Protokoll der Sitzung vom 18.12.2015

Die CDU beschwert sich, dass der Haushalt so schlecht sei, dass sie nicht zustimmen könnte. Also meines Wissens – Frau Taubert, Sie können mich nachher korrigieren, darauf würde ich mich gern einlassen – haben wir auf dem alten Haushalt aufgebaut. Wir haben ein Eckwerteverfahren auf diesen Haushalt gesetzt und wir haben politische Steuerung vorgenommen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ihr habt 1 Milliarde mehr ausgegeben!)

Das heißt, ich kann nicht erkennen, dass der Haushalt in einer solchen anderen Struktur und Dimensionalität und Weichenstellung aufgestellt ist. Da muss ich eher noch den Haushalt kritisieren, als Sie die Berechtigung dazu hätten. Also da wollen wir doch mal die Kirche im Dorf lassen!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn ich schon bei dieser 1 Milliarde Euro bin: Wer bei diesen gesellschaftlichen Herausforderungen, die vor uns liegen, die uns der Thüringen-Monitor und die Debatte in der vergangenen Sitzung noch mal deutlich vor Augen geführt haben, davon spricht, dass 1 Milliarde Euro umsonst ausgegeben worden sind, der soll sie doch bitte im Haushalt streichen und andere Vorschläge machen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich kann Ihr Verhalten nur so deuten, dass Sie eigentlich mit dem, was Rot-Rot-Grün macht, einverstanden sind, dass Sie keine andere Idee haben, dass Sie genauso wie wir der Überzeugung sind, dass wir mehr Polizei auf der Straße, soziales Wohnen, mehr Bildung, mehr Lehrerinnen und Lehrer und vor allen Dingen Humanität auch mit Zahlen im Haushalt festschreiben müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Abstrusität erreicht es bei der Kritik an Bodo Ramelow in Bezug auf die Bund-Länder-Finanzvertragsverhandlungen. Ich will es mal mit aller Deutlichkeit sagen: Eine solche provinzielle Arroganz, ohne Wissen und Kenntnis der laufenden Debatten, hier zu behaupten, Bodo Ramelow käme mit einem schlechten Ergebnis wieder, was Thüringen nichts

bringe, der möchte nur darüber hinwegtäuschen, dass er in seiner eigenen Partei viel zu wenig Macht und Gestaltungsspielraum hat, um Thüringen tatsächlich zu helfen und zu stoppen, dass CDU und SPD die ostdeutschen Länder gerade abzocken wollen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insofern gilt das alte Prinzip: Wer am lautesten schreit, hat noch lange nicht recht und getroffene Hunde bellen.

Die gesellschaftlichen Herausforderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind schon beträchtlich. Schauen wir uns die Flüchtlingszahlen an, hat die Landesregierung im vergangenen halben Jahr einiges geleistet. Wir haben Humanität und Menschenwürde nach vorn gesetzt und wir können tatsächlich mit ein bisschen Stolz sagen, dass Thüringen eines der Bundesländer ist, das keine Zeltstädte hat, das keine Sachspenden statt Geldleistungen auszahlt und dass Thüringen tatsächlich auch eine Landesregierung hat, die eine klare politische Haltung ausstrahlt. Ich halte das in dieser Situation für besonders wichtig.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn uns der Thüringen-Monitor zum Beispiel mitgibt, dass Langzeitarbeitslose besonders mit schrägen Augen angeschaut werden, dass Flüchtlinge, Fremdenfeindlichkeit ganz oben stehen in den Einstellungsmustern der Thüringerinnen und Thüringer, wenn wir 24 Prozent Rechtsextremismus konstatieren müssen, was bedeutet das dann für unsere Politik? Es bedeutet für uns, dass wir dringend eine demokratischere Kultur brauchen, dass wir die Schere zwischen Arm und Reich versuchen müssen zu schließen und dass wir endlich versuchen müssen, dass gesellschaftliche Teilhabe kein Privileg, sondern Generalität ist, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, versuchen wir mit diesem Haushalt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich will noch mal ganz kurz zu dem Argument zurückkommen, wir würden diesen Haushalt nur aufblähen. 470 Millionen Euro realistische Mehrausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, 70 Millionen Euro für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – da haben Sie uns erst erklärt, das sei noch zu wenig Geld. 300 Millionen Euro resultieren aus den Personalmehrausgaben nach den Tarifund Besoldungsanpassungen, 50 Millionen plus geben wir den Thüringer Hochschulen. Die BAföGDarlehen, die 2014 gar nicht im Haushalt veranschlagt waren, sind jetzt wieder im Haushalt und jährlich sind dort 40 Millionen veranschlagt. Das Stichwort „Sondervermögen Abwasser“, das kostet

