Protokoll der Sitzung vom 02.09.2016

(Abg. Fiedler)

Wolfgang sagte ja was zu den Beiträgen, dass die Fördersätze immer weiter runtergeschraubt wurden und damit natürlich die Beiträge gestiegen sind. Dann kam das Moratorium. Das Moratorium war zwar an sich gut gemeint, um – du hast gesagt – Ruhe im Land herzustellen. Eigentlich war es aber doch eine Wahlkampfgeschichte, um die nächste Wahl zu gewinnen, um der CDU die Mehrheit zu sichern und der CDU die Macht im Land zu sichern und daran bezahlen wir heute noch.

Dass das Land finanziell so aufgestellt ist, wie es ist, liegt auch mit daran, dass man damals einfach zwei Sachen versäumt hat, um die Abwasserbeiträge zu begrenzen: Man hat in der Planung die demografische Entwicklung nicht berücksichtigt; man hat zu große Kanäle, zu große Kläranlagen geplant. Und das Zweite ist: Man hat im ländlichen Raum keine gesonderte Förderung gemacht. Wenn ich nur die paar Kilometer von mir nach Bayern rüberschaue: Auch dort gibt es die Beiträge, dort ist Ruhe im Land, weil dort 80 Prozent gefördert worden sind und damit nur geringe Anteile an den Kosten auf die Bürger umgelegt worden sind. Wir wären ja froh gewesen, wenn wir 60 Prozent bekommen hätten. Das ist doch die Krux. Heute haben wir das Geld für die Fördermittel nicht mehr, weil wir Althaus’sche Wahlversprechen bezahlen müssen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu und auch das muss man hier einfach mal sagen. Ich könnte da einige Storys aus meinen 18 Jahren als Verbandsvorsitzender erzählen und was wir alles für Diskussionen hatten und wie wir auch teilweise, mein Werkleiter, mit den Kolleginnen und Kollegen von der CDU diskutiert haben, um andere Lösungen zu erreichen.

Und zu den Kleinkläranlagen: Das heute als „die“ Lösung für den ländlichen Raum zu verkaufen – das ist es doch nicht! Es ist doch einfach. Wir haben nur eins gemacht: Wir haben Menschen aus dem Solidarsystem entlassen, haben sie von der Entsorgungspflicht befreit und haben gesagt: Kümmert euch um euren eigenen Scheiß – auf Deutsch gesagt. Das war doch der Hintergrund. Wir machen alte Omas, Alleinstehende zu Klärwärtern, indem sie eine Kläranlage hinbauen müssen und indem sie die Kläranlage auch betreiben müssen. Dazu kommen dann noch die Wartungskosten und obwohl das Gewässer vor ein paar Jahren noch gute Einschätzungen hatte, kam dann das Phosphat und auf einmal ist es phosphatbelastet. Da sagt man: Na ja, 60 Prozent kommt von den Leuten und die 40 Prozent, das ist Landwirtschaft. Da kümmern wir uns aber nicht drum, sondern die Phosphatreduzierung müssen diese Menschen erbringen. Und dann fordern wir Kleinkläranlagen mit Phosphatfällung. Auf meine Anfrage damals noch als Verbandsvorsitzender an die TLUG, wie denn die Phosphatfällung funktionieren kann und ob dann überhaupt das Phosphat herausgenommen wird, hat mir der zu

ständige Mitarbeiter der TLUG gesagt: Das ist eine rechnerische Größe. Aber genau die rechnerische Größe ist die, die wir brauchen. Das sagt alles über das Konzept aus. Deswegen – ich will Tilo Kummer nicht wiederholen, er hat vorhin entsprechende Vorschläge gemacht, was wir auch im Koalitionsvertrag niedergeschrieben haben, woran wir auch im Wassergesetz mit dem Umweltministerium arbeiten.

