Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

Deshalb richte ich jetzt einen ausdrücklichen Gruß an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Autogrill, die heute 16.00 Uhr ihren Streikabschluss gemeinsam feiern. Ich sage: Gut, dass ihr gestreikt habt und – noch besser – dass ihr einen Tarifvertrag erreicht habt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ministerpräsident Ramelow)

Ich richte einen besonderen Gruß an die Belegschaft von Amazon in Bad Hersfeld, denn immerhin ein Drittel der Belegschaft sind Thüringerinnen und Thüringer. Ich sage solidarische Grüße an die, die dort für einen Tarifvertrag streiken. Mögen sie bald einen Tarifvertrag in ihrem Unternehmen durch das erreichen, was ihr gutes Recht ist, nämlich Arbeitskampf und Streik und gewerkschaftliche Aktivität.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ich sage Tarifautonomie!)

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Tja, zur Tarifautonomie gehört der Arbeitskampf.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Solidarität gehört denen, die streiken, und nicht mehr habe ich ausgedrückt. Ich freue mich, dass die Kollegen um ihr Recht kämpfen, und das gehört zur Demokratie. Auch die Wirtschaftsdemokratie ist ein Teil der Demokratie.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hoffentlich gelingt ihnen ihr Arbeitskampf zu einem guten Ende und ich sage, am Ende brauchen sie einen Tarifvertrag: faire Löhne, geregelt in fairen Tarifverträgen, ausgehandelt von freien Menschen auf gleicher Augenhöhe. Das wäre doch einmal wieder in den Mittelpunkt der politischen Debatte zu stellen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir wollen die Tarifbindung von Unternehmen befördern und die betriebliche Mitbestimmung stärken. Das sind die wesentlichen Hebel, um das Lohngefüge anzuheben. Deshalb werden wir gemeinsam mit den Tarif- und Sozialpartnern gute und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen entwickeln und den Umfang prekärer Arbeitsverhältnisse insbesondere bei Werkverträgen, Leiharbeit, geringfügiger und befristeter Beschäftigung sowie sachgrundloser Befristung zurückdrängen. Auch die öffentliche Förderung muss diesen Kriterien guter Arbeit genügen. Dies gilt auch für die Vergabe von Aufträgen. Hier werden wir das Thüringer Vergabegesetz mit Blick auf die Anforderungen der Internationalen Arbeitsorganisation – ILO – weiterentwickeln.

Auch die Tarifbindung können und wollen wir stärken, indem wir gemeinsam mit Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften nach Wegen für eine tarifvertragliche Absicherung guter Arbeit suchen, zum Beispiel in der Sozialwirtschaft. Dort, wo zur Überbrückung großer Auftragsschwankungen in

Unternehmen Leiharbeit statthaft ist, sollen die in Leiharbeit Beschäftigten mit den Stammbelegschaften weitestgehend gleichgestellt werden, insbesondere in der Entlohnung. Unternehmen, die gute Arbeitsbedingungen bieten, und Beschäftigte, die gute Arbeitsbedingungen vorfinden, sind leistungsfähig und leistungsbereit.

Angesichts älter werdender Belegschaften und dem Beschäftigungswunsch von immer mehr Frauen wollen wir die Einrichtung altersgerechter und gesunder Arbeitsplätze unterstützen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken. Dazu wollen wir auch die Sonn- und Feiertagsarbeit auf das erforderliche Minimum beschränken.

Zur Förderung von guter Arbeit werden wir das Landesarbeitsmarktprogramm „Arbeit für Thüringen“ fortsetzen. Dabei werden wir die bestehenden Instrumente im Hinblick auf ihre Passgenauigkeit und Effizienz optimieren. Ganz besonders in den Blick nehmen wir dabei die aus dem Generationswechsel in Thüringer Unternehmen resultierenden Anforderungen an qualifizierten Nachwuchs sowie die bessere Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung. Im Sinne der Letztgenannten werden wir zudem die wirtschaftliche Lage von Integrationsbetrieben stabilisieren, die sich als belastbare Brücke in den ersten Arbeitsmarkt erwiesen haben.

