Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

Vielen Dank, Frau Lehmann. Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Walk für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Tribüne und am Livestream! Zunächst will ich mich im Namen meiner Fraktion meiner Vorrednerin, Kollegin Lehmann, insofern anschließen, als dass wir im Rahmen des bestehenden demokratischen Grundkonsenses ein derartiges Verhalten gemeinsam verurteilen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Frau Kollegin Lehmann hat zu Recht darauf hingewiesen – ich habe es mir notiert –: Hier braucht es den gemeinsamen Schulterschluss aller demokratischen Kräfte. Der Anschlag auf das Haus der Demokratie in Kahla Anfang der vergangenen Woche findet nicht nur unsere tiefe Verachtung, er sollte uns vor allem auch dazu motivieren, jeder politisch motivierten Gewalt gemeinsam und entschlossen entgegenzutreten. Die Tat in Kahla reiht sich ein in eine seit dem Jahr 2015 dramatisch angestiegene Zahl von politisch motivierten Anschlägen in Thüringen. Darauf möchte ich nicht näher eingehen. Frau

(Abg. Lehmann)

Kollegin Lehmann hat die Zahlen genannt: über 40 Anschläge allein auf Wahlkreisbüros von Politikern, insgesamt doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Ziel der Anschläge waren Einrichtungen und Büros aller Parteien; sie galten damit indirekt auch unserer Demokratie.

Ich möchte hier aber auch auf eigene Erfahrungen aus Eisenach eingehen, denn vor drei Wochen waren auch wir in Eisenach betroffen. Da sprühten Feinde der Demokratie das Wort „Volksverräter“ an unsere Geschäftsstelle. Und auch die Büros von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke waren in der Nacht beschmiert worden und somit betroffen. Nicht betroffen – jetzt wird es interessant – waren allerdings die Büros der NPD und der AfD. Eine Bewertung dessen überlasse ich Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich bleibe dabei, was ich anlässlich dieser Tat bereits gesagt habe: Angriffe auf Büros von politischen Parteien, Organisationen oder Abgeordneten sind inakzeptabel und können nie legitime Mittel politischer Auseinandersetzung sein.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, frak- tionslos; Abg. Helmerich, fraktionslos)

Wer seiner Meinung nur durch rohe Gewalt, primitive Hetze oder Sachbeschädigungen Ausdruck verleihen kann, für den ist, kann und darf in unserer demokratischen Gesellschaft kein Platz sein. Neben einer konsequenten Strafverfolgung und Verurteilung solcher Täter muss unser Ziel aber auch sein, die Menschen dazu zu animieren und aufzufordern, Meinungsverschiedenheiten nicht nur offen, sondern vor allem friedlich und ohne Diffamierung oder Verachtung Andersdenkender auszutragen. Ich sage aber auch und gerade von dieser Stelle aus: Uns allen im Landtag kommt eine nicht unerhebliche Rolle und auch eine Vorbildfunktion zu. Das sage ich insbesondere mit Blick auf die eine oder andere Debatte oder den einen oder anderen Zwischenruf in den letzten Monaten.

Aber lassen Sie mich an dieser Stelle noch einen anderen Punkt ansprechen, der in diesem Kontext wichtig erscheint: Für den Schutz unserer Demokratie war und ist es immer noch erforderlich, eine gut funktionierende Sicherheitsarchitektur vorzuhalten. Dazu gehört in erster Linie auch, unsere Polizei angemessen auszustatten. Sowohl personell, technisch sind wir ganz bei Ihnen, Herr Minister Poppenhäger, aber auch – und darauf kommt es mir heute an – mit dem erforderlichen Vertrauen und mit der notwendigen Wertschätzung für unsere Kolleginnen und Kollegen, die sie auch verdienen.

Lassen Sie mich noch einen letzten Aspekt aufgreifen: Bürgerrechtler Konrad Weiß hat sich heute prominent in der „TA“ unter dem Titel „Das Nazi-Problem wurde im Osten verheimlicht“ zu Wort gemeldet. Seine Analyse und seine Sichtweise finde ich

sehr bemerkenswert. Ich weiß nicht, wer es heute Morgen schon gelesen hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Erläuterung: Bereits im März 1989 – also weit vor der friedlichen Revolution – veröffentlichte er eine erste öffentliche Analyse des Rechtsradikalismus im SED-Staat, die allerdings aus verständlichen Gründen nur im Untergrund erscheinen konnte. Der Titel damals „Die neue alte Gefahr. Junge Faschisten in der DDR“, März 1989. Heute stellt er hinsichtlich einer aus seiner Sicht fehlenden Aufarbeitung nüchtern fest: „[Es] gab […] Bereiche, in denen keine Auseinandersetzung stattfand.“ Und weiter: „Was nicht wirklich geheilt und ausdiskutiert [worden] ist, schmort weiter – ob bei einzelnen Menschen oder bei Gruppen. Und dann ist es eines Tages wieder da.“

