Protokoll der Sitzung vom 06.11.2015

… dass Sie offensichtlich von Ihrem Genderwahn …

Ich habe Sie gebeten, zur Sache zu sprechen.

Ich bin ja dabei.

Wenn Sie jetzt weiterreden, dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Ja- wohl, das finde ich gut!)

Ich bitte Sie, zu dem Antrag zu reden.

Also weiterreden darf ich?

Ja.

(Ministerin Werner)

Meine Damen und Herren, ich war 15 Jahre lang Lehrer in allen Schulformen des Sekundarbereichs

(Unruhe DIE LINKE)

und habe mich in dieser Zeit intensiv mit Schulentwicklungsprozessen beschäftigt.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das merkt man gar nicht, Herr Brandner!)

Das hätte der Herr Höcke gesagt, wenn der hier an meiner Stelle die Rede gehalten hätte. Ich war kein Lehrer, aber ich habe auch 15 Jahre Schulerfahrung. Das ist so eine etwas dunkle Seite in meinem Lebenslauf, wenn Sie mal nachrechnen. Da ist nicht alles ganz glatt gelaufen. In dem Zusammenhang von hier aus mein herzliches Dankeschön an das städtische Gymnasium in Herten, die es so lange mit mir aushalten mussten. Am Ende hat es dann Früchte getragen und ich bin doch noch ein ordentlicher Mensch und ein toller Typ geworden.

(Unruhe CDU, SPD)

Also ich habe 15 Jahre Schulerfahrung und vor diesem Hintergrund kann ich auch ganz bewusst und in Kenntnis hier zu diesem Antrag sprechen.

Meine Damen und Herren, die äußeren und inneren Schulreformen der letzten Jahrzehnte haben Millionen Lehrerarbeitsstunden und Millionen Lebenszeitstunden bei Schülern und Eltern gekostet.

(Beifall AfD)

Mit welchem Ergebnis, fragen wir uns heute. Ist der Bildungsstand heute höher als in den 50er- oder 60er-Jahren? Doch wohl kaum.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vergleichen Sie mal einen Abituraufsatz aus den 50er-Jahren bezüglich seines orthografischen, grammatikalischen und syntaktischen Standards mit heutigen Werken. Sie werden sicherlich erstaunt sein, aber Sie dürften nicht erfreut sein. So kann ich Ihnen das versprechen, wenn Sie das mal tun. Ich sage klipp und klar: Schüler, Eltern und Lehrer sehnen sich nach Schulfrieden. Es kann nicht sein, dass jedes Jahr eine neue pädagogische Sau durchs Dorf gejagt wird, nur weil irgendein Pädagogik- oder Didaktikprofessor oder Bildungsoder Kultusminister seine Existenzberechtigung nachweisen will. Die Dauerrevolution im Bildungssystem muss beendet werden, und zwar sofort. Fangen wir mit dieser unsäglichen Lesen-durchSchreiben-Methode an. Weg mit ihr auf die übervolle Müllkippe der gescheiterten pädagogischen Versuche!

(Beifall AfD)

Das Ziel von Bildung ist das Herausbilden einer selbstständigen, problemlösungsfähigen und lebenstüchtigen Persönlichkeit. Der Mensch soll sich als Staatsbürger entfalten und bewähren können. Wenn aber ein Mensch nicht einmal orthografisch richtig schreiben kann, dann wird er keine Möglichkeit haben, sich auszudrücken oder ernst genommen zu werden. Ihm wird die Möglichkeit zur Teilnahme auch am demokratischen Meinungsbildungsprozess genommen.

Meine Damen und Herren, irgendjemand bemerkte dazu: Ohne zu schreiben, kann man nicht denken. Das heißt nichts anderes als: Ohne richtig zu schreiben, kann man nicht richtig denken, jedenfalls nicht in anspruchsvoller und anschlussfähiger Art und Weise. Was für eine Verantwortung der Staat damit trägt, dürfte jedem ersichtlich sein. Mit unserem Antrag wollen wir dafür sorgen, dass sich die Landesregierung dieser Verantwortung stellt. Beim Schreiben geht es auch mitnichten nur darum, irgendetwas aufs Papier zu bringen, sondern es soll so geschehen, dass es andere auch verstehen können. Das ist nur der Fall, wenn man eine einheitliche Schreibweise nutzt und diese auch einfordert. Der Schriftspracherwerb einer demokratischen Bürgergesellschaft verlangt nach Konsistenz.

