Wir machen es anders. Wir stellen diesen Reformprozess von Anfang an in die öffentliche Debatte. Das Leitbild wurde ganz öffentlich diskutiert, dieses
Vorschaltgesetz und diese Debatten werden weitergeführt. Insofern hat auch Ihr Vorwurf, dass möglicherweise die Rechte der Kommunen beschnitten werden, was Anhörungen und dergleichen betrifft, mit der Realität nichts zu tun. Ich darf daran erinnern: Zum Leitbild wurden die Kommunen angehört, jetzt zum Regierungsentwurf des Vorschaltgesetzes wurden die Kommunen angehört, wir werden als Parlament – heute Abend wird der Innenausschuss die Anhörung beschließen, es soll der 9. Juni sein – die Kommunen anhören. Den Zeitplan haben übrigens auch die Vertreterinnen und Vertreter der CDU-Landtagsfraktion im Ausschuss mitgetragen. Wenn das heute hier im Parlament auf Kritik stößt, verstehen wir nicht, warum die CDU das im Ausschuss mitträgt. Ich darf daran erinnern: Auch zu den Neugliederungsgesetzen, die anstehen, wird es öffentliche Anhörungen geben und Auslegungen des Gesetzentwurfs in allen beteiligten Kommunen. Das heißt, der transparente Prozess, den Rot-Rot-Grün grundsätzlich bei allen Vorhaben führt, wird auch bei diesem Vorhaben umgesetzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die von Herrn Mohring angesprochene Flüchtlingsproblematik macht den Reformbedarf überdeutlich. Ich darf daran erinnern: Für die Integration und Unterbringung der Flüchtlinge sind die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig. Die kommunalen Wohnungsbestände befinden sich aber bei den Städten und Gemeinden. Das ist natürlich ein Auseinanderfallen von Zuständigkeiten und Ressourcen, über das man nachdenken muss, gerade auch in einem solchen Reformprozess. Insofern ist es sehr fragwürdig, die Flüchtlingsproblematik zu benutzen, um weiter Ängste zu schüren. Wenn Sie vielmehr die Flüchtlingsproblematik problematisieren und sagen, daraus ergibt sich gerade die Notwendigkeit der Debatte über eine Reform, dann haben Sie uns auf Ihrer Seite. Sie schüren aber nur Ängste und dafür ist Ihnen keine Bevölkerungsgruppe zu schade.
Meine Damen und Herren, Politik, die sich auf Ängste bezieht, wird nie nachhaltig sein, sondern scheitern. Das wissen wir, wir haben Erfahrung. In unserer Biografie gibt es politische Irrtümer. Die gibt es auch bei Ihnen, nur Sie bekennen sich im Gegensatz zu uns nicht dazu.
Meine Damen und Herren, was Sie wollen, ist Stillstand. Sie wollen alles so lassen, wie es ist. Das führt zum Stillstand. Sie wollen offenbar weiterhin, dass die kommunale Ebene leistungsschwach ist und sich nicht den künftigen Herausforderungen stellen kann. Die Herausforderungen haben der Minister und Uwe Höhn für die SPD schon beschrieben, sodass ich mich dazu auf Stichworte und ma
ximal eine Ergänzung beschränken kann. Über die Finanzen wurde gesprochen, über die Demografie. Wir haben einen zunehmenden Fachkräftemangel sowohl in der Landes- als auch in der Kommunalverwaltung. Auch das hat etwas mit Strukturen zu tun. Damit müssen wir uns beschäftigen. Wir haben die große Herausforderung, was die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen betrifft. Die CDU sagt, es ist alles okay, fordert aber gleichzeitig ein kommunales Hilfsprogramm. Was ist denn nun? Ist es okay oder ist es nicht okay? Wir sagen, gerade die Initiative der CDU zu einem weiteren kommunalen Hilfsprogramm ist ein Beleg dafür, dass wir auf der kommunalen Ebene offenbar nach wie vor deutliche Verwerfungen und Entwicklungsdefizite haben und die wollen wir mit dieser Reform