eingeladen, Sie haben sich Gutachten vorlegen lassen, aber null von den Gutachten und Experten ist in Ihr Gesetz eingeflossen. Das ist der große Unterschied.
Weil Sie denken zu glauben, was in diesem Land passiert! Tatsächlich leben die Menschen aber anders, als Sie es sich vorstellen können, und das ist der große/maximale Unterschied.
Und ich kann es Ihnen wirklich auch nicht ersparen: Soziale Marktwirtschaft ist nun mal die Gesellschaftsordnung der Freiheit, die aber gleichzeitig auch das menschliche Miteinander im Blick hat. Das ist das, wofür wir stehen. Sie stehen für eine Einseitigkeit, wir stehen für die beiden Klammern Freiheit und Verantwortung, das macht es eben aus, und nicht Verantwortungsabnahme.
Sehr geehrte Frau Mühlbauer, ich verstehe, Sie sind jetzt als stellvertretende Fraktionsvorsitzende nachgewählt worden, das verstehe ich, herzlichen Glückwunsch dazu. Ich verstehe auch, dass Sie sich jetzt hier profilieren wollen als die Kämpferin.
Ich kann Ihnen nur eines sagen: Bei der Fragestellung von Pflegekräften brauche ich keine Nachhilfe. Meine Frau ist niedergelassene Ärztin. Ich kann Ihnen darüber genügend berichten, kann Ihnen auch darüber berichten, wie schwierig es ist, Fachkräfte zu finden, kann Ihnen auch darüber berichten, wie Lohnverhandlungen ablaufen. Aber ich kann Ihnen auch berichten, was sie Jahr für Jahr an Bürokratiekosten und Zeit mehr draufpacken muss.
Ich finde, das ist Ihre Pflicht, sich genau auch in diese Rolle hineinzuversetzen, dass es eben nicht nur um die einen geht, sondern dass es auch um beide geht, die die Arbeit geben, aber auch die, die mit ihrer Hände Arbeit mithelfen, dass es erfolgreich wird. Dieses Miteinander dürfen wir nie ver
Welches Bild Sie von Thüringen gezeichnet haben, finde ich, offen gestanden, erschreckend. Sie haben Thüringen hier an diesem Pult als Trümmerund Scherbenhaufen bezeichnet.
Ich kann Ihnen eines sagen: Das, was die Menschen mit ihrer Hände Arbeit hier aufgebaut haben, neun von zehn Unternehmen im Freistaat sind nach 1990 gegründet worden, 90 Prozent unserer Unternehmen haben eine durchschnittliche Größe von zehn Mitarbeitern und weniger. Das ist die Realität im Freistaat. Das sind nicht die großen Konzerne, wie Sie uns hier weismachen wollen, das sind die Handwerksbetriebe und die belasten Sie mit diesem Vergabegesetz.
Deswegen lehnen wir das ab aus einem ganz einfachen Grund: Weil es um die kleinen Mittelständler geht und nicht um die Großkonzerne, die es im Thüringer Freistaat sowieso kaum noch gibt oder die sich da garantiert auf das bewerben.
Und eigentlich hat es mich hier vorgetrieben, weil ich Ihnen eines mitgeben will: Sie haben gesagt, christliche Werte hier abfeiern. Ich stelle Ihnen frei, ob Sie an Gott glauben oder nicht. Aber was Sie sich ersparen sollten, ist, diejenigen, die einer Religion folgen, egal welcher, dadurch zu diffamieren, dass Sie schon bei der Sprache beginnen, das kleinzureden. Das gehört sich nicht und das lehne ich ab, weil das nichts mit wertebezogener Politik zu tun hat.
Vielen Dank. Ich sehe keine Wortmeldung seitens der Abgeordneten mehr. Für die Landesregierung Herr Minister Tiefensee. Bitte schön.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Gäste auf der Tribüne, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, inwieweit unsere Gäste immer genau informiert sind, was gerade beraten wird, ob es da eine Handreichung gibt. Wir reden jetzt über ein Vergabegesetz, das festlegen soll, auf welche Art und Weise Lieferungen, Leistungen, Bauaufträge, die der Freistaat oder die Kommunen ausreichen, in diesem Lande gewährleistet werden sollen, in diesem Lande ausgeführt werden sollen. Die Debatte entwickelt sich zu einem recht prinzipiellen Streit darüber, inwieweit ein Vergabegesetz dabei helfen kann, die Verhältnisse in Thüringen zu verbessern oder, wie die Opposition sagt, dazu beiträgt, dass die Verhältnisse schlechter werden.