Dass die AfD nur von uns abgeschrieben hat, viele Punkte auch noch falsch abgeschrieben hat und dann noch falsche Schlussfolgerungen gezogen hat und diese falschen Schlussfolgerungen auch noch zu Papier gebracht hat, das ist nun wahrlich nicht unser Problem. Deswegen kann man diesen Antrag auch nur ablehnen. Danke schön.

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Bringen Sie doch Vorschläge!)

(Beifall DIE LINKE)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Das Wort hat Ministerin Siegesmund für die Landesregierung.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst, bevor ich auf den Antrag eingehe, einige Ausführungen eher allgemeiner Art zur Abwasserentsorgung in Thüringen machen, auch um dem Antrag der AfD-Fraktion die Dramatik zu nehmen, die er zu vermitteln sucht.

Das Thema ist, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, denkbar ungeeignet für Ihre Zuspitzung und auch für jede Dramatisierung.

(Beifall CDU)

Sie schüren Ängste und Befürchtungen, für die es bei objektiver Betrachtung gar keinen Grund gibt. Mir kommt es darauf an, dass wir gerade in dieser Debatte einen sachlichen Ton anschlagen und das Plädoyer für eine sachliche Debatte ist mir übrigens deswegen so wichtig, weil wir aus der Geschichte wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass sich die Gewalt der Worte sehr rasch auch in einer Gewalt der Taten entladen kann. Das ist bei dem Thema wie bei vielen anderen Themen nicht zweckdienlich.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Doch nicht bei Kleinkläranlagen!)

Ja, wer von Kostenlawinen spricht und dass etwas plattgewalzt wird, der weiß schon, wovon er redet. Ich teile Ihre inhaltlichen Einschätzungen nicht. Sie sprechen von prognostizierten Gesamtkosten für die Abwasserentsorgung in Höhe von 3,2 Milliarden Euro. Nach den im Jahr 2014 überarbeiteten Ab

(Abg. Harzer)

wasserbeseitigungskonzepten der kommunalen Aufgabenträger betrug zu diesem Zeitpunkt das noch geplante Investitionsvolumen 2,8 Milliarden Euro, heute noch etwa 2,7. Das ist der erste Fakt, der zu einer sachlichen Debatte gehört. Interessanter ist der von Ihnen übrigens nicht genannte Betrag in Höhe von circa 5,5 Milliarden Euro, der bis heute in Thüringen bereits in die Abwasserentsorgung investiert worden ist. 30 Prozent davon waren im Übrigen Fördermittel von EU, Bund und Land.

Ja, in einem Punkt sind wir quer über alle hier anwesenden Fraktionen einig: 79 Prozent Anschlussgrad in Thüringen können uns nicht zufriedenstellen. Wenn wir nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und in andere Länder schauen und sehen, in welchem Zustand auch die entsprechenden Anlagen waren, dann ist in den 90er-Jahren viel geschaffen worden. Das hat man hier in der großen Aufholbewegung nicht getan. Ja, wir haben auch noch heute ein Problem damit, dass wir mit über 100 Abwasserzweckverbänden sehr schwere Entscheidungsprozesse miteinander in das Feld führen, die in anderen Ländern deutlich leichter geregelt sind. Auch das hat man in den 90er-Jahren nicht richtig gemacht.

Aber trotz allem ist Fakt: Zahlen, die man nicht nennt oder die man bewusst verdreht, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD-Fraktion, machen das nicht besser. Deswegen muss man dem auch die scheinbare Mystik nehmen, die Sie hier immer in den Raum stellen.

Schon zu Beginn der 90er-Jahre haben Experten geschätzt, dass der vollständige Aufbau einer den rechtlichen Anforderungen genügenden Abwasserentsorgung in Thüringen etwa 17 Milliarden Mark kosten würde. Heute geben die kommunalen Aufgabenträger dafür 8,2 Milliarden Euro an. Damit haben die kommunalen Aufgabenträger zwar noch eine beträchtliche Wegstrecke vor sich, aber zwei Drittel der insgesamt notwendigen Investitionen für die erstmalige Herstellung der Abwasserinfrastruktur sind bewältigt.

