Protokoll der Sitzung vom 04.07.2019

Meine Damen und Herren, unser Antrag ist geprägt von Praxiskenntnis, unser Antrag ist gemeinsam mit Praktikern erarbeitet worden. Wir bitten Sie – auch aus Respekt gegenüber den Praktikern, die diesen Antrag gemeinsam erarbeitet haben, die sich viele Gedanken gemacht haben –, den Antrag weiter im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zu beraten. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Wolf, Fraktion Die Linke, das Wort.

(Abg. Tischner)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, erst einmal vielen Dank für die ehrlichen und auch für die klaren Worte von Frau Finanzministerin heute Morgen. Ich sehe das genauso.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe das absolut genauso. Wir hätten uns viele Probleme in Thüringen ersparen können, auch gerade das, was wir heute Morgen diskutiert haben – das ging ja in die Richtung –, wenn wir unseren Weg hier in Thüringen gegangen wären und nicht den rheinland-pfälzischen Weg, wie er von der CDU in den 90er-Jahren hier nach Thüringen gebracht worden ist. Und das heißt ganz eindeutig längeres gemeinsames Lernen, so wie wir das erfolgreich hier schon hatten und wieder haben. Und zum Glück entscheiden sich die Eltern und die Schulen zunehmend auch wieder für diesen Weg und nicht dieses Sortieren in der Klassenstufe 4, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in die Regelschule.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: So ein Quatsch!)

Genau diesen Duktus strahlt auch Ihr Antrag aus, sehr geehrter Herr Kollege Tischner, denn Sie wollen eigentlich das Richtige, nämlich eine Differenzierung, aber eben nicht eine Differenzierung in einer einheitlichen Schule, in einer Gemeinschaftsschule.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU)

So nennen Sie das ja, wir sagen ganz klar, es ist eine Gemeinschaftsschule, es ist längeres gemeinsames Lernen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wollen, dass jeder Schüler und jede Schülerin tatsächlich den eigenen Bildungsweg findet, und wir wissen auch aus Studien, wir wissen aus Erfahrung, dass bei manchen Schülerinnen und Schülern die Orientierung eben etwas später erfolgt, und deswegen ist die Gemeinschaftsschule für uns die richtige. Deswegen unter anderem ist auch Ihr Antrag entbehrlich.

Er ist aber auch entbehrlich, weil er schlicht und einfach Elemente enthält, die Sie bei uns abgeschrieben –

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Sie wollen das nicht! Also einfach weg damit!)

hören Sie uns doch einfach mal zu, Herr Landwirtschafts- und Forstexperte, da können Sie doch si

cherlich was von lernen –, weil Sie von unserer Realpolitik abgeschrieben haben. Sachen, die wir schon längst auf Gesetzesebene geregelt haben, bringen Sie in Ihren Antrag ein und

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

spielen hier den Wählerinnen und den Wählern im Wahljahr etwas vor, dass das nun von Ihnen stammt. Das ist völlig entbehrlich. Wir haben heute Morgen – und dieses Gesetzgebungsverfahren läuft ja schon, es läuft ja schon ein halbes Jahr –

(Unruhe CDU)

als zweiten Schritt die bessere Besoldung, die bessere Bezahlung der Regelschullehrer beschlossen. In Ihrem Antrag lese ich unter Punkt 16, dass Sie das unbedingt wollen. Das ist ja eine ganz neue Herangehensweise, dass wir Anträge formulieren – und das hat nichts damit zu tun, dass das jetzt im dritten Plenum erst dran kommt.

(Unruhe CDU)

Wie gesagt, wir haben dieses Verfahren schon lange laufen. Sie wollen zum Beispiel, dass die Schulsozialarbeit gestärkt wird. Wir haben das im Haushalt 2020 gemacht und – ich erinnere mich mal, stimmt – die CDU hat es abgelehnt. Nicht nur den gesamten Haushalt, nein, auch im Ausschuss hat sie genau diesen Punkt abgelehnt, Stärkung der Schulsozialarbeit, unisono. Also, was wollen Sie denn mit Ihrem Antrag? Sie wollen mit diesem Antrag, dass wir Ihnen hier zugestehen, dass Ganztagsangebote ausgeweitet werden. Ganztagsangebote stehen erstens über Stellen im Haushalt, den Sie, wie gesagt, abgelehnt haben.