beheben. Wir wollen leistungsstarke Kommunen. Wir wollen, dass Kommunen wieder investieren können, wie das notwendig ist. Zurzeit entsteht ein neuer Investitionsstau, der ist unübersehbar. Wir wollen, dass die Kommunen die zunehmende Verkompliziertheit von Entscheidungsprozessen so gestalten, dass auch Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind. Das heißt, wir wollen effizientes Verwaltungshandeln mit Transparenz, mit Bürgerbeteiligung und demokratischer Kontrolle und Steuerung verzahnen. Kommunale Demokratie kann doch in keiner Kommune stattfinden, die überhaupt nicht mehr handlungsfähig ist. Sie wissen doch, eine Kommune in haushaltsloser Zeit ist sozusagen ein völlig entdemokratisierter Raum, weil weder der Stadtrat mitentscheiden kann und schon gar nicht Bürgerinnen und Bürger. Daran können wir doch gar kein Interesse haben, dass Kommunen dauerhaft in einer solchen angespannten Situation sind, wo dann nur noch Verwaltung und Landesbehörden entscheiden, was in einer Stadt oder in einer Gemeinde geschieht. Wer da die Augen verschließt, ist nicht in der Lage, für dieses Land eine Struktur zu entwickeln, die diese Herausforderungen aufgreift.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Geld für die Gebietsreform ist de facto selbstfinanziert, wenn wir das Ziel erreichen. Ich darf daran erinnern, dass wir jedes Jahr, im vergangenen Jahr sogar noch einmal zusätzlich, zwischen 40 und 64 Millionen Euro an Bedarfszuweisungen an notleidende Gemeinden auszahlten. Wenn es uns gelingt, diese Gemeinden leistungsfähig zu machen und damit unabhängig von diesen zusätzlichen Zahlungen, dann ist eine solche Reform nach zwei oder drei Jahren selbstfinanziert. Die CDU ist entweder nicht in der Lage, diese Zusammenhänge zu erkennen, oder nicht bereit. Beides wäre fatal, weil Sie dann ihre Rolle als Opposition nicht erfüllen und Sie müssen sich auf diese einstellen, Sie werden noch lange in dieser Rolle verharren. Insofern sollten Sie sich dieser Rolle auch annehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hatten 2013, 2014, 2015 Hilfspakte im dreistelligen Millio
nenbereich und auch die haben nicht dazu geführt, dass sich die Situation der Kommunen grundsätzlich geändert hat. Jetzt verspricht die CDU auch wieder ein Hilfsprogramm und fordert es, ohne sich aber die Mühe zu machen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der ganz kurz ist, der eigentlich nur Zahlen und einen Finanzierungsvorschlag beinhalten muss. Nein, Sie stellen einen Antrag und fordern die Landesregierung auf und wissen, dass das ein Verfahren nach sich zieht, dass letztlich dazu führen würde, dass maximal am Jahresende ein solches Hilfsprogramm zur Wirkung kommen könnte. Dann ist es aber zu spät. Wenn Sie es aber für notwendig erachten, dass den Kommunen sofort geholfen wird, dann müssen Sie auch die Kraft aufbringen – dafür bekommen Sie zusätzliche Gelder als Oppositionspartei –, einen kleinen Gesetzentwurf hier im Landtag zur Diskussion zu stellen. Sie können bei uns nachfragen, wir helfen Ihnen und sagen Ihnen, wie das geht, wenn Sie noch nicht selbst dazu in der Lage sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu Recht wird darauf verwiesen, was eine solche Reform für einen Gebrauchswert für alle Beteiligten bringt. Beteiligte sind die Bürgerinnen und Bürger, Beteiligte sind die Wirtschaft, sind auch die Beschäftigten in der Verwaltung. Wir sind davon überzeugt, alle profitieren. Wir nennen das Effizienz. Nun hat Herr Mohring so getan, als wüsste er nicht, was Effizienz ist.
