Protokoll der Sitzung vom 05.07.2019

Jetzt kann ich Ihnen sagen: Wir haben schon viel früher ein Vergabegesetz vorgelegt. Was sagen da die Experten im Freistaat? Die sagen ganz simpel: „Ein schlankes und von unnötigem ‚Ballast‘ befreites Vergabegesetz schafft auf der einen Seite

Rechtssicherheit für die Vergabestellen und fördert auf der anderen Seite die Bereitschaft von Unternehmen zur Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen.“ Das ist der grundsätzliche Unterschied zwischen dem, was wir anzubieten haben, und unserem Vergabegesetz, wo wir sagen: schlank, klar, rechtssicher und am Ende auch öffentliche Aufträge fördernd. Bei Ihnen gibt es mehr Bürokratie, mehr finanzielle Belastungen und deswegen weniger Investitionen. Das ist der Unterschied. Die Entscheidung gilt es heute zu treffen.

(Beifall CDU)

Jetzt tun Sie mir bitte hier nicht diesen Popanz auf. Wissen Sie, über welchen Anteil von öffentlichen Aufträgen wir eigentlich reden? Sie haben nicht mal die Chuzpe gehabt, auch die Kommunen mit einzubeziehen, weil Sie genau wussten, dass die Kommunen Ihnen ins Stammbuch schreiben würden, dass das der falsche Weg ist. Deswegen haben Sie sich auf die Landesvergaben bezogen. Die Landesvergaben liegen unter 10 Prozent. Jetzt sehen Sie sich doch mal bitte an, wie viel in den letzten drei Jahren allein öffentliche Aufträge ohne Bieter ausgegangen sind – 35 waren es 2018. Das bedeutet, dass mittlerweile schon die Unternehmen im Freistaat, die kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe, rebellieren und sagen: Ich brauche gar keine Landesaufträge mehr, den bürokratischen Wust ziehe ich mir gar nicht erst an. Jetzt machen Sie es noch schlimmer. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass es besser wird. Deswegen ist Ihr Vergabegesetz ein Investitionsverhinderungsgesetz. Das ist es, nichts anderes.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist Ihre Argumentation, die ist aber nicht konsistent!)

Jetzt lassen Sie es mich an einzelnen Punkten noch einmal durchexerzieren. Weil ich jetzt gerade von der Kollegin Hennig-Wellsow hier gehört habe, das wird massiven Push in der Frage von Lohngerechtigkeit geben. Mit Verlaub, Sie können hier ganz großes Karo versuchen aufzubauen. Jetzt gehen wir es doch einmal durch. Sie tun so, in der Debatte waren wir erst bei 9,54 Euro, dann waren wir bei 10,04 Euro, jetzt sind wir bei 11,42 Euro. Das ist so ein Überbietungswettbewerb vor der Landtagswahl, aber mit klarem wirtschaftspolitischem Sachverstand und Arbeitnehmer- und Investitionsfreundlichkeit hat das partout nichts zu tun.

(Beifall CDU)

Ich will Ihnen das nur sagen, damit wir hier mal eine kleine Sachaufklärung betreiben.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Arbeit- nehmerfeindlich ist das, was Sie sagen!)

Im Baugewerbe, was maßgeblicher Anteil der öffentlichen Vergaben ist, haben wir einen allgemein verbindlichen Mindestlohn, der bei 12,20 Euro liegt – einen allgemein verbindlichen Mindestlohn.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Das ist gut so!)