diese Landesregierung, obwohl sie nichts für das Wahlversprechen einer ehemaligen Staatspartei kann, 20 Millionen Euro 2015, 25 Millionen Euro 2016 und 30 Millionen Euro im Jahr 2017. 43 Millionen Euro machen die Erhöhung der Bundesmittel für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus. Hätten wir die Bundesmittel nicht annehmen sollen, damit wir unseren Haushalt nicht aufblähen und das als Wert an sich betrachten? Hätten wir gegen das Asylbewerberleistungsgesetz verstoßen sollen, weil die CDU der Auffassung ist, dadurch würde der Haushalt zu hoch aufgestellt? Hätten wir den Beamten und Beamtinnen und den Tarifbeschäftigten einfach ihre Tariferhöhung nicht zahlen sollen? Hätten wir den Hochschulpakt aufkündigen und die Hochschulen weiter im Regen stehen lassen sollen? So könnte man das weiter aufzählen. Ich glaube, die Rede von Herrn Mohring war deswegen nur von Schwarzmalerei geprägt, weil er genau weiß, dass er gegen all das stimmen müsste und die Thüringer CDU überhaupt keine andere Idee hat, wohin es in diesem Land gehen soll.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich meine, so ist das eben – ich habe das schon bei der Einbringung bzw. der Haushaltsrede 2015 gesagt und auch bei der Einbringung 2016 –: Ein politischer Wechsel an der Spitze des Landes macht sich eben auch an politischen Entscheidungen bemerkbar. Der Landeshaushalt 2016/2017 ist Ausdruck von mehr sozialer Gerechtigkeit, von einer anderen demokratischen Kultur,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Lächerlich! Finanzpolitischer Wahnsinn ist das!)

von ökologischer Politik, von Nachhaltigkeit und natürlich auch von Augenmaß für diesen Haushalt, der auch durch Geschrei nicht schlimmer wird, als Sie es behaupten.

(Beifall DIE LINKE)

Selbst wenn dieses Argument „finanzpolitischer Wahnsinn“ stimmen würde, ich glaube, dann würden Sie, wenn Sie an dieses Argument glauben, selber diesem Wahnsinn verfallen sein, wenn Sie uns nicht aufhalten und nicht wenigstens Änderungsvorschläge machen, wie Sie es wollen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deswegen will ich mal die politische …

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Da hat sie extra einen Rock an!)

Ja, genau, das ist das Thema hier vorn.

Also wenn man die politischen Debatten der vergangenen 24 Stunden – es ist ein bisschen länger – spiegelt, dann entschuldigen Sie, Herr Mohring, es ist eine sehr männlich geprägte Debatte.

(Beifall DIE LINKE)

Rumgeschrei und Popanz machen und sich aufbäumen, das können Frauen auch, aber es ist zuvörderst eine männliche Debatte und es regt mich auf,

(Beifall DIE LINKE)

dass wir in diesem Landtag nicht über Sexismus hinausgekommen sind

(Unruhe CDU)

und dass es auch einen Herrn Mohring gibt, der eben noch nicht so weit ist, in der heutigen Zeit angekommen zu sein.