Was Effizienz ist, lernen Studenten, egal ob sie Betriebswirtschaft oder Jura studieren, im ersten Semester, auch den Unterschied Privatwirtschaft und öffentliche Verwaltung. Ich will es noch mal in Stichworten versuchen, wir haben dann in der Ausschussberatung, in den Anhörungen dazu ausreichend Zeit, uns damit zu beschäftigen. Effizienz hat natürlich zunächst erst einmal etwas mit Verwaltungskosten zu tun, also was kostet eine kommunale oder eine Landesentscheidung, eine behördliche Entscheidung, aber immer im Spannungsfeld – diese Kosten werden in der öffentlichen Verwaltung nicht erfasst, also nicht fiskalisch im Haushalt erfasst – zwischen Bürgernähe, Transparenz, Rechtssicherheit, demokratischer Kontrolle und Steuerung. Wir haben einen erheblichen Anteil von Transaktionskosten, weil verschiedene Behörden an Entscheidungen beteiligt sind. Auch die werden nicht erfasst. Damit beschäftigen wir uns. Deswegen sagen wir: Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform. Wer hier kritisiert, dass wir angeblich nur Gebietsreform machen, der hat offenbar den Beschluss des Kabinetts am 22. Dezember 2015 zum Leitbild nicht zur Kenntnis genommen. Dort stehen schon mal die Grundzüge drin. Dort steht
drin, dass wir das Ziel haben, die Landesverwaltung schrittweise in eine Zweistufigkeit umzuwandeln. Da komme ich mal zu der Problematik: Was haben denn die CDU-geführten Landesregierungen bei zurückliegenden Kommunalisierungen von Aufgaben falsch gemacht? Damit müssen wir uns intensiv auseinandersetzen, damit wir das nicht wiederholen. Sie haben als Erstes Kommunalisierung immer als Dezentralisierung verstanden und haben damit alle Aufgaben gleichmäßig auf alle Gebietskörperschaften verteilt. Wir haben einen anderen Ansatz. Wir sagen: Dezentralisierung dort, wo die kommunalen Ebenen bereits eine andere Struktur haben, die also dezentral auch diese Aufgaben zusätzlich aufnehmen kann. Wo das nicht der Fall ist, müssen Aufgaben weiter – auch im Interesse der Fachlichkeit – zentral wahrgenommen werden. Da kann man darüber streiten, ob das dann eine Landesbehörde sein muss, ob das in einem Ministerium anzusiedeln ist oder ob man eine kommunale Dienstleistungsbehörde installiert. Das sind Dinge, die weiter ausdiskutiert werden. In wenigen Wochen haben wir dann auch den Entwurf des Vorschaltgesetzes zur Funktional- und Verwaltungsreform. Wir gehen davon aus, dass dann auch die Landesregierung diesen Prozess weiter konkretisiert. Wir schaffen jetzt mit dem Vorschaltgesetz zur Gebietsreform die Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt eine sachliche Debatte führen können, wie wir Aufgaben der Landes- und Kommunalverwaltungen möglichst effizient wahrnehmen können, sowohl was Kosten betrifft, aber auch Bürgernähe, demokratische Kontrolle, Steuerung und Transparenz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben also bei diesem Prozess, was Effizienz betrifft, auch den Bürger im Blick. Auch beim Bürger entstehen Kosten durch die Inanspruchnahme öffentlicher Verwaltung, das blenden wir nicht aus. Herr Mohring hat das gesagt, er hat die Kfz-Zulassungsstelle in Apolda genannt, die haben einen offenen Brief gemacht, dass der Herr Kuschel wieder nicht rechnen kann. Ich habe die jetzt zu einem Grundlagenseminar eingeladen, weil man das nicht in einem Brief beschreiben kann, man muss das tatsächlich, wenn die Beschäftigten bisher mit solchen Fragen nicht konfrontiert waren, ernst nehmen. Das machen wir, das muss man mal mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort besprechen. Aber wenn wir also gerade solche Dienstleistungsbehörden ansehen, ist es natürlich für den Bürger immer entscheidend: Wie lange muss er auf einen Vorgang warten, wie sind die Öffnungszeiten, wie ist die Erreichbarkeit? Das sind also Kosten, die beim Bürger, bei der Öffentlichkeit und bei der Wirtschaft entstehen. Das haben wir bei den Effizienzbetrachtungen mit im Blick. Deswegen gehen wir davon aus, wenn sich unser Vorhaben umsetzt, wie wir es geplant haben, entstehen tatsächlich erhebliche Effizienzgewinne. Jetzt hat Herr Mohring gesagt: Aus
