Protokoll der Sitzung vom 09.09.2015

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: … Flüchtlinge nach Syrien abschieben!)

Sie müssen mal zuhören und nicht dazwischenquatschen. – Nur so kann eine offene Diskussion und ein ehrlicher Umgang mit dem Thema erreicht werden.

(Beifall CDU)

Dazu gehört auch, die Bürger anzuhören, zu hören, was sie bewegt, und offen anzusprechen, was für Flüchtlinge in der nächsten Zeit zu tun sein wird. Menschenwürde, Toleranz und Gewaltfreiheit sind Werte unserer Demokratie, die es tatsächlich zu verteidigen gilt. Wir als CDU-Fraktion wollen gemeinsam – ich sage das noch einmal ausdrücklich –, gemeinsam mit allen demokratischen Kräften dazu beitragen, die Werte nicht zu Floskeln werden zu lassen, sondern ihren Inhalt aufrechtzuerhalten und zu leben, gerade bei der auf uns zukommenden Aufgabe, die uns alle in Zukunft noch fordern wird. Danke schön.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordneter Adams das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Landrätin Hochwind, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Thüringer Landtag, ich bin der SPDFraktion außerordentlich dankbar, dass sie dieses aktuelle Thema hier in die Mitte des Landtags gerufen hat. Ich möchte gern auf den Kollegen Scherer eingehen. Herr Scherer, Sie haben viel Wichtiges und Richtiges gesagt – ganz ausdrücklich von Bündnis 90/Die Grünen –, viel Wichtiges und Richtiges. Aber es ist eben besonders wichtig, dass wir aus diesem Landtag heraus in einer angespannten Stimmung auch nicht weiter Stimmung machen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da will ich das hier in aller Deutlichkeit sagen: Die Rede Ihres Fraktionskollegen Heym im letzten Sonderplenum, die den Protagonisten von Carlo Collodis großem bekannten Werk wirklich nur die Neidblässe ins Gesicht getrieben hätte. So etwas darf nicht sein, lieber Herr Scherer, liebe CDU-Fraktion.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich will Ihnen auch noch was sagen zum Thema „mit Bürgern reden“: Wenn mich heute die Information erreicht, dass Frau Schweinsburg gestern eine – hier darf man wirklich mal sagen in Anführungsstrichen – „Bürgerinformation“, „Informationsveranstaltung“ durchgeführt hat, wo sie ausgesucht hat, wer reinkommt, weil nämlich vorher eine Ausweiskontrolle gemacht wird. Dann ist das offensichtlich die CDU-Kommunikation, die Sie wollen, die Sie immer betrieben haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Scherer, wollen Sie bestreiten, dass in Suhl das letzte und einzige Erstaufnahmelager in Ihrer letzten Regierungszeit aufgenommen wurde, dass das über Nacht passiert ist ohne jegliche Information?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wollen Sie bestreiten, dass unser Minister Lauinger überall dort hingeht, sich auf den Fußballplatz stellt und mit allen Leuten diskutiert und immer offen gesagt wird: Das wird hier kommen, wir wissen das, wir müssen das mit euch besprechen und wir diskutieren mit euch. Und wollen Sie bestreiten, dass es in Rockensußra zu diesem Brandanschlag nur gekommen ist, weil alle verantwortlich öffentlich damit umgegangen sind? Was werfen Sie uns jetzt eigentlich vor, Herr Scherer? Das ist einfach unredlich, was Sie da machen.

(Unruhe CDU)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, stellen wir uns vor, jedermann würde in diesem Land, wenn es ihm nicht passt, wer im Nachbarhaus wohnt, das Haus anzünden. Unvorstellbar! Das darf niemals sein. Gewalt, meine Damen und Herren, müssen wir in jedem Fall ablehnen. Ich möchte an dieser Stelle ganz besonders Herrn Minister Poppenhäger danken, dass er nicht nur eine Sonderkommission eingesetzt hat, sondern dass er auch vor Ort war. Bitte nehmen Sie diesen Dank auch an Ihre Kolleginnen und Kollegen der Polizei mit für ihre tatkräftige Arbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Abg. Scherer)

