Protokoll der Sitzung vom 23.02.2017

Ich habe zum Beispiel diesen Diplomaten aus Marokko gefragt, warum so viele Marokkaner in Deutschland Asyl beantragen. Ich habe dann noch dazu gefragt, ob Marokko jetzt wirklich keine Demokratie ist, ob es da Probleme gibt. Er hat zu mir gesagt: Es gibt 33 politische Parteien, elf davon sind im Parlament und drei bilden die Regierung. Also ist es auf jeden Fall schon mal eine demokratische Regierung. Das ist eine gemäßigte islamische Regierung.

(Beifall AfD)

Die Rot-Grünen machen daraus eine Diktatur, die dann Homosexuelle verfolgt. So etwas kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Jetzt möchte ich aber weitermachen. Ich dulde jetzt keine Zwischenfrage mehr.

Ziel des Antrags ist die Definition der sicheren Herkunftsstaaten im Asylgesetz. Das müssen logischerweise alle Staaten sein, die nicht ausdrücklich als unsichere Herkunftsstaaten anerkannt sind. Wir werden also mit unserem Alternativantrag für eine Umkehr der Rechtslage sorgen. Nur ein solcher Systemwechsel im Asylrecht schützt unser Land vor der bekannten rot-grünen Blockadepolitik und den katastrophalen Auswirkungen für unsere innere Sicherheit und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die wir bereits in Ansätzen erleben mussten. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als nächste Rednerin hat Frau Astrid Rothe-Beinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rudy von der AfD kann vielleicht nichts für das, was er hier vorgelesen hat. Das hat ihm ja nur sein Referent aufgeschrieben, sagt er. Das macht es aber deswegen nicht besser.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir diskutieren hier einmal mehr zur Frage der Erweiterung der Liste sogenannter „sicherer Herkunftsstaaten“ und es wird Sie ganz sicher nicht verwundern, dass wir diesem Ansinnen selbstverständlich nicht folgen werden. Meine Kollegin Sabine Berninger hat hier schon umfänglich ausgeführt. Ich will deswegen nur ein paar kurze Anmerkungen machen. Damit Sie vielleicht noch mal was anderes hören, als das, was Ihnen von der AfD Ihr Referent aufschreibt, will ich Ihnen aus dem Bericht von Amnesty International zitieren, wie sich für Amnesty International die Situation in besagten Ländern darstellt.

Die CDU fordert mit ihrem Antrag, dass sich die Landesregierung im Bundesrat dafür einsetzen soll, Algerien, Marokko und Tunesien als sogenannte „sichere Herkunftsstaaten“ anzuerkennen. Um es schon einmal vorwegzunehmen, auch wenn die CDU das nicht wahrhaben will: Thüringen wird keiner Erweiterung einer Liste von sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ zustimmen. So viel ist jedenfalls sicher.

(Beifall DIE LINKE)

Wir lehnen es ganz grundsätzlich ab, Herkunftsländer von Geflüchteten als per se sicher zu definieren. Da meine Kollegin Frau Berninger schon darauf eingegangen ist, will ich es auch noch einmal am Beispiel Afghanistan ganz kurz beschreiben: Es gibt eine Übersicht aus dem UNAMA-Bericht über

die Anzahl der zivilen Todesopfer, wie sie sich in Afghanistan entwickelt hat. Wenn man sich diese anschaut, waren es 2009 schon erschreckende 5.969 getötete Menschen, im Jahr 2013 8.638 tote Zivilisten und im Jahr 2016 – hört, hört – schon 11.418 tote Zivilistinnen und Zivilisten. Wer dann davon spricht, Afghanistan sei sicher – und ich habe gestern bereits den aus meiner Sicht zynischen Ausspruch unseres Bundesinnenministers zitiert –, der will offenkundig nicht wahrhaben, wie die Situation in diesem Land tatsächlich ist.

Ich will auch noch erwähnen, dass das Konstrukt der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ganz klar im Widerspruch zum individuellen Grundrecht auf Asyl steht. Das Ziel des CDU-Antrags, mit der Einstufung dieser Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ eine abschreckende Wirkung gegenüber Asylsuchenden aus diesen drei Ländern zu erzielen, lehnen wir ebenfalls ab.