Ich komme zum Schluss. Die Erkenntnis von Konrad Weiß: „Unsere Demokratie, unsere Bürgerlichkeit ist stärker geworden. Dafür muss man täglich kämpfen. Und man muss die ächten, die unsere Werte in Frage stellen. Ich halte nichts davon, mit jemandem zu diskutieren, der unsere Gesellschaft am liebsten am Galgen sehen möchte.“

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos; Abg. Helmerich, fraktionslos; Abg. Reinholz, fraktionslos)

Letzter Satz: Dieses klare und eindeutige Bekenntnis des heute 74-jährigen Konrad Weiß für eine streitbare, aber auch für eine wehrhafte Demokratie habe ich ganz bewusst an das Ende meiner Rede gestellt. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos; Abg. Helmerich, fraktionslos; Abg. Krumpe, fraktionslos)

Vielen Dank. Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Henfling für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, wir haben schon viel Richtiges zu dem Brandanschlag auf den Demokratieladen in Kahla gehört. Lassen Sie mich das Gesagte noch um einiges ergänzen. Unsere Fraktion war natürlich genauso erschüttert wie sicherlich der Großteil auch in diesem Hause über diesen Brandanschlag. Unsere Solidarität gilt den Menschen, die sich in Kahla und in der Umgebung von Kahla für Demokratie einsetzen. Das ist seit vielen Jahren nicht einfach. Auch daran mangelt es – das hat Herr Walk hier

(Abg. Walk)

gerade so schön angesprochen –, auch heute haben wir noch Räume in Thüringen und in Deutschland, in denen die Auseinandersetzung mit Neonazis und mit Jungfaschisten oder Faschisten im Allgemeinen eben nicht ausreichend stattfindet. Lassen Sie mich auch sagen, dass Kahla durchaus dort auch seine Probleme hat, was diese Auseinandersetzung angeht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Angriffe in Kahla: Das ist nicht der erste Angriff, den es auf den Demokratieladen gab, auch das ist hier erwähnt worden. Der Demokratieladen war schon in den letzten Jahren immer wieder Zielscheibe von Rechtsextremen. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass das auch etwas damit zu tun hat, dass wir dort insbesondere das „Braune Haus“ haben, was als eine Infrastruktur für die extrem Rechten in Thüringen zur Verfügung steht. Die Menschen, die sich in diesem Demokratieladen engagieren, sind vor allen Dingen auch massiv in den letzten Jahren ganz persönlichen Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Es ist für mich eine große Leistung, dass die in den letzten Monaten nicht das Handtuch geworfen haben, sondern dass sie dort weitermachen und dass sie dort klar für eine offene und freie Gesellschaft kämpfen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, es gibt kaum Abgeordnete in diesem Haus, die in den letzten Wochen nicht auch davon betroffen waren, dass ihre Büros beschmiert worden sind, dass Scheiben eingeschlagen worden sind. Aber ich möchte an dieser Stelle auch nicht ausblenden, dass wir damit nicht den ersten Brandanschlag in diesem Jahr in Thüringen haben. Bereits am 09.01. und am 24.01. gab es einmal mehr Anschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte bzw. auf schon belegte Flüchtlingsunterkünfte. Das ist insofern eine massive, dramatische Entwicklung, die wir auch schon Anfang der Neunziger beobachten konnten, dass hier Menschen billigend in Kauf nehmen, dass andere Menschen verletzt werden oder dass sie zu Schaden kommen.

Das ist auch hier beim Demokratieladen geschehen. Der Demokratieladen hat oberhalb eine Wohnung. Es wäre wahrscheinlich dramatisch gewesen, wenn dieser Brandanschlag dort tatsächlich vollendet worden wäre und es zu einem größeren Feuer gekommen wäre. Dann hätten wir hier vielleicht auch verletzte oder sogar tote Menschen zur Folge gehabt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Menschen, die das machen, die nehmen das billigend in Kauf. Das ist das, was mich wirklich massiv erschüttert.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich auch noch etwas zu denjenigen sagen, die vielleicht nicht die Brandsätze werfen, aber die verbal dafür sorgen, dass Menschen sich berufen fühlen, Brandsätze zu werfen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: So wie Frau König!)

