Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

Darunter waren als Träger dieses Aufrufs vier nicht staatliche Jugendorganisationen aufgeführt. Aus den danach folgenden letzten Textzeilen allerdings mit dem offiziell gebräuchlichen Schriftzug und dem amtlichen Wappen des Freistaats Thüringen geht unter anderem hervor, dass die Plakataktion mit Unterstützung des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit und des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit erfolgte. Der Wahlprüfungsausschuss ist im Ergebnis zu der Auffassung gelangt, dass die konkrete Ausgestaltung des Plakats und seine tatsächliche Verbreitung im Wahlgebiet es nicht rechtfertigen, einen die Gültigkeit der Landtagswahl infrage stellenden Wahlfehler anzunehmen. Denn das Plakat enthält nach seiner gesamten Aufmachung in erster Linie einen Aufruf, zur Wahl zu gehen und dadurch Personen mit nationalsozialistischen oder vergleichbaren ideologischen Auffassungen im Landtag zu verhindern. Hingegen enthält das Plakat keine Aufforderung, eine bestimmte Partei zu wählen oder nicht zu wählen. Eine eindeutige parteibezogene Zuordnung und Stoßrichtung, die die Chancengleichheit einer der insgesamt 12 zur Landtagswahl angetretenen Parteien bei der Wahl hätte beeinträchtigen können, ist dem Plakat nach Auffassung des Wahlprüfungsausschusses deshalb nicht zu entnehmen. Hinzu kommt, dass bei der konkreten Ausgestaltung des Plakats ein die Erheblichkeitsschwelle überschreitendes Einwirken staatlicher Stellen auf die Bildung des Wählerwillens durch die Inanspruchnahme staatlicher Autorität zu verneinen ist. Die Aussagen des Plakats sind nach dem äußeren Erscheinungsbild den den Aufruf tragenden vier Jugendorganisationen zuzurechnen und nicht einer staatlichen Autorität.

Zu den weiteren Einzelheiten sowie zu den sonstigen von der NPD vorgetragenen Einspruchsgründen möchte ich auf die zwölfseitige Beschlussempfehlung verweisen, die sich damit sehr intensiv auseinandersetzt. Im Ergebnis war keiner der vorgetragenen Einspruchsgründe geeignet, die Richtigkeit des Wahlergebnisses anzuzweifeln oder einen Wahlfehler anzunehmen. Die Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses lautet deshalb fraktionsübergreifend, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Ich bitte Sie, dieser Empfehlung zu folgen.

(Beifall im Hause)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Walsmann, für die Berichterstattung aus dem Wahlprüfungsaus

schuss. Aussprache ist nicht beantragt worden und auch nicht gewünscht, sodass wir direkt zur Abstimmung über den Antrag des Wahlprüfungsausschusses in der Drucksache 6/690 kommen. Wer dafür ist, den bitten wir jetzt um sein Handzeichen. Vielen Dank. Gegenstimmen? Enthaltungen? Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag des Wahlprüfungsausschusses mit überwältigender Mehrheit angenommen worden. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9

Transparenz als verbindliches Grundprinzip bei der Zusammenarbeit von Hochschulen und Thüringer Unternehmen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/669 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/738