Trotz aller arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen in den vergangenen Jahren sind viele Menschen dauerhaft ohne Arbeit. Das ist für die Betroffenen häufig eine schwere Last und auch für eine verantwortlich handelnde Politik ist dies nicht hinnehmbar. Deshalb werden wir Menschen mit mehreren Vermittlungshemmnissen mehr Möglichkeiten der Teilhabe am Erwerbsleben erschließen. Wir werden dazu gemeinwohlorientierte Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, die wichtige Aufgaben sozialer Infrastruktur ergänzen und den Menschen eine sinnstiftende und gesellschaftlich anerkannte Betätigung ermöglichen. Diese Beschäftigungsmöglichkeiten werden wir so gestalten, dass sie längerfristig, existenzsichernd und freiwillig sind und insbesondere älteren Langzeitarbeitslosen eine Chance bieten. Zur Finanzierung dieser Aufgaben wollen wir Förderprogramme des Bundes und der Bundesagentur für Arbeit nutzen. An dieser Stelle bedanke ich mich ausdrücklich bei Herrn Weise von der Bundesagentur für Arbeit, dass er uns angeboten hat, mit uns Modellprojekte genau diesbezüglich passgenau zu entwickeln. Ich hoffe, dass es uns gelingt, von Thüringen ein Zeichen für Menschen, die in der Falle der Langzeitarbeitslosigkeit sind, zu setzen und als Modellprojekte auch für andere Bundesländer vorzustellen. Damit wollen wir anfangen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Stärkung der Nachhaltigkeit soll die zentrale Herausforderung und

(Ministerpräsident Ramelow)

Maßstab für alle aktuellen und zukünftigen Vorhaben im Thüringer Verkehrsbereich in der kommenden Legislaturperiode sein. Nachhaltigkeit bezieht sich dabei sowohl auf die Berücksichtigung der ökologischen Herausforderungen als auch der demografischen Entwicklung und schließt sowohl die langfristige Finanzierbarkeit öffentlicher Angebote als auch die wirtschaftliche Erhaltung und Betreibung der Infrastruktur ein. Mit der vollständigen Inbetriebnahme des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8, der ICE-Neubaustrecke zwischen Ebensfeld und Erfurt im Jahr 2017, erhält Thüringen mit dem Knoten Erfurt Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsnetz des Schienenverkehrs in Deutschland und Europa. Diesen Umstand wollen wir zum Anlass nehmen, Thüringen schrittweise und konsequent zu einem Land der Eisenbahnnutzer weiterzuentwickeln. Heute sind wir dies noch lange nicht. Ein besonderer Effekt bei der Emissionsminderung wird von der Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung erwartet. Der vollständige zweigleisige Ausbau der Strecke zwischen Weimar und Gera und die Schließung der Elektrifizierungslücke zwischen Weimar und Gößnitz werden für den Bundesverkehrswegeplan 2015 angemeldet. Der vorgesehene Ausbau der Strecke ist zudem ein wichtiger Baustein bei der Anbindung des Ostthüringer Raums an den Fernverkehr und das ICE-Kreuz Erfurt. Neben spürbaren Verbesserungen für Bürger und Touristen eröffnet dies auch neue Chancen für die Stärkung mobilitätsaffiner Wirtschaftszweige und damit für die Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen und die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze - nicht nur in Erfurt, sondern überall in Thüringen. Der öffentliche Personennahverkehr hat eine Schlüsselfunktion bei der Gestaltung eines nachhaltig ausgerichteten Verkehrssystems. Die Landesregierung bekennt sich zu einem attraktiven und verbesserten Verkehrsangebot jenseits des Individualverkehrs. Ziel ist es, sozial ausgewogene Tarife, ein einheitliches Vertriebssystem, gemeinsame Beförderungsbedingungen und ein einheitliches Fahrgastinformationssystem herzustellen. Wir unterstützen die Aktivitäten des Verkehrsverbundes Mittelthüringen zur Umsetzung von regelmäßigen qualitativen Überprüfungen des VMT-Rahmenplans und zur Ausweitung des Verbundsystems ausdrücklich und streben gemeinsam mit allen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen einen thüringenweiten Verbund mit einheitlichen Tarifen an.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein attraktiver ÖPNV ist nicht zuletzt die Basis für eine stärkere Nutzung und damit auch für die Sicherung von nachhaltig finanzierbaren öffentlichen Verkehrsangeboten. Die stark gegliederte, kleinteilige Siedlungsstruktur Thüringens stellt den ÖPNV vor besondere Herausforderungen für ein bedarfs

