechend unserer Geschäftsordnung zur Mitberatung übersandt wurden. Zu den 81 Frühwarndokumenten, die vom Ausschuss beraten wurden, legte die Landesregierung 80 Informationsblätter vor. Zugleich wurden dem Landtag 71 Berichtsbögen der Bundesregierung mit übermittelt, auf deren Grundlage und deren Einschätzung wir dann im Ausschuss beraten konnten. Festgelegt wurde dann auch innerhalb des Landtags, anknüpfend an die Praxis der 5. Wahlperiode, dass auch die Landtagsverwaltung vom Ausschuss beauftragt wurde, ebenfalls jedes zu beratende Frühwarndokument mit einem Informationsbogen der Landtagsverwaltung zu versehen. Das heißt also, die Landtagsverwaltung hat selber einen Informationsbogen erstellt und uns als Ausschussmitgliedern für die Beratung mit zur Verfügung gestellt.

Es gibt ja dann die Instrumente, die wir aussprechen können, wenn wir als Landtag mit einem Frühwarndokument, mit einer Richtlinie, mit einer Verordnung nicht einverstanden sind. Dann haben wir die Möglichkeit, die Landesregierung zu beauftragen, im Bundesrat – denn die Bundesrepublik hat ja zwei Stimmen, eine Stimme hat der Bundestag, eine Stimme hat der Bundesrat – eine Subsidiaritätsrüge auszusprechen. Die Problematik bei der ganzen Sache ist, dass wir insgesamt vom Zugang der Frühwarndokumente beim Bundesrat acht Wochen Zeit haben, und das ist eine verhältnismäßig kurze Frist. Daraufhin hat ja auch die Kommission eine Taskforce gebildet, wie besser und einheitlicher mit den Frühwarndokumenten umgegangen werden kann. Dazu haben sich auch die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschsprachigen Landes

parlamente verständigt. Die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente usw. sind sich in ihrer Brüsseler Erklärung vom 29. Januar 2019 darin einig, dass die Einführung eines Prüfrasters auf fakultativer Basis mit einer Evaluation nach einer anfänglichen Probephase erfolgen sollte, ohne dabei den direkten Dialog der Regionalparlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen mit der Kommission einzuschränken oder zu ersetzen. Das heißt, die TaskForce hat vorgeschlagen, ein Prüfraster zu entwickeln, nach dem dann einheitlich in den Mitgliedstaaten die Frühwarndokumente eingeschätzt werden können. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage und wir als Ausschuss und als Parlament könnten uns heute dieser Aufforderung auch anschließen, sagen aber, dass auch dieses Prüfraster erst mal in der Anwendung erprobt werden muss, ob es auch möglich ist, das so umzusetzen.

Im Ergebnis der Beratung der Frühwarndokumente im Ausschuss sowie dem mitberatenden Ausschuss hat der Landtag nach Beschluss des Ausschusses die Landesregierung im Evaluierungszeitraum in zwei Fällen aufgefordert, sich im Bundesrat für eine Subsidiaritätsrüge auszusprechen. Das waren ein Vorschlag zur Änderung der AVMD-Richtlinie, das heißt Audiovisuelle Mediendienste, und zu einem Verordnungsvorschlag „Elektrizitätsbinnenmarkt II“. Während der Bundesrat in einem der beiden Fälle eine Subsidiaritätsrüge erhoben hat, fand der Antrag auf Erhebung einer Subsidiaritätsrüge in dem zweiten Fall, also zum Elektrizitätsbinnenmarkt, nicht die erforderliche Mehrheit. Inhaltlich findet sich der Beschluss des Landtags auch hier in der Stellungnahme im Bundesrat wieder.

In weiteren 15 Fällen hat der Landtag durch den Ausschuss auf Subsidiaritätsbedenken hingewiesen. Davon ist in allen Fällen in der allgemeinen Stellungnahme des Bundesrats die Position des Landtags ganz oder teilweise enthalten.