Ich frage: Wünscht jemand aus den Fraktionen das Wort zur Begründung zu ihrem jeweiligen Antrag? Herr Hausold, dann haben Sie das Wort. Gibt es noch den Wunsch der Begründung des Alternativantrags? Das ist nicht der Fall.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit dem heutigen Antrag der koalitionstragenden Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen setzen wir ein starkes Zeichen für die Wissenschaftsfreiheit in Thüringen. Transparenz ist ein Schlüsselelement, um in einer demokratischen Gesellschaft über Forschung und Lehre und ihre gesellschaftlichen Aufgaben diskutieren zu können. Die Koalition begrüßt – und ich unterstreiche das als wirtschaftspolitischer Sprecher meiner Fraktion ausdrücklich –, dass wir einen zunehmend gelungenen Wissenschaftstransfer von unseren Hochschulen zu den Praxispartnerinnen und -partnern erleben und innovative Ideen und Entwicklungen einen wichtigen Beitrag zum Gründungsgeschehen in Thüringen beitragen. Dies ist gerade angesichts der oft geringen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten der Thüringer Betriebe schlicht notwendig. Es ist auch zu begrüßen, wenn der notwendige theoretische Anteil des Studiums durch Elemente der Praxis und erfahrene Dozentinnen und Dozenten aus diesem Bereich unterstützt wird. Problematisch kann dies dann werden, wenn aufgrund klammer öffentlicher Kassen immer höhere Anteile der Hochschulfinanzierung direkt aus den Unternehmen kommen und damit der zunehmende Anteil an privaten Drittmitteln eine Rolle spielt. Im schlimmsten Fall kann dies zu Abhängigkeiten füh

(Abg. Walsmann)

ren, die die Freiheit von Forschung und Lehre einschränken. Dabei sind viele Formen der Einflussnahme vorstellbar: Forschungsergebnisse, die zurückgehalten werden, um einen Mittelgeber nicht zu verärgern, die Positionierung bestimmter Lehrinhalte, die einem Finanzier wichtig erscheinen oder auch der drohende Verlust ganzer Forschungsanteile, wenn aus welchem Grund auch immer private Gelder plötzlich und unmittelbar zurückgezogen werden.

Unser gemeinsamer Antrag, meine Damen und Herren, beschreibt eine gute Balance zwischen den verschiedenen Interessen von Wissenschaft, Unternehmen und der gesamten Gesellschaft und schließt sich an viele entsprechende Initiativen in anderen Bundesländern sowie Forderungen der führenden Wissenschaftsorganisationen im Land an. Wir freuen uns, meine Damen und Herren, auf eine anregende Debatte zu diesem wichtigen Thema.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Hausold. Das Wort hat nun Abgeordnete Muhsal für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, mit Verwunderung habe ich zur Kenntnis genommen, dass ausgerechnet die Regierungsfraktionen einen Antrag zur Transparenz eingereicht haben. Meine Verwunderung wich erst, als ich mir den Antrag genauer ansah und feststellte, dass nicht das Regierungshandeln, sondern die Zusammenarbeit von Hochschulen und Thüringer Unternehmen zukünftig transparenter werden soll. Offenbar fällt es Ihnen leicht, Transparenz von anderen einzufordern, aber schwer, sie selbst umzusetzen.

(Beifall AfD)

Als Beispiel muss ich da an Ihre allumfassende Strategie der Gesellschaftsveränderung von oben nach unten durch das Gender-Mainstreaming denken.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Zum Thema!)

Auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Höcke in der 7. Plenarsitzung, wie hoch die aktuell bereitgestellten Haushaltsmittel für die Umsetzung des Gender Mainstreamings sind, antwortete die Landesregierung, dass es sich beim Gender Mainstreaming um eine Querschnittsaufgabe handele, bei der keine Haushaltsmittel gesondert ausgewiesen werden.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: The- ma!)

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, das ist ja auch kein Wunder, denn wenn die Landesregierung offenlegen würde, was für ein Unsinn unter dem Deckmantel angeblicher Gleichstellung mit welchen Steuergeldern getrieben wird, dann würde nur eines passieren: Die jetzigen Regierungsfraktionen würden bei nächster Gelegenheit abgewählt.

(Beifall AfD)

Bevor Sie von anderen, insbesondere von den von uns hochgeschätzten Thüringer Unternehmen Transparenz einfordern, gucken Sie doch erst einmal bis zur eigenen Nasenspitze, da sind Sie eine ganze Weile beschäftigt.

