Protokoll der Sitzung vom 09.12.2016

(Beifall CDU)

Die Unterstützerunterschriften kamen unter anderem vom SPD-Chef Bausewein, auch von Landräten. Ich habe zunächst gedacht, ich bin im falschen Film, gerade vor dem Hintergrund, dass wir ja oft genug hier Anträge eingebracht haben und regelmäßig mit Engelszungen auf die Koalitionsfraktionen einreden und gebetsmühlenartig sagen: Die Kommunen brauchen mehr Geld.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Leider nicht beim Haushalt!)

Dann habe ich mir überlegt, es ist bald Weihnachten, vielleicht wandelt sich die SPD wie in der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, vielleicht werden die bisher gegenüber unseren Kommunen geizigen und scheinbar mit einem Herz aus Stein ausgestatteten Sozialdemokraten weich. Aber die Enttäuschung folgte leider schon am nächsten Tag.

(Beifall CDU)

Es kam eine harsche Absage wie beim alten Ebenezer Scrooge in der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Oder kurz gesagt: Das eben geschnürte SPD-Weihnachtspaket wurde vom Ministerpräsidenten und seiner Finanzministerin eingezogen. Der Ministerpräsident war bis vorhin, bis zum letzten Tagesordnungspunkt, da. Jetzt ist er leider nicht da, wenn es um die Finanzierung der Kommunen geht. Schade, sage ich an dieser Stelle.

(Beifall CDU, AfD)

Denn er hatte zu dem SPD-Paket gesagt, er sähe keinen Grund, von der zurückhaltenden Finanzpolitik Abstand zu nehmen. So wird der Ministerpräsident an dieser Stelle zitiert. Dazu muss gesagt werden, die Finanzpolitik der linksgeführten Regierung ist besonders zurückhaltend gegenüber den Kommunen. Für rot-rot-grüne Lieblingsprojekte ist allerdings Geld in Hülle und Fülle vorhanden.

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Meinen Sie die Bildung?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die CDUAnträge zur besseren Finanzausstattung der Kommunen wurden mehrfach hier in diesem Hohen Hause eingebracht. Am Ende geht das Ganze immer so aus, dass es keinen Cent mehr gibt, viel schlimmer noch, die Kommunen werden oftmals an dieser Stelle vom Linken-Abgeordneten Kuschel

und auch der SPD-Finanzministerin verspottet, wir haben das heute von Herrn Kuschel schon wieder gehört. Ich sage an dieser Stelle auch als Kommunalpolitiker ganz klar: So geht man mit unseren Kommunen nicht um in diesem Land!

(Beifall CDU, AfD)

Meine Damen und Herren, die Kommunen haben es einfach leid, verspottet und an der Nase herumgeführt zu werden. Wenn der Ministerpräsident dieses Landes den Landräten vorwirft, sie gäben das Geld anderer Leute aus, weil die Landkreise keine eigenen Steuereinnahmen mehr haben, dann ist das einfach nur unverschämt,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Nein, es ist Tatsache!)

und so hat es eben auch der SPD-Landrat Heimrich auf der Landkreisversammlung richtig benannt.

(Beifall CDU)

Die SPD sollte einfach mehr auf ihre Basis hören und endlich den Kommunen in dem Land finanziell unter die Arme greifen, sonst droht die Forderung der Thüringer SPD

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: So, wie Sie jahrelang gekürzt haben!)

nach zusätzlichen 100 Millionen Euro für die klammen Kommunen im Freistaat einfach zu verpuffen, und Sie sollten neben den Kommunen zumindest in einem Punkt auf Ihren Bundesvorsitzenden hören. Der SPD-Chef Sigmar Gabriel rät seinen Thüringer Genossen auf dem Landesparteitag, die Gebietsreform besser zu überdenken, denn Dörfer und Gemeinden müssen Heimat bieten. Er hat recht! Und die SPD sollte auf ihren Bundesvorsitzenden hören!

(Beifall CDU)

Liebe Abgeordnete der SPD-Fraktion, Sie haben heute die Möglichkeit, einerseits Ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzuhalten und andererseits Ihren Parteitagsbeschluss umzusetzen. Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck, zeigen Sie Mitgefühl wie Ebenezer Scrooge am Ende der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens! Unterstützen Sie heute den Antrag der CDU-Fraktion, unterstützen Sie heute die Kommunen in diesem Land, denn sie haben es verdient!

(Beifall CDU, AfD)

Als nächster Redner erhält Abgeordneter Höhn, Fraktion der SPD, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, soeben wurden Sie Zeuge von Maiks Märchenstunde.

