Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich einen letzten Aspekt ansprechen: Bekanntlich fordern nicht nur der Verfassungsschutzpräsident Kramer, sondern auch Sie, Herr Innenminister Maier von der Landesregierung, den Verfassungsschutz personell zu verstärken. In verschiedenen Runden haben wir dazu schon debattiert und wir sind Ihnen auch zur Seite gesprungen und haben gesagt, völlig zu Recht, wir brauchen einen starken Verfassungsschutz. Das ernüchternde Ergebnis kennen wir alle. Die Rufe sind bei der Landesregierung ergebnislos verhallt.
Deswegen will ich hier vorne am Pult auch eines versprechen: Wir, die CDU, werden unsere Sicherheitsbehörden stärken, vor allem auch den Verfassungsschutz. Dazu gehört eine personelle Verstärkung. Dazu gehört auch ein verstärkter Einsatz von V-Leuten. Nur so kann der Verfolgungsdruck auf die Feinde der Demokratie massiv erhöht und unsere offene Gesellschaft geschützt werden. Das ist unser Anspruch und das werden wir auch umsetzen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in der letzten Woche zur Sondersitzung haben die Koalitionsfraktionen ihre Zustimmung zur Fristverkürzung zum Antrag der AfD verweigert, weil wir nicht bereit waren, einem Stichwortgeber der Täter von Halle hier das Podium zu eröffnen, sich als Opfer zu inszenieren.
Wie richtig diese Entscheidung war, hat Frau Marx bereits an zwei Tweets der AfD-Politiker Ulbrich und Brandner belegt. Man kann diese Reihe beliebig fortsetzen. Ich will hier beispielsweise auch noch mal den AfD-Stadtrat aus Offenbach, Taras Maygutiak, zitieren, der – nachdem tatsächlich auch der AfD-Abgeordnete Möller hier in der letzten Woche sagte, die AfD sei genauso von den Taten in Halle betroffen – öffentlich verbreitete, er sei ja mal gespannt, wer das in Halle inszeniert habe. Das zeigt neben den Auslassungen auch von Herrn Brandner ganz deutlich, wessen Geistes Kind die AfD tatsächlich ist.
Deswegen ist es wichtig, immer wieder zu sagen, was wir tatsächlich als Problem in dieser Gesellschaft vorzufinden haben. Denn aus Vorurteilen, die hier immer wieder manifest durch die AfD vorgetragen werden, werden eben auch verfestigte Meinungen. Aus Meinungen werden Einstellungsgerüste. Aus Einstellungsgerüsten werden Handlungen. Und aus Handlungen, die in ihrer extremsten Form auch solche abscheulichen Taten wie die Tat in Halle sein können, werden eben auch Morde und Verbrechen. Auch heute sind wir deshalb mit unseren Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen und wir sind eben auch bei denen, die seit letzter Woche gewiss waren, nur ganz knapp einem geplanten Massaker entkommen zu sein.
Meine Damen und Herren, das, was wir in Halle erleben mussten, war kein Alarmzeichen, sondern eine rechtsterroristische Tat, der viele Alarmzeichen bereits vorausgingen,
eine rechtsterroristische Tat, für die aber selbstverständlich der Täter die strafrechtlichen Konsequenzen zu tragen hat. Die Verantwortung für diese Tat tragen aber auch diejenigen, die die Kette vom Vorurteil zur Tat immer wieder gespeist haben mit Lügen, mit Hass, mit menschenverachtender Ideologie. Und die Verantwortung für diese Tat tragen auch die, die zwar nicht selbst zur Waffe greifen, aber dem Täter von letzter Woche oder dem Mörder von Walter Lübcke die politische Legitimation verschaffen.
Ich will das auch mal deutlich machen und dazu an einigen Beispielen des Manifests ansetzen. Der Täter von Halle sprach zum Beispiel in seinem Manifest auch von einer Nachahmungstat am Christchurch-Attentat und dieser Täter bezog sich auf den „Großen Austausch“. Ein Großer Austausch wird thematisiert durch Höcke in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“, dort nachzulesen, also eine Ideologie, die der Täter aufgreift, eine Ge
dankenwelt, die die AfD und deren Protagonisten immer wieder auch in die politische Auseinandersetzung einführen. In dem elfseitigen Manifest spricht der Täter davon, dass er auch eine Moschee oder ein Antifa-Kulturzentrum hätte angreifen können. Am Ende wettert er gegen Feminismus, also alles politische Ideologiestücke, die Wesensmerkmal auch der AfD selbst sind.