(Beifall AfD)

Nun zum Inhalt unseres Alternativantrags und zu seinen Verbesserungen gegenüber Ihrem Antrag. Wir nehmen nicht nur Ihr Feindbild Unternehmen in den Blick, sondern noch viel mehr fordern wir die Öffentlichkeit von Projekten, die durch das Geld des Steuerzahlers finanziert werden.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Freie Rede!)

Für Unternehmen inner- und außerhalb Thüringens reicht es völlig aus, wenn sie angeben müssen, dass sie eine bestimmte Studie gefördert bzw. finanziert haben.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Freie Rede!)

Frau König, nicht immer den gleichen Zwischenruf machen und vielleicht auch mal mit einfachen Höflichkeitsregeln anfangen, um zu üben, bevor Sie sich hier äußern.

(Beifall AfD)

Wenn es sich um eine rein durch ein Unternehmen finanzierte Studie handelt, ist überhaupt nicht ersichtlich, wieso – von Ihnen offenbar so gewünscht – nicht nur der Förderer, sondern auch die Ergebnisse der Studie veröffentlicht werden sollten. Bei den Ergebnissen handelt es sich um Ergebnisse, die aus der Privatwirtschaft finanziert wurden und – auch wenn es dem ein oder anderen Abgeordneten insbesondere aus der Linksfraktion schwerfallen wird zu akzeptieren – der Staat hat auf diese Ergebnisse kein Anrecht.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Glaub ich es denn! Was Sie alles wissen!)

Die Förderer von Forschungsprojekten sollten also generell offengelegt werden und, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, warum Sie diese Pflicht zur Offenlegung auf Thüringer Unternehmen begrenzen wollen, ist mir, außer dass Sie

(Abg. Hausold)

vielleicht eine besondere Angst vor Thüringer Unternehmen haben, schleierhaft.

(Beifall AfD)

Solange die Forschungsprojekte hier in Thüringen in Auftrag gegeben werden, ist doch völlig unerheblich, welche Herkunft die Unternehmen haben. Um es deutlich zu sagen – und hier nehme ich mir an Ihnen und auch an Ihren Ausführungen in der letzten Plenarsitzung, Frau Rothe-Beinlich, ein Beispiel –, ob die Unternehmen, die ein Projekt fördern, aus Thüringen, Deutschland, Amerika, Frankreich, Portugal, Finnland oder Lettland kommen, ist doch völlig egal. Ich hoffe, Sie sehen das auch so.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Kein Wirt- schaftsrassismus!)

Auf der Seite der Verwendung öffentlicher Gelder haben wir erst vor wenigen Wochen und erst durch eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Kuschel erfahren, in welcher Höhe in der letzten Legislaturperiode durch die Landesregierung Steuergelder für gutachterliche Tätigkeiten ausgegeben wurden. Dieses Wissen sollte unseres Erachtens aber nicht erst durch Nachfrage an die Öffentlichkeit kommen, sondern der Öffentlichkeit – gerade weil diese Gutachten aus Steuergeldern finanziert werden – von vornherein zugänglich sein. Insofern kann ich Sie, Herr Kuschel, nur bitten, dahin gehend auf Ihre Fraktion einzuwirken, dass Sie unserem Alternativantrag zustimmen. Sie haben hier tatsächlich die Gelegenheit, es einmal besser zu machen als die CDU in den letzten fast 25 Jahren und Sie bekommen noch einen Bonus obendrauf: Unser Alternativantrag beachtet auch, dass alle betroffenen Hochschulen, Forschungsinstitute und sonstigen Institutionen, die Wissenschaft betreiben, nicht mit übermäßigem bürokratischen Aufwand belastet werden dürfen. Nach dem Mindestlohn und mit dem, was uns jetzt durch das Bildungsfreistellungsgesetz ereilt, können wir uns kein weiteres Bürokratiemonster leisten.

