Ich möchte noch einmal auf Thüringen zu sprechen kommen. Im Koalitionsvertrag ist eine ganze Seite der Versorung mit Hebammenleistungen gewidmet. Das reicht von der Zusage, dass Hebammenleistung verfügbar, zugänglich, niederschwellig und qualitativ hochwertig sein soll über den besagten Runden Tisch „Geburt und Familie“, wo alle Akteure, die beteiligt sind, eingebunden werden, die Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen bis hin zum Modellprojekt Hebammenkreißsaal. Den runden Tisch wird es in diesem Jahr noch geben. Davon gehen wir aus. Ich kann Ihnen auch versichern, dass wir als Bündnis 90/Die Grünen nicht lockerlassen werden, bis sich die Situation der Versorgung mit Hebammenleistungen in Thüringen und auf Bundesebene nachhaltig verbessert hat. Wir lassen Hebammen nicht im Stich.
Hebammen sind ausgebildete Fachfrauen, leisten einen unschätzbaren Beitrag für die Frauen und Familien. Hebammen stehen für uns ganz oben auf der familien- und gesundheitspolitischen Agenda. Hier geht es um nicht mehr und nicht weniger als um das Wegbrechen eines ganzen Berufsstands. Gleichzeitig müssen Eltern auf die Wahlfreiheit bei der Entbindung verzichten. Derzeit gibt es in Thüringen neun Belegkliniken, wo ausschließlich freibe
rufliche Hebammen arbeiten. Die Kaiserschnittrate liegt in Thüringen bei rund 28 Prozent. Man sieht hier, wo die Entwicklung hingeht. Ich denke, das kann nicht in unserem Sinn sein.
Ich komme noch einmal auf die Haftpflichtproblematik zu sprechen: Hebammen sind verpflichtet, sich über eine Berufshaftpflichtversicherung abzusichern. Ich möchte das mit ein paar Zahlen unterstreichen. 2003 bezahlte eine freiberufliche Hebamme im Jahr 500 Euro Haftpflichtprämie. Im Juli 2010 waren das schon 3.700 Euro. Das ist eine Steigerung von über 700 Prozent – und das geht so weiter. Seit diesem Jahr sind es knapp 6.300 Euro, was freiberufliche Hebammen für ambulante Geburtshilfe zahlen müssen. Das hat dazu geführt, dass viele Hebammen ihren Beruf aufgegeben haben. Das wurde mir auch in persönlichen Gesprächen mit Hebammen bestätigt, dass die Arbeitsund Einkommenssituation der freiberuflichen Hebamme immer schlechter wird und vom Einkommen bleibt nicht mehr viel übrig. Eine Hebamme aus meinem Wahlkreis sagte mir, dass sie sich Sorgen um die Versorgung mit Hebammenleistungen im ländlichen Raum macht. Es gibt dort sehr lange Fahrtwege, die Arbeitsbelastung ist extrem hoch und es gibt oft keine Vertretung in der Urlaubszeit oder im Krankheitsfall. Die Konsequenz ist, dass viele Frauen nicht auf Anhieb eine Hebamme finden oder es muss eine Absage erteilt werden. Wir warten gespannt auf die Auswertung der Studie, die in Auftrag gegeben wurde. Mit dem Ergebnis wollen wir als Regierungsfraktion auf mögliche Fehlentwicklung und Unterversorgung gezielt reagieren.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Zeit läuft gegen uns, gegen die Familien im Land und vor allem gegen die Hebammen selbst. Kurzfristig muss sichergestellt werden, dass die Hebamme von der gesetzlichen Krankenversicherung eine angemessene Vergütung erhält. Die Haftpflichtprämie muss bezahlbar sein.
Wir brauchen auf Bundesebene eine grundsätzliche Lösung. Unser Vorschlag ist ein Regelungsprinzip der gesetzlichen Unfallversicherung, die auf eine Berufshaftpflichtversicherung für alle Gesundheitsberufe übertragbar werden kann. Ich schließe mich meiner Vorrednerin an und beantrage, den Antrag
Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Das Wort hat Ministerin Werner.