Natürlich war die Tat antisemitisch motiviert, sie ging aus von antisemitischen Vernichtungsfantasien, die auch immer wieder in der AfD ihren Platz haben. Natürlich wissen wir, dass auch antisemitische Einstellungen in der Gesellschaft weit verbreitet sind. Ich will Ihnen mal ein paar Zahlen hierzu nennen, wie sich das eben zwischen der Gesellschaft in ihrem Durchschnitt und im Speziellen bei den AfD-Anhängern verhält. Mehr als die Hälfte der AfD-Anhänger meint, die Juden hätten weltweit zu viel Einfluss. Es tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, ich habe hier nur einen Vergleichswert für Ihre Anhänger, aber bei Ihnen sind es lediglich 17 Prozent. Das macht eben deutlich, dass wir zwar ein gesellschaftliches Problem des Antisemitismus, der über alle Parteianhängerschaften hinweggeht, aber ein besonderes Antisemitismusproblem bei den Anhängern der AfD haben. Die AfD speist genau diese Einstellung ihrer Anhängerschaft mit solchen Zitaten wie dem von Jens Maier, der den Schuldkult für beendet erklärte, Wörtern wie den Aussagen von Höcke zum „Denkmal der Schande“ oder zur „notwendigen 180-GradWende“ oder eben auch wie die Fraktion in BadenWürttemberg, die beantragte, die Förderung für eine Gedenkstätte in Frankreich für die Opfer des Nationalsozialismus aus Süddeutschland zu beenden. Das alles sind die Stichworte für die Täter, für den Mörder von Lübcke, für den Täter von Halle.
Es ist, meine Damen und Herren, dieselbe AfD, die die Regeln der von ihr zutiefst verachteten parlamentarischen Demokratie nutzt, um uns zu dieser Sondersitzung zu zwingen und darüber zu diskutieren, dass der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz die AfD im September 2018 im Rahmen einer Pressekonferenz als Prüffall charakterisiert hat. Nun legt uns diese AfD einen Antrag vor, der laut Titel ein „möglicherweise neutralitäts- und rechtswidriges Handeln“ thematisiert, der Fragen stellt, deren Beantwortung für die Bewertung eines „möglicherweise neutralitäts- und rechtswidrigen Handelns“ notwendig ist, um aber zugleich die Entlassung des Präsidenten des Amts für Verfassungsschutz zu fordern.
Wie wenig die AfD von der mit der parlamentarischen Demokratie einhergehenden Gewaltenteilung hält, wird hier bereits sichtbar. Die Frage zur Bewertung der Zulässigkeit der Aussagen des Verfassungsschutzpräsidenten hat die AfD auch dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt, aber die Entscheidung, wie das Verfassungsgericht darüber befinden wird, will die AfD nicht abwarten. Der Landtag solle also schon heute seine Konsequenzen ziehen. Offensichtlich ist es der AfD mit Blick auf bevorstehende Wahlen wichtiger, noch einen Auftritt hier im Parlament und vor allem sich selbst zu inszenieren. Wichtiger erscheint ihr dies zumindest als die angestrengte verfassungsrechtliche Prüfung.
Dass die AfD hier auch das Parlament missbraucht, wird bereits daran deutlich, dass der Pressesprecher der Thüringer AfD am 16. September verkündete, dass die AfD noch vor der Wahl Ende Oktober eine Sondersitzung zu beantragen plane. Der vorliegende Antrag, meine Damen und Herren, bestätigt, dass man nur den richtigen Zeitpunkt abpassen wollte. Immerhin hatte die AfD seit dem 17. September drei Landtagssitzungen Zeit, um den Gegenstand hier auf die Tagesordnung zu heben.