In allen Fällen, in denen sich der Landtag zu Fragen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit äußerte, berücksichtigte die Landesregierung die Stellungnahme des Landtags im Rahmen ihres Abstimmungsverhaltens im Bundesrat. Dies betraf auch solche Fälle, in denen durch das Frühwarndokument die Gesetzgebungsbefugnisse des Landes nicht oder nicht direkt berührt wurden. Dafür möchte ich mich auch noch mal bei der Landesregierung recht herzlich bedanken.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vonseiten der Landesregierung wurde in dieser Legislatur auch der Beratungsgegenstand „Bericht aus den europäischen Institutionen“ eingebracht. Bisher war es in unserem Ausschuss üblich, dass wir den Beratungsgegenstand „Bericht aus dem Bundesrat“ hatten, zu dem die Landesregierung regelmäßig berichtet hat, wie im Bundesrat zu Frühwarndokumenten, die wir im Ausschuss beraten hatten, entschieden wurde. Dazu berichtet die Landesregierung regelmäßig. In diesem Berichtszeitraum wurde dann auch der Tagesordnungspunkt „Wie war der Umgang mit den Frühwarndokumenten?“ oder „Welche Entscheidungen wurden auf Grundlage unserer Entscheidungen, des Bundesrats in den Europäischen Institutionen getroffen?“ aufgenommen. Das hat die Landesregierung ebenfalls gemacht. Das war die Problematik Frühwarndokumente.

Bei der Novellierung der Vereinbarung 2014 wurde durch uns in die Vereinbarung aufgenommen, dass die Landesregierung über alle Grün- und Weißbücher berichtet. Dem ist die Landesregierung ebenfalls nachgekommen. Wir müssen natürlich feststellen, dass dieses Instrument von Grün- und Weißbüchern innerhalb der Kommission zurückgegangen ist.

Von den 500 Mitteilungen der Europäischen Kommission wurden 171 Mitteilungen im Bundesrat beraten. Die Landesregierung hat über diese Mitteilungen ebenfalls im Ausschuss berichtet. So weit vielleicht mal zu den statistischen Aussagen in der Beschlussempfehlung. Nun zu Problematiken, die dann auch in einen Antrag einmünden, aber der dann noch gesondert beraten wird. Der Ausschuss schätzt ein, dass sich die Vereinbarung insgesamt bewährt hat. Sie wirkt sich sehr positiv auf die Europatauglichkeit und auf das Verständnis für europäische Problematiken im Landtag aus und trägt dazu bei, dass der Landtag die ihm obliegende Integrationsverantwortung wahrnehmen kann. Die Vereinbarung bildet dabei eine solide Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und dem Landtag in Europafragen und gewährleistet seither eine relativ zeitnahe Information aller Abgeordneten des Landtags über wichtige europäische Vorhaben sowie aktuelle Entwicklungen. Die mit der Neufassung der Vereinbarung im Jahr 2014 aufgenommenen konkretisierten Informationspflichten wurden in vollem Umfang erfüllt. Wesentliche Elemente für die Einwirkungsmöglichkeit des Landtags auf die Gesetzgebung der Europäischen Union sind die frühe Beteiligung im prälegislativen Bereich europäischer Gesetzgebungsverfahren sowie die Einbeziehung über die Landesregierung in das vom Bundesrat durchgeführte Verfahren der Kontrolle der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit.

Von den in der Vereinbarung getroffenen Festlegungen ist die 2011 erfolgte Einsetzung eines eigenständigen Europaausschusses hervorzuheben, zumal dessen Existenz seit 2011 den Stellenwert der Europapolitik im Landtag deutlich erhöhen konnte. Neben einer Zunahme von europapolitischen Themen hat hierzu auch die Möglichkeit beigetragen, andere Fachausschüsse mitberatend in die Beratung von EU-Angelegenheiten einbinden zu können. Zweifellos hat die Vereinbarung mit dazu beigetragen, dass der Landtag zu den deutschen Länderparlamenten gehört, der im Vergleich zu anderen besonders häufig Stellung zu Frühwarndokumenten nimmt. Aufgrund bislang fehlender einheitlicher klarer Anwendungskriterien wurden in der Vergangenheit teilweise Fragen der Kompetenz und der Verhältnismäßigkeit einerseits sowie Fragen nach der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips andererseits miteinander vermengt, was mitunter ein qualifiziertes Beratungsergebnis erschwert hat. In den Beratungen gab es dabei mitunter auch unterschiedliche Auffassungen bei der Frage, was Gegenstand einer Subsidiaritätsrüge und von Subsidiaritätsbedenken sein kann bzw. ob allein schon das Fehlen einer Kompetenznorm oder eine vorliegende Unverhältnismäßigkeit eine Subsidiaritätsrüge oder Subsidiaritätsbedenken rechtfertigen können.