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Zippel, wie bereits im Ausschuss zum gleichen Thema dargestellt, wird das Thema „Runder Tisch ‚Hebammen und Geburten‘“ natürlich wie im Koalitionsvertrag beauftragt, von meinem Ministerium eingesetzt werden. Wie ich auch in der 10. Sitzung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit am 3. September berichtet habe, hat mein Haus vor dem Hintergrund der seitens des Hebammenlandesverbands geschilderten Situation der Hebammenversorgung und entsprechend breiten Befassung mit dem Thema auch im Thüringer Landtag beim IGES Institut GmbH Berlin ein Gutachten in Auftrag gegeben. Im Rahmen des Gutachtens wurde auch eine Hebammenbefragung, eine Mütterbefragung und eine Befragung der Thüringer Geburtskliniken durchgeführt. Aufgrund einer zu geringen Beteiligung durch die Geburtskliniken und der Hebammen – der Rücklauf der Fragebögen war leider nur sehr gering – musste zunächst vom durchführenden IGES Institut der Befragungszeitraum verlängert werden. Mein Haus hat dazu auch alle freiberuflich tätigen Hebammen und Geburtskliniken ein zweites Mal angeschrieben. Auch das habe ich bereits im Ausschuss geschildert. Eine weitere Verzögerung ergab sich durch den fachlichen Wechsel beim IGES Institut.
Ich möchte an der Stelle aber die Gelegenheit nutzen, Frau Herold, und den Vorwurf zurückweisen, wir würden die Studie schönen wollen. Ich kann dazu sagen: Nur was ich selber denk‘ und tu‘,... Das trifft aber auf uns nicht zu.
Vielmehr ist es so: Der Entwurf des Gutachtens bedarf in bestimmten Punkten einer weiteren inhaltlichen Untersetzung durch das ausführende Institut, sodass die Studie zur Versorgungs- und Bedarfssituation mit Hebammenleistungen sowie zur Einkommens- und Arbeitssituation der Hebammen in Thüringen in Kürze fertiggestellt sein wird und entsprechend der Runde Tisch „Geburt und Familie“ noch 2015 einberufen werden kann. Dann wird auch der Vorstellung der Studie im Ausschuss natürlich nichts mehr entgegenstehen.
Frau Meißner, ich möchte darauf hinweisen, dass auch Ihre Kanzlerin gesagt hat: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Genau in dem Bereich ist es, denke ich, dringend notwendig. Wir haben auch in einem Gespräch mit dem Hebammenlandesverband festgestellt, dass die regionale Versorgungssituation zunächst das Wichtigste ist, was wir jetzt angehen müssen. Da musste tatsächlich beim IGES Institut nachgebessert werden, weil die Ergebnisse, die wir dazu bekommen haben, einfach nicht konkret genug gewesen sind, um anhand dieser Ergebnisse arbeiten zu können.
Aber natürlich geht es auch uns zu langsam. Deswegen habe ich in Vorbereitung des runden Tischs mit dem Hebammenlandesverband und anderen Akteuren zu einem ersten Informationsgespräch in Vorbereitung des runden Tisches ins Ministerium eingeladen. Dieses Treffen fand am 26. Oktober statt und ich würde Ihnen gern ein paar Ergebnisse dieses ersten Vorbereitungstreffens mitteilen wollen: Wir haben uns gemeinsam mit dem Hebammenlandesverband einvernehmlich auf erste Schwerpunkte verständigt. Das ist zum einen die Erfassung der Unterschiede in regionalen Versorgungsstationen mit Hebammenleistungen, Ursachen und Lösungsansätze. Im Mittelpunkt steht die konkrete regionale Versorgungssituation mit Hebammenleistungen, da zunehmend – das haben Sie heute auch schon beschrieben – über defizitäre Versorgung in den einzelnen Regionen berichtet wird. Das ist für uns prioritär und wird deswegen als erstes Thema den runden Tisch beschäftigen. Wir sind uns einig, es bedarf der Analyse der Ursachen der regionalen Unterschiede in der Versorgung, um auch Lösungsansätze für eine flächendeckende adäquate Versorgung entwickeln zu können.
