Protokoll der Sitzung vom 20.05.2016

(Beifall CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, wie Sie unserem Antrag entnehmen können, ist uns erstens wichtig, das Vertrauen der Thüringer

Bürgerinnen und Bürger in die Praxis der Organtransplantation zurückzuerlangen. Zweitens wünschen wir einen Bericht der Landesregierung zur aktuellen Situation, der durch den Sofortbericht bereits gegeben wurde. Drittens sollen alle möglichen Maßnahmen ergriffen werden, um die Organspendebereitschaft in der Thüringer Bevölkerung zu erhöhen. Nur auf der Grundlage einer fundierten Aufklärung und Information kann die persönliche Entscheidung für oder gegen die Organspende getroffen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, uns als CDU-Fraktion ist das Thema „Organspende“ ein besonderes Anliegen. Wir haben ganz nah in unseren Reihen erlebt, wie nervenaufreibend das Warten auf ein lebensrettendes Organ, wie groß die Freude über einen Spender und die Hoffnung für das Gelingen einer Transplantations-OP ist. Daher möchten wir den Tag der Organspende am 4. Juni nutzen, um die Organspendebereitschaft in Thüringen weiter zu fördern. Dafür hoffen wir auf die Zustimmung aus dem gesamten Hohen Haus.

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich abschließend noch einmal sagen: „Organspende“ ist ein Thema, das uns alle angeht. Bitte besorgen Sie sich einen Organspendeausweis und halten Sie darin Ihre Entscheidung

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Habe ich schon!)

für oder gegen eine Organspende fest! Lassen Sie diese schwere Entscheidung nach Ihrem Tod nicht Ihre Angehörigen treffen! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Meißner. Wir sind zwar sehr flexibel, dass wir die Begründung auch am Anfang der Aussprache hören, aber nicht so flexibel, dass wir die nicht anrechnen würden. Insofern haben wir jetzt alles wieder richtiggestellt. Wir fahren fort in der Aussprache, Herr Kubitzki für die Fraktion Die Linke, bitte. Wir sind in doppelter Redezeit, also es ist nicht viel verloren.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen heute – und das nicht zum ersten Mal in diesem Haus – über ein sehr sensibles und trotzdem auch bewegendes Thema. Ich muss sagen, der Antrag, den die CDU-Fraktion gestellt hat, ist richtig

(Beifall CDU)

und wird auch unsere Unterstützung finden. Aber

(Abg. Meißner)

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Sag‘ doch nicht aber!)

da das ein sensibles Thema ist, warne ich hier davor, zu stigmatisieren, dahin gehend zu stigmatisieren, dass man jetzt einfach sagt, die Menschen, die zur Organspende bereit sind oder sich schon dafür entschieden haben, sind gute Menschen und die, die noch mit sich ringen oder sich nicht durchringen können, haben im Prinzip etwas nicht verstanden. Davor möchte ich warnen. Ich glaube, wir sollten – und es ist richtig, dass wir heute darüber sprechen, weil am 4. Juni der Tag ist. Aber es ist auch ein Thema – und wir haben uns ja schon länger hier im Haus damit beschäftigt –, was immer wieder Thema sein wird und Thema sein muss. Auf der einen Seite kennen wir Menschen und – Frau Meißner hat die Zahl gesagt – in Thüringen warten 344 Thüringer entsprechend der Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation auf eine Organspende. Auf der einen Seite gibt es hier in Thüringen 344 Menschen, die lebensgefährlich erkrankt sind und für die ein fremdes Organ die einzige Chance ist, die sie haben, das Leben fortzusetzen und erst mal ein lebenswertes Leben zu haben. Bei diesen Menschen besteht große Hoffnung, dass ein passendes Organ gefunden wird und die gleiche Hoffnung gibt es auch bei den Angehörigen. Es ist aber auch mit viel Angst bei diesen Menschen verbunden, wenn eben kein passendes Organ gefunden wird, weil eben zu wenig gespendet wird.

