Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

soll die Bereitstellung von Verwaltungsdaten, unter anderem auch Umweltdaten, geregelt werden.

(Beifall Abg. Krumpe, fraktionslos)

Hierfür sprechen mehrere Gründe, unter anderem der Grund zur Heilung der Diskrepanz in der europäischen Strategie der Landesregierung zwischen Herrn Minister Prof. Hoff und Frau Ministerin Keller. In der Drucksache 6/2893 spricht sich Herr Minister Prof. Hoff für eine Eins-zu-eins-Umsetzung von EURichtlinien aus. Ich zitiere: „Die Landesregierung bekennt sich in der Europapolitischen Strategie dazu, EU-Recht möglichst im Verhältnis 1 : 1 umzusetzen. Dies entspricht auch der Haltung der Bundesregierung.“ Weder mit der Haltung von Minister Prof. Hoff noch mit der Tatsache, dass gemäß dem Kommunalrecht auch Landkreise zu der unteren Verwaltungsebene gehören, kann erklärt werden, warum die Landkreise weiterhin vom Geodateninfrastrukturgesetz betroffen sind bzw. warum die kommunale Schutzklausel nicht konsequent umgesetzt wurde. Ein weiteres Argument, diesmal für die sachliche Gleichbehandlung von Landkreisen und Kommunen, liefert der aktuelle Kommissionsbericht COM(2016)478. Hierin wird festgestellt, dass die tatsächlichen Kosten für die Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie die ursprünglich geschätzten Kosten massiv übersteigen. Deshalb empfiehlt die Kommission, zukünftig nur die Geodatensätze zu priorisieren, die auch mit der Überwachung und der Berichterstattung in Verbindung stehen. Thüringen aber macht genau das Gegenteil. Statt zu priorisieren wird der Adressatenkreis entgegen der Richtlinie ausgedehnt, ohne dass eine spezialgesetzliche Regelung für die Sammlung und Erhebung von berichtspflichtigen Geodaten auf der Landkreisebene vorliegt. Die Novelle führt zur Legitimation von Personal- und Sachkosten im Ministerium und in den Landkreisen, obwohl es keine konkreten Aufgaben zu erledigen gibt, da ja eine spezialgesetzliche Regelung zur Datensammlung auf Landkreisebene fehlt. Das mit der inkonsequenten Umsetzung der kommunalen Schutzklausel legitimierte Personal wird den Arbeitstag in Zukunft zwar irgendwie überstehen, aber für eine Förderung von sinnloser Selbstbeschäftigung in der Verwaltung hat der Freistaat kein Geld.

(Beifall Abg. Krumpe, fraktionslos)

Ich nenne das Budgetmaximierung in Reinform. Das Schlimme daran ist, dass sich die Landesregierung in Bezug auf ihr Hauptanliegen, nämlich im Zuge der Verwaltungsreform Verwaltungseffizienz zu schaffen, mit diesem Gesetzentwurf angreifbar macht. Vielen Dank für Ihr Interesse.

(Beifall Abg. Warnecke, SPD; Abg. Krumpe, fraktionslos)

Danke schön, Herr Gentele. Eine weitere Wortmeldung habe ich von Herrn Abgeordneten Krumpe.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen Abgeordnete, zunächst möchte ich meinem Vorredner, Herrn Gentele, danken, der den Gesetzentwurf und die damit verbundenen Problematiken nicht nur richtig eingeordnet hat, sondern auch die Widersprüche auf einem sehr hohen fachlichen Niveau dargelegt hat. Auch ich sehe einen Widerspruch zwischen der europapolitischen Strategie der Staatskanzlei und der des Landwirtschaftsministeriums. Herr Minister Prof. Hoff lehnt grundsätzlich Gold-plating, das heißt die zusätzliche Bepackung von EU-Richtlinien mit landesspezifischen Regelungen, ab. Frau Ministerin Keller hingegen fördert das Gold-plating, indem sie das CDU-Gesetz aus dem Jahr 2009 an einem ganz entscheidenden Punkt nicht ändert, nämlich der konsequenten Umsetzung der kommunalen Schutzklauseln. Im Übrigen teile ich in Bezug auf die Eins-zu-Eins-Richtlinienumsetzung die Auffassung von Herrn Minister Hoff uneingeschränkt.