Da ist zunächst einmal ganz prinzipiell zu fragen, mit welcher Haltung, mit welcher Zielvorgabe wir an die Gestaltung eines Gesetzes herangehen. Und da gibt es schon fundamentale Unterschiede, die deutlich werden. Meine Auffassung, die Auffassung von Rot-Rot-Grün, ist, dass wir bei allen Gesetzen, die wir hier vorlegen, das Dreieck aus wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung gewährleisten müssen.
Das ist nicht so ganz einfach, aber das ist wie ein dreibeiniger Tisch, der bekanntermaßen nicht wackelt. Alle drei Dinge müssen zusammenwirken. Aber ein dreibeiniger Tisch kann auch eine so schiefe Tischplatte haben, dass die Kaffeetasse herunterrutscht. Aus diesem Grund müssen alle drei Belange mit dem gleichen Gewicht in die Erarbeitung eines Gesetzes eingehen. Und das genau ist der ganz große Unterschied zwischen der Opposition – CDU und AfD – und den Regierungsfraktionen. Er liegt genau an dem Punkt, den ich an dem Begriff „vergabefremde Kriterien“ festmachen will. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist durchweg, angefangen von der Opposition bis hin zu den Experten, Herr Prof. Voigt, die Sie mehrfach angesprochen haben, die Denke des 20. Jahrhunderts. Die Denke des 20. Jahrhunderts ist: Ich brauche einfach nur auf den Teil der Wirtschaft zu schauen, auf wirtschaftliche Kriterien, dann gestalte ich Gesellschaft, dann gestalte ich das Wirtschaften gut. Das ist eine überkommene, eine falsche Herangehensweise.
Alle drei Dinge müssen berücksichtigt werden. Deshalb haben wir uns die Situation sehr genau angeschaut. Am Anfang steht zunächst immer eine Analyse. Aus diesem Grund, Herr Prof. Voigt – und ich danke Olaf Müller ausdrücklich für das Lob –, haben wir uns sehr viel Zeit genommen zuzuhören. Ich möchte sehr herzlich meinen Fachleuten, Fachdamen, Fachherren danken.
Frau Heinz sitzt hier, die – ich habe es bei der Einbringung schon gesagt – nicht mehr in ihr Büro hereinkommt, weil da meterweise die Ordner stehen, obwohl sie viel elektronisch arbeitet, weil so viel zu berücksichtigen war. Nicht nur die Anhörung, sondern auch das, was wir in den Fraktionen untereinander diskutiert haben, war zu berücksichtigen. Lieber Olaf Müller, ich zitiere dich: Es war ein vorbildliches Verfahren, ein Verfahren, wofür mein Haus, wofür Rot-Rot-Grün steht, nämlich maximale Beteiligung für Anhören, Zuhören, Gewichten und Entscheiden. Auch den Fachleuten ganz, ganz herzlichen Dank dafür. Das ist nicht selbstverständlich.
Die Situation ist tatsächlich so, wirtschaftliche Vernunft, es geht Thüringen gut. Die Wirtschaft brummt. Aber wir dürfen doch nicht nur darauf schauen, dass alles positiv ist, sondern wir müssen auch sehen, wo die Verwerfungen sind. Wir haben versucht, diese beim Schreiben dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Wir haben eben einen Nachteil der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Der entscheidende Nachteil ist bei Vergaben, dass die sich durchsetzen, die mit Dumpingangeboten auf Kosten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den anderen ausstechen, der sozial und ökologisch und wirtschaftlich handelt. Das wollten wir beseitigen.