Deutschland war einmal, meine Damen und Herren – wir erinnern uns daran, der eine oder andere vielleicht nicht –, das Land der Dichter und Denker. Dann gab es zwischendurch einmal eine Zeit, wo Sie von den Linken alleine das Sagen hatten, da war es dann eine Zeit lang nicht das Land der Dichter und Denker, sondern der Richter, ihrer Lenker und der Henker. Aber das ist ein anderes Thema, zu dem rede ich gern ein anderes Mal noch einmal.

(Beifall AfD)

Also Deutschland, meine Damen und Herren, war einmal in guten Zeiten das Land der Dichter und Denker. Die Betonung liegt auf „war“. Die Kulturbolschewisten von heute und die von links, einer sitzt rechts, mag das erfreuen. Mich und die AfD stimmt dieser Befund sehr traurig. Es ist ein Armutszeugnis, dass in unserem Land etwa 7,5 Millionen funktionale Analphabeten leben. Ich habe dazu eine Kleine Anfrage gemacht, die kam ganz passend zu der Rede hier. Darin steht, von den 7,5 Millionen funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten – ich wollte vorhin übrigens nur fragen, warum Sie Hebammen nicht gendern, das wäre eigentlich meine Frage gewesen. Vielleicht kommen Sie beim nächsten Mal dazu.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sind nicht witzig! Mir wird schlecht! Das ist so schlecht, Herr Brandner!)

Oder nehmen Sie vom Gendersierungswahn Abstand? Also beim nächsten Mal vielleicht die Hebammen auch in männlicher Form.

Also 7,5 Millionen Analphabeten haben wir in Deutschland, davon sind 58 Prozent solche mit Deutsch als Erstsprache und 42 Prozent erstaunlichweise, die Deutsch nicht als Erstsprache hatten. Da ist gerade bei den Ausländern offenbar ein erhebliches Defizit und gerade der steigende Ausländeranteil scheint nach dieser Auskunft dazu zu führen, dass der Analphabetenanteil erheblich steigen wird, zumindest was die funktionalen Analphabeten angeht. Da muss auch dringend etwas getan werden.

(Beifall AfD)

In Thüringen ist der Schriftsprachenerwerb nicht einheitlich. Die Entscheidungshoheit haben die Lehrer. Insbesondere stehen sich dabei die Konzepte „Lesen durch Schreiben“ und daraus abgeleitete Methoden und der Einsatz der bewährten Fibel gegenüber. Bei der Methode „Lesen durch Schreiben“ wird das Kind mithilfe didaktisch aufbereiteter Unterrichtsmaterialien vom freien Verschriften zum Lesen geführt. Der Schüler setzt mittels einer Anlauttabelle Begriffe zusammen, indem er die einzelnen Laute in der Tabelle sucht und diese zu einem Wort kombiniert. Das hört sich kompliziert an, ich habe es auch nicht ganz richtig verstanden, steht aber hier. Im Mittelpunkt dieses Konzepts steht die Annahme, dass die Kinder das kreative Schreiben besser erlernen, wenn die falsche Rechtschreibung nicht korrigiert wird. Das habe ich verstanden. Die falschen, nicht korrigierten Schreibweisen prägen sich aber beim Schüler erfahrungsgemäß sehr schnell ein. Der Übergang zu einer richtigen Orthografie fällt dann den meisten Schülern äußert schwer. In der zweiten Phase soll diese, sagen wir mal, nicht ganz nachvollziehbare erste Phase dadurch korrigiert werden, dass bei der Methode „Lesen durch Schreiben“ verbessert wird, um die aufgebauten Muster zu korrigieren. Also man bringt irgendetwas Falsches erst bei und versucht es dann hinterher durch Korrekturen wieder abzuschaffen. Das ist aus meiner Sicht schon ein ziemlicher Unfug. Daraus resultiert dann allerdings eine große Enttäuschung und Desinteresse am Schreiben. Viele Eltern müssen jetzt Arbeiten des Lehrers übernehmen und ihre Kinder häufig auch zur Nachhilfe schicken. Gerade das, und insbesondere wenn kommerzielle Nachhilfe nötig wird, führt zu einer Benachteiligung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen. Denken Sie da an die von Ihnen so gern benutzte Phrase der sozialen Gerechtigkeit. Wenn Sie dieses „Lesen durch Schreiben“ fördern, fördern Sie auch die soziale Ungerechtigkeit in diesem Lande, weil sich nur die Eltern dann zur Wehr setzen können, die über genug Geld verfügen, um Nachhilfe in Anspruch nehmen zu können.