Auch mir fehlen die Worte über die steigenden Bürokratiekosten beim Vollzug des Gesetzes. Seit 2009 ist das Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz in Kraft. Seit 2009 gibt es ein personell gut ausgestattetes ministerielles Kompetenzzentrum, welches den Aufbau der Thüringer Geodateninfrastruktur in Mitwirkung von mehr als 850 Kommunen und 17 Landkreisen koordiniert. Mit der Gebietsreform verringert sich die koordinierende Aufgabenlast dieses Kompetenzzentrums enorm. Zukünftig sind keine 900 Gesetzesadressaten mehr zu koordinieren, sondern nach der Reform bleiben nur noch circa 130 Kommunen sowie acht Landkreise übrig.

(Beifall Abg. Becker, SPD)

Mit der Annahme des Änderungsantrags der regierungstragenden Fraktionen …

Herr Krumpe, einen Moment bitte. Die Unruhe hier im Saal ist von hier vorn wirklich schwer erträglich. Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Annahme des Änderungsantrags der regierungstragenden Fraktionen werden zukünftig nur noch acht Landkreise von dem Gesetz betroffen sein, keine Kommune mehr. Die ministerielle Aufgabenlast reduziert sich also von knapp 900 zu koordinierenden Adressaten auf gerade mal acht

(Abg. Gentele)

Adressaten. Aber statt glücklich zu sein, endlich den Kritikern der Gebietsreform anhand dieses Gesetzes zu zeigen, welche Potenziale die Gebietsreform hat, nämlich Aufgaben und Kosten zu reduzieren, Mitarbeiter freizusetzen und diese verwaltungsintern dorthin umzuschichten, wo gerade die Bude brennt, passiert was? Frau Ministerin Keller schafft zwei neue unbefristete Stellen in ihrem Kompetenzzentrum, und das, ohne die heutige Debatte abzuwarten, ob der Gesetzgeber einen Personalaufwuchs bei offensichtlicher Aufgabenreduzierung legitimiert. Und für diejenigen unter uns, die sich für die Gebietsreform starkmachen – Minister, Abgeordnete, und da nehme ich mich persönlich gar nicht aus –,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das wuss- te ich!)

ist die Personalverstärkung trotz Aufgabenreduzierung ein Schlag ins Gesicht. Und wenn Ihre Ministeriumssprecherin, Frau Ministerin Keller, das gegenüber der TLZ auch noch gutheißt, dann ist das so zu interpretieren, dass es sich hierbei nicht um einen bedauerlichen Einzelfall handelt, sondern dass die Implikationen einer Gebietsreform in Ihrem Ressortbereich noch nicht angekommen sind, und das ist nach zwei Jahren Debatte eine Farce.

Nun zu der Mär, dass der antiquierte Technikklumpen namens „Geoproxy“ das Universalwerkzeug für alle Normadressaten sein soll: Die Nutzung von Geoproxy für die Geodatenbereitstellung tendiert nach sieben Jahren Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz deshalb gegen null, weil das nach außen rechtsverbindliche Organ im Gesamtprozess der Datenbereitstellung nicht zweifelsfrei einem Verwaltungsträger zugeordnet werden kann. Die Kommunen und Landkreise sind sich der verfassungsrechtlich sehr bedenklichen Verflechtungen der Verantwortungssphären beim Gesamtprozess der Geodatenbereitstellung bewusst und nehmen aufgrund dieses Mischverwaltungsverbots genau deshalb Abstand von der angebotenen technischen Infrastruktur.