(Beifall im Hause)

Wir dürfen die Gewalt niemals hinnehmen und wir dürfen auch nicht klammheimlich so tun, als ob das fast verständlich ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einer brenzligen Situation ist es unser aller Verantwortung, problembewusst und verantwortlich mit der Thematik umzugehen. Deshalb finde ich es besonders bedrückend, wenn man darauf schaut, dass gerade in Rockensußra 80 Flüchtlinge seit vielen Jahren in so einem kleinen Ort gut mit der Bevölkerung zusammengelebt haben, dass es dort nie großen Ärger gegeben hat, nach Auskünften der Ortsteilbürgermeisterin sogar eine gute Integration dort entstanden ist und die Menschen miteinander gut klargekommen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen uns nicht abschrecken lassen bei allen bösen Beschimpfungen dieser Landesregierung und unseres Handelns, wenn wir darauf orientieren, den Menschen aufzuzeigen, welche Chancen und Potenziale es auch darin gibt, dass Flüchtlinge in unser Land kommen, dass wir dafür werben, mit ihnen gemeinsam unseren Alltag zu gestalten, sie aufzunehmen und sie zu integrieren, wenn sie das denn wollen. Wir werden uns davon nicht abhalten lassen, weil all die Brandschatzer, Claqueure es nicht schaffen werden, dass über Thüringen die Sonne nicht fröhlich scheint. Umso mehr ist es ein wirklicher heller Lichtblick, dass sich noch am selben Tag jede Menge Leute in Sondershausen versammelt haben – darunter auch viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, die alle zusammen gesagt haben: Solidarität mit Rockensußra. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Rudy das Wort.

Sehr geehrte Parlamentspräsidentin, liebe Landtagsabgeordnete, liebe Besucher, Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte sind verabscheuungswürdige Verbrechen.

(Beifall AfD)

Die AfD-Fraktion hat als eine der Ersten die mutmaßlichen Brandanschläge in Rockensußra verurteilt.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Sie ha- ben vorher geistige Brandstiftung betrieben über Monate!)

Jenseits der Notwendigkeit der Bekämpfung jeglichen politischen Extremismus, worin alle Demokra

ten einig sind, stellen sich Fragen nach der Aufnahmeunterbringung der Asylbewerber vor Ort. Rockensußra, ein Ortsteil von Ebeleben im Kyffhäuserkreis, hat 250 Einwohner und aktuell 94 Asylbewerber. Damit stellen 27 Prozent der gesamten Einwohnerschaft Rockensußras Asylbewerber dar.

In Linderbach, einem Vorort Erfurts, sollen mehr als 300 Asylbewerber untergebracht werden und das bei nur 800 Einwohnern. Wie soll unter diesen Bedingungen die von Ihnen geforderte Integration von Asylbewerbern funktionieren?

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bis jetzt klappte das wun- derbar!)

Die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern war zwar schon Thema von Aktuellen Stunden im Landtag, auf den speziellen Aspekt des ländlichen Raums wurde dabei jedoch nicht hinreichend eingegangen. Wir wollen mit den anderen Fraktionen in den Dialog darüber treten, wie eine Aufnahmeunterbringung der Asylbewerber vor Ort erfolgen kann, die die Zustimmung der Bürger sichert. Auch die Interessen und Bedürfnisse der Gemeinden, der Landkreise und kreisfreien Städte als Dienstleister des Landes müssen berücksichtigt werden. Daher bringen wir in dieses Plenum auch einen Entwurf zur Reform des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes ein, der die Verteilung der Asylbewerber gerecht regelt und der unterschiedlichen Wirtschaftskraft der kommunalen Gebietskörperschaften gerecht wird. Wer die herrschende Politik, die auf dem Rücken der Bürger und Kommunen ausgetragen wird, ändern möchte, sollte sich nicht gegen Asylbewerberrechte richten. Er sollte vor dieses Hohe Haus treten und von seinem Demonstrationsrecht Gebrauch machen. Er sollte als freier Staatsbürger gegen Denk- und Sprechverbote und eine verzerrende Berichterstattung der Medien aufbegehren.

