Protokoll der Sitzung vom 12.09.2019

Der Thüringer Rechnungshof führte aus, dass sich der Hof bereits in seiner letzten Stellungnahme zur Änderung des Straßenausbaubeitragsrechts für eine ungeschmälerte Beibehaltung der Straßenausbaubeiträge ausgesprochen hat. Darüber hinaus vermisse der Rechnungshof eine Evaluierung der letztens vorgenommenen Änderung des Kommunalabgabengesetzes, die dann als Grundlage für eine Entscheidung hätte genommen werden sollen, ob es einer Neuregelung bedürfe.

Die Bürgerallianz Thüringen gegen überhöhte Kommunalabgaben verwies darauf, dass mit der Abschaffung eine existenzbedrohende Abgabe beseitigt werde, die als Relikt aus dem Preußen des 19. Jahrhunderts übrig geblieben sei, und forderte zudem, alle Grundstückseigentümer, die bisher noch keinen Bescheid erhalten hätten, für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2018 von Straßenausbaubeiträgen zu entlasten.

In der Sitzung des Innen- und Kommunalausschusses am 5. September 2019 wurde der Gesetzent

(Staatssekretär Möller)

wurf zur Beschlussempfehlung an den Landtag angenommen, nachdem ein Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden war. So sollen mit diesen Änderungen die Gemeinden nunmehr innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes ihr Satzungsrecht anpassen. Mit der Änderung wird einer Forderung des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen im Rahmen des Anhörungsverfahrens entsprochen. Dieser hatte vorgetragen, dass bei einer Veröffentlichung des Gesetzes im September den Kommunen allenfalls noch drei Monate Zeit verbliebe, ihr Satzungsrecht anzupassen.

Zudem wird durch eine Änderung klargestellt, dass die Rückzahlungsverpflichtung auch Vorauszahlungen auf wiederkehrende Beiträge betrifft. Dies kann Vorauszahlungen betreffen, die für das Jahr 2019 erhoben wurden.

Der Gemeinde- und Städtebund und der Thüringer Rechnungshof haben in der Anhörung problematisiert, dass Abschlagszahlungen auf die Ausgleichszahlungen des Landes für die Gemeinden hilfreich wären. Mit der am Gesetzentwurf vorgenommenen Änderung besteht nunmehr für die Gemeinden die Möglichkeit, ab dem Beginn der Bauausführung Abschlagszahlungen zu beantragen. Die Voraussetzungen sollen in der nach dem Gesetz zu erarbeitenden Verordnung geregelt werden.

In der Beratung des Ausschusses verwies die Landesregierung nochmals darauf, dass die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1. Januar 2019 verfassungsrechtlich zulässig ist, und auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte die Einführung von Stichtagen für grundsätzlich möglich gehalten. Bereits in seiner Entscheidung vom 6. September 1990 hat es ausgeführt, dass es dem Normgeber durch Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht verwehrt sei, zur Regelung bestimmter Sachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringe. Diese Härten müssten hingenommen werden, wenn die Einführung eines Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist, und das sei im vorliegenden Gesetzentwurf der Fall.

Mit Verweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs ging die Landesregierung nochmals darauf ein, dass als Anknüpfungspunkt für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge hinsichtlich des Stichtags auf das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht abgestellt wird. Der Innenausschuss hat die Frage noch mal erörtert, ob diese Regelung rechtlich belastbar sei, ob es denn nicht im Raum

stehe, dass die sachliche Beitragspflicht tatsächlich einer Diskussion unterliegt. Hier hat die Landesregierung noch mal darauf hingewiesen, dass es keine Rechtsunsicherheit gebe, weil das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht einer ständigen Rechtsprechung auch in Thüringen unterliege und damit auch obergerichtlich festgelegt sei.

Auch die im Ausschuss aufgeworfenen Fragestellungen oder Befürchtungen, ob sich Gemeinden mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge künftig bei Straßenausbaumaßnahmen in das Erschließungsbeitragsrecht nach Baugesetzbuch flüchten, hat die Landesregierung dahin gehend beantwortet, dass dies auszuschließen sei, und auf die in der Begründung des Gesetzentwurfs ausführlich wiedergegebene Rechtsprechung zu diesem Sachverhalt verwiesen.

