Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese zahlreichen Maßnahmen können aber nur dann wirksam werden, wenn eine Anpassung der Arbeitsstrategie unserer Sicherheitsbehörden erfolgt. Dies umfasst insbesondere auch eine angemessene personelle und finanzielle Ausstattung, aber auch eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit der Behörden in Thüringen selbst wie aber auch im bundesweiten Verbund der Sicherheitsbehörden. Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass wir hierbei auf einem guten Weg sind. In meinem Zuständigkeitsbereich haben wir bereits eine Vielzahl an sicherheitspolitischen Maßnahmen realisiert, die unsere Sicherheitsbehörden in die Lage versetzen, ihre ihnen zugewiesenen Aufgaben uneingeschränkt erfüllen zu können. Herr Abgeordneter Dittes hat bereits ausführlich dargestellt, welche Verbesserungen dort vollzogen werden. Wenn man sich die Personalsituation bei der Thüringer Polizei im Zeitraum zwischen 2016 – und jetzt von der Lan

desregierung ja auch geplant – bis 2025 vor Augen hält, werden wir circa 1.000 Polizisten und Polizistinnen mehr haben. Darüber hinaus wurde über eine Viertelmilliarde Euro in dieser Legislaturperiode in die Sicherheit in Thüringen investiert.

Ich möchte abschließend zu einem Thema kommen, was auch gestern bei der Versammlung bzw. bei der Mitgliederversammlung des Gemeinde- und Städtebunds angesprochen wurde und was den Kommunalpolitikerinnen und -politikern ganz besonders am Herzen liegt: Das ist die Neuausrichtung des Kontaktbereichsdienstes. Das ist eine ganz wichtige Einrichtung, die sicherstellt, dass die Bürgerinnen und Bürger und auch die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker den direkten Draht zur Polizei haben. Die Beamten leisten dort einen sehr wertvollen Dienst.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dort wird Polizei für die Menschen erlebbar. Wir werden den Kontaktbereichsdienst personell stärken, 40 Stellen werden dort zusätzlich eingerichtet.

(Beifall SPD)

Wir werden die noch bestehenden weißen Flecken in Thüringen schließen. Es wird keine Kontaktbereichsstelle abgebaut. Wir werden die Kontaktbereichsbeamten besser ausstatten. Am augenscheinlichsten sieht man das an den Fahrzeugen. Der bisherige Corsa geht in den Ruhestand und es werden gute polizeiliche Fahrzeuge angeschafft. Und – das ist ganz wichtig, in diesem Zusammenhang sind Missverständnisse aufgetreten, die ich ausräumen möchte – wir werden auch für mehr Flexibilität sorgen. Wir geben den örtlichen Stellen, den Polizeidienststellen, aber auch den Kommunen die Möglichkeit, den KoBB-Dienst so zu organisieren, wie sie das vor Ort brauchen, also mehr Flexibilität.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Dazu kann auch gehören – und jetzt kommt es –: Eine Doppelstreife kann in bestimmten Kontaktbereichsdiensten Sinn ergeben, wenn es dort zahlreiche KoBBs gibt. Es gibt bis zu neun KoBBs in einzelnen Dienststellen; dort macht es Sinn. Dort, wo nur ein KoBB ist, kann es natürlich nicht sein, dass Doppelstreife gefahren wird, weil wir dann unser Ziel nicht erreichen würden, den Kontaktbereichsdienst zu stärken. Das möchte ich an dieser Stelle noch mal deutlich machen.

