Wir müssen natürlich auch dafür Sorge tragen, dass nicht Angehörige in einer – wie Sie gesagt haben – schwierigen Situation noch mit einer Entscheidung konfrontiert werden, die es weiß Gott noch schwieriger macht. Denn darüber reden und darüber nachdenken können wir in einer Diskussion wie heute relativ einfach, aber in einer Situation, in der wir betroffen sind und es um Angehörige geht, stellt sich die Situation noch mal ganz anders dar. Aus meiner ganz persönlichen Sicht: Wenn im engsten familiären Umfeld ein Mensch mit Mitte 20 verstirbt, der sich bei Gott noch keine Gedanken über Organspende und alles, was damit zusammenhängt, gemacht hatte, dann ist es für die Angehörigen noch mal doppelt so schwer, eine Entscheidung zu treffen. Demzufolge ist es auch wichtig, dass wir schon ganz früh damit beginnen, uns mit dem Thema im Bereich der Schule auseinanderzusetzen – Sie hatten es angesprochen. Das kann sicherlich nicht nur im Bereich der Biologie sein, das hat auch was mit dem Ethik- und Religionsbereich und anderen Bereichen zu tun.
Das kann man in die Planung, in die Schule mit einbauen – das müssen wir –, sodass sich auch junge Menschen bereits mit dem Thema beschäftigen.
Insofern gilt es für die Politik, Bürgerinnen und Bürger zu motivieren. Ich glaube, das ist auch Ihr eigentliches Anliegen mit dem Antrag, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, eine Entscheidung so früh wie möglich zu dokumentieren und dass wir aber auch alle miteinander akzeptieren, dass die Entscheidung dafür oder dagegen eine sehr persönliche und eine hochsensible Entscheidung ist. Deswegen ist es uns wichtig, alles insgesamt, den Menschen die vielfältigen Aspekte der Organspende näherzubringen, das Wissen darum zu erweitern und auch im Übrigen Dokumentationen dahin ge
hend zu überlegen und zu diskutieren – unabhängig von Organspende –, auch die Frage, inwieweit wir weiter mit helfen können, wenn es zum Beispiel um die Typisierung bzw. Registrierung potentieller Knochenmarkspender geht und darüber hinaus, um auch an dieser Stelle Leben zu geben und zu helfen, das Menschen überleben können.
Insofern ein wichtiges Thema, dass sich in keiner Weise anbietet, es politisch-ideologisch zu diskutieren. Wir sollten dem Antrag alle gemeinsam zustimmen. Ich bin trotzdem dankbar für den Hinweis, dass es nicht nur um einen Tag im Jahr geht, sondern dass wir das Wissen, die Bereitschaft und die Motivation dafür auch an allen anderen Tagen weiter mit uns tragen und darüber reden. Insofern wäre ich für eine spätere intensive Diskussion und Beratung im Sozialausschuss sehr dankbar, um Menschen möglicherweise die Entscheidung, wie auch immer, leichter zu machen, aber dazu beizutragen, dass sie eine Entscheidung treffen können. Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank an die Ministerin für den Sofortbericht und für die ergiebigen Informationen. Ich will zu Beginn der Rede auch explizit einen Dank an die Beiträge aus allen anderen Fraktionen aussprechen. Ich denke, wir sind an der Stelle wirklich gemeinsam, dass wir erstens sagen, dieses Thema soll nicht nur an einem einzigen Tag eine große Rolle spielen und wir wollen uns damit auseinanderzusetzen, sondern wir sind hier auch an einer Stelle, wo wir sagen, der Bürger und die Problematik stehen im Mittelpunkt und wir wollen vor allen Dingen das Beste für die Menschen erreichen.
Ich will explizit – auch wenn es mir schwer fällt – auch für den Redebeitrag der AfD-Fraktion danken, denn in dieser Debatte muss man verschiedene Dinge beleuchten. Dazu gehören natürlich auch kritische Meinungsäußerungen, weil wir bei einem Thema sind, was sensibel angefasst werden soll. Deswegen will ich zum einen natürlich betonen, dass der CDU-Antrag ein Antrag ist, der Aufklärung will. Wir fordern nicht irgendeine sinnlose Kampagne. Wenn Sie den Antrag gelesen haben, dann sehen Sie, dass zentraler Inhalt unseres Antrags Aufklärung der Bevölkerung ist. Das Angstnehmen der Bevölkerung, also das, worauf Sie eben abge
zielt haben, ist auch das, was uns am Herzen liegt. Deswegen fällt es mir etwas schwer zu verstehen, warum Sie an der Stelle so ein Problem damit haben.