Ich will jetzt mal auf die Errungenschaften dieses Haushalts und von Rot-Rot-Grün hinweisen und bedanke mich insbesondere bei allen, vor allem bei den Referenten der Regierungsfraktionen, bei allen Abgeordneten, weil ich weiß, wie sehr Sie in den Ausschüssen für diesen Haushalt gestritten und gekämpft haben. Ich möchte mich natürlich bei der Landesregierung und der Finanzministerin bedanken, weil wir tatsächlich mit diesem Haushalt etwas auf den Weg gebracht haben, was es in den vergangenen Jahren in Thüringen in dieser Form und Art und Weise nicht gegeben hat und das tatsächlich die Richtung, die politische Richtung zum Guten für Thüringen verändert. Wir reden nämlich nicht nur über Integration, sondern wir stellen zu den 500 Lehrerinnen und Lehrern zusätzlich noch mal 300 ein, um Integration in Thüringer Schulen möglich zu machen. Wir geben 500.000 Euro mehr für Lernmittel. Wir erhöhen schon ab 2016 die Jugendpauschale um 1 Million Euro schon. Wir setzen den Stellenabbau bei der Thüringer Polizei aus. Wir geben höhere Zuweisungen an das Thüringer Studierendenwerk und Geld für die Sanierung der Mensen. Wir stellen die Fahrtkostenerstattung der Auszubildenden auf eine soziale Staffelung um. Wir erhöhen die Mittel für Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen und freie Träger in der Erwachsenenbildung, bei der Verbraucherinsolvenzberatung. Wir sichern das Schießsportzentrum in Suhl. Wir stellen Mittel für Hebammen ein. Wir fördern das 1.000-Dächer-Programm. Wir fördern öffentliche Beschäftigung für Langzeitarbeitslose und arbeiten das ab, was uns auch der Thüringen-Monitor mitgibt, nämlich Langzeitarbeitslosen endlich wieder eine Teilhabemöglichkeit und gesellschaftliche Integration zu bieten.

(Beifall DIE LINKE)

Wir verstärken Projekte für die nachhaltige Entwicklung in Thüringen. Wir stocken das Thüringer Wohnungsbauvermögen auf und schaffen ein zusätzliches Zuschussprogramm für den sozialen Wohnungsbau in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Wir bauen mehr Wohnungen, als die CDU in den letzten fünf Jahren überhaupt vorhatte

zu bauen. Wir erhöhen die Ausgaben für Radwege. Wir stärken zum ersten Mal seit langer Zeit wieder den Landessportbund und die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände,

(Beifall DIE LINKE)

die gerade jetzt in der Zeit, in der Flüchtlinge ganz konkret Hilfe brauchen, an der Seite der Gesellschaft stehen und vieles möglich machen, was sonst nicht möglich wäre. Wir finanzieren freie Schulen transparent und planungsfest und die reinen Zuschüsse des Landes zur Krankenhausfinanzierung sind zum Beispiel verdoppelt worden. Das ist eine lange Liste dessen, was wir korrigieren, was in den letzten Jahren versäumt worden ist. Und ich stelle es noch mal klar: Wir machen das in keinem Fall für uns. Wir machen das für die Thüringerinnen und Thüringer und für bessere Lebensbedingungen in diesem Land.

Mit diesem Satz will ich schließen: Ich bedanke mich bei Rot-Rot-Grün für die Arbeit an diesem Doppelhaushalt. Wir werden in den nächsten zwei Jahren in Thüringen sehr, sehr viel von diesem Doppelhaushalt in tatsächlicher Gestaltung im Land spüren und ich hoffe, dass die Thüringer Opposition sich besinnt und endlich ihre parlamentarische Verpflichtung annimmt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster spricht zu uns Herr Abgeordneter Hey, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren – Besucher auf der Tribüne haben wir im Moment nicht, aber vielleicht einige am Livestream –, ich möchte mich zunächst für die engagierte Debatte bedanken, die seit gestern Morgen hier geführt wird, zum Teil sachlich, und wenn es nicht sachlich war, war es zumindest unterhaltsam. Ich versuche mal in meiner Rede der Schlussrunde auf das einzugehen, was uns heute alle hier in diesen Saal geführt hat, nämlich auf den Landeshaushalt, und nicht auf K+S und Länderfinanzbeziehungen, die ohnehin erst zukünftig Auswirkungen haben werden.

Wir stehen kurz vor der Abstimmung der einzelnen Änderungsanträge und der Schlussabstimmung dieses Haushalts. Ich will das auch noch mal kurz betonen und daran erinnern: Wir haben in diesem Jahr im Grunde drei Haushalte diskutiert und beschlossen, also den von 2015 und den jetzigen Doppelhaushalt für die beiden kommenden Jahre, und wir haben zwischen diesen beiden Diskussionen, also zwischen Mai und Ende September/An

(Abg. Hennig-Wellsow)

fang Oktober, zwischen diesen Verabschiedungen der beiden Etats eine innerhalb kürzester Zeit sich dramatisch verändernde Situation hier im Freistaat erlebt, insbesondere bei der Debatte um die Asylund Flüchtlingspolitik.