(Beifall und Heiterkeit DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Gibt es da nicht Ärger mit dem Bundesvorsitzenden?)

Ich finde es schon erstaunlich, lieber Kollege Kowalleck, in welch kurzer Zeit die CDU-Fraktion auf dem Weg von Regierungsverantwortung hin zu den Oppositionsbänken ihre finanzpolitische und ihre kommunalfinanzpolitische Kompetenz irgendwo im Nirwana hat liegen lassen. Es ist schon frappierend, was Sie da für eine Entwicklung vollzogen haben. Das muss ich Ihnen an dieser Stelle mal sagen.

(Unruhe CDU)

Ihre Rede eben war ein Ausdruck von wirklich finanzpolitischer Naivität, wie ich sie selten in diesem Haus erlebt habe. Aber wir kommen noch dazu.

(Beifall SPD)

(Unruhe CDU)

Ich werde Ihnen an Ihrem eigenen Antrag vorführen, welche Auswirkungen das für die kommunale Familie hätte, würden wir ihn eins zu eins umsetzen. Ich bin ja zum einen schon mal dankbar – klar, das ist alles gut gemeint, was Sie mit Ihrem Antrag vorhaben, aber es gibt eben immer noch einen signifikanten Unterschied zwischen „gut gemeint“ und „gut gemacht“. Dazu kommen wir noch im Laufe dieser Debatte. Im Übrigen muss ich feststellen, Sie sind ein bisschen spät dran mit Ihrem kommunalen Geschenkepaket kurz vor Weihnachten. Üblicherweise machen Sie das ja immer am Vorabend Ihres Landesparteitags, der war vor drei Wochen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Zwischenzeit war auch der von der SPD, da haben Sie was gehört von 100 Millionen Euro: Aha, da müssen wir jetzt einen Antrag schreiben. Das Ergebnis haben wir jetzt hier auf der Tagesordnung. Okay, das kann man so machen, aber schauen wir uns doch mal die Fakten an. Im Übrigen zeigt sich in den letzten anderthalb Jahren immer wieder, dass Ihr finanzpolitisches Versagen bei der Haushaltsdebatte 2016/2017 mit nichts zu kompensieren ist, und da helfen auch solche Anträge nicht. Das aber vorab geschickt.

Meine Damen und Herren, Sie schlagen in Ihrem Antrag – und da nehme ich ihn wörtlich – „eine allgemeine, nicht zweckgebundene Landeszuweisung in Höhe von je 50 Millionen Euro zur Stärkung der […] Finanz- und Investitionskraft“ vor. Mit dieser Formulierung ist zunächst erst mal eines klar: Den

(Abg. Kowalleck)

Großteil der von Ihnen angedachten Summe kann man für Investitionen nehmen, aber er wird höchstwahrscheinlich irgendwo in den Verwaltungshaushalten der Kommunen versickern. Damit wird auf jeden Fall erst einmal keine Investitionskraft gestärkt. Das muss man dann schon etwas schärfer formulieren, meine Damen und Herren. Zudem wollen Sie auch noch die Schlüsselzuweisungen nach Gemeindeaufgaben und Landkreisaufgaben aufteilen. Im Übrigen ist das eine fundamentale Abkehr der von Ihrem ehemaligen Finanzminister Wolfgang Voß ins Leben gerufenen Neuordnung des Finanzausgleichs, wonach es seitdem eben aufgabenbezogene Finanzzuweisungen gibt und genau diese Unterscheidung nach territorialer Kategorie abgeschafft worden ist. Und die wollen Sie hier durch die Hintertür wieder einführen – aber das nur nebenbei. Danach würde die Gemeindeebene – wir haben das wirklich mal durchgerechnet, was Sie hier vorgelegt haben – etwa knapp über 20 Millionen Euro von den 50 Millionen Euro pro Jahr bekommen und entsprechend knapp 30 Millionen Euro die Landkreise und kreisfreien Städte.

Aber jetzt haben Sie das noch einmal mit einem Fachbegriff untersetzt und wahrscheinlich selbst nicht so richtig gewusst, was Sie da reinschreiben. Sie schreiben in Ihrem Antrag: eine Verteilung an Gemeinden mit unterdurchschnittlicher Steuerkraftmesszahl bzw. an Landkreise und kreisfreie Städte mit unterdurchschnittlicher Umlagekraftmesszahl. Was passiert denn, wenn man das so macht? Zunächst einmal: Wenn man das so formuliert, dann muss man schon darauf achten, dass das auch korrekt ist. Nimmt man das wörtlich, dann wäre die Einwohnerbezogenheit weg, dann würden die großen Kommunen im Land überhaupt nichts davon haben. Ich gehe mal wohlwollend zu Ihren Gunsten davon aus, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie die Verteilung mit unterdurchschnittlicher Umlagekraft- und Steuerkraftmesszahl je Einwohner gemeint haben können. Dann wird möglicherweise noch halbwegs ein Schuh daraus, aber das steht explizit nicht hier.