Sie sehen, wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um unsere Aufgabe, Sie, also Politikerinnen und Politiker im kommunalen Bereich, in allen Bereichen staatlichen Handelns, aber natürlich auch die Bürgerinnen und Bürger besser zu

(Minister Maier)

schützen. Wir haben die Sicherheitslage des Freistaats im Blick und passen unsere Vorbereitungen den jeweiligen Lageveränderungen an, um den bestmöglichen Schutz aller Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Wir stehen dazu, dass jedermann auch zukünftig sicher in unserem Freistaat leben kann. Den Beamtinnen und Beamten der Thüringer Sicherheitsbehörden, die mit ihrem täglichen Einsatz hierfür Sorge tragen, möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich meinen Dank aussprechen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, dann schließe ich den dritten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den vierten Teil der Aktuellen Stunde

d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Unsere Geschichte verpflichtet: 30 Jahre friedliche Revolution in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 6/7778 -

Ich eröffne die Aussprache. Als Erste hat das Wort Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Schülerinnen und Schüler, wir begehen dieses Jahr „30 Jahre friedliche Revolution“. Manchmal kommt es einem gar nicht so lang her vor. Es war vor 30 Jahren, der Herbst 1989, der, glaube ich, auch viele von uns hier in diesem Rund in die Politik gebracht hat. So haben wir uns das damals nicht vorgestellt. Und doch können wir froh, glücklich und dankbar sein, dass es mutige Frauen und Männer gab, die auf die Straße gegangen sind und sich gegen die SED-Diktatur erhoben und schließlich mit der friedlichen Revolution – die sicherlich nicht denkbar gewesen wäre, das haben wir ja auch schon häufig diskutiert, wenn es nicht zuvor Gorbatschow in der Sowjetunion, aber auch die Solidarność-Bewegung beispielsweise in Polen gegeben hätte – dafür gesorgt haben, dass wir heute ein in Frieden geeintes Europa haben.

(Beifall CDU)

Daran gilt es zu erinnern. Ich möchte ein paar Daten benennen, die für uns eine ganz große Rolle gespielt haben. Ich beginne mit einem Datum aus Leipzig, dem 2. Oktober, der ersten Montagsdemonstration. Das nenne ich aber nur als Bezugspunkt, um zu zeigen, dass schon sehr bald darauf auch in Thüringen ganz viele wichtige Termine stattfanden – ich kann nur einige davon benennen: Am 4. Oktober hat sich in Weimar das Neue Forum in der Herderkirche getroffen. Etwa 1.200 Menschen sind damals der Einladung gefolgt. Am 7. Oktober gab es den denkwürdigen Gottesdienst in der Erfurter Kaufmannskirche, das war der „Tag der Republik“, wie er damals hieß, an dem 40 Kerzen ausgeblasen wurden – ein durchaus provokantes Signal; am 9. Oktober die zweite Montagsdemo in Leipzig schon mit 70.000 Teilnehmern, am 19. Oktober dann die erste Demonstration in Erfurt zur Andreaskirche gegenüber der Stasibezirkszentrale; am 20.10. die erste Demonstration in Mühlhausen vor der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit; am 23. Oktober die ersten Demonstrationen in Eisenach und Heiligenstadt; am 24. und 25. Oktober der erste sogenannte Erfurter Rathausdialog mit Vertreterinnen und Vertretern der Opposition; am 26. Oktober schließlich die erste Großdemonstration auf dem Erfurter Domplatz mit 40.000 Teilnehmern, die – Sie erinnern sich vielleicht – Reisefreiheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit gefordert haben. Es gab am 26. Oktober auch die erste Demonstration in Worbis, am 28. Oktober in Sondershausen vor der SED-Kreisleitung, am 3. November erneut eine große Demonstration auf dem Erfurter Domplatz mit 50.000 Teilnehmern und am 5. November aus Eisenach den Aufruf des damaligen Landesbischofs Dr. Leich an die Bevölkerung zur Teilnahme am Erneuerungsprozess und zum Verbleib im Lande.

Ich möchte daran erinnern, weil wir heute ja auch einen sehr schönen Gottesdienst zum Ende dieser Legislatur erleben durften, für den ich mich noch einmal bei der evangelischen und katholischen Kirche bedanken möchte, in dem sie an den konzilianten Prozess und die Forderungen aus diesem erinnert haben: Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Auf der anderen Seite erleben wir heute eine nahezu unerträgliche Situation, nämlich dass eine Partei, die auch hier eine Fraktion im Hause stellt, versucht, mit dem Krenz-Sprech „Wende“ diese für sich auf unerträgliche Art und Weise zu vereinnahmen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Honeckers Erben!)