(Beifall DIE LINKE)

Denn das Asylrecht ist ein Grundrecht, auf das jede und jeder Anrecht hat, der oder die auf der Flucht ist. Um es mit PRO ASYL zu formulieren: „Abschreckung darf nicht die Leitlinie einer an Menschenrechten orientierten Asylpolitik sein.“

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme jetzt zur Situation in den Maghreb-Staaten, weil sich diese durchaus anders darstellt, als im Antrag der CDU, wenn man den Jahresbericht von 2016 von Amnesty International liest. Ich will zunächst auf Marokko eingehen. So drohen einem marokkanischen Journalisten aufgrund eines regimekritischen Artikels derzeit 20 Jahre Gefängnis, andere Journalistinnen und Journalisten haben an einer Schulung für Bürger-Journalisten teilgenommen. Ihnen drohen allein aufgrund der Teilnahme an dieser Schulung fünf Jahre Haft. Marokkanische Behörden schränken regelmäßig Rechte ein, Proteste gegen soziale und wirtschaftliche Missstände werden gewaltsam aufgelöst. Frauen sind vor dem Gesetz sowie im täglichen Leben Diskriminierungen ausgesetzt. Gleichgeschlechtliche Ehen sind strafbar – das erwähnte meine Kollegin Diana Lehmann schon – und auch im letzten Jahr sind Todesurteile erfolgt und vollstreckt worden. Was da sicher sein soll, das mögen Sie uns erklären können. Ich kann es nicht.

Kommen wir jetzt zu Algerien. Über Algerien haben wir eben vieles gehört, nur nicht das, was sich im Bericht von Amnesty International wiederfindet. In Algerien werden Journalistinnen, Satirikerinnen, Satiriker, Regierungskritikerinnen und Menschenrechtsanwältinnen regelmäßig zu Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt. Es wird von Todesfällen in der Haft berichtet, es gibt Todesurteile. Die Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind eingeschränkt. Kritik an hohen

(Abg. Rudy)

Amtsträgern und Sicherheitskräften ist unter Strafe gestellt. Demonstrationen werden verboten. Der UN-Sonderberichterstatter und auch internationale NGO erhielten keine Erlaubnis, Menschenrechtsverletzungen vor Ort zu untersuchen.

Nun zu Tunesien. In Tunesien sind aufgrund des im November 2015 verhängten Ausnahmezustands und auf Grundlage der Antiterrorgesetze die persönliche Freiheit, das Recht auf Freizügigkeit, die freie Meinungsäußerung und auch die Versammlungsfreiheit willkürlich eingeschränkt. Demonstrationen werden verboten, Versammlungen gewaltsam aufgelöst, Medien kontrolliert und zensiert. Es gab tausende Durchsuchungen, Festnahmen, in vielen Fällen ohne jeglichen richterlichen Beschluss. An der Grenze zu Libyen und Algerien gab es zudem immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen mit dem Islamischen Staat. Jetzt sagen Sie mir selbst: Ist das ein Kriterium für sicher? Ich kann Ihnen sagen: Das ist es ganz sicher nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Situation in den Maghreb-Staaten ist keineswegs sicher. Die pauschale Unterstellung, dass Schutzsuchende aus diesen Staaten keine Schutzgründe haben, ist daher grundfalsch. Der Bund hat sich offenkundig nicht ausreichend mit der Menschenrechtslage, der Rechtsanwendung und den allgemeinen politischen Verhältnissen befasst. Einzig das Interesse, Asylsuchende schneller abschieben zu können, statt darüber nachzudenken, wie legale Fluchtwege und Einwanderungen ermöglicht werden können, ist für uns jedenfalls kein Maßstab für unsere Politik. Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ist zudem weder ein geeignetes Instrument, um Zuwanderungen aus den Maghreb-Staaten zu regulieren, noch die Rückführung abgelehnter Asylbewerberinnen und Asylbewerber zu beschleunigen.

Zum Antrag der AfD nur so viel: Herr Rudy hat richtig vorgelesen, dass es da um eine Umkehrung des derzeitig geltenden Rechts geht. Wir werden das ganz sicherlich nicht mitmachen und lehnen diesen Antrag – jenseits der hier vorgetragenen Begründung – selbstverständlich ab. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegt noch eine Wortmeldung vor. Herr Abgeordneter Herrgott.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde immer interessant,

wer hier mit welchen Quellen was auch immer gern begründen möchte.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie haben gar keine Quelle genannt!)