Thüringen ist übrigens das einzige Bundesland, welches sich in die Mischverwaltungsbredouille begeben hat. Andere Länder waren da pfiffiger und haben ihre Geoproxys so gestaltet, dass diese ausschließlich eine reine Vermittleraufgabe zwischen Datenbereitsteller und Nutzer nach § 8 Telemediengesetz wahrnehmen. Aber Thüringen musste ja mal wieder einen Spezialweg gehen. Wenn man sich den Grad der Richtlinienumsetzung ansieht, kann dieser Spezialweg in die Rubrik „Pleiten, Pech und Pannen“ verwiesen werden. Und um ein wenig Heilung heute herbeizuführen, bitte ich Sie, meinem Änderungsantrag zuzustimmen. Herzlichen Dank.

(Beifall Abg. Höhn, SPD; Abg. Gentele, frak- tionslos)

Danke schön, Herr Krumpe. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor. Für die Landesregierung wünscht Frau Ministerin Keller das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes, das aus dem Jahr 2009 stammt und der Umsetzung der europäischen INSPIRE-Richtlinie dient, soll eine Anpassung an die Erfahrungen bei der Umsetzung dieses Gesetzes erfolgen. Die geodatenhaltenden Stellen, insbesondere des Landes und der Kommunen, sind verpflichtet, vorhandene digitale Geodaten im Rahmen einer Geodateninfrastruktur einheitlich bereitzustellen. Es liegen zwei Änderungsanträge zum Gesetzentwurf vor. Darin wird vorgeschlagen, die Einbeziehung der Gemeinden nun mit einer sogenannten Schutzklausel auf Geodaten und Geodatendienste einzuschränken, deren Erfassung oder Verbreitung rechtlich vorgeschrieben ist. Weiterhin wird mit einer Evaluierungsklausel eine Berichtspflicht gegenüber dem Landtag zum Jahresende 2018 eingebracht, die im Lichte der Erfahrungen bei der Umsetzung dieses Gesetzes zu einer Überprüfung der Regelungen anhält.

Dem Abgeordneten Krumpe möchte ich an der Stelle ganz herzlich danken.

(Beifall SPD)

In vielen, vielen Anfragen, Anträgen und Diskussionen zum Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz haben Sie letztendlich dazu beigetragen, dass jeder und jede hier in Thüringen von diesem wichtigen Gesetz erfahren hat. Im Übrigen halte ich allerdings – und das gestatte ich mir hier zu sagen – doch wenig davon, in der Öffentlichkeit komplizierte Fachthemen auf Basis von nicht nachvollziehbaren Behauptungen zu diskutieren, die aufgrund der spezifischen Tiefe nur schwer auch von Dritten zu verstehen sind. In dem Zusammenhang weise ich auch den Vorwurf in Bezug auf die beiden geschaffenen Stellen zurück. Ich habe mich dazu schon geäußert und ich meine, nicht die Verwaltung ist es, die das Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz zur Showbühne nutzt. Das will ich an der Stelle auch noch mal betont haben.

Ihren Vorschlägen zur Anpassung des Gesetzes konnte ja auch ein Stück weit gefolgt werden und deshalb wirklich ernsthaft: Danke für die Vorschläge.

An dieser Stelle möchte ich noch kurz auf die Einbeziehung von Geodatensätzen der Landkreise eingehen. Die INSPIRE-Richtlinie sieht vor, dass sie

(Abg. Krumpe)

nur dann für Geodatensätze gilt, wenn diese bei einer auf der untersten Verwaltungsebene eines Mitgliedstaats tätigen Behörde vorhanden sind oder für diese bereitgehalten werden, wenn nach dem Recht des Mitgliedstaats ihre Sammlung oder Vorbereitung vorgeschrieben ist. Nun kann man natürlich darüber streiten, ob Landkreise auf der untersten Verwaltungsebene tätig sind. Bei einem Teil ihrer Aufgaben wird das sicher so sein und bei einem anderen Teil wird es eben nicht so sein. In den Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten sowie der mitberatenden Ausschüsse werden die Landkreise nicht als auf der untersten Verwaltungsebene angesiedelte Behörde betrachtet.