Auch Ihre Aussage, dass es Fälle gab, in denen der Hirntod feststand und Leute doch überlebt haben, kann ich so einfach nicht unkorrigiert stehen lassen. Das tut mir leid, denn es ist fachlich einfach nicht korrekt. Es gibt tatsächlich Fälle, in denen der Hirntod zunächst einmal festgestellt wurde, aber immer dann, wenn nicht die Richtlinien der Bundesärztekammer eingehalten wurden. Das ist der entscheidende Punkt. Denn wenn nach den Richtlinien der Bundesärztekammer ordnungsgemäß zwei Ärzte getrennt voneinander auf Grundlage der vorliegenden Werte den Hirntod diagnostizieren, haben Sie auch eine quasi zu 100 Prozent feststehende Situation, dass der Patient wirklich hirntot ist. Das befreit natürlich nicht von der Frage: Wann ist ein Patient wirklich tot? Das mag jeder für sich philosophisch, theologisch anders beantworten. Wenn wir aber über die Begrifflichkeit „Hirntod“ sprechen, muss ich Ihnen sagen, wenn das Gehirn mindestens drei, man sagt drei bis sieben Minuten ohne Sauerstoffversorgung ist, dann sind die Hirnzellen irreparabel beschädigt und nach unserem Stand des medizinischen Wissens nicht mehr wiederherstellbar und der Patient kann dann nicht plötzlich wieder in einer Talkshow sitzen. Das waren immer Fälle unsauberer Arbeit. Die müssen natürlich verhindert werden. Deswegen werben wir auch dafür, dass sauber diagnostiziert wird. Das muss natürlich sein. Genau diese Beiträge, auch was wir jetzt gehört haben, auch dieses teilweise – ich muss es sagen – Krude, diese Angstmacherei, dass jetzt bei so einem Thema von illegalem Organhandel an den finstersten Orten dieser Welt gesprochen wird – was, glaube ich, nicht hierher gehört –,
ist genau diese Angstmache, die wir eben nicht wollen. Angstmache ist genau die falsche Herangehensweise bei diesem Thema, sondern Aufklärung. Auch hier war wieder so ein Widerspruch. Auf der einen Seite wird gesagt, ja, wir wollen Aufklärung, auf der anderen Seite Angstmache. Gut, das steht jetzt so im Raum. Aber unser Anliegen ist, denke ich, klar. Die anderen Fraktionen haben das auch so mitgetragen.
Ich will vielleicht noch mal darauf abzielen und das auch noch mal betonen, am 4. Juni haben wir den Tag der Organspende, jedes Jahr am 4. Juni, dieses Mal an einem Samstag. Deswegen freue ich mich, dass wir es geschafft haben, einvernehmlich diesen Tagesordnungspunkt hier im Plenum noch zu beraten, diesen Tag als Anlass zu nehmen. Dieser Aktionstag wurde 2005 durch die Weltgesundheitsorganisation und den Europarat eingeführt, al
so sehr weit und mit einer sehr breiten Unterstützung international. Wir sehen also, wie wichtig das Thema auch international gesehen wird. Derzeit – das wurde schon erwähnt, ich will es deswegen aber noch mal betonen – warten mehr als 10.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan. Im Jahr 2015 wurden 2.900 Organe in Deutschland postmortal gespendet und transplantiert. Wir kriegen das leicht ausgerechnet, das ist eine Differenz von 7.100 Organen. 7.100 Organe, die Menschen fehlen, die darauf warten, dass sie weiterleben können, Menschen, die Hoffnung haben, die im Krankenhaus sitzen, die Verwandte haben, die Freunde haben und die sich an diesen letzten Strohhalm klammern. Das entspricht 1.305 weniger postmortal gespendeten Organen als im Jahr 2010. Wir haben vor allem einen Spenderrückgang bei Lebern, Nieren und Herzen. Die Manipulationen bei der Organvergabe, die in den vergangenen Jahren in der Presse eine große Rolle gespielt haben, haben das Vertrauen in die Organspende erschüttert. Da brauchen wir uns nichts vormachen, solche negativen Schlagzeilen hinterlassen natürlich ihre Spuren, auch wenn sicherlich dieser Rückgang, den wir zu verzeichnen haben, nicht allein darauf zurückzuführen ist.
