Das will ich Ihnen ganz klar mit „Mehr Demokratie“ auf den Weg geben. Vor allem die Sozialdemokraten sollten sich schämen, dass sie nicht mehr Einfluss darauf genommen haben und dass Thüringen, wahrscheinlich als einziges Land, den Tag der Deutschen Einheit nicht mehr feiert. Ich finde es unanständig, was hier passiert. Das ist für die, die damals hier die Wende und alles mit herbeigeführt haben, nicht nachvollziehbar. Es sollten sich hier alle schämen und da gibt es auch nichts zu lachen, sondern das ist todernst. Ob das Bündnis 90/Die Grünen und den Innenminister nicht interessiert, ist mir egal. Aber so etwas haben wir lange nicht erlebt! Wahrscheinlich liegt das an der neuen Konstellation; die Linken wollten es ja einmal nicht. Ja, das ist historisch, dass so etwas hier in unserem schönen grünen Herz, in Thüringen, passiert, dass man den Tag der Deutschen Einheit nicht mehr feiert. Das, muss ich sagen, ist einmalig.
Aber jetzt komme ich zurück, damit ich meine Zeit einhalte. Deswegen, meine Damen und Herren, zu „Mehr Demokratie“ ganz kurz noch mal zurück und ich muss einmal fragen: Wer sind denn hier eigentlich noch direkt gewählte Bürgermeister?
Ich will mal zu den Linken gucken, ich will mal zu den Grünen gucken, ich will mal zur SPD gucken; CDU mal die Arme hoch, das sind immer noch ein, zwei, drei, vier, viele. Zur rechten Truppe gucke ich nicht, die sind noch zu neu und die wählt ja auch nicht jeder. Deswegen, meine Damen und Herren, sich das so einfach zu machen, wenn man nicht mehr in kommunaler Verantwortung steht, das kann man machen, das ist Ihr gutes Recht, aber ich sage Ihnen: So einfach geht die Welt und dreht sich die Welt nicht.
Und zum Gemeinde- und Städtebund – Gudrun Holbe hat es gesagt –, da war doch der Adressat falsch. Die haben das an den Ministerpräsidenten gerichtet, ja, aber der Ministerpräsident hat das Ganze gar nicht eingebracht. Er hätte das an die Fraktionsvorsitzenden richten müssen. Die haben
das Gesetz eingebracht. Es geht mir gar nicht um viele gute Punkte. Herr Beck, damit das klar ist, es geht um viele gute Punkte, die darin sind, aber diese zusätzliche Abwahl des Bürgermeisters... Und was Sie gesagt haben, Herr Adams, Sie wissen doch genau, wie es geht, die zwei Drittel Ratsmehrheit und dann, ich weiß nicht genau, 30 oder 35 Prozent müssen trotzdem die Abwahl durchführen. Wenn Sie wissen wollen, welcher Bürgermeister das war, das war der Bürgermeister aus Arnstadt, wo Kuschel und Co. mehrfach versucht haben, den aus dem Amt zu drängen.
Deswegen, meine Damen und Herren, ich kann nur sagen, gehen Sie in sich, Sie machen sowieso mit Ihrer Von-oben-Politik alles kaputt. Das führen Sie hier jetzt weiter. Sie wollen also die Bürgermeister und die urgewählten Bürgermeister weiter entmachten. Das ist Ihr ganzes Ziel. Ich kann Ihnen sagen, wir werden dem nicht zustimmen.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Herr Fiedler, das müssen Sie jetzt auch aushalten können!)
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nein, das muss ich nicht aushalten! Einen IM muss ich hier kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit nicht abnehmen!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, irgendwie hat Herr Fiedler heute früh wieder die Reihenfolge der Tabletten verwechselt, aber das ist egal.
Dass die CDU dem nicht zustimmt, verwundert nicht. Es zeugt nur von einem gespaltenen Demokratieverständnis. Zu Recht hat Anja Müller gesagt, wer hier seit Jahren Demokratiebremser ist. Das ist die CDU. Vor allen Dingen kommt da auch Ihr Misstrauen gegenüber Bürgerinnen und Bürgern zum Ausdruck. Sie konstruieren hier, Bürgerinnen und
Bürger würden Instrumente, die wir ihnen zur Verfügung stellen, missbrauchen. Wir haben ein anderes Verständnis. Wir gehen davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr verantwortungsbewusst mit derartigen Instrumenten umgehen.
Im Übrigen ist zum Beispiel die Einleitung eines Abwahlverfahrens beim Bürgermeister durch Bürgerinnen und Bürger keine neue Sache in der Bundesrepublik. Brandenburg hat es, Nordrhein-Westfalen übrigens mit niedrigeren Quoren. Seitdem es das dort gibt, gibt es keine Welle der Einleitung von Abwahlverfahren. Insofern schüren Sie hier wieder Ängste und eine Politik mit Ängsten ist nie gut, sondern stärkt immer Kräfte, die wir möglichst hier nicht sehen wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gemeinden und Städte bestehen aus verschiedenen Akteuren: aus Bürgermeistern, aus Gemeinderäten, Stadträten, aber auch aus Bürgerinnen und Bürgern. Es kommt immer darauf an, das Verhältnis der Organe auch untereinander und zu Bürgerinnen und Bürgern ausgewogen zu gestalten. Mit dem Gesetz machen wir einen weiteren Schritt zu diesem ausgewogenen Verhältnis.