Auf der anderen Seite sagen wir Menschen, sie sollen sich schon zu Lebzeiten entscheiden, bereit für eine Organspende zu sein. Es ist immer – Sie haben es gesagt, Frau Meißner – eine persönliche Entscheidung, die jeder für sich treffen muss. Ich glaube, dass die Skandale, die 2012 stattgefunden haben, nicht das Hauptproblem sind, dass viele Menschen noch mit sich ringen, ob sie Organspender werden. Ich glaube, das ist nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist auch nicht die Auseinandersetzung mit dem Prinzip der Organspende, sondern das Hauptproblem, mit dem sich die Menschen beschäftigen, ist der Tod, nämlich die Frage: Wann bin ich tot? Wir wissen alle, da gab es auch in der letzten Legislatur hier eine Veranstaltung der Deutschen Stiftung für Organtransplantation, zu der auch Landtagsabgeordnete eingeladen waren, wenige teilgenommen hatten, wo von den Ärzten noch mal erklärt wurde, wann der Hirntod eintritt. Bei Eintritt des Hirntodes ist dann die Frage, der Mensch ist tot, obwohl vielleicht die Angehörigen, die im Krankenhaus neben ihm sitzen, wenn ihr Angehöriger noch an den Maschinen hängt, trotzdem das Gefühl haben, er atmet noch – er atmet ja auch noch, er wird beatmet – und trotzdem sagt ihnen dann der Arzt, ihr Angehöriger ist verstorben. Das wahrnehmen zu wollen und zu akzeptieren, das, kann ich mir vorstellen, ist schon für viele Menschen ein großes Problem. Vor allem den Ent

schluss zu fassen, wann schaltet man die Maschine ab, das ist ein sehr schwerer Entschluss. Ich kann nur für mich persönlich sagen: Ich hoffe, dass ich nie in so eine Situation komme. Deshalb ist es, wenn wir von Aufklärung sprechen, wirklich wichtig, dass den Menschen immer wieder zum Beispiel diese Frage des Hirntods erklärt wird, denn – und das liegt in der menschlichen Natur – der Mensch klammert sich natürlich immer an das Leben und an einen Funken Hoffnung zum Weiterleben und es ist sehr schwer wahrzunehmen, es ist wirklich Schluss. Deshalb muss gerade auf diesem Gebiet mehr Aufklärung geleistet werden. Eine weitere Form der Aufklärung ist auch, indem medial mehr darüber berichtet wird, über Lebenssituationen, in denen Organspende Menschen geholfen hat, weiterzuleben, wobei es um die Motivation geht: Jawohl, es gibt genügend Beispiele, durch die das Leben der Menschen durch Organspende wieder verbessert werden konnte, durch die es verlängert werden konnte. Ich glaube, da muss mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, dass man an dieser Sache immer das Positive sieht. Ich finde wirklich, die Frage des Umgangs mit dem Tod und der rechtzeitigen Entscheidung ist sehr wichtig. Da bin ich bei Frau Meißner, jawohl, man sollte das selbst entscheiden und nicht seinen Angehörigen überlassen, denn die stehen dann vor einer Situation, ich hatte es gesagt, vor der ich selbst mal nicht stehen möchte. Deshalb ist es notwendig, ständig an diesem Thema zu arbeiten, deshalb ist es auch notwendig, wie im Antrag steht, dass rechtzeitig damit begonnen wird, im Antrag wird gefordert, in den Schulen und im Biologieunterricht – ich will mich jetzt gar nicht streiten, ob das nun der Biologieunterricht oder in welcher Form das sein sollte. Man sollte schon frühzeitig damit beginnen, sich als Mensch mit dieser Thematik zu beschäftigen. Darüber, ob nun zum Beispiel die AGETHUR die richtige Stelle ist, die die Kampagne führen sollte und dergleichen mehr, kann man sich streiten.