Ich bitte um Zustimmung für den Alternativantrag der Alternative für Deutschland in Thüringen.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Frau Muhsal. Das Wort hat nun Abgeordneter Schaft für die Fraktion Die Linke.

Werte Kolleginnen und Kollegen, zunächst erst mal ein Hinweis, auch wenn hier gesagt wurde, der Staat hätte keinerlei Recht, hier zu bestimmen, wer in was und wie Einsicht haben kann: Die Öffentlichkeit hat sehr wohl ein Anrecht, darin Einblick zu be

kommen, was an Thüringer Hochschulen geforscht wird und welche Ergebnisse hier entsprechend präsentiert werden. Der Hintergrund dieses Antrags ist, dass erst im Februar dieses Jahres bundesweit eine erneute wissenschaftspolitische Debatte darüber entbrannte, wie die Unabhängigkeit und Freiheit der Forschung und Lehre an den deutschen Hochschulen tatsächlich gewährleistet ist.

Der Hintergrund dieser Debatte war die Veröffentlichung von Transparency International, dem freien Zusammenschluss der Studentenschaften e. V. und der Tageszeitung TAZ im von diesen initiierten Projekt „Hochschulwatch.de“. Dort heißt es – Zitat –: „1,4 Milliarden Euro fließen aus der gewerblichen Wirtschaft jedes Jahr an deutsche Hochschulen – das entspricht einem Fünftel aller Drittmittel. Versuchen Unternehmen damit Einfluss auf die Wissenschaft zu nehmen? Ist die Freiheit von Forschung und Lehre in Gefahr?“ Das sind richtige und das sind die konkret wichtigen Fragen, die auch hier mit diesem Antrag zukünftig beantwortet werden sollen.

Noch ein weiterer Punkt: Prof. Kreiß, Professor für Finanzierung und Wirtschaftspolitik an der Hochschule in Aalen, hat erst vor drei Wochen in einem Interview in „SPIEGEL ONLINE“ selbst zugegeben und auch aus seiner persönlichen Erfahrung gesagt, dass Unternehmen stark Einfluss darauf nehmen, was Professorinnen und Professoren lehren und forschen, wenn sie entsprechend über sie finanziert werden. Er selbst hat genau aus diesem Grund eine Stiftungsprofessur abgelehnt, weil er gemeint hat, er fühle sich, wenn er diesen Job annehme, unfrei.

Schauen wir dann noch mal auf die Situation und Entwicklung der Hochschulfinanzierung, um vielleicht auch noch mal ein Bild darüber zu bekommen, wie hoch der potenzielle Einfluss von Unternehmen auf Hochschulen und auf die Wissenschaft sein kann. Denn genauso wie auf der Bundesebene ging auch der Trend in Thüringen seit Jahren dahin, dass der Anteil an Drittmitteln an der Gesamtfinanzierung der Hochschulen zugenommen hat. Im Jahr 2007 waren es circa 95,6 Millionen Euro, die an die Hochschulen durch externe Mittelgeber kamen. Im Jahr 2013 waren es dann – nach den Zahlen des Landesamts für Statistik – 162,7 Millionen. Damit stieg der Anteil an Drittmitteln an der Gesamtfinanzierung um etwa 5 Prozent auf nun knapp 31 Prozent.

Auch im März dieses Jahres wurde erst durch die Deutsche Presseagentur verkündet, dass die Thüringer Hochschulen erneut ihre Drittmitteleinnahmen gesteigert haben. So konnten die TU Ilmenau, die FSU Jena und die BU Weimar neue Rekordeinnahmen verbuchen. Uns ist klar, dass viele dieser Mittel sogenannte Zweitmittel sind, also steuerlich finanzierte Forschungsprojekte, die beispielsweise über die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder

(Abg. Muhsal)

das BMWF entsprechend finanziert werden. Dennoch dürfen wir dabei nicht vergessen, dass ein nicht unerheblicher Finanzierungsanteil aus der Wirtschaft an die Hochschulen kommt.