Sie reden von Zwangsgeldern der Europäischen Union wegen eines Verstoßes gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie. Es gibt, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht die geringsten Anzeichen für dieses Vertragsverletzungsverfahren.

Auch Ihre Darstellung der Wertentwicklung von Immobilien bedarf der Korrektur. Ein Grundstück gewinnt meiner Ansicht nach durch eine geordnete Ver- und Entsorgung an Wert und verliert nicht durch eine solche. Also lassen Sie es sich ganz platt illustrieren: Ein Plumpsklo im Garten wird ein Grundstück heutzutage mit Sicherheit nicht aufwerten, sondern das Gegenteil.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Dazu haben wir keine Ausführungen gemacht! Wo haben Sie das her?)

Vergleichen Sie die Preise für unerschlossenes und für erschlossenes Bauland. Da kann man das, glaube ich, gut erkennen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was unterm Strich bleibt, ist, dass wir am Wassergesetz arbeiten. Das befindet sich seit Monaten in der Ressortabstimmung. Glauben Sie mir, Frau Tasch und Herr Fiedler haben das vorhin illustriert, die wissen, wie Regierungshandeln funktioniert. Wir arbeiten daran, dass das zügig abgeschlossen werden kann, denn die Thüringer Landesregierung hat das Ziel, beim Thema Abwasserentsorgung zur Unterstützung des ländlichen Raums auch neue Wege zu gehen, nachhaltige Wege, um die Gewässerqualität zu verbessern und dabei sowohl sozialen als auch ökologischen und natürlich Kostenaspekten Rechnung zu tragen.

(Beifall DIE LINKE)

Zu diesem Wassergesetz gehört eben nicht nur der Teil Abwasser, dazu gehören die 10 Meter Uferrandstreifen, der unsere Gewässer vor Phosphoreinträgen schützen soll.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehören viele andere Punkte, die wir Ihnen auch zum Teil schon vorgetragen haben. Wichtig ist, dass das ein modernes Wassergesetz wird. Warum? Nicht nur, weil die Regierung diesen Anspruch insgesamt hat, sondern weil wir als Land Thüringen die letzten in der Reihe der Länder sind, die bereits in den letzten fünf Jahren ihre Wassergesetze novelliert haben. Wir sind diejenigen, die wenigstens aus diesem Unheil am Ende etwas machen können, indem wir sagen: Wir gehen jetzt voran mit besonders modernen Regelungen. Die Uferrandstreifen sind ein Beispiel, es gibt auch noch viele andere. Sie werden sehen, die Diskussion darum lohnt sich. Sie ist nicht einfach, aber ich lade Sie alle ein, daran teilzunehmen. Ich habe mich an dieser Stelle, auch wenn ich das richtig wahrgenommen habe, gefreut, mindestens bei Herrn Fiedler und Frau Tasch wahrgenommen zu haben, dass sie die Diskussion konstruktiv begleiten wollen. Das ist doch der richtige Weg – übrigens auch im Abwasserbereich. Ja, es muss eine solidarische Finanzierung geben. Ja, es geht um den ländlichen Raum, deshalb arbeiten wir so intensiv daran. Im Übrigen – es wurde jetzt schon zweimal gesagt – aber auch der AfD sei es noch mal ins Stammbuch geschrieben: Die Frage der Lösung von Kleingruppenkläranlagen haben wir längst auf den Weg gebracht.

(Beifall DIE LINKE)

Abschließend zur Verwendung des Aufkommens aus der Abwasserabgabe, weil auch das eine Frage war: Diese Mittel werden neben EU- und Bundesgeldern schon heute und entsprechend der gesetzlichen Zweckbindung für die Förderung der Ab

(Ministerin Siegesmund)

wasserentsorgung und die Förderung von Kleinkläranlagen sowie für Zwecke der Umsetzung der EUWasserrahmenrichtlinie eingesetzt. Ich verweise zu den Details der Verwendung des Aufkommens aus der Abwasserabgabe auf die Internetseite des Thüringer Finanzministeriums.