Nach diesem Diskussions- und Entscheidungsprozess, der zur Änderung des Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes führen wird, bitte ich nun alle Beteiligten um zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderliche Konzentration auf die praktischen Tätigkeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren, begleitend zum Gesetzgebungsvorhaben wurde durch mein Haus ein Pilotvorhaben mit sechs kommunalen Gebietskörperschaften durchgeführt, in dessen Ergebnis zahlreiche kommunale Geodaten über den Geoproxy verfügbar gemacht wurden. Dieses Pilotvorhaben hat gezeigt, dass mit der Erstattung eines Mehrbelastungsausgleichs der Nerv der Gemeinden und Landkreise getroffen wird und eine Aktivierung der kommunalen Ebene zur Beteiligung an der Geodateninfrastruktur Thüringens erreicht werden kann. Die notwendigen Haushaltsmittel dafür sind im Landeshaushalt 2016 und 2017 bereits berücksichtigt.

Ich bitte Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich die Aussprache schließe. Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Änderungsantrag des Abgeordneten Krumpe in der Drucksache 6/3100. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen.

(Zwischenruf Abg. Krumpe, fraktionslos: Ge- trennte Abstimmung!)

Sie wollen Ihren Antrag getrennt abstimmen lassen? Wenn Sie es ein bisschen früher signalisiert hätten, hätte ich Ihren Antrag sofort zur Hand. Welche Punkte wollen Sie denn getrennt abgestimmt wissen? Nummer I, Nummer II und Nummer III? Gut. Dann stimmen wir getrennt ab.

Wer für die Annahme von Nummer I des Antrags des Abgeordneten Krumpe ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Abgeordneten Krumpe und Gentele sowie die AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Damit abgelehnt.

Wer für die Annahme der Nummer II des Antrags des Abgeordneten Krumpe ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Der Abgeordnete Krumpe, der Abgeordnete Gentele sowie die AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Damit mit Mehrheit abgelehnt.

Und wir kommen nun zur Abstimmung über die Nummer III des Antrags des Abgeordneten Krumpe. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind der Abgeordnete Krumpe, der Abgeordnete Gentele und die Kollegen der AfDFraktion. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen sowie der CDU-Fraktion. Damit mit Mehrheit abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da könnt ihr auch wieder zusammengehen!)

(Heiterkeit AfD)

Damit ist der Änderungsantrag insgesamt abgelehnt. Zusammenschlusstendenzen will ich jetzt gar nicht weiter bewerten.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten in der Drucksache 6/3126 unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung über den Änderungsantrag in der Drucksache 6/3100. Wer für die Beschlussempfehlung ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU-Fraktion, der AfD-Fraktion, des Abgeordneten Gentele und des Abgeordneten Krumpe. Gegenstimmen sehe ich nicht, Enthaltungen auch nicht, damit einstimmig angenommen.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 6/1640 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung zur Beschlussempfehlung in der Drucksache 6/3126. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU-Fraktion, AfD-Fraktion, des Abgeordneten Krumpe und des Abgeordneten Gentele.

Da der Gesetzentwurf angenommen wurde, kommen wir jetzt auch zur Schlussabstimmung. Wer für den Gesetzentwurf ist, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. Vielen Dank, das sind alle Kollegen. Sollte noch jemand dagegen sein, kann er sich jetzt erheben, und wenn er sich enthalten mag, kann er sich jetzt erheben. Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig so angenommen worden.

(Ministerin Keller)

Bevor ich den Tagesordnungspunkt schließe, möchte Abgeordneter Krumpe noch eine Erklärung zum Abstimmverhalten abgeben, was vom Saalmikrofon aus möglich ist.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Liebe Kollegen, ich möchte kurz mein Abstimmverhalten begründen, welches auf den ersten Blick nicht zu dem passt, was ich eigentlich gefordert habe.

Ein hoher Beamter sagte mal zu mir, Herr Krumpe, die Verwaltung müssen Sie sich vorstellen wie einen großen Tanker auf See, eine eingeleitete Richtungsänderung braucht seine Zeit, bis sich der Kahn dreht.

(Beifall Abg. Gentele, fraktionslos)