Und da sind die ersten Schwachpunkte von den Gutachten zu verorten, die hier rechtliche Bedenken gegen unseren Gesetzesvorschlag geäußert haben. Ich greife nur mal beispielhaft drei Punkte heraus, weil wir ja leider die Redezeit auch bei diesem Punkt verkürzt haben. Es wird in den Gutachten behauptet, es würde bei dem Gebot der Gleichberechtigung keine Ergebnisgleichheit geschuldet. Aber das stimmt eben gerade nicht, weil wir nicht nur Loslaufen, sondern auch Ankommen in unserer Thüringer Verfassung haben, es geht also durchaus auch um Ergebnisgleichheit.
Dann kommt es auch in einem Gutachten zu der witzigen Formulierung, man müsste auch mal grundsätzlich infrage stellen, ob es denn überhaupt so richtig wäre, dass man sagt, Fraueninteressen könnten nur durch Frauen vertreten werden. Da kann ich nur sagen: Vorsicht an der Bahnsteigkante, wie unser Fraktionsvorsitzender immer gern sagt. Dieses Argument hat auch bei der Einführung des Frauenwahlrechts schon eine Rolle gespielt, dass man gesagt hat: Ja, warum, wir Männer vertreten doch die Rechte und die Interessen von Frauen mit, da braucht es doch gar keine Frauen. Also gleiches Argument, deswegen eher falsch.
Da musste ich ja schon fast lachen, dass in einem Gutachten drinstand – ich sage jetzt gar nicht mal welches –: „die Angehörigen des klassischen Geschlechts“.
Wenn so etwas drinsteht, dass wir in einem Parlament ein „klassisches Geschlecht“ haben und dann noch Frauen, dann haben wir allen Grund, so ein Gesetz, wie wir es heute hier auf dem Tisch liegen haben, wirklich in den Marsch zu bringen.
Jetzt werde ich noch mal ein bisschen juristisch förmlicher, weil ich mir durchaus Gedanken mache und mir das alles wirklich genau durchgelesen habe. Da heißt es dann eben auch, dass der Gleichstellungsförderauftrag zurückstehen müsse zwischen der Wahlrechtsgleichheit und Wahlrechtsfreiheit bei den Parteien. Also haben wir wieder nur den Förderauftrag Loslaufen; Ankommen ist nicht so wichtig. Aber natürlich sind Wahlrechtsgleichheit und -freiheit von den Parteien ein sehr wichtiges und hochstehendes und konstitutives Element unserer Verfassung, unserer Demokratie. Aber, Kolleginnen und Kollegen, wir in unseren wunderschö
nen Parteien, unser Verfassungsauftrag ist es, an der Willensbildung mitzuwirken, und wir stehen nicht über der Verfassung und wir stehen auch nicht über dem Gesetzgeber. Deswegen gibt es auch bestimmte Vorgaben und die gibt es übrigens auch jetzt schon, denn wir haben zum Beispiel die Wahlrechtsgleichheit und Wahlrechtsfreiheit dadurch begrenzt, dass bei uns in Thüringen Leute unter 18 Jahren diesen Landtag nicht mitwählen dürfen und auch nicht gewählt werden können. Auch das ist eine materielle Einschränkung. Da könnte man ja auch fragen: Wieso verbietet man einer Partei, den 14-Jährigen hier aufzustellen, und wieso darf er nicht den Landtag wählen? Da könnte man auch sagen: Einschränkung der Wahlrechtsfreiheit, Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit. Und wenn man dann eben sagt, dieses Wahlrechtsgleichheitsprinzip und die Wahlrechtsfreiheit würden es nicht erlauben, ein solches Gesetz auf den Weg zu schicken, dann machen Sie, denke ich, einen Fehler, denn dann erhöhen Sie das Recht der Parteien über das der Verfasser, und das ist nicht in Ordnung.
Es ist ja auch schon jetzt so, dass die Bürger eben nicht frei wählen können, was da kommt, weil auch jetzt schon die Parteien allein bestimmen, wie sie, nach welchen Prinzipien sie Listen aufstellen. Also die ganz freie Wahl hat der Bürger nicht. Und wir haben als Partei auch viele andere Gesetze zu beachten. Wenn wir an Wahlen teilnehmen dürfen, an der Willensbildung mitwirken, dann im Parlament sind und dafür zum Beispiel auch Wahlkampfkostenerstattung und erhebliche staatliche Zuschüsse bekommen, dafür müssen wir bestimmte Regeln einhalten. Natürlich kann sich irgendeine Partei, wenn sie das gern will, für die nächsten 1.000 Jahre den gleichen Vorsitzenden wählen. Eine Partei, die nach solchen autoritären Prinzipien aufgebaut wird, wird aber keine Landesliste aufstellen können, denn auch da haben wir Vorschriften, dass also die Delegierten nicht erst vor fünf Jahren gewählt sein dürfen, sondern aktuell. Es gibt eine Reihe von Vorschriften, und da, wo wir die Demokratie sozusagen unter das Kuratel der Verfassung stellen, da können wir das auch selbstverständlich tun, um Frauen zu gleichen Rechten gegenüber dem „klassischen Geschlecht“ – ich wiederhole es noch mal, weil es mir so gut gefallen hat – zu verhelfen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Ja, wo fange ich denn jetzt an? Vielleicht gleich bei den Rechtfertigungsgründen, die Frau Marx gerade angesprochen hat. Rechtfertigungsgründe können Sie für Ihr demokratiefeindliches Vorhaben, die Einführung einer strengen Geschlechterquote, mit Sicherheit nicht anführen, denn das Gebot zur Förderung von Gleichberechtigung steht zwar in der Verfassung drin, in der Tat. Aber wissen Sie, was damit logischerweise nicht gemeint ist? Diskriminierendes Verhalten und massive Einbrüche in Verfassungspositionen.