In Ihrem Antrag steht ein Prüfauftrag. Dem Prüfauftrag sollte man nachgehen und wir sollten dann entscheiden, ob das möglich ist oder nicht. Wichtig ist, dass heute durch eine breite Mehrheit für diesen Antrag auch nochmal ein Signal des Landtags nach außen gesetzt wird: Jawohl, liebe Thüringerinnen und Thüringer, es ist wichtig. Denkt darüber nach, entscheidet euch rechtzeitig für eine Organspende, denn damit könnte ihr, wenn auch euch nicht mehr geholfen werden kann, anderen Menschen helfen. Deshalb, wie gesagt, werden wir dem Antrag zustimmen, möchte aber auch die Empfehlung geben – und das sollten wir tun –, dass wir vielleicht Ende des Jahres im Sozialausschuss eine Evaluierung vornehmen und sagen, was sich von diesem Antrag bewährt hat oder was umgesetzt werden konnte, was nicht umgesetzt werden kann, was vielleicht anders angegangen werden muss, um weiter an der Bereitschaft unserer Menschen für eine Organ

spende zu arbeiten. Ich kann nur noch einmal wiederholen, wir werden diesem Antrag zustimmen. Danke.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kubitzki. Als Nächster erteile ich Frau Abgeordnete Herold für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Internet, ich habe zu vorgerückter Stunde, wo im Auditorium schon die ein oder andere Ermüdungserscheinung sichtbar wird, die erfreuliche Pflicht, zu Ihnen über den Tod zu sprechen. Organspenden retten Leben, Organspenden kosten Leben. Technischer und medizinischer Fortschritt machen im Bereich der Transplantationsmedizin Dinge möglich, die noch vor wenigen Jahren und Jahrzehnten unmöglich waren. Viele Menschen können dank einer Organspende weiterleben, doch Organspenden sind weit weniger leicht zu bewerten, als es im Antrag der CDU den Anschein hat. Zunächst sind die Rahmenbedingungen für eine Organentnahme zu benennen. Das entscheidende Kriterium für diesen Eingriff in Deutschland ist der Hirntod des potenziellen Spenders. Die Tatsache, dass wir inzwischen den Begriff „Hirntod“ verwenden, macht bereits deutlich, dass es einen Unterschied zum physiologisch normalen Tod gibt. Der Hirntod bezeichnet den Zustand, in dem ein Teil des Gehirns des Spenders im EEG eine Nulllinie zeigt, die zu entnehmenden Organe jedoch ihre Vitalfunktionen alle ausüben. Dies ist natürlich auch physiologisch-anatomisch eine unbedingte Voraussetzung für eine gelingende Organübertragung. Der Hirntod bei lebendigem Körper heißt in der Praxis auch, dass die Körperfunktionen wie Wundheilung und Stoffwechsel, Atmung und Ausscheidung funktionieren. Das geht so weit, dass hirntote schwangere Frauen wochenlang weiter versorgt werden können, bis das Kind per Kaiserschnitt gerettet werden kann. Heute sind Hirntote also keinesfalls tot in dem Sinne, wie wir es üblicherweise erfahren und kennen, sondern schlimmstenfalls Sterbende. Die Frage, ob der Hirntod tatsächlich den Tod eines Menschen bedeutet, ist noch intensiv weiter zu diskutieren. Es wird darauf wohl keine Antwort geben können, die allen Verfahrensbeteiligten gefällt. Ein potenzieller Spender, ein potenzieller Empfänger und jeder, der sich beruflich damit beschäftigt, wird diese Frage nach seiner Weltanschauung und seinem Kenntnisstand entscheiden müssen und unterschiedlich bewerten. Die Diagnose des Hirntods wirft Fragen auf. Weltweit Dutzende, wenn nicht

noch viel mehr Kriterien, die sich unterscheiden und für die es keine einheitlichen Standards gibt, existieren zur Definition des Zustands hirntod. Die Berichte von Patienten, die nach der Diagnose des Hirntods nach Tagen, Wochen oder Monaten ins Leben zurückgekehrt sind, mehren sich. Dank Internet erfahren sie heute auch eine viel schnellere Verbreitung. Die ehemaligen potenziellen Spender sitzen nach geraumer Zeit quicklebendig in Talkshows und berichten darüber, dass sie nur durch die Liebe ihrer Angehörigen gerettet worden und ins Leben zurückgekehrt sind.