Ich will das gleich vorwegschicken, weil Herr Kowalleck in seiner gestrigen Eröffnungsrede darauf abgestellt hat: Dieser Doppelhaushalt ist natürlich gekennzeichnet von diesen Ausgaben, die sich aus den Herausforderungen dieser Asyl- und Flüchtlingsproblematik ergeben. Aber wir haben eben bei dieser ganzen Thematik intensive Debatten in meiner Fraktion und auch in der Koalition gehabt, weil wir gesagt haben, wegen dieser Ausnahmesituation, die uns schon in vielen Tagesordnungspunkten hier im Plenum zusammengeführt hat und die uns in dieser Weise fordert, muss an zwei entscheidenden Stellen in diesem Doppelhaushalt, der schon angearbeitet war, der da schon von der Landesregierung vorgelegt war, nachgesteuert werden, und zwar bei der Sicherheit und bei der Bildung. Die Vorredner aus der SPD-Fraktion und andere Kollegen sind bereits während dieser Haushaltsdebatte, die seit gestern 9.00 Uhr geführt wird, darauf eingegangen. Wir haben den Stellenabbau bei der Polizei zunächst einmal ausgesetzt. Wir haben dafür gesorgt, dass neue Polizeianwärter unsere Sicherheitskräfte im Freistaat verstärken. Wir stellen bis zu 200 neue Lehrer im nächsten und noch mal bis zu 100 Lehrer im übernächsten Jahr zusätzlich zu denen ein, die ohnehin schon, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, eingestellt werden. Und das alles – ja, das stimmt – kostet Geld. Und natürlich haben wir uns deshalb auch zusammengesetzt und uns gesagt, das müssen wir stemmen und wir müssen vor allem auch im Haushalt dafür die notwendigen Weichen stellen. Wenn man das alles machen will, dann ist das ein Fakt. Da muss man sich bei dieser Finanzierung einig sein und das ist in der Abstimmung zwischen drei Partnern, Herr Mohring, immer aufwendig und es ist mit ziemlich viel Mühe verbunden. Denn um die Gegenfinanzierung zu finden, muss man sich in einer Koalition vor allen Dingen auch darin einig sein, wo denn bitte schön dieses Geld herkommt. Jetzt kann man sich vorstellen, was das auch innerhalb der Fraktionen bedeutet. Das heißt nämlich, dass eine Balance gefunden werden muss zwischen den Interessen der einzelnen Fachsprecher, weil die nämlich sagen, mein Fachbereich, also sei es jetzt Umwelt, sei es Infrastruktur, sei es Kultur und all die anderen Dinge, mein Fachbereich soll ja möglichst unangetastet bleiben, im Gegenteil, es wäre schön, wenn der noch aufwächst, wenn es da noch mehr Geld gäbe. Und dann kommt die Situation, wo alle vereinbaren müssen, völlig egal, welche Farbe das Parteibuch hat, wo denn Geld weggenommen werden muss, um an den entscheidenden Stellen nachbessern zu können. Da will ich gern mal die Zahlen nennen, was das letztlich bedeutet hat. Wir haben in der Zeit

der Haushaltsbehandlung hier im Parlament insgesamt 75 Millionen Euro umgeschichtet, und zwar 42 Millionen Euro für 2016 und noch mal 33 Millionen Euro im Folgejahr, also 2017. Das ist – ja, selbstverständlich – ein Kraftakt gewesen. Das will ich noch mal ganz deutlich sagen an dieser Stelle. Das mag Sie jetzt nicht verwundern, Herr Mohring, aber ich weiß, wovon ich rede, da will ich Dank an alle Abgeordneten sagen, die das manchmal bereitwillig und – ja – auch manchmal mit Zähneknirschen mitgemacht haben, natürlich auch an die Referenten, nicht nur hier im Haus, auch in den Häusern der angeschlossenen Ministerien, die das Ganze fachlich mit begleitet haben. Auch einen Dank an die Vorsitzenden der beiden anderen Fraktionen; wir haben lange gesessen, teilweise bis tief in die Nacht. Ich weiß, dass es nicht immer leicht war in den Verhandlungen, ich weiß, Susanne Hennig-Wellsow und Dirk Adams, es war auch bestimmt mit mir nicht immer leicht.