(Beifall AfD)

Insbesondere auch – und spätestens das müsste Sie jetzt dazu erwärmen, unserem Antrag zuzustimmen – Kinder mit Deutsch als Zweitsprache haben durch die Methode „Lesen durch Schreiben“ massive Nachteile. Sie müssen nämlich zuerst für die deutsche Sprache sensibilisiert werden. Mehrsprachige Kinder oder solche mit Deutsch als nicht erster Sprache orientieren sich selbstverständlich an der Phonetik ihrer eigenen Muttersprache. Ein Beispiel, weil ich so gut türkisch kann, aus dem Türkischen. Möchte ein türkischstimmiges Kind beispielsweise das Wort „Ameise“ schreiben, sucht es in der Anlauttabelle nach K für karınca, türkisch für Ameise. Kinder mit Deutsch als Zweitsprache vermischen dadurch die türkischen und die deutschen Schriftstrukturen und das ist noch schlimmer als zuerst falsches Deutsch beizubringen und das dann zu korrigieren. Hier werden zunächst zwei falsche Schritte eingeschlagen und danach wird versucht zu korrigieren. Auch das ziemlicher Unfug. Nachteile haben übrigens auch Kinder, die einen starken Dialekt sprechen, was in Deutschland noch relativ häufig vorkommt, oder Kinder, die in ihrer Sprachentwicklung verzögert sind.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Oder AfD-Mitglied sind!)

Herr Harzer, ich habe mich letztes Mal hier schon deutlich geäußert. Ich bin gespannt, ob Sie mal mehr als Drei-Wort-Sätze hervorbringen

(Heiterkeit AfD)

und dann noch die Wörter in der richtigen Reihenfolge anordnen. Vielleicht kommen wir da noch mal hin.

Die Idee des Ansatzes „Lesen durch Schreiben“ setzt bei Grundschulkindern vieles voraus, zu vieles für die meisten. Sie sollen korrekt hochdeutsch sprechen, sie müssen die Laute richtig hören können und sie müssen die Bilder, die sie auf der Anlauttabelle sehen, mit den richtigen Inhalten verbinden, um dann das Wort richtig schreiben zu können. Das übersteigt heute die Möglichkeiten der meisten, auch deutschen Kinder, meine Damen und Herren. Die Methode „Lesen durch Schreiben“ holt die Kinder nicht dort ab, wo sie stehen, sondern lässt sie mit ihren Frustrationserlebnissen, die dann durch das permanente Korrigieren hervorgerufen werden, allein zurück und das muss überhaupt nicht sein. Es gilt: Der Beginn der Schreibkreativität ist das richtige Schreiben. Kreativität kommt danach. Deshalb fordern wir, die Methode „Lesen durch Schreiben“ zu thematisieren und wollen auf den Wert der Schriftsprache als bedeutende Kulturtechnik hinweisen. Die CDU mit ihrem Alternativantrag tut dies ja auch.

Schriftsprache und ihre Rechtschreibung sind nicht alles, aber sind die Grundlage für die Bildung. Auf

das Erlernen einer korrekten Schriftsprache muss daher an allen Thüringer Schulen auch ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Wir fordern daher die Landesregierung auf, dem Landtag eine Übersicht über die Methoden vorzulegen, nach denen im Freistaat die Rechtschreibung in der Anfangsphase erlernt wird.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, und im Sinne der Chancengleichheit aller Schüler muss die Methode „Lesen durch Schreiben“ als ungeeignet erkannt und die Thüringer Schulen müssen angewiesen werden, mit diesem groben Unfug aufzuhören.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie haben schlicht keine Ah- nung, Herr Brandner!)

Frau Henfling, von Ihnen lasse ich mich immer gern erziehen. Können Sie gleich von hier vorne machen. Ich bin auch da gespannt. Stiefel haben Sie auch noch an heute, oder?

Noch ein Wort zum Alternativantrag der CDU. Der dürfte heute allein schon deshalb keine großen Aussichten auf Erfolg haben, weil nach dieser überzeugenden Rede von mir alles gesagt ist und diese guten Argumente vermutlich auch Sie überzeugt haben, unserem Antrag zuzustimmen.

(Heiterkeit und Beifall AfD)

Wenn Sie das hier ignorieren, dann kommt es zu einer Abstimmung über den Alternativantrag der CDU, der zwar inhaltlich mit unserem Antrag gar nichts zu tun hat, sodass ich gar nicht weiß, warum Sie ihn als Alternativantrag eingebracht haben.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Weil Sie ihn nicht verstanden haben!)

Gleichwohl ist der Antrag gar nicht so blöd und er schadet auch nicht, sodass ich ankündigen kann für den unwahrscheinlichen Fall, dass unser Antrag abgelehnt werden sollte, dass wir dem CDU-Antrag zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)