gerechtes öffentliches Nahverkehrsangebot, insbesondere in ländlichen Gebieten. Dringend notwendige Neubauprojekte sollen sich auf erforderliche Ortsumgehungen und verbesserte Anbindungen einzelner Regionen, zum Beispiel Saalfeld/Rudolstadt und Altenburg, beschränken. Mit einer noch stärkeren Berücksichtigung des Radverkehrs bei Straßenumbaumaßnahmen wird nicht zuletzt auch die Kombination verschiedener Verkehrsträger als Mittel für eine nachhaltige und bedarfsgerechte Absicherung von Mobilität unterstützt.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Mühlhausen, Kallmerode?!)

Mühlhausen, Großengottern muss dringend ans Netz. Die Voraussetzungen sind geschaffen und es sollte endlich das Geld des Bundes freigegeben werden, damit es losgeht.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, der Ökoanbau und die konventionelle Landwirtschaft tragen beide zur Wertschöpfung sowie zum Erhalt der Arbeitsplätze im ländlichen Raum bei. Die neue Landesregierung will in den kommenden Jahren dem Ökolandbau einen höheren Stellenwert als bisher einräumen. Gegenwärtig werden etwa 35.600 Hektar nach den Grundsätzen des Ökolandbaus in Thüringen bewirtschaftet. Das entspricht etwa 4,6 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche. Wir bekennen uns zu dem Ziel, bis 2020 mindestens 10 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Thüringen ökologisch bewirtschaften zu können. Das ist eine Zielprojektion.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir den Ökolandbau speziell, verlässlich und dauerhaft fördern und einen Ökoaktionsplan erarbeiten, um regionale Vertriebs-, Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen zu stärken. Diese besondere Unterstützung des ökologischen Landbaus bedeutet jedoch nicht, dass wir unsere Verantwortung gegenüber der konventionellen Landwirtschaft vernachlässigen werden, denn wir sind uns durchaus bewusst, dass der weit überwiegende Teil der Arbeitsplätze und der Wertschöpfung in diesem Bereich verankert ist. Jedoch wollen wir insbesondere regionalen Kreisläufen einen höheren Stellenwert einräumen, um Wertschöpfungsketten und die Diversifizierung der betrieblichen Einkommen zu verbessern.

(Beifall DIE LINKE)

Das muss einhergehen mit einem höheren Beitrag für den konventionellen Landbau zu Klima-, Umwelt- und Naturschutz. Entsprechend wird die KULAP-Förderung so umgestellt, dass vorrangig Leistungen, die einen Mehrwert für die biologische Viel