Der mitberatende Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat den Gesetzentwurf dann in seiner 81. Sitzung am 6. September 2019 beraten.

Ich bitte namens des Innen- und Kommunalausschusses um Ihre Zustimmung zur vorliegenden Beschlussempfehlung und der darin enthaltenen Änderungen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Neben der Beschlussempfehlung liegt Ihnen auch noch ein Entschließungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/7716 vor. Deswegen frage ich zunächst, ob jemand aus den genannten Fraktionen das Wort zur Begründung zu dem Entschließungsantrag wünscht. Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und weise darauf hin, dass der Tagesordnungspunkt auf Verlangen der Fraktion Die Linke in einfacher – das heißt normaler – Redezeit beraten wird. Als erstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Fiedler von der Fraktion der CDU das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, wir beschäftigen uns heute mit einem Thema, das in Thüringen seit Einführung der Straßenausbaubeiträge immer wieder zu vielen Auseinandersetzungen geführt hat.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ihr hättet nur seit 1994 auf mich hören müssen!)

(Abg. Dittes)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Oder auf uns!)

Man muss ja nicht auf jeden hören, der meint, er hat die Weisheit mit Löffeln gefressen.

Es war jedenfalls in den ganzen Jahren ein schwieriges Problem – vor allen Dingen hier in den neuen Ländern und hier in Thüringen –, den Leuten beizubringen, dass sie jetzt für die Straßen mit Beiträgen herangezogen werden. Das hat sich über die ganzen Jahre hingezogen und es gab immer wieder Probleme. Ich wollte das nur vorwegschicken und jetzt gehe ich noch mal auf einige Punkte ein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuschauer auf der Tribüne, um es gleich vorweg klar zu sagen, deswegen betone ich das: Die CDU steht für die Entlastung der Bürger.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: In der Theo- rie!)

Wer war das?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich!)

Ach, Möller. Ihr habt doch überhaupt nichts beizutragen. – Um es gleich vorweg klar zu sagen: Wir stehen für die Entlastung, ich will das ausdrücklich betonen.

(Heiterkeit AfD)

Denn das wird heute vielleicht noch kompliziert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir setzen uns für eine rechtssichere Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und eine seriöse Gegenfinanzierung für die Kommunen ein.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das wollen wir alle!)

Zu diesem Gesetzentwurf aber müssen wir uns enthalten, meine Damen und Herren, weil er unzulänglich und ungerecht ist. Rot-Rot-Grün räumt selbst ein, dass grundsätzliche Ungerechtigkeiten bestehen und bestehen bleiben. Nach dem als verfassungswidrig gescheiterten Zweiklassenmodell von Rot-Rot-Grün, wonach reiche Gemeinden auf Straßenausbaubeiträge verzichten konnten, sollen mit diesem Gesetzentwurf die Straßenausbaubeiträge in Thüringen rückwirkend zum 01.01.2019 für alle abgeschafft werden. Baumaßnahmen, die bis zum 31.12.2018 beendet wurden, sind von den Gemeinden aber noch bis zum 31.12.2022 abzurechnen. Das heißt, viele Bürger, die jetzt fest mit einer Entlastung rechnen, werden erst nach der Wahl, aber gegebenenfalls noch vor Weihnachten Beitragsbescheide erhalten.

Eine Fülle von Fragen, die wir zum Teil bereits bei der Einbringung aufgeworfen haben, ist weiterhin ungeklärt. Wird die Rückwirkung zum willkürlichen Stichtag 01.01.2019 vor den Verwaltungsgerichten Bestand haben? Verschiedentlich wird uns vorgehalten, die CDU hätte die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in ihrem Eckpunktepapier doch selbst zum 01.01.2019 gefordert.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Ja!)