anderen Bundesländern ist das nicht nachweisbar. Das Problem bei den bisherigen Betrachtungen ist – es ist immer problematisch, wenn ich das Wirtschaftsprüfern überlasse –, dass das etwas ausgeblendet wurde. Das ist auch meine Kritik am Landesrechnungshof bei seiner Analyse der Kostenersparnis oder Kostenentwicklung im Rahmen der Kommunalisierung der Umweltverwaltung. Ich muss natürlich, wenn ich Effizienz betrachte, betrachten: Wie hätten sich denn die Kosten entwickelt, wenn die Struktur beibehalten worden wäre? Denn Kosten entwickeln sich immer, weil Aufgaben dazukommen, es Tarifentwicklungen, allgemeine Preisentwicklungen gibt. Man muss diese Betrachtung der Kostenentwicklung in der alten Struktur den tatsächlichen Kosten in der neuen Struktur gegenüberstellen. Da werden dann Effizienzgewinne darstellbar. Wer aber immer von Einsparungen redet, wird daran scheitern, weil natürlich die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltungen nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern in einem volkswirtschaftlichen Kontext. Wenn sich dort insgesamt Kosten entwickeln, geht das nicht an der öffentlichen Verwaltung vorbei, außer wir diskutieren über die Rolle des Staats und bauen den Staat immer weiter zurück und verfolgen das Prinzip der Privatisierung und der Markt soll es regeln. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen sowohl für Wirtschaft als auch für Bürgerinnen und Bürger eine leistungsfähige Verwaltung als Partner haben. Da muss man sich schon diese Mühe machen, wenn ich über Effizienz reden will. Wer darüber nicht reden will, der nimmt das Totschlagargument Einsparungen und will damit jede Debatte von Anfang an eigentlich nicht, sondern will sie von vornherein beenden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei Effizienz sind Kosten und Größe, das ist richtig, nicht das einzige Kriterium, sondern eines von vielen Kriterien. Es geht uns vor allen Dingen darum, Doppelstrukturen, die bestehen, abzubauen. Es ist doch nicht mehr hinnehmbar beim Gewerberecht, dass wir die Gewerbeämter bei den Landkreisen und kreisfreien Städten haben, und noch 23 kreisangehörige Städte ebenfalls Gewerbeämter haben, zum Teil in der gleichen Stadt, in der das kreisliche Gewerbeamt steht. Das sind doch Kosten, die wir uns wirklich ersparen können. Für den Gewerbetreibenden ist es doch egal, ob er in der gleichen Stadt – wie zum Beispiel in Bad Salzungen – zur Stadt geht oder in die Kreisverwaltung, um ein Gewerbe anzumelden, umzumelden oder abzumelden. Dazwischen liegen 400 Meter. Beide Behörden halten aber diese Struktur vor und wenn es kompliziert wird, sind sie beide nicht in der Lage, die Prozesse zu bewältigen, weil sie gar nicht das Personal dafür haben. Da müssen sie wieder das Landesverwaltungsamt als obere Behörde einschalten. Das erzeugt wieder Transaktionskosten, die nirgends erfasst werden. Für den Gewerbetrei
