Protokoll der Sitzung vom 25.02.2016

(Beifall AfD)

Da Sie ja alle auch innerparteilich Frauenquoten installiert haben – soweit ich weiß –, wird für die eine oder andere Dame, vielleicht auch für den einen oder anderen Herren unter Ihnen vielleicht schwer

nachzuvollziehen sein, dass die meisten Frauen tatsächlich aufgrund ihrer Leistungen und nicht durch ihre Geschlechtsorgane Professor werden wollen.

(Beifall AfD)

Und wenn man Frauen wertschätzt und wenn man Weiblichkeit wertschätzt, dann braucht man keine Quote, sondern man muss – Frau Henfling, hören Sie zu – toleranter werden. Man muss toleranter werden, was Teilzeitarbeit und Karrierechancen angeht und was die Akzeptanz der Notwendigkeit, Zeit in eine Familie zu investieren, angeht. Wir brauchen keine Quote, wir brauchen Toleranz für Familien.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sehr gut!)

(Beifall AfD)

Auch den Indikator der Einwerbung von Drittmitteln sehe ich mit Sorge. Denn wenn Sie sich die Daten anschauen, dann sehen Sie, dass die Höhe der Drittmittel von 121 Millionen Euro im Jahr 2009 auf 162 Millionen Euro im Jahr 2013, also um 33 Prozent, gestiegen ist. Die laufenden Grundmittel, also die Ausgaben des Landes für die Hochschulen, sind im gleichen Zeitraum nur um 15 Prozent gestiegen. Wenn Sie die absoluten Zahlen vergleichen, 162 Millionen Euro Drittmittel im Vergleich zu 429 Millionen Euro Grundmitteln, dann können Sie sich schon fragen, wie frei die Forschung wirklich ist. Es darf nicht sein, dass Hochschulen in so hohem Maße von Drittmitteln abhängig sind, und es darf nicht sein, dass das Land sich bei der Finanzierung der Hochschulen aus der Verantwortung stiehlt.

(Beifall AfD)

Fazit also: Der Indikator der Einwerbung von Drittmitteln geht genau in die falsche Richtung.

Alles in allem sehen Sie, dass die sogenannten Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwar Ziele verfolgen, diese Ziele aber weder leistungsfreundlich noch im Interesse der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit sind.

Zur Bologna-Reform meint die Landesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage, die bisherige Umsetzung der Bologna-Reform sei erfolgreich verlaufen. Dabei hat sich längst gezeigt, dass nicht nur die Umsetzung der Bologna-Reform, sondern auch die Bologna-Reform an sich ein Fehler für die deutschen Universitäten und das deutsche Bildungssystem war.

(Beifall AfD)

Der Versuch, dem deutschen Bildungssystem angelsächsische Strukturen überzustülpen, ist gründlich gescheitert. Der Abschluss „Bachelor“ wird weder von der Wirtschaft geschätzt, noch wertet der Staat ihn als vollwertigen Abschluss, denn der Zu

gang zum höheren Dienst beispielsweise ist mit dem Bachelor nicht möglich. Und wenn man ehrlich ist, so ist die Sehnsucht nach dem guten alten Diplom überall groß.

(Beifall AfD)

Ein bisschen Sehnsucht verspürt offenbar auch Herr Minister Tiefensee, der im Januar ankündigte, darüber nachdenken zu wollen, ob der Diplomabschluss in Thüringen wieder eingeführt wird.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das wäre schön!)

So butterweich die Formulierung ist, so wenig wird wahrscheinlich dabei herumkommen, wenn das Nachdenken beendet ist.

(Beifall AfD)

Denn wie auch aus den Punkten ersichtlich ist, die ich Ihnen jetzt vorgestellt habe, merkelt die Landesregierung eigentlich die ganze Zeit an einem in sich verfehlten System herum. Wenn die Landesregierung weiterhin auf Masse statt Klasse setzt und leistungsferne Indikatoren über Geldflüsse entscheiden lässt, dann wird sich auch durch die Einführung eines Pro-forma-Diploms nichts ändern. Für die AfD-Fraktion sage ich: Wir brauchen in weiten Teilen eine komplette Rückabwicklung des verfehlten Bologna-Prozesses.