Ja, das ist richtig, Herr Ministerpräsident, Herr Staatssekretär, das ist richtig, allerdings im September 2018. Der 01.01.2019 sollte damals Stichtag für eine verfassungskonforme und rechtssichere Lösung in der Zukunft sein. Aber Rot-Rot-Grün hat einmal mehr so lange getrödelt, bis die Zukunft Vergangenheit war.

(Unruhe DIE LINKE)

Das ist schon öfter vorgekommen. Das müsst ihr aushalten, wenn ihr solche Dinge kurz vor dem Ende bringt. Wie soll die Gerechtigkeitslücke bei unterschiedlichen Ausbauabschnitten im gleichen Ort oder Ortsteilen, in der gleichen Straße geschlossen werden? Dicke Fragezeichen! Die Erhebung von Ausgleichsbeiträgen nach dem Baugesetzbuch bleibt unberührt. Herr Ministerpräsident, ich kann es hinterher erklären, aber jetzt muss ich reden.

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Ich habe nur ihm, Herrn Höhn, geantwortet!)

Ja, ja, Höhn hat ja Ahnung. Eigentümer von Grundstücken in Sanierungsgebieten werden also weiter zur Kasse gebeten. Wie erklären Sie diese Ungleichbehandlung zwischen Nachbarn? Oder sollen künftig in Größenordnungen Sanierungssatzungen aufgehoben werden, damit künftig Landesrecht gilt und somit Gebührenfreiheit? Welche Folgen hätte das für die kommunalen und staatlichen Haushalte?

Nach der letzten Änderung, die im Innen- und Kommunalausschuss kurzfristig als Tischvorlage behandelt wurde, haben die Gemeinden jetzt 18 Monate Zeit, ihre Satzung anzupassen. Umfasst die Rückzahlungsverpflichtung auch Vorauszahlungen auf wiederkehrende Beiträge, sollen auch vorgezogene Erstattungen und Abschlagszahlungen auf die Ausgleichszahlung des Landes möglich sein.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ist eine gute Sache!)

Auf welchem Niveau sollen künftig Kostenerstattungen an die Kommunen erfolgen? Nivelliert sich al

les auf einem niedrigen Standard? Kann davon abgewichen werden? Wer entscheidet darüber und mit welcher finanziellen Folge? Bis zur Evaluierung der maßnahmenbezogenen Pauschalisierung, die für nach 2025 angesetzt ist, droht den Kommunen Schaden dadurch, dass der Bezugspunkt der Pauschalierung in der – in Klammern – kostengünstigeren Vergangenheit liegt. Auch wird den Kommunen ihr Verwaltungsaufwand nicht erstattet. Kurzum: Auch der jetzige Reparaturversuch wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Die rechtlichen und finanziellen Risiken sind gewaltig, das zeigt auch die Anhörung sehr deutlich. Wir unterstützen jede dauerhaft tragfähige und verfassungsgemäße Lösung. Davon ist dieser Entwurf aber noch meilenwert entfernt – ein Schnellschuss praktisch in letzter Minute, dessen Folgen die Bürger, die Kommunen und nicht zuletzt auch der nächste Landtag ausbaden müssen.

Meine Damen und Herren, Rot-Rot-Grün hatte doch fünf Jahre Zeit, seine Versprechen einzulösen. Jetzt kommt Rot-Rot-Grün im letzten regulären Plenum mit taggleichen Tischvorlagen im Ausschuss und kündigt 5 Minuten vor der Wahl in den Medien noch schnell und groß einen Härtefonds nach bayerischem Vorbild an. Dieser effektheischende Aktionismus kurz vor Toresschluss soll wohl schlechte Regierungsarbeit vertuschen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ach, nein!)

Ja, ruhig Blut.

Ich fasse zusammen: Zustimmung zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, aber Enthaltung zum vorliegenden Gesetzentwurf mit seinen Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ent- haltung ist immer Zustimmung der Opposi- tion zur Regierung!)

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Auf keinen Fall!)

Ich will mich bei dem Thema gar nicht in die Dinge hineinbegeben, es ist ein Thema, das dieses Land spaltet, das das Land schon seit Langem spaltet. Gerade die Kommunalen vor Ort müssen es nämlich ausbaden, meine Damen und Herren,