Aber der derzeitige Aufwärtstrend in einigen Regionen Deutschlands ist erfreulich. Laut der Deutschen Stiftung für Organspende ist in der Region Ost, die Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen umfasst, insgesamt eine Zunahme um 14,7 Prozent bei postmortalen Organspendern in den ersten drei Monaten 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu verzeichnen. Doch – und jetzt kommt eine großes „Aber“ – ist leider die Situation die, dass wir in Thüringen genau einen gegenläufigen Trend haben. Während die Spendenbereitschaft besonders in Sachsen-Anhalt um mehr als die Hälfte zunahm – deswegen diese Steigerung in der gesamten Region Ost –, haben wir das Problem, dass sie in Thüringen um 10 Prozent abgenommen hat. Eine statistische Auffälligkeit, die wir hier in Thüringen haben, zu der wir uns schon Gedanken machen müssen, woran das liegen kann und was, ich will so ehrlich sein, auch ein Grund war, diesen Antrag einzureichen.
Unsere Überzeugung ist, dass das Land der sinkenden Organspendebereitschaft entgegenwirken muss, denn Organspende ist mit vielen Fragen, Sorgen und Ängsten verbunden. Da ist einfach der Staat, da ist das Land gefragt, hier Aufklärung zu betreiben, also die Fragen zu beantworten – muss ich denn früher sterben, wenn ich Organspender bin? –, Informationen in die Bevölkerung zu geben: Wie läuft das genau ab, wie sind die Richtlinien, etc.?
Wird dann bei mir noch die Medizin wie bei anderen angewandt, die sich nicht bereit erklärt haben? Auch das ist eine übliche Frage. Natürlich, auch auf diese Fragen muss man sensibel eingehen, aber ohne Angst zu machen, den Leuten erklären: Ja, natürlich, jeder hat den gleichen Stand an medizinischer Versorgung und keiner wird zunächst als Organlager angesehen, sondern jeder wird zunächst als Mensch angesehen. Ich denke, da sind wir uns alle einig.
Genau darüber muss viel besser aufgeklärt werden und vor allem das ist der Punkt unseres Antrags. Ziel ist es, durch Transparenz und Aufklärung verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, für das Thema „Organspende“ zu sensibilisieren und bestehende Ängste speziell auch im Hinblick auf die Hirntoddiagnostik abzubauen. Ich will dazu explizit auf die vier Punkte eingehen, die in Punkt III unseres Antrags zu finden sind, denn diese vier Punkte sind die, die letztlich den Kern bilden, die wir als ein Element ansehen, mit dem die Organspendebereitschaft zu steigern ist.
Zunächst einmal Punkt 1, die stärkere Berücksichtigung des Themas „Organtransplantation“ bei der Weiterentwicklung der schulischen Lehrpläne – wir haben geschrieben –, insbesondere im Fach Biologie: Herr Kubitzki, Sie haben darauf abgezielt, es muss nicht nur dieses eine Fach sein, da bin ich bei Ihnen. Es geht auch hier darum zu prüfen, wie können wir eventuell einfach junge Menschen besser damit konfrontieren. Das Fach Biologie ist das, was einem da zunächst einfach in den Sinn kommt. Wir wären auch bereit, darüber zu diskutieren, wie wir es allgemein besser in die Lehrpläne bekommen. Aber es ist wichtig, dass Jugendliche, die sich ab 16 Jahren selbst für oder gegen eine Organspende entscheiden und einen Ausweis ausfüllen können, auch entsprechend informiert werden. Frühzeitige Information spielt in vielen Lebensbereichen eine große Rolle.
Wichtig ist, dass die Jugendlichen verständliche Informationen an die Hand bekommen, die ihnen die Antworten auf ihre Fragen geben. Man sollte auch da keine Scheu haben, auch die Jugendlichen mit solchen schwierigen Fragen zu konfrontieren. Ich denke, Sechzehnjährige sind durchaus in der Lage, sich schon mit solchen medizinischen Fragen, auch den Fragen von Lebensanfang und Lebensende, auseinanderzusetzen. Gut informiert für eine selbstbestimmte Entscheidung ist hier der wichtige Punkt in einer solchen grundlegenden persönlichen Frage.
Zu Punkt 2, die Einbeziehung aller gesellschaftlich relevanten Gruppen und Institutionen, um in einem Dialog über die Möglichkeit der Steigerung der Organspendebereitschaft zusammenzukommen: Das möchte ich direkt in Zusammenhang mit Punkt 3
In Punkt 3 fordern wir, dass die Thematisierung der sinkenden Organspendebereitschaft im Rahmen der Landesgesundheitskonferenz und der Arbeitsgruppen eine Rolle spielt. Frau Ministerin, Sie sehen schon, ich freunde mich immer mehr mit dem Gedanken der Landesgesundheitskonferenz an.