Ich will das mal noch mit einfacheren Worten schildern: Subsidiaritätsrügen werden in der Regel dann ausgesprochen oder können ausgesprochen werden, wenn unverhältnismäßig in die Länderhoheit und die Gesetzgebung des Landes eingegriffen wird. Wir hatten es aber auch mit Frühwarndokumenten zu tun, wo dieser Fall nicht vorlag, wo aber die einzelnen Fraktionen trotzdem durchaus Bedenken hatten, was die Verhältnismäßigkeit des Aufwands der Umsetzung dieser Richtlinie oder Verordnung betraf, bzw. gab es natürlich auch zu den Frühwarndokumenten die eine oder andere politische Diskussion, wo eine Mehrheit im Ausschuss gesagt hat: Es greift zwar nicht in die rechtliche Hoheit des Landes ein, aber politisch gesehen sind wir dabei einer anderen Auffassung. Da haben wir dann immer im Ausschuss zu dem Kunstgriff gegriffen, Bedenken auszusprechen, und haben die Landesregierung beauftragt, diese Bedenken im Diskussionsprozess im Bundestag mit einzubeziehen. Als Orientierungshilfe in diesem Diskussionsprozess galt, die Subsidiaritätsrüge lediglich bei Bezügen zur Subsidiarität im engeren Sinne und Subsidiaritätsbedenken bei Bezügen zur Subsidiarität im weiteren Sinne einschließlich der Verhältnismäßigkeit auszusprechen. Die fehlenden präzisierten Anwendungskriterien, mit deren Hilfe man sich auf regionaler, nationaler oder europäischer Ebene auf

ein einheitliches Verständnis von Subsidiaritätsrüge oder -bedenken einigen könnte, erschwerten bislang die Beratungen des Ausschusses im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems.

Eine Anpassung des Wortlauts der Vereinbarung und der Geschäftsordnung an die bisherige Praxis lässt die bestehende Systematik der Bindungswirkung unberührt. Die Landesregierung würde sich weiterhin verpflichten, grundsätzlich alle Stellungnahmen bei ihrer Willensbildung zu berücksichtigen, wobei sie im Fall eines beabsichtigten abweichenden Stimmverhaltens gemäß Ziffer II.4 der Vereinbarung den Landtag möglichst im Vorfeld der Bundesratssitzung darüber informiert und die maßgeblichen Gründe mitteilt. Zugleich wird klargestellt, dass die Landesregierung nur dann nicht gegen das Votum des Landtags entscheidet, wenn Gesetzgebungsbefugnisse des Landes betroffen sind und es um die Erhebung einer Subsidiaritätsrüge geht. Das heißt, wir werden als Ausschuss Vorschläge unterbreiten, dass wir unsere Vereinbarung und damit auch die Geschäftsordnung so verändern – das schlagen wir jedenfalls vor –, dass wir die Form der Subsidiaritätsbedenken im Prinzip mit in die Geschäftsordnung hineinbringen, damit wir dieses Instrument haben und nicht hin- und herrätseln müssen, ob wir das können oder nicht.

Die Landesregierung sowie die Landtagsverwaltung sollten zudem prüfen, ob für die Bewertung der Vereinbarkeit eines Vorhabens mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit das im Abschlussbericht der Taskforce für Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und „Weniger, aber effizienteres Handeln“ vorgeschlagene Prüfraster angewendet werden kann. Darüber hinaus sollte sich die Landesregierung auf Bundesebene weiter für eine umfassende Informationsmöglichkeit des Landtags in Fragen der europäischen Gesetzgebung einsetzen und in diesem Zusammenhang insbesondere für einen Zugang des Landtags zum Bundesratsinformationssystem EUDISYS eintreten, was bisher noch vom Bundesrat abgelehnt wird.