Ein anderes Problem ist der weltweite Organhandel. Ich meine, solange in Übersee Menschen aus Krankenhäusern verschwinden, in China hingerichtete Häftlinge gegen ihren letzten Willen leergeräumt werden und solange Menschen, zum Beispiel in Indien, in großer Not eine Niere verkaufen müssen, müssen wir das hier klar und eindeutig benennen. Die Transplantationsmedizin birgt große Chancen für die, die ihre Segnungen erhalten, aber auch große Risiken. Bei diesem Thema, bei dem wirtschaftliche Interessen und ein nicht abzusprechender und berechtigter Überlebenswille der potenziellen Empfänger auf schwache und sterbende Menschen treffen, ist der Staat gefragt.

Zum Thema „Wirtschaftliche Interessen“ nur eine kleine Zahl: Allein für Immunsuppressiva im Bereich Transplantate haben wir in Deutschland einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro jährlich. Der Gesetzgeber ist gefragt, Rahmenbedingungen für eine angemessene, gute und medizinethisch einwandfreie Transplantationsmedizin zu setzen. Nur dann, wenn wir in Deutschland diese Rahmenbedingungen haben und uns nicht davor scheuen, den potenziellen Spendern auch die unbequemen Aspekte von Organtransplantationen aufzuzeigen, nur dann werden die Menschen eigenverantwortlich eine Entscheidung treffen können, ob sie Organspender werden wollen oder nicht. Zu dieser Offenheit gegenüber den Bürgern gehört auch der Einsatz gegen den internationalen Organhandel und offene Debatten über Regelungen wie in Polen oder Kroatien, wo jeder zum Organspender wird, der nicht ausdrücklich vorher widerspricht.

Ich möchte Sie, werte Kollegen, fragen, bei welchen Dingen Sie Gewissheit haben, im Privaten, im Beruflichen in Bezug auf sich selbst und in Bezug auf andere? Gewissheit ist ein großer Begriff, den wohl jeder von uns anders füllt. Gewissheit ist etwas, das man in diesem Leben und in dieser Welt bekanntermaßen nur sehr schwer erlangen kann. Gewissheit ist ein Gefühl, dass sich aus einer gewissen Sicherheit heraus entwickelt. Aufgabe des Staates – und das ist meine feste Überzeugung – ist es, diese Sicherheit weitestgehend herzustellen. Eine staatliche Werbekampagne für Organspende halte ich hingegen für nicht angemessen. Statt Werbung plädiere ich für eine umfassende und an

(Abg. Kubitzki)

gemessene Aufklärung, die auch jene Aspekte des Spenderdaseins umfasst, die der Öffentlichkeit im Allgemeinen vorenthalten werden, weil sie schmerzhaft, unappetitlich, schreckenerregend und vielleicht auch abstoßend sind. Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende ist eine Gewissensentscheidung und das muss sie auch bleiben. Eine Werbekampagne mit dem Ziel, mehr Organspender zu gewinnen, wäre Beeinflussung der freien Entscheidung der Bürger.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Wahlwer- bung!)

Ich habe mich selbst intensiv mit dem Thema beschäftigt, ich habe einen Organspendeausweis, der ist doppelt negativ in beide Richtungen.

Ich respektiere und bewundere Leute, die sich in dieser schwierigen Frage eindeutig entscheiden können, aber ich glaube, zum eigenen Schutz und zum Schutz auch der Angehörigen, die sonst in schrecklichen Situationen auch fürchterlichen Fragen ausgesetzt sind, sollte jeder von uns einen Organspendeausweis haben und die darauf dokumentierte Entscheidung sollte immer eine freie Gewissensentscheidung sein.

(Beifall AfD)

Diese Bedenken bitte ich zu berücksichtigen, bevor Sie hier ein weiteres Mal über Leben und Tod entscheiden. Danke.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Schmerz lass nach!)

Danke schön, Frau Herold. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Pfefferlein für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Frau Ministerin, erst mal für den Sofortbericht und vielen Dank auch an die CDU-Fraktion für diesen Antrag. Es wurde schon viel gesagt von meinen Kolleginnen und Kollegen zu diesem Thema und ich möchte auch noch einige Ausführungen dazu machen.