(Beifall AfD)

Wir müssen wegkommen von der Verschulung, wegkommen von staatlichen Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit und wir müssen wegkommen von der staatlich initiierten Volksverdummung.

(Beifall AfD)

Wenn Sie jetzt sagen sollten, die AfD sei rückwärts gewandt, weil sie auf ein altbewährtes System setzt, dann kann ich Ihnen nur antworten: Wenn man auf einen Baum zufährt, dann sollte man nicht aufs Gas drücken, sondern dafür sorgen, dass man schnellstmöglichst die Kurve kriegt. Danke schön.

(Beifall AfD)

Danke schön, Frau Muhsal. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Mühlbauer für die SPD-Fraktion das Wort.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Jetzt kommt wieder so ein rhetorisches Feuer- werk!)

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielleicht sollten wir einfach versuchen, die Debatte mit Anstand zu beenden, ohne vorab Wertungen abzugeben. Das gilt in jede Richtung.

Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zuerst möchte ich mich beim Ministerium für die vollumfängliche Beantwortung der Großen Anfrage der CDU bedanken. Es ist ein Thema, das uns alle bewegt, und uns, glaube ich, auch weiterhin beschäftigen wird. Vor uns liegt nun eine gute Bestandsaufnahme der Wissenschafts- und Hochschulpolitik in Thüringen, für welche auch wir Sozialdemokraten hier schon seit Jahren über die letzte Legislatur und diese stehen. Die Antworten der Landesregierung zeigen, dass das Wissenschaftsund Forschungsressort bei den Sozialdemokraten in guten Händen war und ist.

Schon in der vergangenen Wahlperiode haben wir einen unserer Schwerpunkte auf Wissenschaft, Forschung und Technologieentwicklung als das Zukunftsthema dieses Landes gelegt.

(Beifall SPD)

In Thüringen gibt es ein großes Potenzial in der Forschung und in der Technologieentwicklung. Um dieses Potenzial zu heben, wollen wir den eingeschlagenen Weg weitergehen. Hier sind drei Punkte wesentlich.

Erstens erhöhen wir die Wettbewerbsfähigkeit und die internationale Wahrnehmbarkeit der Thüringer Hochschulen. Zu diesem Zweck hat das Land Thüringen, der Minister die Empfehlung des Wissenschaftsrats umgesetzt, eine ausdifferenzierte Wissenschaftslandschaft zu schaffen und den Hochschulen ermöglicht, jeweils eigenständige Forschungsprofile zu entwickeln. Beispiele, die sich auch in der Antwort zur Großen Anfrage wiederfinden, sind etwa die Bauhaus-Universität Weimar mit dem Forschungsschwerpunkt Digitales Engineering, die Universität Erfurt mit den Schwerpunkten Bildung und Religion, die Fachhochschule Nordhausen im Bereich GreenTech und last, but not least die TU Ilmenau mit Schwerpunkten in Nanoengineering, Präzisions- und Messtechnik. Lassen Sie mich als Lokalpatriotin natürlich nicht die FSU Jena mit den Forschungsschwerpunkten Optik und Photonik vergessen. Viele weitere Hochschulen und Fachhochschulen ließen sich in dieser Aufzählung noch ergänzen. Neben der eben skizzierten Profilbildung haben die Hochschulen wegen der Hochschulrahmenvereinbarung die gültigen Ziel- und Leistungsvereinbarungen umgesetzt und dementsprechend ihre Forschungsaktivitäten fokussiert und ihre eigenen Profile geschärft. In diesem Zusammenhang freue ich mich besonders über die zahlreichen Aktivitäten der TU Ilmenau. Die TU hat nicht nur in technischer, sondern auch in organisatorischer Hinsicht innovative Ideen entwickelt. Das Aufbrechen struktureller Grenzen zwischen den Fakultäten durch eine Matrixstruktur ermöglicht in Ilmenau die interdisziplinäre Forschung in den sechs