Genau das machen Sie. Das ist so absurd, dass Sie gerade damit argumentieren. Unter anderem greifen Sie zum Beispiel auch ins Differenzierungsverbot ein, was gerade die Gleichbehandlung schützen soll. Das muss man erst mal hinkriegen, die Gleichbehandlung wie eine Monstranz bei einem Gesetzesvorhaben vor sich herzutragen und dann das Differenzierungsverbot zu verletzen. Das ist eine geniale Geschichte. Ich muss schon sagen: ganz großes Kino.
Im Übrigen muss ich sagen: Es ist auch ziemlich bösartig, wie Sie eben in Bezug auf die Gutachtenersteller argumentiert haben. Mit dem „klassischen Geschlecht“ – das sollten Sie wissen und das wissen Sie mit Sicherheit auch – sind natürlich Männer und Frauen gemeint. Also die Art und Weise, wie Sie hier versucht haben, die Gutachter lächerlich zu machen, das ist schon wirklich unter der Gürtellinie gewesen, Frau Marx. Das ist auch nicht Ihr Niveau, sollte auch nicht Ihr Niveau werden.
Wie gesagt, Rechtfertigung ist auch beispielsweise nicht möglich durch das Demokratieprinzip, das hat das Gutachten auch sehr schön herausgearbeitet, weil natürlich das Demokratieprinzip unserer Verfassung und auch unseres Grundgesetzes nicht verlangt, dass die Volksvertretung ein genaues Spiegelbild unserer Bevölkerung ist. Ich meine, das
ist auch ganz logisch. Schauen Sie sich mal einfach die Berufsgruppen an, die hier vertreten sind. Da merken Sie schon, wie groß da das Ungleichgewicht teilweise ist.
Je nachdem, wonach Sie das differenzieren, Sie werden nie auf ein entsprechendes exaktes Spiegelbild kommen, das ist auch gar nicht möglich.
Die verfassungsrechtlichen Positionen, gegen die Ihr Gesetzentwurf verstößt, hat Herr Kellner bereits ausführlich erläutert. Ich werde jetzt nicht noch mal alles wiederholen. Ich sage nur so viel: Es gibt in Thüringen und in Deutschland sehr viel Diskriminierung, um die man sich als Gesetzgeber kümmern müsste. Das fängt an bei Wohnung- und Arbeitsuchenden mit Kindern, das geht weiter speziell hier in Ostdeutschland mit der Ungleichbehandlung von Ostdeutschen, was zum Beispiel die Aufstiegschancen im Berufsleben angeht, in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Da merken wir eine ganz klare Unterrepräsentation von Ostdeutschen trotz entsprechend hoher Leistungsfähigkeit. Das ist ein klarer Fall von Diskriminierung, über den Sie immer nur reden, aber nie was gemacht haben.
Dann haben wir natürlich noch den Bereich der politischen Diskriminierung, der gerade auch in den letzten fünf Jahren hier in Thüringen massiv zugenommen hat. Das spüren gerade unsere Parteimitglieder auch in der öffentlichen Verwaltung besonders deutlich.
Nein, das kann ich Ihnen auch schön beweisen, aber dafür reicht meine Redezeit hier nicht. Können wir bilateral machen, wenn es Sie interessiert.
Für was es wiederum keinen Grund gibt, ist eine Frauenquote, denn der Anteil von Frauen im Landtag – so wird es jedenfalls in Gutachten ausgeführt – liegt bei etwas unter 42 Prozent.
Unsere Fraktion hat, glaube ich, 28 Prozent Frauenanteil, das ist eigentlich auch gar nicht so schlecht.
Rechnen Sie doch mal nach, von sieben Leuten zwei Frauen. Geht ganz einfach, jedenfalls wir von der AfD kriegen das hin.
Unsere Verfassung hat die Chancengleichheit zum Ziel, meine Damen und Herren, und nicht die Herstellung von Ergebnisgleichheit. Man könnte also Ihren Gesetzentwurf als Ausdruck eines fundamental verfassungsrechtlichen Missverständnisses werten, aber das ist falsch.
Sie sind vorsätzlich verfassungswidrig vorgegangen, denn Sie wollen im Grunde die Gesellschaft neu konzipieren nach einem uralten Konzept. Herr Kellner hat es erwähnt, es ist ein ständestaatliches Konzept, in dem die Gesellschaft aufs Feinste auseinanderdividiert wird in kleine Grüppchen, die alle irgendwo vertreten sind.
geht dann weiter über die Repräsentation von Ausländern, irgendwann kommen wir dann bei den Religionen an und vielen anderen kleinen Interessengruppen. Diese Gruppen können Sie dann schön gegeneinander ausspielen, weil jede auf ihr partikulares Interesse fixiert wird. Und das Ganze, der Blick auf die Bedürfnisse der Nation als Ganzes, wird aus dem Fokus geraten. Ich denke, das ist auch genau das, was Sie wollen. Dieser Rückgriff auf ein mittelalterliches Ständekonzept
ist demokratiefeindlich, denn zuallerletzt denken Sie dabei an die Mehrheit, an das Volk. Sie sorgen mit Ihrem Gesetz sogar dafür, dass nicht mehr das Volk aus freien Stücken entscheiden kann, wer es repräsentieren soll, nein, Sie wollen dem Souverän die entscheidenden Vorgaben machen, nach denen er sich seine Vertreter auszuwählen hat. Da merken Sie schon: Sie sind keine Demokraten!