Ein zweites Thema ist die Entwicklung von Projekten zur Förderung einer bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Versorgung mit Hebammenleistungen, die auf die Bedürfnisse aller Gebärenden in Thüringen eingeht und die – da waren wir uns in dieser Runde auch einig – eine Eins-zu-Eins-Betreuung anstrebt. Wir können das allerdings auch nur prüfen. Prüfen werden wir auch die Bedeutung von Modellprojekten, beispielsweise den Hebammenkreißsaal.
Ein drittes Thema war die Erörterung der finanziellen Situation der freiberuflich tätigen Hebammen im Kontext der Belastung durch die Berufshaftpflichtversicherung für die außerklinische Geburtshilfe.
Ein viertes Thema: Die Sicherstellung einer adäquaten Versorgung mit Familienhebammenleistungen im Kontext zu frühen Hilfen. Wir könnten uns eine Fachkonferenz zu Familie und Geburt gemeinsam mit dem dafür zuständigen Ministerium, dem TMBJS – das weiß davon noch nichts –, sowie Vertretern der Familienverbände vorstellen. Der Hebammenverband betont auch, dass Hebammen mit Zusatzqualifikation „Familienhebamme“ neben ihren medizinischen Leistungen in der Regel auch die sozialen Leistungen einer Familienhebamme im Rahmen von frühen Hilfen erbringen und deswegen eine getrennte Behandlung problematisch ist.
Ein nächstes Thema ist die Arbeits- und Einkommenssituation von angestellt tätigen Hebammen, ein weiteres Thema Melde- und Versicherungspflichten bzw. Berufshaftpflichtversicherungen. Da geht es zum einen darum, die Statistiken zur Anzahl der Hebammen verlässlicher zu gestalten, zum anderen auch Lösungen für eine verträgliche Berufshaftpflichtversicherung zu entwickeln. Ein nächstes Thema wäre die Ausbildungssituation und Ausbildungsbedarfe. Denkbar wären natürlich auch andere Themen wie Kaiserschnittrate, Befassen mit dem plötzlichen Kindstod und Ähnlichem. Wir haben uns geeinigt, dass als wichtigstes Thema für uns die konkrete regionale Versorgungslage und die Entwicklung von Maßnahmen zur Absicherung einer flächendeckenden adäquaten Versorgung im Vordergrund stehen wird. Dazu werden wir auch den ersten runden Tisch durchführen und werden dazu auch kommunale Vertreterinnen und Vertreter einladen. Dieser runde Tisch wird am 14. Dezember 2015 stattfinden, da wir bis dahin auch das IGES-Gutachten, wir gehen davon aus, auf dem Tisch liegen haben und noch genügend Zeit sein wird, den runden Tisch auch entsprechend vorzubereiten.
Frau Ministerin Werner, das höre ich gern, dass der runde Tisch jetzt im Dezember einberufen werden soll. Meine Frage auch in Bezug auf unseren jetzt eingereichten Antrag: Waren bei dem Vorbereitungsgespräch auch Elternvertreter eingeladen
bzw. ist jetzt geplant, beim runden Tisch selbst auch Vertreter der Elternverbände in Thüringen mit einzubeziehen?
Bei den ersten Treffen, den Vorbereitungstreffen, war der Hebammenlandesverband vertreten, ein Vertreter der Kassen, Vertreter der Ärzteschaft und der Krankenhäuser und wir als Ministerium waren anwesend. Wir haben uns auf einen zunächst kleinen Schlüssel für die Bestellung des runden Tischs verständigt, weil es uns darum geht, ganz schnell in Arbeitsprozesse zu kommen, und werden aber dann für bestimmte Themen ganz konkret Elternvertretungen einladen, Krankenschwestern, wie Sie es beispielsweise auch benannt haben, also jeweils die Akteure, die für das bestimmte Thema auch notwendig sind. Aber weil wir schnell in die Arbeit kommen wollen, haben wir erst mal einen relativ kleinen Anzuhörenden- oder Expertentisch vereinbart. Wir haben vereinbart, dass der runde Tisch zunächst vierteljährlich tagen soll. Das ist ziemlich ambitioniert, aber das hängt mit der Aufgabenfülle zusammen, die wir uns gesetzt haben. Wir gehen aber davon aus, dass wir in themenbezogenen Unterarbeitsgruppen arbeiten werden, dass sich der Tagungsrhythmus da eventuell auch noch verändern kann und dass, wie gesagt, in die einzelnen Gesprächsrunden, je nach Fachthema, bestimmte Fachvertreter mit eingeladen werden. Natürlich werde ich dann, wie wir in der Ausschusssitzung gemeinsam festgelegt haben, auch über die Ergebnisse des runden Tischs berichten, sobald der runde Tisch getagt hat und spätestens aber, so wie in Ihrem Antrag gefordert, im Juni 2016. Ich denke aber, dass wir regelmäßig über die Ergebnisse des runden Tischs und über die Arbeitsschwerpunkte berichten werden.