Ich bin Ilko-Sascha Kowalczuk als Erstunterzeichner, und Frank Ebert, Vertreter von der Havemann

(Minister Maier)

Gesellschaft, sehr dankbar, die einen offenen Brief verfasst haben, den inzwischen viele Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler unterschrieben haben: „Nicht mit uns: Gegen den Missbrauch der Friedlichen Revolution 1989 im Wahlkampf“.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schier unerträglich, erleben zu müssen, dass mit Plakaten wie „Schreib Geschichte!“ und „Vollende die Wende!“ suggeriert wird, die friedliche Revolution hätte nicht längst die Wende tatsächlich eingeleitet. Ich nutze diesen Begriff, wie gesagt, sehr ungern. Die friedliche Revolution hat ermöglicht, dass wir heute ein geeintes, friedliches Europa haben – und die AfD setzt auf Spaltung und erklärt dies alles für null und nichtig

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Spaltung machen Sie!)

und diskreditiert dies in einer unerträglichen Art und Weise. Sie machen den Rechtsstaat immer wieder verächtlich. Sie benutzen die parlamentarische Demokratie als Bühne und Sie benutzen das Vermächtnis der friedlichen Revolution – und das ist schlichtweg schäbig, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Dank gilt noch einmal allen mutigen Bürgerinnen und Bürgern, die mit dem Mut zur Wahrhaftigkeit auf die Straße gegangen sind, mit dem Mut, die SED-Diktatur auch tatsächlich ins Wanken zu bringen, und schließlich den Fall, den Sturz der Mauer erreicht haben. Daran gilt es zu erinnern und das überlassen wir ganz sicher nicht denen, die sich preisen, mit 17 von der Couch aus Westfernsehen geschaut zu haben. Ich meine hier einen, der sich damit auch noch im MDR-Fernsehen gebrüstet hat, nämlich Herrn Höcke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächster spricht Abgeordneter Wirkner von der CDU-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, seit der Wiedergründung des Landes Thüringen im Jahr 1990 im Ergebnis der friedlichen Revolution des Herbstes 1989 hat sich die Thüringer CDU-Fraktion im Thüringer Landtag mit zahlreichen Initiativen für die Aufarbei

tung des SED-Unrechtsstaats und vor allem für dessen Opfer stark gemacht. Unter anderem fällt mir dabei der Erschließungsantrag der CDU zur Strafbarkeit der SED-Verbrechen vom 19. Juni 1991 ein, um das noch mal in Erinnerung zu bringen. Das Anliegen dieses Antrags aus der ersten Stunde des Parlaments in Thüringen war eine Aufforderung an alle mit der Ermittlung und Verfolgung von SED-Straftaten betrauten Behörden, das vorhandene rechtliche Instrumentarium voll auszuschöpfen und die Vergehen als Verstöße gegen Grundsätze der Menschlichkeit zu werten. Immer wieder wurde das Thema „Opfer des SED-Unrechtsstaats“ von der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag auf die Tagesordnung des Plenums gehoben, auch in den letzten fünf Jahren dieser Legislaturperiode.

Auch als Stimmen aus einer bestimmten politischen Richtung immer wieder lauter wurden, man sollte doch die Aufarbeitung des DDR-Unrechts endlich einmal abschließen, war es die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, die in der Landtagssitzung am 8. Juni 2006 deren Fortführung beschloss, um damit die Gerechtigkeit für die Opfer dieses Unrechts so weit wie möglich herzustellen.