Meine Damen und Herren, interessant ist auch, wo die Ankündigung der geplanten Sondersitzung erfolgte. Die erfolgte nämlich auf der der rechten FPÖ nahestehenden Plattform „Unzensuriert“. Diese Plattform, meine Damen und Herren, kann nach Auffassung des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung dem rechten und nationalistischen Lager zugerechnet werden. Und weiter: Die in dem Medium veröffentlichten Inhalte wären zum Teil äußerst fremdenfeindlich und weisen antisemitische Tendenzen auf. Das ist also das Publikationsorgan, das die AfD auserwählt hat, um diese Sondersitzung heute anzukündigen.
Derartige sowie vergleichbare Verbindungen der AfD, aber auch Positionen, Auftritte, Publikationen haben den Präsidenten des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz offenbar dazu veranlasst, am 6. September 2018 öffentlich über die AfD als einen Prüffall für den Verfassungsschutz zu reden.
Damit, meine Damen und Herren, stellen wir uns doch mal die Frage: Prüffall für was denn? Ein Prüffall, ob die AfD entsprechend § 4 Thüringer Verfassungsschutzgesetz zu einem Beobachtungsobjekt werden wird? Oder – man kann die Frage mit anderen Worten formulieren – ein Prüffall, ob es sich bei der AfD um eine Bestrebung gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere ge
gen das friedliche Zusammenleben der Völker, handelt? Oder – noch mal mit anderen Worten die Frage gestellt –: ein Prüffall, ob es sich bei der AfD um eine gegen die Werte der Verfassung aktiv arbeitende, also verfassungsfeindliche Partei handelt?
Meine Damen und Herren, mit dem Antrag hat die AfD diese Fragestellung nicht nur dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt, sondern auch dem Parlament. Ich werde für die Linke die Antwort darauf auch nicht schuldig bleiben. Ja, die AfD ist es.
Die AfD ist eine Partei, deren Politik von einem biologistischen und rassistischen Menschenbild geprägt ist; eine Partei, deren Politik von geschichtsrevisionistischen Positionen, von der Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus, von einer tief sitzenden Demokratieverachtung geprägt ist. Eine Partei, deren Politik von Verschwörungstheorien geprägt ist. Eine Partei, deren Politik von einem beabsichtigten Eingriff in Wissenschafts-, Kultur- und Pressefreiheit geprägt ist. Eine Partei, deren Politik von dem Versuch geprägt ist, den Rechtsstaat zu unterhöhlen. Eine Partei, die beabsichtigt, in die Religionsfreiheit einzugreifen. Und eine Partei, die sich aktiv an der Verunglimpfung von geflüchteten Menschen auf dieser Welt beteiligt. Die AfD ist zu guter Letzt auch eine Partei, die personell eng mit rechtsextremen Strukturen bis hin zu militantem Rechtsextremismus verschmolzen ist.
Um diese Feststellung treffen zu können, braucht es unseres Erachtens kein Amt für den Verfassungsschutz. Man muss der AfD nur zuhören, man muss ihre Texte lesen. Jeden der genannten Punkte könnte ich belegen.
Aber das ist an dieser Stelle gar nicht notwendig, denn selbst eine interne Arbeitsgruppe der AfD kam im September 2019 zu dem Ergebnis, dass offenbar tatsächlich Anhaltspunkte bestehen, dass das Handeln zahlreicher AfD-Mitglieder mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar ist.
Im Fall des Thüringer Landesvorsitzenden Höcke stellte das Verwaltungsgericht Meiningen nach Prüfung der Quellen fest, dass das Werteurteil, dass es sich bei Herrn Höcke von der AfD um einen Faschisten handele, nicht aus der Luft gegriffen sei, sondern sich auf eine überprüfbare Tatsachengrundlage stütze.