benden kommt zum Schluss nichts Zusätzliches raus. Deshalb müssen wir uns damit beschäftigen und wollen solche Doppelstrukturen abschaffen, ohne dass die Betroffenen dadurch etwas verlieren. Sie haben einen Gebrauchswert, der steigt – bleiben wir beim Gewerberecht –, dass sie nämlich vor Ort fachliche Entscheidungen möglichst schnell bekommen. Das ist doch eine Sache, die müsste auch die CDU nachvollziehen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Landkreisproblematik: Wer die Konstruktionsfehler der Landkreise nicht zur Kenntnis nimmt – also das ist dann wirklich schon schwierig –, der sollte sich nicht zumuten, hier im Land von Verantwortung zu reden. Unsere Landkreise sind Mischbehörden mit einer starken Dominanz in Richtung untere staatliche Aufgaben; 85 Prozent der Landkreisaufgaben sind untere staatliche Aufgaben. 60 Prozent der Ausgaben der Landkreise entfallen auf den Sozialund Jugendhilfebereich, also in den Bereich der Leistungsgesetze, wo der Kreis kein Ermessen hat, sondern wo es darauf ankommt, wer einen Antrag stellt. Da gibt es Rechtsansprüche, also ohne Steuerungsmöglichkeiten. Nur 1 Prozent der Ausgaben der Landkreise sind im freiwilligen Bereich, weil 1994 die Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion der Landkreise gestrichen wurde. Also das heißt, die Landkreise haben doch mit kommunaler Selbstverwaltung überhaupt nichts mehr am Hut, das ist eine reine Verwaltungsebene. Wir wollen aber die Landkreise wieder stärken, indem wir also sagen: Bei der Kommunalisierung künftiger Aufgaben machen wir das nicht im übertragenen Wirkungskreis – das war übrigens auch ein Fehler der CDU –, weil beim übertragenen Wirkungskreis das Land Fachaufsicht bleibt und damit bei jeder kommunalen Entscheidung eine Landesbehörde zu beteiligen ist. Da spare ich natürlich nichts. Sondern wir wollen es im eigenen Wirkungskreis machen, das stärkt die Landkreise, kreisfreien Städte, auch die Gemeinden, wenn wir dort Aufgaben übertragen, weil sie dann im Rahmen der Gesetze selbst entscheiden können und das Land sich nur noch auf die Fachaufsicht beschränkt und ich dadurch natürlich auch wieder Effizienzgewinne darstellen kann.
Wir wollen also keine größeren Landkreise, wie das immer in der öffentlichen Debatte gesagt wird, wir wollen andere Landkreise mit einem anderen Aufgabenkatalog, mit einer anderen Zuständigkeit, auch mit einer anderen Finanzierung.
Wir müssen die Dauerbaustelle „Kreisumlage“ lösen. Wenn alles in Ordnung wäre, wie es Herr Mohring hier beschreibt, dann verstehe ich nicht, warum seine Parteifreundin Frau Schweinsburg hier immer irgendwelche Szenarien beschreibt und die Ursachen beim Land sieht.
Wir finanzieren die Landkreise und auch die Gemeinden zu großen Teilen. 60 Prozent der kommunalen Einnahmen sind Landeszuweisungen – eine hohe Abhängigkeit. Das kann doch auch nicht das Interesse der CDU sein, die Kommunen in einer solchen Abhängigkeit vom Land zu belassen. Also müssen wir die Kommunen leistungsfähiger machen, sodass sie in viel stärkerem Maße auch eigene Einnahmen generieren können. Bundesweit liegt die kommunale Steuerquote bei 40 Prozent, in Thüringen bei unter 25 Prozent. Auch das ist doch nicht dauerhaft hinnehmbar und nicht im Interesse der Gemeinden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Situation in den Gemeinden: Auch dort wird durch die CDU gesagt, es ist alles in Ordnung. Herr Mohring hat jetzt wieder behauptet, wir hätten der kommunalen Ebene 100 Millionen Euro weggenommen. Ich weiß nicht, wie er darauf kommt. Wenn ich die reinen Zahlen gegenüberstelle: 2015 sind im und außerhalb des Finanzausgleichs 2,8 Milliarden Euro an die Kommunen geflossen und im Landeshaushalt für das Jahr 2016 stehen 3 Milliarden Euro. Da weiß ich nicht, wie man auf die Idee kommt und sagt, es sind 100 Millionen. Wie gesagt, der Aufwuchs ist höher als der Zuwachs beispielsweise bei einzelnen Aufgaben, nämlich mal beispielhaft der Flüchtlingsunterbringung und -integration mal beispielhaft. Dass das vielleicht nicht ausreicht, ist doch nachvollziehbar. Aber man kann doch nicht sagen, wir nehmen den Kommunen weg.
