Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU; Abg. Mohring, CDU: Ja!)

Das wird bejaht. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

Hatten alle die Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Es erhebt sich kein Widerspruch. Ich bitte um Auszählung.

Wir haben ein Ergebnis zur Abstimmung über den Änderungsantrag in der Drucksache 6/2061. Es wurden 84 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 34 Abgeordnete, mit Nein 43 und es gab 7 Enthaltungen (namentliche Abstimmung siehe Anlage 5). Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt direkt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/ 1769, da die Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses die Annahme des Gesetzentwurfs empfiehlt. Auch hier ist mir namentliche Abstimmung angezeigt worden. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

Hatten alle die Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Es erhebt sich kein Widerspruch. Ich bitte um Auszählung.

Meine Damen und Herren, es gibt ein Ergebnis zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/1769 in zweiter Beratung. Es wurden 84 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 83 Abgeordnete, mit Nein 1 Abgeordneter (nament- liche Abstimmung siehe Anlage 6). Damit ist dieser Gesetzentwurf angenommen.

Es gibt jetzt den Wunsch des Abgeordneten Mohring nach einer persönlichen Erklärung zum Abstimmungsverhalten. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, ich möchte diese Erklärung zum Abstimmungsverhalten auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen abgeben. Wir haben mit Ja gestimmt, weil wir die Einführung des Gedenktags des 17. Juni wichtiger finden als die Debatten am Ende, wer es zuerst eingebracht hat und wer welche semantische Erklärung am Ende nachliefert.

Ich will aber gern darauf hinweisen: Wir haben im Laufe dieser Wahlperiode dreimal einen Antrag zur Einführung des 17. Juni als Gedenktag gestellt. Dreimal hat die Mehrheit dieses Hauses diesen Antrag abgelehnt. Wir haben eine Menge moralische Erklärungen gehört, dass man doch möchte, dass

die CDU zustimmt. Wir haben das getan, weil uns die Einführung und das Gedenken an den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 wichtiger war. Aber ich glaube, dem Haus steht auch gut zu Gesicht, wenn man nicht darauf wartet, bis man endlich selbst einen Antrag schreibt, sondern wenn es um die Sache geht, um das Gedenken aus der Geschichte unseres gemeinsamen Landes, dass man das dann auch in den Mittelpunkt stellt und nicht so lange wartet, bis man zum eigenen Antrag kommt. Deswegen haben wir mit Ja gestimmt.

(Beifall CDU, SPD, AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen.

Ach, Entschuldigung, Frau Abgeordnete Scheringer-Wright, ich nehme an, das ist ein Antrag auf persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Gegen diesen Gesetzentwurf, gegen dieses Gesetz zu stimmen habe ich mir nicht leicht gemacht. Ich weiß, dass auch in der DDR Unrecht geschehen ist und dieses verurteile ich. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Unrecht nie unwidersprochen bleiben darf. Daher muss auch in der DDR geschehenes Unrecht, verursacht durch die SED oder durch wen auch immer, aufgearbeitet werden. Das gilt umso mehr, wenn Tote zu beklagen sind. Jeder Mensch, der gewaltsam zu Tode gebracht wird, ist einer zuviel. Aufarbeitung ist also notwendig. Die Frage ist, wie dies geschieht.

Im heute beschlossenen zweiten Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes wird der 17. Juni 1953 in eine Reihe mit dem 8. Mai 1945 gestellt. Das bedient Geschichtsklitterung. Der 8. Mai 1945 ist der Tag der Befreiung vom Faschismus, der Tag, an dem der grauenhafte zweite Weltkrieg mit mehr als 50 Millionen Toten sein Ende in Europa fand, der Tag, an dem der Völkermord an 6 Millionen europäischen Juden beendet wurde. Dieser Tag ist etwas historisch Einmaliges und es ist illegitim, die Befreiung vom Holocaust, der industriellen Massenvernichtung von Menschen, mit anderen historischen Ereignissen in eine Reihe zu stellen. Es wird immer üblicher – man sieht es an der AfD, aber man sieht es auch an der CDU –, von erster, nämlich Faschismus-Diktatur, und zweiter, nämlich DDR-Diktatur, zu sprechen. Das hebt das faschistische Deutschland und die DDR auf eine Stufe. Das wiederum ist massive Geschichtsverfälschung. Vor diesem Hintergrund befürchte ich gerade mit Blick auf den wachsenden Rechtspopulis

(Vizepräsident Höhn)

mus eine Verniedlichung der Diktatur der Nationalsozialisten.