Meine Damen und Herren, und schließlich möchte ich Sie auch aus aktuellem Anlass des 30. Jahrestags der friedlichen Revolution an unseren Plenarantrag in der Drucksache 6/5552 aus dem vergangenen Jahr erinnern. Ziel dieses Antrags, der leider nicht die Unterstützung der anderen demokratischen Parteien in diesem Hause gefunden hatte, weil man sich an einem solchen historisch untersetzten Begriff wie „sowjetische Besatzungszone“ störte, war es, von der Landesregierung frühzeitig ein Konzept zur angemessenen Erinnerung an die friedliche Revolution 1989 und an die deutsche Einheit 1990 vor 30 Jahren vorgelegt zu bekommen. Aus Sicht der CDU sind beide Jubiläen von außerordentlicher Bedeutung für die Wiedervereinigung unserer Nation und die Wiedergründung des Landes Thüringen, die entsprechend zu würdigen sind. Mit diesen und den vielen anderen parlamentarischen Initiativen, die von der CDU hier im Hohen Haus in den vergangenen Jahren ausgingen, möchten wir deutlich machen, dass für die CDU diese Erinnerung eine beständige staatspolitische Aufgabe ist, die die Auseinandersetzungen mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts aufgreift und auf diese Weise auch bei den Bürgern das Bewusstsein für die Voraussetzungen und die Zerbrechlichkeit freiheitlich demokratischer Verhältnisse schaffen soll.

Neben dieser Erinnerung sind für uns aber vor allem auch die Opfer und ihre Schicksale von beson

(Abg. Rothe-Beinlich)

derer Bedeutung. Für viele Betroffene ist es nachvollziehbar eben sehr wichtig, dass ihre Leiden, ihr Status als Opfer der SED-Diktatur anerkannt werden. Aber neben der juristischen Rehabilitierung spielt dabei auch die Entschädigung eine große Rolle, die wir in dieser Legislatur ebenfalls mehrfach thematisiert haben – zum Beispiel in Verbindung mit der Verteilung der PMO-Mittel und einer Einrichtung eines Härtefallfonds für die betroffenen Opfergruppen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: Al- so jetzt reicht es aber, Herr Wirkner!)

Viele der ehemaligen politisch Verfolgten leiden noch heute unter den Folgeschäden, sei es dadurch, dass ihnen der Weg zum Abitur und damit eine bessere Ausbildung verwehrt worden ist,

(Zwischenruf Abg. Lukasch, DIE LINKE: Viel- leicht mal in den Spiegel schauen!)

sei es durch die gesundheitlichen Spätfolgen ihrer Haft oder sei es durch den Verlust ihrer Heimat und ihres Eigentums infolge von Zwangsaussiedlungen. Wir können zwar das Leid der Opfer der SED-Diktatur nicht mehr ungeschehen machen, aber wir sollten es zumindest lindern. Eine Entschädigung sollte deshalb für alle gelten, die Unrecht im Namen von SED und ihrem Machtinstrument – dem Ministerium für Staatssicherheit – erfahren haben.

(Beifall CDU)

Ich verspreche Ihnen, dass die CDU-Fraktion nicht müde wird, auch weiterhin dieses Anliegen im Parlament zu thematisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus meiner persönlichen Sicht und der meiner Fraktion ist es aber auch erforderlich, dass vor allem Thüringens Schüler auch in Zukunft umfassend über die zweite Diktatur auf deutschem Boden informiert werden. Kein Schüler darf in Thüringen eine Schule verlassen, ohne zu wissen, wie schrecklich Gewaltherrschaft und Freiheitsentzug sind. Bei allen Mühen und Zwängen des Alltags muss uns immer präsent sein, wie wertvoll die Freiheit ist. Sie ist eben keine Selbstverständlichkeit, die vom Himmel fällt.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich noch einige Worte in Richtung der AfD verlieren. Ich bin eigentlich der Grünen-Fraktion sehr dankbar, dass sie in ihrer Begründung

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

zur Aktuellen Stunde die Geschichtsunkenntnis des AfD-Funktionärs klar herausstellt. Herr Höcke – und da spreche ich Sie noch einmal persönlich an –, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich wirklich ein wahres Bild über die Verhältnisse in der DDR machen können.

(Beifall CDU)