Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

dass wesentliche Parameter, die die Förderhöhe bestimmen, von der Landesverwaltung bestimmt werden. Summa summarum lässt sich also festhalten, dass Vielfalt im Bildungswesen nach dem Grundgesetz und der Thüringer Landesverfassung nicht nur gewollt ist, sondern auch der Schutz dieser Vielfalt staatliche Aufgabe ist und genau dem stellen wir uns als rot-rot-grüne Koalition, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Der vorliegende Gesetzentwurf trägt also dem im Mai 2014 formulierten Anspruch Rechnung. Das Verfassungsgericht hatte dem Landesgesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. März 2015 die staatliche Finanzhilfe für freie Schulen neu zu regeln, und zwar so, dass sie transparent, nachvollziehbar und vor allem auskömmlich für die freien Schulen ist. Das wissen wir alle. Ich will auch noch mal an unsere Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag erinnern, die für alle genau nachlesbar sind. Wir haben dort vereinbart, eine Neuregelung der Finanzierung der freien Schulen nach den Vorgaben des Gerichts vorzunehmen und ein Festbetragsmodell mit jährlichen Steigerungsraten im Gesetz aufzunehmen. Genau das haben wir nun geliefert, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben uns weiterhin vorgenommen, die Nachvollziehbarkeit der Entwicklung der Finanzhilfen zu verbessern, das Gesetz transparent und die Finanzhilfe auskömmlich zu gestalten. Auch das hat unsere Landesregierung mit dem Gesetzesvorschlag nunmehr vorgelegt. Zudem sollen die Genehmigungspflichten für das pädagogische und das Leitungspersonal abgebaut und die Verwendungsnachweisführung vereinfacht werden. Auch das haben wir im rot-rot-grünen Gesetzentwurf getan – Herr Tischner, wenn Sie zuhören möchten, ich werde gleich noch mal genauer darauf eingehen.

Die Landesregierung hat, das ist niemandem verborgen geblieben, nach intensiver Diskussion – aber ich sage es noch mal, eine gute Streitkultur, bei der ernsthaft um wichtige Anliegen gerungen wird, zeichnet eine Koalition eher aus als eine Hinterzimmerpolitik, wie wir sie von der Vorgängerlandesregierung erleben mussten, wo dann in den Hinterzimmern Messer gewetzt wurden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir machen das offen. Das mag für manchen vielleicht irritierend sein. Wir diskutieren offen.

(Heiterkeit CDU)

Wir diskutieren offen, wir wetzen niemals Messer, meine sehr geehrten Damen und Herren. Niemals, das muss natürlich klar sein.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Auf offener Bühne, ja!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir diskutieren offen und machen auch keinen Hehl daraus, wenn für uns ein Thema eine ganz zentrale Frage der Glaubwürdigkeit darstellt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wie gesagt, wir haben im Kabinett den Gesetzentwurf am 30. Juni auf der Tagesordnung gehabt. Der ist dort verabschiedet und dem Landtag zur Beschlussfassung zugeleitet worden. Dieser Gesetzentwurf ist ein deutlicher Fortschritt. Denn erstmals werden die freien Schulen in Thüringen die Möglichkeit erhalten, langfristig zu planen. Ihre Gespenster, die Sie gerade an die Wand gemalt haben, Herr Tischner, vom heißen Sommer ohne Planungssicherheit – ich bitte Sie, wir haben gerade erst im letzten Plenum den Haushalt verabschiedet, da waren die 12,4 Millionen bereits drin. Die sind mehrheitlich so beschlossen worden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die freien Schulen wissen ganz genau, dass sie rückwirkend zum 9. Februar 2015, sprich zum Halbjahresbeginn, auch die höhere Förderung und die Festbetragsfinanzierung erhalten. Aus unserer Sicht haben wir einen guten Kompromiss zwischen einer soliden Finanzausstattung für freie Schulen und einer nachhaltigen Haushaltsplanung vorgelegt. Mit dem Gesetz erhalten nämlich die Schulen in freier Trägerschaft allein im Jahr 2015, ich sagte es soeben, durch die festgeschriebenen Schülerkostenjahresbeiträge je Schulart 12,4 Millionen Euro zusätzlich im Vergleich zu den Ausgaben 2014, die Schwarz-Rot zu verantworten hatte. Auch den Vorgaben des Verfassungsgerichts wird Rechnung getragen, indem die Regelungen rückwirkend zum 9. Februar 2015 in Kraft treten. Das hatte auch die Ministerin schon ausgeführt.