Jetzt passiert Folgendes: Das, was Sie mit Ihrem Vergabegesetz versuchen zu schaffen, ist, dass Sie – im Baugewerbe ist es so, sie haben die 12,20 Euro und dort gibt es Abweichungstatbestände. Das haben die Tarifpartner, Arbeitnehmer/-innen, Gewerkschafter und auch die Unternehmer verhandelt. Und die Abweichungen bestehen darin, dass sie sagen: Jawohl, wir lassen auch zu, dass diejenigen, die sich in der Ausbildung befinden, und dass diejenigen, die ungelernt sind, letztlich weniger bezahlt bekommen. Das ist ein ganz normaler Tarifvertrag. Den haben die Gewerkschaften mit ausverhandelt. Jetzt passiert Folgendes: Sie schaffen letztlich eine Situation, wo Sie einen vergabespezifischen Mindestlohn, der gerade mal 78 Cent unter dem im Tarifvertrag für Facharbeiter ausgehandelten verbindlichen Mindestlohn liegt, ausschreiben. Jetzt kann man sich darüber streiten, ob die Änderungsanträge, die Sie eingeführt haben, das am Ende aufweichen oder nicht, das lasse ich mal dahingestellt. Aber ich will nur eines sagen: Das Lohnabstandsgebot wird automatisch zu Folgendem führen, dass es für den normalen Handwerksbetrieb, der sich darauf bewerben möchte, dazu führen wird, dass seine Facharbeiter rebellieren und sagen: Sag mal, was ist denn das, was ist denn hier los? Deswegen führt das am Ende zu einer Verteuerung aller öffentlichen Aufträge. Es wird dazu führen, dass sich keiner mehr darauf bewirbt, weil sich am Ende die Arbeitgeber, aber auch die Arbeitnehmer zu öffentlichen Aufträgen gar nicht mehr verhalten, weil das Lohnabstandsgebot nicht gewahrt ist.

(Beifall CDU)

Und dieser Überbietungswettbewerb – das will ich Ihnen sagen, das finde ich noch viel spannender –, der kommt ja nicht nur von ganz links außen, der endet bei rechts außen.

(Unruhe DIE LINKE)

Die AfD wird deswegen mitstimmen, weil sie 14 Euro vergabespezifischen Mindestlohn fordert. Das zeigt doch, was sich hier wirtschaftspolitisch im Sozialismus wiedertrifft, nämlich die AfD von ganz rechts außen und die Linken von ganz links außen.

(Beifall CDU)

Das ist die Koalition, um die es hier beim Vergabegesetz geht. Herzlichen Glückwunsch! Sie pumpen sich hier auf, wenn es um irgendwelche Kreistagsumweltausschüsse geht, aber tatsächlich stimmt die AfD heute bei Ihrem Vergabegesetz mit, was Sie als die große Errungenschaft in dieser Legislatur feiern.

(Beifall CDU)

Mit Verlaub, das ist Ihre Form von Koalition. Herzlichen Glückwunsch! Das ist Ihre Koalition.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Ganz, ganz billig!)

Deswegen kann ich Ihnen nur sagen, Frau HennigWellsow – ich meine, Sie haben sich heute hier ans Pult getraut, das ist dann Ihre Baustelle, das kann ich Ihnen nicht ersparen, aber so ist es nun mal –, wenn wir jetzt schon bei den vergabefremden Kriterien sind, das kann eine Vergabestelle nicht kontrollieren. Das haben wir in dem Expertengutachten – von Ihnen beauftragt – gelesen. Vergabespezifische Kriterien, das haben uns die Handwerker und mittelständischen Unternehmen bei der Anhörung ins Stammbuch geschrieben, diese vergabefremden Kriterien kann niemand nachweisen. Und weil sie niemand nachweisen kann, wird sich deswegen keiner rechtssicher auf öffentliche Aufträge bewerben. Das wird der Fakt sein. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, weil das einfach nicht nur meine Meinung ist, sondern von den Leuten, die tatsächlich jeden Tag mit Vergaben zu tun haben. Da kann Ihre ganze Ideologie dagegen versuchen anzureden, aber es wird in der Praxis einfach nicht stattfinden.

Ich kann es Ihnen auch nicht ersparen, wenn ich Ihr eigenes Gutachten lese, was Sie als Landesregierung beauftragt haben, wo in der Anhörung über die Regulierungsmaßnahmen der Koalitionsfraktionen gesprochen wird und wo in dem Gutachten drinsteht, 67,1 Prozent der Befragten sehen negative Auswirkungen auf die Bürokratiekosten. Das haben Sie beauftragt. Das Gutachten ist nicht von mir bestellt, es ist Ihr eigenes. Deswegen, glaube ich, wie schon beim Hochschulgesetz und in vielen anderen Bereichen, Sie beauftragen Evaluierung. Sie versuchen, Leute vorher einzubinden. Aber die Konsequenz, Experten einzuladen, ist tatsächlich auch, Experten anzuhören und deren Meinung wertzuschätzen. Aber wenn es am Ende zu null Änderungen führt, dann fühlen sich diese Experten am Ende auch veräppelt. Das ist auch wieder beim Vergabegesetz der Fall. Sie laden zwar alle schön ein, aber es führt zu keiner Änderung und zu keinem Erkenntnisgewinn bei Ihnen, und das ist das

eigentlich Verwerfliche, weil Sie deswegen auch Politikverdruss schaffen.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