Meine Botschaft, die hören zu wollen Sie bei der AfD glaubten und deswegen auch diesen Antrag heute aufgesetzt haben, ins Land, die können Sie gern haben, die sieht so aus: Die Fragen der Abwasserentsorgung im ländlichen Raum gehen wir gewissenhaft, mit der nötigen Seriosität unter solidarischen und ökologischen Prämissen an. Was wir vorlegen werden, wird konstruktiv, wird wegweisend sein. Das ist genau die Politik, die der ländliche Raum, die das Land Thüringen braucht. Was wir nicht brauchen, sind halb gare Anträge oder die Verunsicherung der Bevölkerung – das löst eine Aufgabe nicht. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Damit ist die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz abgelehnt.

Es ist Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten beantragt. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Damit stimmen wir direkt über den Antrag der AfD in Drucksache 6/2263 ab. Herr Möller, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. Wir beantragen die namentliche Abstimmung.

Das hatten wir heute noch nicht.

(Heiterkeit im Hause)

Ich bitte die Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln, und eröffne die Abstimmung.

Hatten alle Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Ich schließe jetzt die Abstimmung und bitte um Auszählung.

Ich darf Ihnen das Ergebnis bekannt geben. 90 Abgeordnete sind anwesend, es wurden 82 Stimmen abgegeben, mit Ja stimmten 8, mit Nein 74 (na- mentliche Abstimmung siehe Anlage 1). Damit ist der Antrag der AfD abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 21

Weisungsrecht des Justizministers gegenüber der Staatsanwaltschaft abschaffen – Unabhängigkeit der Justizermittlungen gewährleisten! Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/2264

Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung? Herr Abgeordneter Brandner, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, ein weiteres wichtiges Thema. Nach der sozialverträglichen Abwasserentsorgung kommen wir zum Gebiet der Judikative. „Ich finde, die Ermittlungsbehörden müssen in ihren Entscheidungen frei sein. Wenn sich Politiker einmischen in Fragen, ob Ermittlungsverfahren eingeleitet werden oder nicht, geraten wir in eine ganz schwierige Grauzone, und zwar unabhängig davon, um welchen Fall es geht.“ Dieses Zitat, meine Damen und Herren, stammt nicht etwa von mir, sondern von Bundesjustizminister Heiko Maas, den ich mich hier ausnahmsweise mal traue zu zitieren, und der mit diesen Worten deutlich macht, welches Problem die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft ist. Dieses Zitat fiel übrigens im Rahmen der sogenannten Range-Affäre, die der Heiko aus dem Saarland alles andere als gut überstanden hat und der, wenn man „Spiegel Online“ heute liest, da auch nicht ganz aus dem Schneider ist und noch im Feuer steht.

Meine Damen und Herren, beim Weisungsrecht handelt es sich um eine Grauzone, in der der Einfluss des Justizministers auf Strafverfahren nicht kontrolliert oder ausgeschlossen werden kann. In dieser Grauzone verschmelzen die Gewalten, die ansonsten bei uns fein getrennt werden. Die Gewaltenteilung ist aber ein Garant für die Zähmung staatlicher Gewalt und Voraussetzung des Verfassungsstaats. Die wird hier durch die §§ 146 und 147 Gerichtsverfassungsgesetz durchbrochen. Genau dieser politische Zugriff auf die Staatsanwälte torpediert aus unserer Sicht das Vertrauen in den Rechtsstaat empfindlich. Dabei braucht es nicht einmal eine tatsächliche Intervention oder Weisung durch den Justizminister, um die Verfahren empfindlich zu stören oder zu beeinflussen. Auch der sogenannte vorauseilende Gehorsam – und damit

(Ministerin Siegesmund)