Wir haben eine ganz starke Stellung der Bürgermeister. Das ist in der Kommunalverfassung so festgeschrieben. Andererseits regelt zum Beispiel die Kommunalordnung, dass die Gemeinde vom Bürgermeister und Gemeinderat gleichberechtigt verwaltet wird. Insofern müssen wir als Gesetzgeber natürlich diesen Grundsatz immer wieder überprüfen, ob es da nicht zu Verwerfungen kommt.
Jetzt komme ich zu dem Unterschied, weshalb die Einleitung eines Abwahlverfahrens beim Bürgermeister wie auch die Möglichkeit der Abwahl sehr wohl berechtigt sind und beim Gemeinderat eben nicht. Der Bürgermeister kann als Einzelperson im gesamten übertragenen Wirkungskreis Entscheidungen treffen, ganz allein, ohne dass er den Gemeinderat informieren muss. Der Gemeinderat hingegen kann nur Kollegialentscheidungen treffen. Kein einzelnes Gemeinderatsmitglied kann eine Einzelentscheidung treffen. Das geht nicht. Wir haben ein paar Minderheitenrechte, was Informationspflichten oder Ausschussbesetzungen und dergleichen betrifft, aber Entscheidungen kann der Gemeinderat nur als Ganzes treffen.
(Zwischenruf Abg. Holbe, CDU: … in der Hauptsatzung formulieren, was der Bürger- meister machen kann!)
Da wir keine Sippenhaft in der Bundesrepublik haben und kein imperatives Mandat, ist es also nicht möglich, dass ein Kollegialorgan abgewählt wird, aber eine Einzelperson schon. Wer hier also for
dert, Kollegialorgane zur Abwahl zu stellen, der fordert einfach Verfassungsbruch und hat ein gespaltenes Verhältnis zu unserer Demokratie.
Da spricht einer, der weder zur Anhörung noch in den Ausschusssitzungen war, macht bla, bla, bla und fordert letztlich auf, dass wir unser ganzes demokratisches Gemeinwesen und unsere Verankerung in der Europäischen Union infrage stellen, weil Sie nicht begriffen haben, dass Gemeindeorgane eben keine Parlamente sind, sondern Verwaltungsorgane und wir uns in der EU zum Beispiel verständigt haben, dass deshalb diese Verwaltungsorgane durch alle EU-Bürger zu wählen sind. Daran sind wir gebunden. Das muss sich natürlich auch bei den Elementen direkter Demokratie widerspiegeln. Das heißt, Ihre Deutschtümelei passt nicht in das europäische Demokratiekonstrukt.
Wenn Sie das fordern, können Sie das ja machen, aber damit begehen Sie Verfassungsbruch, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Weil hier immer wieder Arnstadt thematisiert wird, noch mal: Es gab ein Verfahren, das ist durch die Freien Wähler und die CDU eingeleitet worden – die CDU im Stadtrat Arnstadt hat mit den Freien Wählern den Antrag gestellt. Die Linke hat es unterstützt, das ist richtig. Da gab es eine deutliche Zweidrittelmehrheit. Wer den Bürgermeister zur Sitzung des Gemeinde- und Städtebunds erlebt hat, weiß, warum diese Abwahl berechtigt stattgefunden hat.
Herr Alexander Dill ist mit 11 Prozent der Wählerstimmen im ersten Wahlgang in die Stichwahl gewählt worden – mit 11 Prozent! Bei der Abwahl waren es 26 Prozent – 41 Prozent Wahlbeteiligung, 55 Prozent haben für die Abwahl gestimmt. Jetzt fragen die Leute in Arnstadt: Wieso eigentlich ist dieser Mann noch im Amt? Eine klare Mehrheit de
rer, die hingegangen sind, ist für die Abwahl. Und jetzt kommt es: Nur Diktatoren bewerten die Nichtteilnahme an einer Wahl als Zustimmung. Darüber müssen wir nachdenken, meine Damen und Herren, wenn wir bei einer Wahl schon kein Mindestquorum stellen. An dem Verhältnis rütteln wir aber gar nicht. Es ist anerkannt: Wo eine Urwahl möglich ist, muss auch eine Abwahl möglich sein. Wir stärken übrigens damit die Stellung des Bürgermeisters, weil der Bürgermeister natürlich auch unter der Maßgabe in das Amt kommt, dass er sich dem Votum der Wähler bei allen Entscheidungen immer wieder stellen muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch etwas zum Ratsbegehren – dazu wurde gesagt: Angriff auf die repräsentative Demokratie. Wir sagen: Nein, es ist eine Ergänzung zur repräsentativen Demokratie. In vielen Gemeinden gab es in der jüngsten Vergangenheit das Instrument der Bürgerbefragung. Der Gemeinderat hat den Bürgerinnen und Bürgern eine Entscheidung zur Befragung vorgelegt. Diese Ergebnisse sind aber völlig unverbindlich. Das hat zu Irritationen geführt, dass die Bürgerinnen und Bürger dann erstaunt zur Kenntnis nehmen mussten, dass manche Gemeinderäte und Bürgermeister das Ergebnis der Bürgerbefragung nicht umgesetzt haben, weil es Ihnen nicht gepasst hat. Deswegen brauchen wir ein verbindliches Instrument …
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist wirklich eine aberwitzige Diskussion und Debatte. Mich treibt das nach vorn.