Ich könnte jetzt noch viele andere Punkte nennen. Ich will trotzdem sagen, dass ich froh bin, dass die Debatte am Ende dazu geführt hat, dass Sie das Thema „eVergabe und Bestbieterprinzip“ mit in Ihr landesspezifisches Gesetz aufgenommen haben. Aber ich will Ihnen auch sagen: Das ist bundesgesetzliche Regelung. Insofern stand es schon fest. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Das ist Bundesgesetz, das hätte es in einem Landesgesetz gar nicht gebraucht. Nur allein an diesen Baustellen sieht man wirklich, dass das Vergabegesetz, was wir heute diskutieren, den Freistaat nicht voranbringen wird. Ich könnte Ihnen jetzt noch viele andere Punkte in Ihrem Gesetz nennen.

Am Ende geht es um eine Grundsatzentscheidung. Wissen Sie, wir stehen für soziale Marktwirtschaft.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Lukasch, DIE LINKE: Nein, Sie stehen nur für Marktwirtschaft!)

Wir stehen für ein Miteinander zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern. Wir stehen dafür, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmer die Löhne verhandeln.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: 18 Prozent!)

Ja, aber Sie können nicht so tun … Aber mit Verlaub, 18 Prozent, Frau Hennig-Wellsow!

Keine Zwiegespräche bitte!

Ich sitze auch mit dem DGB zusammen und die müssen selbst zugeben, dass es eigentlich ihr Job ist, die Frage zu klären, wie viele Leute tatsächlich auch einen Tarifvertrag abschließen.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Haben Sie vielleicht im Leben gearbeitet für einen Billiglohn?)

Genau aus diesem Grund rufe ich Ihnen zu: Tun Sie nicht so, als ob der Staat der bessere Unternehmer wäre. Das, was Sie hier mit dem Vergabegesetz schaffen, ist am Ende Bürokratisierungs

wust. Es ist mehr finanzielle Belastung. Es wird zu weniger Investitionen im Freistaat führen und das ist das eigentlich Verwerfliche. Sie sind ein Investitionshemmnis für diesen Freistaat und deswegen muss Rot-Rot-Grün auch abgewählt werden.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Jung?

Frau Jung, natürlich, wie könnte ich Ihnen eine Frage abschlagen.

Danke, Prof. Voigt. Ich habe mich gemeldet an der Stelle, an der Sie gesagt haben, Sie stehen für soziale Marktwirtschaft. Ist Ausdruck Ihrer sozialen Marktwirtschaft das Ergebnis, dass jetzt ganz viele ältere Menschen in Armut leben müssen?

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Und Sie sind arbeitnehmerfreundlich!)

Also mit Verlaub: Soziale Marktwirtschaft ist erst mal, wie wir unser Wirtschaftssystem organisieren. Wir stehen aber genauso – und ich darf Sie erinnern, angefangen von allen Rentenanpassungen – dafür, dass unser soziales System funktioniert. Das bedeutet für uns, dass niemand durch das soziale Netz fallen darf. Wir als Christlich Demokratische Union standen schon immer für die Solidarität in dieser Republik.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

Und offen gestanden finde ich es höchst verwerflich, so zu tun, als ob der Staat – das können Sie auch nicht – irgendwelche Löhne in diesem Freistaat diktieren könnte. Das wird nicht stattfinden. Deswegen: Am Ende werden das Unternehmen und die Arbeitnehmer miteinander zu verhandeln haben, und wenn wir von diesem Grundsatz abweichen, dann passiert genau das, was wir gerade erleben. Sie haben einen Überbietungswettbewerb mit denen da drüben. Die fordern 14 Euro, Sie fordern 11,40 Euro oder 11,42 Euro

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Natür- lich, er ist sogar Tarifpartner. So ein Blöd- sinn!)