Es gab Diskussionen über den Steigerungssatz. Das wissen Sie auch alle, ich will das auch nicht verschweigen. Es war sogar mal ein Steigerungssatz von 0,25 Prozent im Gespräch. Es gab danach eine intensive Anhörung auch der Träger und aller von diesem Gesetz Betroffenen. Der Unterschied von unserer Koalition zu den Vorgängern ist, dass wir aus Fehlern lernen. Wir haben verstanden, wir haben korrigiert und wir haben einen entsprechend geänderten Gesetzentwurf hier eingebracht. Jetzt gibt es eine Steigerungsrate von 1,9 Prozent, die ist transparent und nachvollziehbar. Und ich glaube, das ist auch gut so. Damit gewährleisten wir die dauerhafte Gewährleistung der Genehmigungsvoraussetzungen für freie Schulen und haben darüber hinaus vereinbart – das ist hier heute noch nicht gesagt worden –, dass aus nicht verwendeten Mitteln für die freien Schulen ein Sonderinvestitionsfonds

gebildet wird, der im Jahr 2019 für zusätzliche Investitionsbedarfe von Schulen in freier Trägerschaft genutzt werden kann.

Nun noch mal zum weiteren parlamentarischen Verfahren. Ich hoffe sehr, dass wir uns morgen im Bildungsausschuss auf die Anzuhörenden verständigen können, dass wir dann tatsächlich direkt nach der Sommerpause am Dienstag, am 25. August, eine mündliche Anhörung durchführen, diese intensiv auswerten, um dann im September das Gesetz im Landtag in der zweiten Lesung zu verabschieden.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass wir uns als grüne Landtagsfraktion um bestmögliche Rahmenbedingungen und gute Bildung von Anfang an für jedes Kind, und zwar an allen Thüringer Schulen, aussprechen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Uns kommt es nicht auf die Trägerschaft der Schule an. Ganz im Gegenteil, uns sind die Verbesserungen im staatlichen Schulsystem ganz genauso wichtig wie gute und verlässliche Bedingungen für freie Schulen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön, Frau Rothe-Beinlich. Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Muhsal von der Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Frau Ministerin Klaubert und sehr geehrter Herr Wolf! Wir haben ja hier einen relativ entspannten Danke-an-alle-Ton angeschlagen und ich fürchte, ich muss Ihre Friede-Freude-Eierkuchen-Urlaubsstimmung jetzt ein bisschen trüben.

(Beifall AfD)

Die Lage für die freien Schulen scheint schwierig zu sein. Die CDU hat ein Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs gebraucht, um nicht nur zu merken, sondern auch zu akzeptieren, dass die staatliche Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft neu geregelt werden muss. Und die CDU hat einen Regierungswechsel gebraucht, um über eine halbwegs angemessene Lösung nachzudenken. Wenn ich hier den Beitrag von Herrn Tischner höre, offenbart er ein gesundes Maß oder vielleicht auch nicht mehr gesundes Maß an Realitätsverweigerung. Ich weiß nicht, wie Ihre Fraktion das sieht. Ich habe zwischendurch – Herr Grob hat ein paarmal geklatscht – immer gedacht, wenigstens einer findet es gut, was Herr Tischner sagt.

Sie als neue Regierung haben es nicht für nötig befunden, die Neuregelung bis zum 31. März dieses Jahres zu verabschieden. Sie hätten die Gelegenheit gehabt, nicht nur die Frist des Thüringer Verfassungsgerichtshofs einzuhalten, sondern auch frühzeitig Rechts- und Planungssicherheit für die freien Schulen zu schaffen. Statt solide Politik für die 24.644 Schüler an den 157 freien Schulen in Thüringen zu machen, beschäftigen Sie Ausschüsse und Landtag lieber über Monate hinweg damit, Urlaub unter dem Deckmantel von Bildung für eine winzige Personengruppe zu organisieren. Und, Frau Klaubert, der Hinweis darauf, dass man pünktlich vor der Sommerpause fertig geworden ist, erscheint mir da nur noch sehr seltsam.

Wir freuen uns, dass der wochenlange Streit zwischen den Regierungsfraktionen zumindest oberflächlich so weit beigelegt wurde, dass überhaupt ein Gesetzentwurf vorgelegt werden konnte. Auch wenn Sie, Frau Rothe-Beinlich, sich als kleinsten Teil einer Fraktion bezeichnen

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Koalition!)

ich weiß nicht, ob Sie in die sozialistische Einheitspartei eintreten wollen –, das Treffen im Bildungsausschuss findet morgen nicht statt, weil Sie sich so wahnsinnig einig waren, sondern weil alle mit scharrenden Hufen dasitzen und darauf warten, dass endlich mal was passiert.