(Abg. Muhsal)

Forschungsclustern Nanoengineering, Präzisionstechnik und Präzisionsmesstechnik, technische und biomedizinische Assistenzsysteme, Antriebs-, Energie- und Umweltsystemtechnik, Digitale Medientechnologie sowie Mobilkommunikation zu entwickeln. Dies ist ein innovatives Beispiel dafür, wie universitätsinterner Wissenschaftstransfer zwischen den Fakultäten und Disziplinen organisiert werden kann.

Zweitens: Was ist uns weiter wichtig? Wir stärken die Vernetzung zwischen Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft. Die Antwort des Ministers lässt die große Bedeutung einer starken, außeruniversitären Forschungslandschaft für überregionale wettbewerbliche Forschungsprogramme klar erkennen. Das ist gut für Thüringen und ganz besonders gut ist die außeruniversitäre Vernetzung der Forschungslandschaft. Wir wollen daran arbeiten, diese Verbindungen weiter zu stärken. Besonders durch die Richtlinie zur Förderung der Forschungsund Entwicklungsintensität in Thüringer Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Freistaats Thüringen finanziert wird, werden kleinere und mittlere Unternehmen bei der Gewinnung von Personal für Forschung und Entwicklung, bei der Vermarktung von Innovation und der Vernetzung zu Innovationsketten unterstützt. Weiterhin fördert das Ministerium mit der Richtlinie zur Förderung von Forschung, Technologie und Innovation FuE-Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen und den Transfer von Forschungsergebnissen zu Ideen für neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen. Damit steigern wir die Innovationskraft der Thüringer Wirtschaft, insbesondere der KMU.

Drittens: Die Forschung in Thüringen bewegt sich auf einem sehr hohen Niveau. Laut dem aktuellen Bericht der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz betrugen die staatlichen FuE-Ausgaben in Thüringen pro Kopf 129 Euro, in Sachsen-Anhalt lediglich 113 Euro und in Brandenburg sogar nur 95 Euro. Nur Sachsen ist mit 135 Euro noch etwas vor uns. Thüringen lässt sich aber – das ist deutlich zu erkennen – seine Forschungslandschaft etwas kosten und das lohnt sich.

Ein ebenfalls von der GWK Ende 2015 veröffentlichter Finanzbericht analysiert, welche Beträge die Länder in die Forschungsförderung einzahlen und was im Gegenzug an Mitteln in die Länder fließt. Im Jahre 2013 hat Thüringen beispielsweise knapp 21 Millionen Euro an die deutsche Forschungsgemeinschaft zugewiesen. Im Gegenzug flossen durch die erfolgreiche Beteiligung an DFG-Programmen knapp 48 Millionen Euro in den Freistaat zurück. Mit ähnlichem Erfolg beteiligt sich Thüringen an anderen Bund-Länder-Programmen wie dem Akademienprogramm oder an der gemeinsamen Finanzierung von Bund-Länder-Forschungs

einrichtungen wie den Einrichtungen und Instituten der Leibniz Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft sowie der Helmholtz-Gemeinschaft.