Was mich an dieser Diskussion besonders aufregt, ist, im Wissen dessen und dass das im Wesentlichen unter all denen, die sachlich auch die politische Arbeit der AfD analysieren, unbestritten ist, dass die AfD sich hier hinstellt und sagt, diese Darstellung, auch der kritischen Auseinandersetzung mit der Position der AfD, sei ein Eingriff in die Meinungsfreiheit und wir hätten in diesem Land überhaupt keine Meinungsfreiheit mehr; man dürfe nicht sagen, was man denke. Sie kalkulieren jedes Mal diese bewusste Grenzeinreißung, nämlich genau der Grenzen des Sagbaren, die uns das Grundgesetz als Grundlage einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft gibt. Was mich dabei aber besonders aufregt, ist, dass Sie nicht nur jedes Mal hier vor diesem Parlament wirklich sagen, was Sie denken, also tatsächlich die Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen, dafür sogar noch jeden Monat 6.000 Euro bekommen, noch publiziert werden von jedem Journalisten, der hier in diesem Land sitzt, und am Ende, Herr Höcke, nehmen Sie sogar auch noch den Schutz des Staates durch eine zahlreiche Anzahl von Polizeibeamten in Anspruch, die garantieren, dass Sie das, was Sie denken, auch noch bei Veranstaltungen sagen können. Und sich dann am Ende hier hinzustellen, um genau diese Gesellschaft, die auch die Meinungsfreiheit von solchen Menschen wie Ihnen, die menschenverachtende Gedanken zum Sagbaren machen wollen, tatsächlich garantiert, um diese Menschen auch noch zu kritisieren und zu beschimpfen, das finde ich tatsächlich unverfroren.
Sehr geehrter Herr Walk, abschließend auch zu Ihnen: Wenn Sie – oder nur einer in der Öffentlichkeit – geglaubt haben, dass die Linke diesen Antrag der AfD nutzt, um eine Auseinandersetzung, eine Diskussion über den Verfassungsschutz zu führen, dann will ich Sie enttäuschen. Wir tauschen uns gern aus. Wir streiten uns gern mit CDU, mit SPD, mit Grünen, mit dem Innenministerium und auch mit Herrn Kramer über unsere Position zum Landesamt für Verfassungsschutz, aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Ich glaube wirklich, dass es Menschen bei CDU, bei SPD, bei Grünen und auch im Innenministerium – und auch Herrn Kramer zähle ich dazu – gibt, die davon überzeugt sind, dass der Verfassungsschutz notwendig ist zum Schutz der Demokratie.
Wir sind davon nicht überzeugt. Aber das ist nicht die Position der AfD. Ihre Position ist eine, die die
Demokratie gefährdet. Da sind wir dann tatsächlich einer Meinung – auch mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU –, dass wir uns dieser Gefährdung gemeinsam in den Weg stellen. Wie wir das am besten machen, das diskutieren wir gemeinsam, dafür tauschen wir Argumente aus. Aber dazu brauchen wir keinen Antrag der AfD. Den lehnen wir ab. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die AfD begehrt mit ihrem Antrag, den sie hier eingebracht und damit ein Sonderplenum gerechtfertigt hat, recht viel. Die AfD fordert zum Beispiel von der Landesregierung, den Präsidenten des Amts für Verfassungsschutz zu entlassen, weil über ihn etwas in der Zeitung stand. Gleichzeitig fordert aber die AfD immer wieder, dass alle ihre Beamten, die zum Flügel gehören, im Beamtenverhältnis verbleiben müssen, egal, was sie getan haben. Wie verlogen ist denn das?
Die AfD beantragt, dass Recht gelten möge in diesem Land – Nummer II. Aber wissen Sie: Recht gilt in diesem Land und Recht wird immer durchgesetzt,
außer in Ihren politischen Lügenmärchen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Am Ende geht es der AfD um nichts anderes, als die freie Entscheidung eines unabhängigen Gerichts zu beeinflussen, nämlich dahin zu beeinflussen, ein Urteil zu sprechen, das der AfD nützt. Mit Sorge schaue ich in andere Länder, wo Rechtspopulisten und extreme Rechte schon an die Macht gekommen sind und als Erstes an die Verfassungsgerichte gegangen sind und sich diese Gerichte umbesetzt haben. Mit Sorge schaue ich darauf, auf Ihren Antrag und diese Parallele.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, 30 Jahre nach der friedlichen Revolution, in der wir gekämpft
haben für Freiheit, Redefreiheit, Meinungsfreiheit, Reisefreiheit und die Freiheit, selbst zu entscheiden, wo wir uns aufhalten wollen, wohin wir gehen wollen, gilt es wieder, die Freiheit, die Demokratie, die offene Gesellschaft zu verteidigen. Das ist dringend nötig, weil es Menschen gibt wie Björn Höcke, der das Mahnmal für die Opfer der Schoah ein Mahnmal der Schande nennt und eine 180-GradWende fordert und die die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes mit Füßen treten. Das muss hier so deutlich gesagt werden!