Damit die Organspendebereitschaft gesteigert wird, braucht es ein breites Bündnis von vielen Akteurinnen und Akteuren, die aus meiner Sicht nicht nur im Gesundheitsbereich zu suchen sind. Zu Denken geben sollte uns vor allem der Punkt in der Debatte, dass die in Studien belegte Differenz zwischen theoretischer Spendenbereitschaft, 75 Prozent, und tatsächlicher Dokumentation, circa 16 Prozent, liegt. Es gibt also immer noch viele Probleme der

Akzeptanz und in der tatsächlichen Umsetzung. In einer beispielsweise von der Barmer GEK in Auftrag gegebenen Umfrage aus dem Jahr 2015 unter 1.000 Versicherten steht zur Organspende, dass sich die Bevölkerung gut informiert fühlt, aber weiterhin skeptisch ist. Obwohl die Befragten sich erstaunlich gut in Sachen Organspende auskennen, besitzt aber nach wie vor nur eine Minderheit tatsächlich einen Organspendeausweis. Man kann also durchaus davon ausgehen, dass sich die Bevölkerung intensiv mit der Organspende auseinandersetzt und viele Menschen prinzipiell auch bereit sind, Organe zu spenden. Jedoch besitzen laut dieser Umfrage nur 31 Prozent einen Organspendeausweis. Weiterhin heißt es, dass für den geringen Wert die schwerwiegenden Transplantationsskandale der jüngeren Vergangenheit mitverantwortlich sind. So gaben 46 Prozent der Befragten an, dass die Organspendeskandale ihr Vertrauen negativ beeinflusst haben. Die Barmer GEK kommt zu dem Schluss, dass selbstverständlich auch weitere Aufklärung notwendig ist, um das Vertrauen der Menschen wiederherzustellen und die Bereitschaft zu fördern, einen Ausweis bei sich zu tragen.

Ja, die Spendenbereitschaft muss weiter gesteigert werden, aber mit geeigneten Maßnahmen und vor allen Dingen in Abstimmung mit den Krankenkassen. Aus meiner Sicht gibt es auch durch die zurückliegenden Skandale, aber auch durch die darauf erfolgten Gesetzesänderungen intensive Bemühungen von allen relevanten Akteuren, zum Beispiel von den Krankenkassen oder auch in Krankenhäusern, die Spendenbereitschaft zu erhöhen, um vor allem das Vertrauen durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit zurück zu erwerben. Seither ist bei diesem sensiblen Thema einiges passiert, um die Transparenz im System zu verbessern. Die Kriterien für die Wartelistenführung wurden an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst und die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Wartelisteneinführung stehen nunmehr unter der rechtsaufsichtlichen Genehmigung des Bundesgesundheitsministeriums.

Aber wann entscheidet sich ein Mensch für einen Organspendeausweis? Ich glaube, das tut man vor allem nach der Abwägung aller Pro- und Kontraargumente. Die Politik und die Akteure im Gesundheitsbereich oder auch andere gesellschaftliche Gruppen können also nur dafür sorgen, dass die Pro- und Kontraargumente verfügbar sind, dass sie aufgearbeitet sind und Menschen zur Verfügung stehen, die als Expertinnen und Experten in diesem Bereich gelten. Die Menschen sind sehr wohl bereit, ihre Organe nach dem Tod zu spenden. Das sagen zumindest die soeben angesprochenen Studien. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist aber das vollkommene Vertrauen in das System der Organspende und Transplantation.

(Abg. Herold)

Ein Anfang ist in der vergangenen Woche gemacht worden. Der Bundesrat hat am 13.05.2016 in seiner Sitzung entschieden, dass die Datenweitergabe an das Transplantationsregister vereinfacht werden soll. In der Stellungnahme der Bundesländer wird eine vereinfachte Datenweitergabe bei der Errichtung eines bundesweiten zentralen Transplantationsregisters gefordert. Bislang werden die Daten, die man für eine Transplantation benötigt, dezentral erfasst. Transplantationszentren, Koordinierungsstelle, Vermittlungsstelle sowie die mit der Nachsorge betrauten Ärzte erheben zu verschiedenen Zeitpunkten eine Vielzahl an Informationen zu Spendern und Empfängern.

Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Meißner hat es auch schon gesagt, dieses Thema geht uns alle an und nicht nur am Tag der Organspende. Meine Fraktion wird diesem Antrag zustimmen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster erteile ich Frau Abgeordneter Pelke für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist ein wichtiges Thema, zu dem wir uns heute verständigen wollen. So jedenfalls gehe ich auch für meine Fraktion davon aus und weitestgehend haben das auch die Vorredner besprochen und angesprochen. Wir werden selbstverständlich diesem Antrag zustimmen.

Lassen Sie mich ganz kurz erwähnen: Wir alle haben die Broschüre des Deutschen Ethikrats zum Thema „Hirntod und Entscheidung zur Organspende“ vor wenigen Tagen in den Fächern gehabt. Lassen Sie mich bitte – wenn ich darf – aus dieser Broschüre zitieren. Am 24. Februar 2015 hat der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme „Hirntod und Entscheidung zur Organspende“ veröffentlicht: „Die Organtransplantation [ist ein wichtiger] Bereich der Medizin, der dazu [beiträgt], das Leben schwer kranker Menschen zu retten. Umso bedeutsamer ist es, dass die Bevölkerung Vertrauen in diesen Bereich der medizinischen und pflegerischen Versorgung hat. […] Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, seine individuelle Entscheidung zur […] Organspende auf der Grundlage hinreichender Informationen zu treffen.“ Dies gilt auch für die Frage, wann der Mensch tot ist. „Um das […] Vertrauen in die Transplantationsmedizin in Deutschland zu stärken, sind Transparenz und eine offene gesellschaftliche Diskussion notwendig.“ Diese möchte der Deutsche Ethikrat mit seiner Stellungnahme, die sich ausschließlich mit der Organspende nach Hirn

tod befasst, befördern. Der Deutsche Ethikrat hält es darüber hinaus für erforderlich, die Information und Kommunikation rund um die Organspende zu verbessern. Seine Empfehlungen beziehen sich auf die Gespräche mit Angehörigen, die Aufklärung der Bevölkerung und die Bestellung von Transplantationsbeauftragten. Ich glaube, genau das ist auch das, was wir bislang hier in den Reden – zumindest weitestgehend – ausgeführt haben. Ich glaube auch, das ist der Auftrag, dem wir uns weiterhin widmen sollen. Kollege Kubitzki hat auch darum gebeten, dass wir uns im Sozialausschuss weiter diesem Thema widmen werden. Es ist eben so – und das hat auch die Ministerin schon ausgeführt –, dass es nicht unbedingt das Problem der niedrigen Organspendebereitschaft ist, denn da ist mittlerweile ein Aufwärtstrend nicht nur in Thüringen, sondern auch in Sachsen-Anhalt und in Sachsen zu sehen. Aber Frau Meißner hatte es mit ausgeführt, es ist bei Weitem nicht ausreichend.

Wir müssen natürlich auch dafür Sorge tragen, dass nicht Angehörige in einer – wie Sie gesagt haben – schwierigen Situation noch mit einer Entscheidung konfrontiert werden, die es weiß Gott noch schwieriger macht. Denn darüber reden und darüber nachdenken können wir in einer Diskussion wie heute relativ einfach, aber in einer Situation, in der wir betroffen sind und es um Angehörige geht, stellt sich die Situation noch mal ganz anders dar. Aus meiner ganz persönlichen Sicht: Wenn im engsten familiären Umfeld ein Mensch mit Mitte 20 verstirbt, der sich bei Gott noch keine Gedanken über Organspende und alles, was damit zusammenhängt, gemacht hatte, dann ist es für die Angehörigen noch mal doppelt so schwer, eine Entscheidung zu treffen. Demzufolge ist es auch wichtig, dass wir schon ganz früh damit beginnen, uns mit dem Thema im Bereich der Schule auseinanderzusetzen – Sie hatten es angesprochen. Das kann sicherlich nicht nur im Bereich der Biologie sein, das hat auch was mit dem Ethik- und Religionsbereich und anderen Bereichen zu tun.