Last, but not least mein Ausblick, unser Ausblick: Mit der kürzlich beschlossenen Hochschulrahmenvereinbarung setzen wir diesen erfolgreichen Weg fort. Unsere Hochschulen sind attraktiv und wir wollen, dass unsere Hochschulen weiterhin ein Magnet für kluge Köpfe aus dem In- und Ausland bleiben. Denn kluge Köpfe sind immer noch der beste Garant für kluge Ideen. Unsere Hochschulen sind der Ort der Innovation und selbst wichtige Wirtschaftsfaktoren. Kurz: Unsere Hochschulen sind Motoren der Zukunft unseres Freistaats. In der im Dezember 2015 beschlossenen und in diesem Januar unterzeichneten Hochschulrahmenvereinbarung IV haben das Land und die Hochschulen verbindliche Ziele formuliert. Wir wollen die Zahl der Studierenden von 48.000 bis 52.000 halten. Wir gehen davon aus, dass 10.000 Studienanfänger pro Jahr in Thüringen anfangen werden. Die Universitäten und Fachhochschulen sollen und werden sich auf drei bis fünf bzw. zwei bis drei Schwerpunkte fokussieren. Wir werden eine noch stärkere Vernetzung mit Unternehmen und nicht wissenschaftlichen Anwendern mit Blick auf den Wissens- und Technologietransfer erreichen. Wir werden eine stärkere Kooperation insbesondere bei der Nachwuchsförderung umsetzen. Ich denke dabei vor allem an bessere Zugangs- und Unterstützungsmöglichkeiten für geeignete Fachhochschulabsolventen zur Promotion. Und wir werden eine Personalentwicklung im Sinne guter Arbeit in der Wissenschaft realisieren. Die Vertragsdauer für das wissenschaftliche und künstlerische Personal soll so bemessen werden, dass Qualifikationsziele im Rahmen der Befristungszeit erreicht werden können und Laufzeiten von Drittmittelprojekten ausgeschöpft werden. Im Gegenzug erhalten die Hochschulen vom Land eine Finanzausstattung, die sich sehen lassen kann. Vier mal 4 Prozent, das sind zusammen 160 Millionen Euro mehr für die Hochschulen. Von 2016 bis 2019 erhalten unsere Hochschulen insgesamt 1,69 Milliarden Euro. Das ist die pure Wissenschafts- und Forschungsförderung.

Meine Damen und Herren, Thüringen ist ein guter Boden für Forschung, Wissenschaft und Innovation. In den neuen Ländern belegen wir schon heute einen Spitzenplatz bei den Patentanmeldungen. 2014 wurden in keinem anderen der neuen Bundesländer so viele Patente angemeldet wie in Thüringen und in Sachsen. Das Beispiel zeigt: Schwerpunktbildung, kluge Investition und ein langer Atem macht die Thüringer Forschung erfolgreich. Diesen Erfolgsweg werden wir weitergehen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Mühlbauer. Als Nächster hat Abgeordneter Schaft für die Fraktion Die Linke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnetenkolleginnen und Gäste auf der Zuschauertribüne! Frau Muhsal, ganz kurz zu Beginn: Dass Sie zurückwollen zu dem Diplomsystem und zur Hochschule der alten Art, wundert mich in keiner Weise, denn das alte System war geprägt von Elitismus statt Chancengerechtigkeit. Was Sie hier heute gesagt haben, berücksichtigt in keiner Art und Weise, dass beispielsweise auch heute noch 77 von 100 Studierenden aus Akademikerfamilien kommen und dort im Prinzip immer noch eine auch hier gläserne Decke dafür verantwortlich ist, dass wir auch bei den Hochschulen noch lange nicht davon sprechen können, dass hier ein gleichberechtigter Zugang zum System besteht.

Zur Frauenquote: Da will ich jetzt nicht vorgreifen, meine Kollegin Frau Henfling wird nachher sicherlich noch einmal ausführlich darstellen, warum die Zahlen ein anderes Bild sprechen, dass eben nicht nur nach Leistung und im Prinzip der Bestenauslese ausgewählt wird. Wenn dann hier noch heute jeder internationale oder ausländische Student und jede internationale Studentin als Verschwendung deutscher Steuergelder bezeichnet wird, ist das doch letztendlich eine bodenlose Frechheit.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Das habe ich nicht gesagt!)

Doch, das haben Sie implizit gesagt.

Das weise ich hier von uns und von der Landesregierung,