Dann sollten Sie auch noch einmal klarstellen, ob die im Jahr 2016 oder 2017 ermittelte Steuerkraftmesszahl bzw. die Umlagekraftmesszahl der Berechnung zugrunde zu legen ist. Was Sie hier reingeschrieben haben, lässt alle möglichen Interpretationen zu. Und es hat eine Wirkung, meine Damen und Herren, das ist unser größter Kritikpunkt: Was Sie hier vorlegen, ist das Prinzip „Gießkanne“ – und das kann und soll nicht der Verteilungsmaßstab für die Kommunalfinanzen sein.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, man muss wirklich einmal versuchen, das auch rechnerisch nachzuvollziehen. Das Abenteuerlichste an diesem vorge

schlagenen Verteilungsschlüssel ist: Wenn man davon ausgeht, dass die kreisfreien Städte und auch das Gros der Mittelzentren, eigentlich fast alle Mittelzentren in der Steuerkraftmesszahl, meist leicht oder manche sogar deutlich über dem Landesdurchschnitt liegen, dann bedeutet das, meine Damen und Herren – Herr Kowalleck, hören Sie genau zu –: Nicht ein einziges Mittelzentrum, die Oberzentren schon gar nicht, in ganz Thüringen würde von Ihrem Vorschlag auch nur mit einem einzigen Cent profitieren – nicht mit einem einzigen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Das habe ich nicht erfunden, das ist Ihr vorgeschlagener Verteilungsschlüssel. Alle Mittelzentren Thüringens sind von Ihrem Vorschlag sozusagen nicht betroffen, das sollten Sie sich einmal zu Gemüte führen. Wahrscheinlich haben Sie sich das an dieser Stelle gar nicht ausgerechnet, das soll ja vorkommen, aber dann müssen Sie sich über die Qualität Ihres Antrags selber im Klaren werden. Bei den kreisfreien Städten ist es ohnehin so, dass sie bei der Umlagekraft über dem Landesdurchschnitt liegen und von diesem Verteilungsmaßstab rein überhaupt gar nichts hätten.

Es kann ja sein, dass das politisch gewollt ist. Wenn man sich einmal anschaut, dass beim Gros der kreisfreien Städte und auch der Mittelzentren durchaus die Rathäuser unter sozialdemokratischer Führung liegen, dann kann man vielleicht ein bisschen politisches Kalkül unterstellen. Aber so weit will ich an dieser Stelle gar nicht gehen. Allein die rechnerische Nachvollziehbarkeit Ihres Vorschlags ist hier an dieser Stelle überhaupt nicht gegeben.

Wenn ich mir dann die Begründung anschaue, womit Sie das gegenfinanzieren wollen – Sie wissen selbst genau, Sie haben es jahrzehntelang, kann man sagen, selbst vollzogen: Die Seriosität von Finanzausgabevorschlägen ist in entscheidendem Maße abhängig von den sogenannten Deckungsvorschlägen, also woraus man das alles finanzieren will. Sie suggerieren in Ihrem Antrag, Thüringen schwimme im Geld. Das muss ich ganz klar sagen. Auf der anderen Seite halten Sie dieser Koalition vor, wir würden nicht genug sparen, obwohl wir die Nettoneuverschuldung nach wie vor konstant bei null halten, wir sogar in die Schuldentilgung gegangen sind. Aber das reicht Ihnen alles nicht aus. Das kritisieren Sie. Sie kritisieren aber auf der anderen Seite, dass wir nicht genug Geld ausgeben. Finanzpolitische Seriosität, meine Damen und Herren, sieht wirklich anders aus.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen, meine Damen und Herren, kann ich in der Gesamtschau Ihres Antrags nur zu dem Ergebnis kommen, dass man einen solchen handwerklich schlechten, unseriösen Antrag einfach nur ablehnen kann.

Nun bin ich ja hoch erfreut, meine Damen und Herren, dass die Kollegen der CDU ganz offenkundig sehr, sehr aufmerksam die Geschehnisse und die Beschlussfassungen auf dem SPD-Landesparteitag verfolgen. Das ehrt uns an dieser Stelle, muss man da sagen. Vor allen Dingen ist das für mich ein Zeichen: Vielleicht nehmen Sie uns doch ein bisschen ernst an der Stelle.