Noch einmal zurück zum 17. Juni 1953: Dieser Tag kann nicht ohne den Kontext des Kalten Krieges bewertet werden. Zum Beispiel wurde nach der Ablehnung der Stalin-Note 1952 durch die Adenauergeführte Bundesregierung und die Westalliierten die Remilitarisierung der BRD und deren Einbindung in die NATO vorangetrieben. Das vertiefte die Spaltung Deutschlands. Gegen diese Vertiefung der Spaltung regte sich massiver Widerstand auch im Westen, so zum Beispiel am 11. Mai 1952 in Essen.

(Unruhe CDU)

Trotz Demonstrationsverbots wollten sich mehr als 30.000 Jugendliche nicht vertreiben lassen. Die Demonstration wurde gewaltsam aufgelöst. Der FDJler Philipp Müller wurde erschossen und eine ganze Reihe von Jugendlichen wurde verhaftet. Meine Mutter zum Beispiel kam als 17-Jährige sieben Monate in Einzelhaft. Bis heute ist sie nicht rehabilitiert. Solche Zusammenhänge und Wechselwirkungen fließen in die offizielle Aufarbeitung der jüngeren Geschichte nicht ein,

Frau Abgeordnete, einen kleinen Augenblick. Das Redezeitbudget für persönliche Erklärungen liegt nach unserer Geschäftsordnung bei 3 Minuten. Die haben wir schon überschritten. Deshalb muss ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ich glaube, es ist alles dokumentiert, was man schon im- mer hören wollte!)

auch nicht bei diesem Gedenktag 17. Juni. Eigentlich müsste es an diesem Tag um Widerstand und die Aufforderung zur Widerständigkeit gehen. Danke.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Gegen wen? Gegen Ramelow!)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Jetzt schau ich noch einmal in die Runde, damit ich auch niemanden mit dem Wunsch nach einer persönlichen Erklärung übersehe. Herr Abgeordneter Fiedler.

Ihr könnt Euch alle aufregen, wenn man so etwas anhören muss. Ich habe am Ende dem 17. Juni zugestimmt. Da geht es mir genauso wie vielen anderen. Es ist mir wichtiger, dass des 17. Juni gedacht wird und dass das überhaupt in dem Hohen Hause

hier zu einem guten Ende kommt, als ein einzelnes Wort oder eine Erklärung, die hier abgegeben wird.

(Beifall CDU)

Die sind unter der Gürtellinie, die müssen den echten Ossi zum Grausen bringen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt unternehme ich einen erneuten Versuch, zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 6/1769 in der Schlussabstimmung zu kommen. Wer diesem Gesetz seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Danke schön. Die Gegenstimmen, bitte. Bei einer Gegenstimme und der Zustimmung aller anderen Abgeordneten des Hauses …

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD; Abg. Möller, AfD: Nein!)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich mache schon den Rucksack auf!)

Bei einer Gegenstimme und der Zustimmung aller anderen Abgeordneten dieses Hauses ist dieser Gesetzentwurf angenommen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Bevor ich jetzt die Sitzung schließe, meine Damen und Herren, gibt es noch den Wunsch des Abgeordneten Höcke nach einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung gemäß § 33 unserer Geschäftsordnung. Herr Höcke, Sie haben das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, sehr verehrte Besucher auf der Tribüne! Wir haben in den letzten anderthalb, zwei Stunden sehr intensiv über die Fehlversuche des 20. Jahrhunderts diskutiert und uns ausgetauscht – das ist wichtig und das ist richtig.

Für den Himmelfahrtstag ist in meinem Heimatort Bornhagen eine Demonstration von linksextremen Gruppen angekündigt und ich möchte gerne zu diesem Sachverhalt hier und heute kurz Stellung beziehen.

Sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, das Leben kann man kurz und bündig kategorisieren: Es gibt eine private Sphäre und es gibt eine öffentliche Sphäre. Teil der öffentlichen Sphäre ist die politische Sphäre. In einem voll entwickelten und funktionsfähigen demokratischen Rechtsstaat hat der Einzelne die Möglichkeit, zu wählen, in welcher Sphäre er sich aufhalten möchte. In einem voll entwickelten demokratischen Rechtsstaat kann auch der Politiker entscheiden, wann er sich wo aufhält.

(Abg. Dr. Scheringer-Wright)

Ich weiß, dass ich ein Politiker bin, der eine sehr deutliche Rede pflegt, hier im Hohen Haus und auch – und das ist mein Bürgerrecht und das ist in meinen Augen der Situation in unserem Land geschuldet – auf der Straße im Rahmen von Demonstrationen, das weiß ich. Ich bin auch bereit, dafür, dass ich austeilen darf, im Rahmen des Möglichen einzustecken. Diese Bereitschaft habe ich und das muss ich akzeptieren und das akzeptiere ich auch.

Ich selbst, meine Fraktion hier im Thüringer Landtag und für meine Partei kann ich das ebenfalls sagen: Wir sehen aufgrund der Lage in diesem Land die Notwendigkeit, die Worte zu wählen, wie wir sie wählen, und manchmal auch in einer Deutlichkeit auszusprechen, wie wir sie aussprechen. Was wir niemals tun würden, sind Demonstrationen vor Privathäusern von Politikern, gleich welcher Couleur.

(Beifall CDU, SPD, AfD)

Ich muss, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, ertragen, wenn Journalisten durch mein Dorf ziehen und meine Nachbarn zu meiner Person befragen; das muss ich ertragen.

(Zwischenruf aus dem Hause: Selber schuld!)

Ich finde es nicht sehr stilvoll, wenn man jemanden, der eine persönliche Erklärung abgibt, unterbricht.

Ich will es nicht ertragen, dass Journalisten ungefragt meinen Hof betreten und dort mit vorgehaltener Kamera meine Kinder fragen, wo denn ihr Papa sei.

Ich will es nicht ertragen, dass die Mitbewohner meines Heimatdorfs ihre Kirmes absagen wollen, weil sie in Sorge sind, dass in Bornhagen am Himmelfahrtstag, am sogenannten Vatertag, eine Zerstörungsorgie von linksextremen Kräften praktiziert wird, wie sie in Hamburg und Leipzig alljährlich am 1. Mai zu beobachten ist.

Ich will es auch nicht ertragen, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, dass die Mitbürger meines Dorfs, dass aber vor allem auch meine Familie, meine Frau und meine Kinder für meine politische Überzeugung in Sippenhaft genommen werden. Ich stehe zu meiner politischen Überzeugung ohne Wahrheitsanspruch. Ich nötige niemandem meine politische Überzeugung auf, auch wenn ich natürlich im Rahmen der mir gegebenen Möglichkeiten des Parlamentarismus und der Demokratie für meine politischen Überzeugungen werbe. Dieser Zustand ist im Augenblick in meinen Augen nicht mehr der eines voll entwickelten und lebendigen demokratischen Rechtsstaats. Ich bin in großer Sorge, dass wir einen Weg beschreiten können, den wir uns alle nicht wünschen.

Ich möchte abschließend – wenn der Innenminister Herr Dr. Poppenhäger heute hier wäre, würde ich ihn auch persönlich darum bitten – die Polizei bitten, dass sie das staatliche Gewaltmonopol mit der notwendigen Härte zu hundert Prozent durchsetzt. Ich möchte in diesem Kontext allen Kollegen Dank sagen, egal welcher Partei und welcher Fraktion sie angehören, und ich möchte auch den Regierungsmitgliedern danken, die sich in den letzten Tagen ganz eindeutig auf die Seite des demokratischen Rechtsstaats gestellt haben. Vielen Dank.

(Beifall CDU, AfD)