(Unruhe CDU)

Aber vor allen Dingen haben wir – hören Sie bitte zu, Herr Ausschussvorsitzender des Bildungsausschusses – mit § 10 des neuen Schulgesetzes, das Sie abgelehnt haben, keinen Änderungsantrag – die Qualitätskriterien für die Ganztagsschulen festgeschrieben. Ja, es ist schon wirklich richtig peinlich, da kann man nur den Kopf senken, Herr Tischner, ich kann verstehen, dass Ihnen das peinlich ist, was Sie hier vorgelegt haben, nicht nur in der Qualität, sondern insbesondere auch im Duktus.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Hoffentlich hören es die Kollegen!)

Ja, das hoffe ich auch, dass sie das hören, denn das ist auch eine Art Bilanz unserer Bildungspolitik. Das, was Sie vorgelegt haben, ist eine Schambilanz.

Sie wollen unter anderem in Punkt 5 a, dass die Anschlussfähigkeit zu anderen Schulformen und dem Berufsleben besteht. Das ist im Schulgesetz enthalten, da hätten Sie gern zustimmen können. Im Punkt 5 b wollen Sie Praxisklassen stärken. Das ist in § 6 Abs. 5 Schulgesetz enthalten. Da hätten Sie gern zustimmen können. Sie wollen in Punkt 5 e, dass die Anspruchsebenen abgedeckt sind. Eine weitere Differenzierung führt aber nach Ihren Vorstellungen de facto die Regelschule zu einer Gemeinschaftsschule. Darüber können wir gern reden, nur nicht im Ausschuss. Aber vielleicht können Sie sich ja auch irgendwann mal dazu bekennen, dass zu einer klugen Schulpolitik, zu einer klugen Bildungspolitik eben mehr gehört, als nur die Schere im Kopf, das gegliederte Schulsystem unbedingt beizubehalten

(Beifall DIE LINKE)

und das in solchen Anträgen dann auch noch aufzuwerten.

Sie wollen – und da stimmen wir im Übrigen mit Ihnen überein – die Berufsorientierung stärken. Ja, hätten Sie mal dem Schulgesetz zugestimmt, § 47a, berufliche und arbeitsweltliche Orientierung in den Lehrplänen. Worin wir uns unterscheiden, Kollege Tischner, ist: Sie wollen es eben nur an den Regelschulen. Wissen Sie, was Ihnen die Kammern in der Anhörung zum Schulgesetz am 07.02. gesagt haben? Das sie das für den ganz falschen Weg halten, denn auch die Schülerinnen und Schüler, die am Gymnasium sind, brauchen eine Berufsorientierung, denn wir wissen natürlich, dass viele danach einen dualen Bildungsweg gehen, also in eine duale Ausbildung. Wir wissen, dass viele ihr Studium abbrechen und danach in die Berufsausbildung einmünden. Deswegen wünschen sich die Kammern ausdrücklich – und da sind wir auch auf die Kammern eingegangen – eine Berufsorientierung an allen Schulen in den Lehrplänen. Genau das haben wir gemacht. Sie fallen hier hinter die Interessen und die Forderungen auch der Wirtschaft zurück, was Schul- und Bildungspolitik betrifft.

Da wir verkürzte Redezeit haben, will ich es auch nicht noch weiter ausdehnen. Ich sage nur: Ihr Antrag ist vollständig entbehrlich, kommt definitiv zu spät, und peinlicherweise übernimmt er zu zwei Dritteln Forderungen, die wir in Gesetzes- und Verordnungsform schon längst abgearbeitet haben. Vielen Dank für nichts.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Muhsal, Fraktion der AfD, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die rot-rot-grüne Landesregierung ist kein Freund der Regelschule, ich denke das haben die letzten Jahre bewiesen. Allerdings muss ich sagen, Herr Wolf, ich bin schon etwas entsetzt. Ich glaube, Ihre Rede hier gerade war ein solcher bildungspolitischer Tiefpunkt, dass ich eigentlich gar nicht gedacht habe, dass man so tief kommen kann. Aber gut.