Ein Blick auf die soziale Gerechtigkeit: Es ist angesprochen worden, dass unsere Löhne niedrig sind. Jetzt könnte man wieder sagen: Thüringen ist das Land mit der höchsten Lohnsteigerung im Vergleich zu allen anderen 15 Bundesländern. Von vergleichsweise niedrigem Niveau steigen wir an. Nun könnten wir uns bequem zurücklehnen und sagen: Das wird ja gehen. Nein! Es ist angesprochen worden, dass die Menschen hier deutlich weniger verdienen, dass sie in Altersarmut rutschen. Ich habe mich unlängst in einem nördlichen Landkreis informiert. Ist Ihnen bewusst, meine Damen und Herren, ein Sparkassenvorstand sagt, dass 40 Prozent der Sparerinnen und Sparer in diesem Landkreis am
Ende des Monats Kontostand null haben? 40 Prozent! Das heißt, es wird verdient und ich brauche das Geld im Monat auf und stehe bei null. 40 Prozent! Das nehmen wir zur Kenntnis, genauso wie es auch gute Verdienstmöglichkeiten gibt. Die Frage der Altersarmut und der zu geringen Löhne zu wenden, war auch Aufgabe dieses Gesetzes. Deshalb: Soziale Gerechtigkeit.
Zum Dritten: Wenn ein Verband, wenn eine Kammer, wenn Unternehmen mittlerweile immer noch nicht verstanden haben, dass ökologische Kriterien kein Nice-to-have sind, nichts Fakultatives, sondern dass es zum vernünftigen Wirtschaften dazugehört, sehr geehrter Herr Prof. Voigt, dann muss ich diese oder jene Stellungnahme beiseite legen, weil sie nicht dem gerecht wird, was wir unter Sozialer Marktwirtschaft, unter vernünftigem Wirtschaften verstehen.
Mich muss interessieren, wo meine Klamotten herkommen, unter welchen Bedingungen die hergestellt worden sind. Mich muss interessieren, inwieweit der CO2-Ausstoß eine Rolle spielt, inwieweit Transportkosten entstehen, die vermeidbar sind. Mich muss nicht nur interessieren, dass das Gut an sich preiswert ist, sondern dass es auch über den gesamten Lebenszyklus preiswert ist, dass der Drucker weniger Strom verbraucht, dass das Objekt XY recycelt werden kann und nicht auf Kosten der kommenden Generationen irgendwo auf Müllhalden landet. Das muss mich interessieren und Ausgangspunkt der Erarbeitung eines Vergabegesetzes sein.
Diese drei Belange haben wir in Balance gebracht. Rot-rot-grüne Politik ist, das auszubalancieren und nicht Gesetze zu verabschieden, die sich schlank nennen, aber dann eher aussehen wie ein Gerippe und eben nicht durchkommen und nicht diese drei Belange auf einen Nenner bringen.
Erster Punkt – Bürokratieabbau: Wir haben alles dafür getan, die Bürokratie beim Vergabeverfahren zu minimieren. Bestbieterprinzip: Nur der, der tatsächlich den Zuschlag zu erwarten hat, muss die vollständigen Unterlagen einreichen.
Ad zwei: Derjenige, der vor zwölf Monaten beim gleichen Auftraggeber einen Auftrag erhalten hat, braucht wenige bis gar keine Unterlagen einreichen – Bürokratieabbau. Die elektronische Vergabe ab
2020: Die Aufwertung für Lieferungen und Leistungen, die auf der Basis von freihändiger Vergabe vergeben werden können, wurden im Auftragswert verdoppelt, 1.000 Euro statt 500 Euro. – Bei den Schulbüchern ein Vergabeverfahren, das auf Verhandlungen im Unterschwellenbereich setzt. Sie wissen, bis 220.000 Euro. Sie brauchen nur noch einmal auf einer Plattform Ihr Angebot, Ihre Auftragsvergabe veröffentlichen. Alles das führt dazu – und das ist in den Anlagen auf den Euro berechnet –, dass wir ein Gesetz vorlegen, das Bürokratie vermindert, Bürokratie abbaut. Und da kann mir Herr Prof. Voigt erzählen, was er will; das ist eben so. Jetzt haben wir den großen Streitpunkt,