(Beifall AfD)

Ein Punkt in dem Gesetzesentwurf interessiert mich besonders, und das ist der in § 17 Abs. 3 Nr. 4. In dem wird nämlich ein neuer Ausnahmetatbestand eingeführt hinsichtlich der dreijährigen Wartefrist auf staatliche Finanzhilfen. Nach der Gesetzesbegründung soll damit den Trägern von Förderschulen angeblich erleichtert werden, ihren Schulstandort zu erhalten. Die Möglichkeit der räumlichen Angliederung einer allgemeinbildenden Schule an eine Förderschule soll aber nur dann bestehen, wenn, wie es in der Begründung heißt, „die hinzukommende Schule den Inklusionsgedanken durch Umsetzung eines entsprechenden Konzepts besonders betont“. Das heißt doch in Wirklichkeit nichts anderes, als dass Förderschulen, soweit sie überhaupt noch vorhanden sind, bevorzugt werden, wenn diese Schulen zwar ihren Namen Förderschule behalten, aber unter diesem Namen dann doch wieder möglichst viel Inklusion betreiben. Man muss Ihnen lassen, dass dieser Punkt erstens gut versteckt ist und zweitens sehr gut in Ihren Koalitionsvertrag passt, denn da schreiben Sie: „Alle bestehenden Schularten erhalten eine sichere Entwicklungsperspektive.“ Und das stimmt, denn die sichere Entwicklungsperspektive für Förderschulen ist aus rot-rot-grüner Sicht die Abschaf

(Abg. Rothe-Beinlich)

fung aller Förderschulen und damit der sichere Untergang. Egal, ob die Förderschulen ihren Namen behalten, egal, ob an Förderschulen so intensiv auf die Bedürfnisse aller Kinder eingegangen werden kann wie an keiner anderen Schule, und egal, was Eltern und Kinder wollen, wenn Rot-Rot-Grün mit den Förderschulen fertig ist, dann sind alle entweder weg oder sie sind aufgegangen in einem rot-rotgrünen Einheitsbrei.

(Beifall AfD)

Das nur am Rande.

Der wichtigste Punkt ist die neue Finanzverteilung. Nachdem die Grünen nicht willens waren, in ihren eigenen Ressorts zugunsten der freien Schulen Geld umzuschichten, wird die erste jährliche Steigerung der Finanzhilfen nicht schon ab Januar 2016 greifen, sondern erst ab Februar 2017.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, Frau Rothe-Beinlich, Sie haben gerade selber zu Herrn Tischner gesagt: „Jetzt hören Sie doch erst einmal zu und lassen mich mal reden“. Ich kann Ihnen das nur zurückgeben.

Diese Politik auf Sparflamme, obwohl es um unsere wichtigsten Güter, nämlich zum einen um Bildung und zum anderen um den sozial gerechten Zugang aller Kinder zu gleicher Bildung geht, lehnen wir ab.

Frau Muhsal, ich unterbreche Sie ganz kurz. Ich bitte im Saal um etwas mehr Ruhe, damit man Ihnen auch lauschen kann.

Danke schön.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass die erste Steigerung schon im Jahr 2016 erfolgt, und machen Ihnen gern auch noch ein paar Umschichtungs- und Einsparvorschläge, liebe Grünen-Fraktion.

Ein zweites Problem ist die Höhe der jährlichen Steigerungsrate. Nachdem Sie nun von Ihrer völlig utopischen 0,25-Prozent-Steigerung jährlich abgekommen sind – da war eine Demo zumindest in Jena nötig – und sich immerhin bei 1,9 Prozent eingefunden haben, kann man nur feststellen, dass das immer noch zu niedrig und damit auch keine solide Finanzplanung ist. Ende März dieses Jahres wurden die Tarifverträge im öffentlichen Dienst geändert und Lohnsteigerungen um 2,1 Prozent für 2015 und weitere 2,3 Prozent für 2016 vereinbart. Die freien Schulen wollen und müssen, sofern sie nicht ohnehin tarifgebunden sind, ihren Lehrern das gleiche Gehalt zahlen wie es den Lehrern an staatlichen Schulen gezahlt wird. Nicht nur, um überhaupt Lehrer zu bekommen, sondern auch, weil die Lehrer an freien Schulen die gleiche Arbeit leisten wie

die Lehrer an staatlichen Schulen. Gleiche Arbeit ist uns und sollte auch Ihnen gleich viel wert sein – oder nicht?

(Beifall AfD)

Und wenn die freien Schulen ihre Lehrer aus den staatlichen Finanzhilfen nicht vollständig bezahlen können, was bleibt dann? Die Erhöhung der Elternbeiträge. Die AfD steht dafür, dass jedem Kind der Zugang zu jeder staatlichen wie jeder freien Schule unabhängig von der Finanzkraft seiner Eltern möglich ist, denn das ist nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern auch gerecht.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist doch gegeben! Das haben Sie nur nicht verstanden!)

Insofern stimmen wir für eine Ausschussüberweisung und hoffen, dass Sie sich auch durch die zu erwartenden Stellungnahmen in einer mündlichen Anhörung noch von dem einen oder anderen Verbesserungsvorschlag überzeugen lassen. Danke schön.

(Beifall AfD)