Übrigens hat Frau Lieberknecht, als sie noch Ministerpräsidentin war, 2011 bereits formuliert: Wir müssen uns, wenn es um die Neugestaltung der Kommunalfinanzen geht, auch mit Strukturen bei den Kommunen beschäftigen, weil das Land nicht dauerhaft in der Lage ist, diese zum Teil ineffizienten Strukturen zu finanzieren. Sie hat auch im Oktober 2014 zu Verwaltungsgemeinschaften einen klugen Satz gesagt: Wenn sie wieder die Regierung stellt – das war ein Angebot an die SPD –, macht die CDU in den ersten hundert Regierungstagen einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften. Das war 2014, es ist noch gar nicht so lange her. Da kann man mal sehen, dass Marx recht hatte: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, und nicht umgekehrt.
Wie ist die Situation in den Gemeinden? 843 haben wir noch, 571 mit weniger als 1.000 Einwohnern. Da kann man so viel Geld reinstecken, wie man will – wir werden die Leistungsfähigkeit nicht dauerhaft erreichen. Alimentieren können wir die Kommunen, das ist möglich. Zulasten des Landeshaushalts geht das. Aber eigene Gestaltungspotenziale kann ich in
so einer Struktur nicht entwickeln. Die Hilfsprogramme haben nichts genutzt. Wir haben über hundert Gemeinden ohne Haushalt, wir haben 125 in der Haushaltssicherung. Darauf bin ich schon eingegangen. Wir haben jede zweite Gemeinde, die nur durch Rücklagenentnahme überhaupt den Haushalt ausgleichen kann.
Wir haben – damit will ich dann abschließen – auch eine Vielzahl von Gemeinden, die überhaupt keine Rücklagen mehr haben. Wir laden alle ein, auch die AG Selbstverwaltung, wobei dort der Gemeindeund Städtebund mal in sich gehen soll, warum neben dem Gemeinde- und Städtebund sich jetzt eine weitere Interessenvertretung der Kommunen gebildet hat. Aber auch die werden wir alle zum Dialog einladen. Auf diese Debatte freue ich mich. Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, werte Gäste! Herr Kuschel, Sie haben jetzt relativ viel Sand in die Augen der Leute gestreut. Darauf muss man doch noch mal eingehen.
Auch ich möchte mit einem Zitat beginnen: „Der Nachteil der Intelligenz besteht darin, dass man ununterbrochen gezwungen ist, dazuzulernen.“ Ein Zitat von George Bernard Shaw.
Folgendes muss man beim ersten großen Entwurf der Landesregierung zur Gebietsreform – dem Vorschaltgesetz – sagen: Groß ist allein sein Umfang und der Anteil der Stellen, an denen dazuzulernen der Landesregierung nicht geschadet hätte.