(Ministerpräsident Ramelow)

falt, für die Umwelt und den Tierschutz haben, gefördert werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die neue Regierung wird sich gegen jegliche Benachteiligung Thüringer Landwirtschaftsbetriebe bei der Ausgestaltung der Förderpolitik von Bund und Europäischer Union einsetzen. Darüber hinaus werden wir geeignete Maßnahmen ergreifen, um dem seit vielen Jahren vom landwirtschaftlichen Berufsstand geforderten stärkeren Engagement gegen den Flächenfraß zulasten der Landwirtschaft einen neuen Schub zu verleihen. Wir sagen: Null-Versiegelungsstrategie.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Energie- und Klimaschutzstrategie: Die Umsetzung der Energiewende und die Stärkung des Klimaschutzes gehören zu den Leitprojekten der Koalition. Wir wissen, dass Thüringen den weltweiten Klimawandel nicht aufhalten kann. Wir wissen aber auch und sind davon überzeugt, dass wir in Thüringen einen Beitrag leisten können und müssen, um die CO2-Emission zu senken. Für die Minderung von Treibhausgasemissionen und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel stellen notwendigerweise sich ergänzende Strategien dar, um den Fortgang des Klimawandels zu minimieren und die Folgen abzumildern. Und hier will Thüringen seinen Beitrag leisten. Als wichtigen Schritt werden wir ein Klimaschutzgesetz für Thüringen auf den Weg bringen. Damit sollen Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen formuliert werden. Die Belange des Klimaschutzes und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels sollen konkretisiert und notwendige Umsetzungsinstrumente geschaffen werden. Die im Klimaschutzgesetz verankerten Energie- und Klimaschutzstrategien werden neben den Maßnahmen zur Energieeinsparung und zum Ausbau der Energieeffizienz vor allem die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien erhalten. Unser Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien am Energieendverbrauch bis 2020 auf 35 Prozent zu erhöhen. Weiterhin soll bis 2040 ein Energieeigenbedarf von 100 Prozent regenerativer Energie aus Thüringen und für Thüringen gedeckt werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Freistaat ist über 80 Prozent ländlich geprägt. Die Umsetzung der Maßnahmen im Klimaschutz und die Anpassung müssen die Anforderung des ländlichen Raumes deshalb besonders berücksichtigen. In den größeren Städten sind bereits verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise Quartier- und Wärmekonzepte oder der Ausbau des ÖPNV vorangeschritten. Dem dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien wird hierbei ein beson

derer Stellenwert beigemessen. Mit der Thüringer Wirtschaft gerade bei großen Unternehmen streben wir freiwillige Klimaschutzvereinbarungen an. Bei alldem ist es mir besonders wichtig, dass die öffentliche Hand mit einer Vorbildfunktion vorangeht und die Bürgerinnen und Bürger bei der Umsetzung dieses großen Projekts mit einbezieht. Unser Ziel ist es, eine CO2-neutrale Landesverwaltung zu erreichen.

Ein Schwerpunkt im Umweltbereich wird in der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der EU-Hochwassermanagementrichtlinie liegen. Beim Schutz unserer Gewässer und beim Hochwasserschutz besteht großer Handlungsbedarf. So müssen für einen effektiven Hochwasserschutz in Thüringen stärker als bisher Wasserkreisläufe wiederhergestellt und natürliche Überflutungsräume zurückgewonnen werden. Neben dem besseren Schutz unserer Auen und Gewässer sowie des Grundwassers brauchen wir endlich wirksame Instrumente, um den Flächenverbrauch zu stoppen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Sanierung der Altlasten im Bereich des ehemaligen Teerverarbeitungswerks in Rositz ist noch lange nicht abgeschlossen und wurde jetzt von Frau Siegesmund auch zur Chefsache erklärt.

(Unruhe CDU)

Mit dem Bund ist zu klären, wie dieser sich aus der rausgeschlichenen Verantwortung wieder einbringt. Sie können uns damit nicht alleinlassen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Anstieg von verseuchtem Grundwasser stellt ein gravierendes Problem für die dort lebenden Menschen und die Umwelt dar. Eine solche Last darf nicht alleine auf den zuständigen Landkreis abgewälzt werden. Die weitere Sanierung der Kalialtlasten muss mit dem Bund ebenfalls neu geregelt werden. Diese Verantwortung kann der Freistaat nicht alleine stemmen und ich sage: Er ist dafür eigentlich auch gar nicht zuständig.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)