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Sie kön- nen das beurteilen?!)

(Unruhe DIE LINKE)

Die Regelschule, aber auch andere Schularten wie die Förderschule und das Gymnasium sind durch die Politik der Einheitsschule der Landesregierung bedroht.

(Unruhe DIE LINKE)

Sie hören das nicht gern und werden manchmal etwas aggressiv dabei, aber es ändert sich nichts daran.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie. Die Abgeordnete Muhsal hat jetzt das Wort.

Danke schön, Frau Präsidentin.

Deswegen haben wir als AfD-Fraktion bereits vor zwei Jahren – nicht erst jetzt, im April 2017 war das – einen Antrag ins Plenum eingebracht, der darauf gerichtet war, die Vielfalt der Schularten zu erhalten und den Frontalangriff der Landesregierung auf das gegliederte Schulsystem zu stoppen.

(Beifall AfD)

In diesem Antrag haben wir die Landesregierung unter anderem dazu aufgefordert, sich zum Erhalt des gegliederten Schulsystems zu bekennen und die Regelschule als Herzstück des Thüringer Bildungssystems zu stärken. Die Koalitionsfraktionen waren dazu nicht bereit. Unser Antrag wurde – übrigens auch mit den Stimmen der CDU – abgelehnt. Seither ist viel passiert. Herr Minister Holter hat die Totalrevolution des Schulsystems geprobt. Er hat Mindestgrößen für Klassen und Schulen vorge

(Abg. Wolf)

schlagen, die thüringenweit nicht nur bei uns, der AfD, sondern auch bei Eltern, Lehrern und Schülern und vielen weiteren Akteuren zu Protest geführt haben. Nach diesem Protest hat der Bildungsminister peinlicherweise versucht, seinen Schulgesetzentwurf als „Provokation“ abzutun, und ist zumindest ein Stück weit zurückgerudert. Dieses Zurückrudern ist aber nicht genug, denn die ursprüngliche Intention der Landesregierung, langfristig die Schularten abzuschaffen und zu einer Einheitsschule zu kommen, ist ja dadurch nicht verschwunden. Das Zurückrudern bedeutet nur, dass die Landesregierung die Geschwindigkeit drosselt, mit der sie diese Veränderung anstrebt. Insofern ist das Grundanliegen des vorliegenden CDU-Antrags, den Fokus noch einmal auf die Regelschule zu legen, nicht grundlegend verkehrt. Wenig überzeugend ist allerdings die Art und Weise, die Sie vorschlagen, um die Regelschule zu stärken.

Zunächst einmal denken Sie nicht etwa daran, etwas an den zugrunde liegenden Bedingungen, die den Erfolg der Regelschule behindern, zu ändern. Kein Wunder, da müsste sich die CDU mit dem in ganz Deutschland ausgelösten Akademisierungswahn ja auch an die eigene Nase packen. Nein, stattdessen machen Sie einen Ihrer Standardvorschläge. In Nummer II.1 des Antrags sagen Sie, Sie wollen vor allem eine Imagekampagne, die das Bild der Regelschule in der Öffentlichkeit bessert. Interessant ist dabei, dass Sie schon, bevor Ihr Antrag im Plenum behandelt wird, selbst eine Imagekampagne brauchen, und zwar für Ihren eigenen Antrag. Sie erinnern sich vielleicht, in der Zeitung erzählen Sie von besserer Besoldung für die Regelschullehrer und davon, dass Sie ein Beförderungssystem entwickeln wollen. In Ihrem Antrag steht dazu leider nichts.

(Beifall AfD)

In die gleiche Kerbe wie die Imagekampagne schlägt auch die Nummer II.2 Ihres Antrags. Bei der Schullaufbahnberatung wollen Sie – ich zitiere – „Eltern auf die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung aufmerksam“ machen. Meine Damen und Herren von der CDU, das nennt man Schaufensterpolitik.