Um der Fülle der Gegenargumente mit Blick auf dieses Vorhaben gerecht zu werden, lohnt es sich, hier auf drei wesentliche Kritikfelder einzugehen: den behaupteten Zusammenhang zwischen Größe, Fläche und Einwohnerzahlen von kommunalen Gebietskörperschaften und der Effektivität der Leis
tungserbringung; der aufgestellten These, Verwaltungsgemeinschaften würden weder effektiv noch effizient sein und gehörten deshalb abgeschafft; und die Kosten und Einsparpotenziale der Gebietsreform. Bereits in der Begründung zum Vorschaltgesetz wird behauptet, dass nur einwohnerstarke Gemeinden und Landkreise mit großer Fläche leistungs- und verwaltungsstark seien.
Auf der Grundlage dieser unbewiesenen Behauptung werden Mindesteinwohnerzahlen für Gemeinden, kreisfreie Städte und Landkreise festgelegt. Im ländlichen Raum wird die Bildung von Monsterkreisen ermöglicht, die größer als das ganze Saarland sein sollen. Führen wir doch den Realitätscheck durch. Wenn die von der Landesregierung aufgestellte These zutrifft, müsste der kleinste und einwohnerschwächste Landkreis in Thüringen, Sonneberg, bei allen sozialen und Wirtschaftsindikatoren am unteren Ende aller Landkreise vor sich hindarben. Doch jemand, der die offiziellen Statistiken aufschlägt, wird sich verwundert die Augen reiben. Der Landkreis Sonneberg mit seinen weniger als 57.000 Einwohnern hat ein überdurchschnittliches Einkommen pro Einwohner, eine überproportionale Steigerung der Steuereinnahmekraft seit 2010 und eine weit unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote. Sonneberg liegt bei den Personalausgaben pro Einwohner mit 559 Euro mehr als 100 Euro unter dem Landesdurchschnitt, hat also offensichtlich eine effektive Verwaltung. Die Behauptung, dass nur große Landkreise mit einer hohen Einwohnerzahl effektiv seien, ist also nichts als eben das – eine Behauptung. Auf der Grundlage dieser durch die Wirklichkeit widerlegten Behauptung wollen Sie funktionierende Verwaltungsstrukturen zerschlagen. Aber wie heißt es so schön bei den Ideologen: Wenn die Wirklichkeit nicht zur Theorie passt, umso schlimmer für die Wirklichkeit.
Ein weiteres, geradezu herausragendes Beispiel für den letzten Satz ist die zwangsweise Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften. Zwar erkennt die Landesregierung im Gesetzentwurf immerhin erstmals die Vorzüge der Verwaltungsgemeinschaften an – und ich zitiere –: Durch die Verwaltungsgemeinschaft bleibt gerade für kleine Gemeinden die politische und rechtliche Selbstständigkeit gewahrt und gleichzeitig durch die Aufgabenübertragung eine effiziente und effektive Verwaltung gewährleistet. Durch die politische und rechtliche Zuständigkeit der Mitgliedsgemeinden wiederum, deren Ausdruck Gemeinderäte und Bürgermeister sind, wird das bürgerschaftliche Engagement gestärkt. Nun könnte man meinen, die Landesregierung würde damit anerkennen, dass die Verwaltungsgemeinschaften durch die optimale Synthese von Funktio
nalität und Legitimität ein Zukunftsmodell sind. Doch weit gefehlt: Sie sollen zugunsten von Landgemeinden, Einheitsgemeinden fortentwickelt, ergo abgeschafft, werden. Die Begründung für diesen gravierenden Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung ist mehr als unzureichend. Vor allem wird bemängelt, dass eine Übertragung von Aufgaben aus dem eigenen Wirkungskreis auf die Verwaltungsgemeinschaften nur begrenzt möglich sei, da sonst das kommunale Selbstverwaltungsrecht ausgehöhlt werde. Was die Landesregierung jedoch bei Verwaltungsgemeinschaften zu Unrecht kritisiert, wird von ihr selbst brachial umgesetzt. Durch die letztlich zwangsweise Bildung von Land- und Einheitsgemeinden wird das kommunale Selbstverwaltungsrecht nicht nur gefährdet, es wird faktisch abgeschafft.