Ich sage jetzt mal, wenn wir hier vielleicht ein Wirkungsfeld sehen, auf dem sich die Landesgesundheitskonferenz tatsächlich sinnvoll betätigen kann, bin ich da ganz bei Ihnen. Also, wollen wir einfach einmal schauen, wie das eventuell ein Instrument sein kann, das die Landesgesundheitskonferenz nutzen kann und mal schauen, was dabei rauskommt.
Zu Punkt 4, Durchführung einer öffentlichen Werbekampagne in Thüringen mit dem Ziel, für das Thema zu sensibilisieren und die Bevölkerung zu informieren: Dieser eine Punkt, an dem sich besonders die AfD-Fraktion gestoßen hat, natürlich, man kann darüber diskutieren, Werbekampagne ja oder nein, aber – ich denke – zu einer Werbekampagne, das ist diese Breite des Themas, gehört eben die Aufklärung dazu. Werbekampagne heißt ja nicht, die Leute zu konfrontieren mit der Aussage: Geh Organe spenden! Sondern, Werbekampagne heißt, Information in die Bevölkerung bringen. Und auch hier muss das Rad nicht neu erfunden werden. Wir schlagen vor, die AGETHUR – die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Thüringen – dort eventuell ins Boot zu holen. Wir haben hier einen Akteur, der Erfahrung mit gesundheitlichen Aufklärungskampagnen hat, und bitten die Landesregierung zu prüfen, inwieweit die AGETHUR als Träger dieser Kampagne einbezogen werden kann.
Ich folge da durchaus meinen Vorrednern Frau Pelke und Herrn Kubitzki, dass wir dann im Ausschuss darüber sprechen und schauen, wie diese Prüfung abgelaufen ist, und dass wir uns anschauen, kann das ein Instrument sein, ja oder nein. Ich könnte mir das durchaus gut vorstellen, vielleicht auch mit dem Hintergedanken, dass das vielleicht auch eine Kampagne sein könnte, mit der die AGETHUR unmittelbarer an die Bürger herankommt, dass wir die AGETHUR eventuell etwas breiter in der Bevölkerung bekannt machen. Bisher wirkt sie ja mehr indirekt, aber vielleicht kann das eine Möglichkeit sein.
Zielsetzung ist es auch hier, die Anzahl derjenigen Menschen zu erhöhen, die sich bewusst für oder auch gegen eine Organspende im Fall des eigenen Hirntods entscheiden, und das in einem Organspendeausweis dokumentieren.
Es wurde schon betont und ich möchte es hier auch noch mal unterstreichen, die Bereitschaft zur Organspende ist eine sehr individuelle Entscheidung. Wir wollen das auch befördern und wollen hier natürlich niemanden bevormunden. Die Entscheidung für oder gegen Organspende ist höchst persönlich, eine Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss, unabhängig von Alter und anderen Maßstäben. Wichtig aber ist, dass die Entscheidung nur auf Basis fundierter Aufklärung und Information erfolgen kann. Nur so können bestehende Ängste als größtes Hindernis oder als Hemmnis reduziert werden.
Mit der Erlaubnis des Präsidenten würde ich jetzt gerne – ich habe ein paar Organspendeausweise einstecken – die Landtagsfraktionen mit den entsprechenden Organspendeausweisen versorgen.
Lieber Herr Kollege, das machen wir am besten über die Post. Sie sagten, das wäre eine höchstpersönliche Entscheidung und dann reicht das auch völlig aus.
Ja, ich weiß. Die Finanzministerin betonte zu Recht, die gesetzlichen Krankenkassen haben es verschickt, alle zwei Jahre ist es die Pflicht. Aber, ich möchte darauf hinweisen, dass vielleicht nicht jeder so sensibel die Post seiner Krankenkasse liest, wie es sich oftmals empfiehlt. Deswegen möchte ich an der Stelle die Chance nutzen, der Landtagsverwaltung Organspendeausweise zu übergeben. Ich bitte die Landtagsverwaltung, diese zu verteilen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich kann davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer II des Antrags erfüllt ist. Hier erhebt sich kein Widerspruch. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden, sodass ich davon ausgehe, dass wir auch darüber nicht abstimmen, sondern wir stimmen dann direkt über den Antrag ab.