Hinsichtlich der aktuellen Diskussion zur Lösung der Haftpflichtproblematik auf Bundesebene kann ich Ihnen mitteilen, dass nach aktueller Pressemitteilung die Schiedsstelle offenbar die Konflikte zwischen Hebammen und Krankenkassen entschieden hat. Das wissen Sie auch. Danach müssen die freiberuflich tätigen Hebammen lediglich vier Geburten pro Jahr erbringen, damit sie ihre Aufwendungen für ihre, für die außerklinische Geburtsbetreuung notwendigen, Berufshaftpflichtversicherungen von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert bekommen. Die Refinanzierung der Berufshaftpflichtversicherung soll gemäß der Pressemitteilung in vier gleich großen Raten erfolgen. Diese Raten werden jeweils rückwirkend zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres ausgezahlt, wenn die Hebamme eine geburtshilfliche Leistung nachweist, eine Geburt pro Quartal. Damit sollen insbesondere Hebammen in strukturschwachen Regionen unterstützt werden, in denen es nur wenige Geburten
gibt. Die bisherige Verrechnung und pauschale Zuschläge für jede einzelne Geburt entfallen mit der neuen Regelung. Zudem steigt mit der verbindlichen Einführung von Qualitätskriterien für Hausgeburten ab dem 25. September auch die Vergütung für Hebammenleistungen ab sofort um weitere fünf Prozent. Allerdings geht aus Presseveröffentlichungen des Deutschen Hebammenverbands auch hervor, dass der Verband prüfe, gegen die Entscheidung der Schiedsstelle gerichtlich vorzugehen. Das wird unter anderem damit begründet, dass der Schiedsspruch einen geringeren Ausgleich der Haftpflichtprämien vorsehe als bisher. Da die Schiedsstellenentscheidung meinem Haus bisher nicht vorliegt, kann ich dazu gegenwärtig keine weiteren Aussagen treffen. Zum Verfahren teilte der GKV-Spitzenverband auf Nachfrage mit, dass mit Beschluss der Schiedsstelle eine vierwöchige Einspruchsfrist gelte. Ich darf aber betonen, dass das Land keine Einflussnahme auf das rechtsstaatliche Schiedsstellenverfahren hat. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Wir kommen deshalb zur Abstimmung über die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Die kann ich nicht erkennen. Stimmenthaltungen? Auch nicht. Damit ist die Ausschussüberweisung einstimmig beschlossen.
Chancengleichheit gewährleisten – „Lesen durch Schreiben“ und daraus abgeleitete Methoden an Thüringer Schulen abschaffen Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1102 dazu: Alternativantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1137
Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung ihres Alternativantrags?
Das ist auch nicht der Fall. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die Landesregierung keinen Sofortbericht geben wird. Ich eröffne deshalb die Aus
Meine Damen und Herren! Frau Werner, solange Sie noch da sind, ganz kurz: Unter Dialogbereitschaft verstehen wir eigentlich was anderes. Wir können nicht verstehen, warum Sie so tun, als ob Sie die Demokraten, die Vorzeigedemokraten wären, und sich dann als Landesregierung nicht in der Lage sehen, vernünftige Zwischenfragen oder überhaupt Zwischenfragen von uns zu beantworten.
(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Das ist genau das Problem!)
Das ist ein Armutszeugnis. Das ist ein ganz krasses Armutszeugnis. Ich war einfach nur irritiert in Ihren Ausführungen darüber, aber wir haben das hoffnungsvoll zur Kenntnis genommen, dass Sie offensichtlich …
Herr Abgeordneter Brandner, wir haben einen anderen Tagesordnungspunkt und ich bitte Sie, zur Sache zu sprechen.