(Beifall AfD)

An der verfehlten Asylpolitik sind nicht die Menschen schuld, die nach Deutschland oder Thüringen kommen. Die Verantwortlichen dafür sitzen in Erfurt, Berlin und Brüssel. Da gehört friedlicher Protest hin,

(Beifall AfD)

damit sich endlich etwas zum Besseren wendet. Vielen Dank!

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordnete Berninger zu Wort gemeldet.

(Abg. Adams)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, am Montag brachten neben vielen Demokratinnen und Demokraten unter anderem auch der Ministerpräsident des Freistaats Thüringen gemeinsam mit Herrn Dr. Poppenhäger, dem Innenminister, ihr Entsetzen wegen dieser Brandstiftung in Rockensußra und die Abscheu gegenüber den Täterinnen oder Tätern zum Ausdruck.

Bei Facebook kommentierte eine Userin, dass wiedermal die Nazis verantwortlich gemacht würden und damit das Weltbild dann wieder stimme. Ich habe dagegengehalten und habe geschrieben: So einfach ist das nicht. Es sind nicht nur Leute mit extrem rechtem Parteibuch oder Mitglieder extrem rechter Gruppen, die solche Brandstifter sind, sondern es sind einfach nur Rassistinnen oder Rassisten, die solche Brandstifter sein können, die behaupten, die Absenkung der Leistungen, zum Beispiel für Flüchtlinge, oder die Wiedereinführung von Sachleistungen würden Flucht verhindern oder die Zahlen Geflüchteter senken. Das sind Rassistinnen oder Rassisten oder eben auch geistige Brandstifterinnen und Brandstifter. Brandstifter sind Menschen, die in richtige und falsche Flüchtlinge einteilen. Brandstifterinnen sind auch solche Leute, die Vorurteile und Ängste gegenüber Flüchtlingen schüren – es ist schon erwähnt worden –, durch zum Beispiel falsche Behauptungen über angeblich zugenommene Diebstahlzahlen in Freibädern in Südthüringen beispielsweise. Das sind Brandstifter.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Brandstifterinnen sind aber auch solche Leute, die solche Brandanschläge dadurch relativieren, indem unterstellt wird, die Bürgerinnen und Bürger seien nicht rechtzeitig informiert worden. In Suhl hätten auch Sie, Herr Scherer, nicht gerechtfertigt – nach der Übers-Wochenende-Einführung der Erstaufnahmeeinrichtung, die Dirk Adams schon angesprochen hat, hätten auch Sie keine Brandstiftung gerechtfertigt und ich finde, es ist eine Relativierung, die Sie hier vorgenommen haben. Brandstifterinnen und Brandstifter sind auch diejenigen, die diese Leute, die dann tatsächlich die Straftat der Brandstiftung begehen, in ihrer Annahme bestärken, Sie würden die Volksmeinung oder Volkswillen umsetzen, den die anderen sich nur nicht trauen zu sagen.

Ich bin froh, meine Damen und Herren, dass es eben nicht die Meinung der Thüringerinnen und Thüringer und der in Thüringen lebenden Menschen ist, dass die herrschende Meinung eben keine rassistische ist, keine gewalttätige, sondern eine menschliche, dass das Zeichen, dass wir diesen Brandstifterinnen und Brandstiftern entgegensetzen, diesen Rassistinnen und Rassisten entgegen

setzen, das der weltoffenen Gemeinde Rockensußra beispielsweise ist, die Frau Marx erwähnt hat, und aber auch das einer in der Flüchtlingspolitik konsequent menschenrechtsorientierten Landesregierung. Ich will die Kritik, die an Minister Lauinger geübt wurde, weil er gerade hier nicht im Raum war, vielleicht hat er im Moment Besseres zu tun,

(Zwischenruf Lauinger, Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz: Ich habe mit Herrn Fiedler geredet.)

mit Herrn Fiedler zu sprechen beispielsweise, die will ich strikt zurückweisen, Herr Scherer.

Ich bin sehr froh, dass das Zeichen, das wir in Thüringen im Moment senden, das der vollgepackten Kartons und Kisten ist, die hier inzwischen in mehreren Räumen im Landtag stehen.