Herr Brandner, dass Sie sofort zucken, spricht sehr dafür, dass Sie sich angesprochen fühlen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Ich finde, das Beispiel Clausnitz zeigt ziemlich deutlich, dass diejenigen, die hier seit Wochen und Monaten auf der Straße, am Stammtisch, in Parlamenten und bei jeder Gelegenheit gegen andere Menschen hetzen, die dazu aufrufen, Politikerinnen und Politiker aus Kanzlerämtern oder anderen Institutionen zu vertreiben, die sich mit Menschen wie einem Herrn Kubitschek abgeben, der dazu aufruft, Widerstand zu leisten gegen die – wie er das wahrscheinlich empfindet – politische Klasse in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass solche Menschen zwar nicht die Brandsätze werfen, aber sie bereiten diese Brandsätze mit vor.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos; Abg. Helmerich, fraktionslos)

Heute Abend findet hier wieder so eine Demonstration statt, an deren Rande immer wieder Menschen angegriffen werden und verletzt werden.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Darüber kön- nen wir gern mal reden, Frau Henfling!)

Wissen Sie, Herr Höcke, im Gegensatz zu Ihnen bin ich bereit, die Auseinandersetzung hier im Parlament zu führen. Ich glaube, das Einzige, was Sie können, ist komisch rumbrüllen auf der Straße.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Helmerich, fraktionslos)

Das Schlimme ist, dass es Menschen gibt, die Ihnen hinterherlaufen. Ich glaube, wir sollten heute Abend hier alle ein Zeichen setzen und uns an den Gegenprotesten beteiligen und insbesondere der AfD zeigen, dass ihr Rassismus uns hier nicht willkommen ist und dass wir klar dagegen aufstehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Helmerich, fraktionslos)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Rudy für die AfD-Fraktion.

(Abg. Henfling)

Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne, eine „neue Eskalationsstufe rechter Gewalt in Thüringen“ nennen die Fraktionen der SPD und der Linken diese Aktuelle Stunde zu den Geschehnissen in Kahla in der vergangenen Woche. Eine bisher unbekannte Zahl von Personen soll in den frühen Stunden des 15. Februar 2016 die Fensterscheiben eines Bürgerbüros der SPD beschädigt und einen Brandsatz auf das Mehrfamilienhaus geworfen haben, wo auch der „Demokratieladen Kahla“ seinen Sitz hat. Die Gefährdung von Menschenleben ist nicht zu dulden und auf das Schärfste zu verurteilen.

(Beifall AfD)

Zum Glück sind die Hausbewohner mit einem Schrecken davongekommen – „Gott sei Dank!“ muss man an dieser Stelle sagen. Die AfD-Fraktion hält es für überaus wichtig, an dieser Stelle erneut zu betonen, dass im politischen Diskurs kein Platz für Brandsätze, für Gewalt, für Farbbeutel oder für Backsteine ist.

(Beifall AfD)

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf Herrn Walk zurückkommen, der sagte, dass AfDBüros in Eisenach nicht betroffen wären. Herr Möller hat ein Büro in Eisenach und fast täglich wird sein Büro beschmiert, besprüht, farblich verunstaltet und es ist auch so, dass unsere Abgeordneten auch sehr darunter zu leiden haben. Bei Herrn Brandner wurde zweimal die Scheibe eingeworfen, bei mir wurde die Scheibe eingeworfen – 3.000 Euro Schaden mit aufgebrochener Tür. Man darf das nicht einfach so aburteilen, dass die AfD da unbeschädigt wäre.

(Beifall AfD)

Wir haben auch unsere Probleme.

Aber jetzt weiter: Wer solche Taten verübt, diskreditiert sich selbst und seine Sache. Es ist von höchster Wichtigkeit, dass der Staatsschutz und die Justiz hier rasch und präzise ermitteln, um die Täter zu stellen und mit der entsprechenden Härte des Rechtsstaats zu bestrafen. Man muss aber leider feststellen, dass die heutige Debatte keinen Beitrag dazu leistet. Eher im Gegenteil sehe ich die eben erwähnten rechtsstaatlichen Prinzipien durch die heutige Aktuelle Stunde verletzt. Bevor überhaupt Ergebnisse der Ermittlungen bekannt werden, wird schon im Titel dieser Aktuellen Stunde und in den Reden unterstellt, es handelt sich um eine neue Eskalationsstufe rechter Gewalt.

Nun muss man sich die Frage stellen, ob den Herrschaften von SPD und Linke mehr zum Vorfall bekannt ist als dem Staatsschutz. Bei den zahlreichen