Die Beratungen der Frühwarndokumente werden im Ausschuss stets auch unter der Berücksichtigung des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände durchgeführt. Durch eine Einbindung der kommunalen Spitzenverbände auf Regierungs- und Parlamentsebene kann auch an den auf der kommunalen Ebene vorhandenen konkreten Rechtsanwendungserfahrungen und der Praxisnähe partizipiert werden. Für ein reguläres parlamentarisches Anhörungsverfahren ist im Rahmen der Frühwarnkontrolle mit der Acht-Wochen-Frist in der Regel nicht ausreichend Zeit. Die vom Ausschuss zu Beginn der

6. Wahlperiode an die Landtagsverwaltung gerichtete Bitte, zu den in der Beratung befindlichen Frühwarndokumenten einen Informationsbogen zu erstellen, sollte dahin gehend ergänzt werden, regelmäßig die Position der kommunalen Spitzenverbände abzufragen, um die Informationsgrundlage für den Ausschuss noch weiter zu verbessern. Es sollte darüber hinaus jedes Ausschussmitglied den Auftrag an die Landtagsverwaltung rechtzeitig vor Fertigstellung des Informationsbogens weiter dahin gehend konkretisieren können, von welchem Verband oder welcher Organisation eine Stellungnahme abgefragt werden soll. Wir schlagen vor, dass zukünftig der Ausschuss über die Landtagsverwaltung vor seiner Entscheidung zu einem Frühwarndokument die Möglichkeit wahrnehmen kann, externen Sachverstand einzuholen. Eine Anhörung ist in dieser kurzen Frist nicht möglich, um uns ein besseres Meinungsbild zu verschaffen. Einmal haben wir dieses System angewendet, als wir die Krankenkassen abgefragt haben, wie sie zu einem bestimmten Frühwarndokument stehen.

Die Landesregierung hat den Landtag im Evaluierungszeitraum über alle Grün- und Weißbücher der Kommission unterrichtet. Des Weiteren hat die Landesregierung in regelmäßigen Abständen über die Beratung zum Mittelfristigen Finanzrahmen der EU und deren Ergebnisse berichtet sowie umfassend über den Verlauf des EU-Austritts von Großbritannien und Nordirland einschließlich der möglichen Auswirkungen auf Thüringen informiert. Zur Umsetzung der vom Landtag 2014 bekräftigten Absicht zur stärkeren Beteiligung im prälegislativen Bereich sollten die Vereinbarungen und die Geschäftsordnung behutsam weiterentwickelt werden. Mit den dadurch gewonnenen zusätzlichen Informationen wird der Landtag besser in die Lage versetzt, auch eigene Konsultationsbeiträge abzugeben oder Stellungnahmen zu Mitteilungen der Kommission zu verfassen. Die Landesregierung sollte dem Landtag daher künftig zusätzlich Informationen über Mitteilungen und Konsultationen der Kommission übersenden. Dabei meinen wir keine inhaltliche Übermittlung, sondern erst einmal nur eine Aufstellung, welche Mitteilungen und Konsultationen mit welchem Beratungsgegenstand gegenwärtig auf der Tagesordnung stehen. Diese sollen aufgrund der zu erwartenden hohen Anzahl nicht in jedem Fall zu einer Beratung im Ausschuss führen, sondern geschäftsordnungsrechtlich wie Informationen über aktuelle europapolitische Entwicklungen nach § 54 a Abs. 6 Geschäftsordnung behandelt werden. Nur, wenn das Thema einer Mitteilung oder einer Konsultation aus Sicht der Landesregierung für den Freistaat ist von wesentlicher Bedeutung, wird sie den Landtag auch weiterhin unterrichten, wobei die

se Unterrichtung wie bisher zu einem Beratungsgegenstand im Ausschuss wird. Darüber hinaus sollte künftig auch aus dem Reihen des Landtags die Beratung einer Mitteilung oder einer Konsultation im Rahmen von § 54 a der Geschäftsordnung initiiert werden können. Am Ende der Beschlussempfehlung stehen die Empfehlungen des Ausschusses, die wir dem Landtag vorschlagen. Dazu haben die Fraktionen der CDU, der Linken, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen auch einen Antrag hier eingebracht. Wir wollen die Vereinbarung dahin gehend ändern, dass die Landesregierung den Landtag neben Grün- und Weißbüchern der Europäischen Kommission auch über Mitteilungen und Konsultationen informiert. Dabei soll der Ausschuss vorrangig über Konsultationen informiert werden, die Gegenstand einer Kabinettsberatung sind.