Da will ich mal bei Amnesty International etwas zitieren. Amnesty International, 24.02.2016 – das ist jetzt nicht ganz so lange her: „Deutschland verliert Menschenrechte aus dem Blick“. Ich zitiere: „Bei Menschenrechtsverletzungen denkt man zuerst an Länder wie Saudi-Arabien, Iran, China oder Nordkorea. Amnesty International listet in seinem Jahresbericht aber insgesamt 160 Staaten auf, in denen die Menschenrechte nicht ausreichend geachtet werden. Dazu zählen auch europäische Länder, wie Schweden, Spanien, Polen und Deutschland“, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wollen Sie die Angaben ins Lächerliche ziehen?)

Sie sagen, Amnesty International zählt Menschenrechtsverletzungen auch für die Maghreb-Staaten auf. Wenn Amnesty International sagt, auch in Deutschland werden die Menschenrechte nicht geachtet – und hier werden noch ganz viele konkrete Beispiele aufgezählt –, dann zweifle ich doch die Relevanz dieser Quelle an.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Weil Sie keine Ahnung ha- ben, weil Sie nicht wissen, wie es zustande kommt!)

Natürlich hat Amnesty International verschiedene Beispiele aufgezählt. Aber wenn ich das als einzige Quelle vornehme und sage, nur weil Amnesty International sagt, dort gibt es Menschenrechtsverletzungen, das höher werte als die Erkenntnisse unserer Sicherheitsbehörden, unserer Nachrichtendienste und der Bundesregierung, dann ist das ganz schön dünn. Wenn Amnesty International gleichzeitig sagt, dass in Deutschland genauso die Menschenrechte nicht geachtet werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist das alles ein bisschen dünn.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter Herrgott, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Berninger?

Natürlich. Na klar. Ich habe ja genug Zeit.

Ich finde das recht zynisch und will deshalb mit einer etwas zynisch klingenden Frage agieren.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Ist Ihnen bekannt, in welchen der Länder, aus denen Geflüchtete hier in Deutschland um Asyl bitten, Deutschland als sicheres Herkunftsland eingestuft ist?

Frau Berninger, das Konzept der sicheren Herkunftsländer, über das wir heute sprechen, ist ein Konzept, mit dem wir hier in Deutschland in unserer Asyl- und Flüchtlingspolitik agieren. Wenn wir uns auf die Länder des Balkans nach der erfolgten Einstufung und vor der erfolgten Einstufung als sichere Herkunftsländer einmal zurückbesinnen, dann sehen wir, wie dieses Instrument, das Sie aus sicherlich für Sie nachvollziehbaren, für uns nicht nachvollziehbaren Gründen ablehnen,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Nicht den verfassungsrechtlichen Kriterien entsprechend angewendet wird!)

wirkt und funktioniert und auch rechtmäßig ist. Deswegen erwarten wir, dass dieses Instrument auch dort, wo es angebracht ist, umgesetzt wird wie bei den Balkanstaaten und auch für die drei Staaten in Nordafrika.

(Unruhe DIE LINKE)

Da erwarten wir natürlich von Ihnen, dass Sie die Realität an der Stelle auch anerkennen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Herr Minister Lauinger, Sie haben das Wort für die Landesregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Fraktion der CDU fordert in ihrem Antrag die Landesregierung auf, sich im Bundesrat für die Einstufung der Länder Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten einzusetzen. Sie begründet ihren Antrag unter anderem mit ergänzenden Auswertungen der Bundesregierung, wonach in diesen Ländern weder staatliche Verfolgung noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung drohen würde. Das zweite tragende Argument ist, dass die Zahl der in Deutschland von Staatsangehörigen dieser Staaten gestellten Asylanträge in den letzten Jahren trotz stetig niedriger Schutzquoten angestiegen wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, beide Argumente sind unzutreffend.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich versuche, Ihnen das zu begründen. Die Bundesregierung hat im Februar 2016 einen Gesetzentwurf zur Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten vorgelegt. Zu diesem Gesetzentwurf hat der Bundesrat am 18. März 2016 eine umfangreiche Stellungnahme vorgelegt, die auch vonseiten der Thüringer Landesregierung unterstützt wurde. Maßgeblich stellte der Bundesrat im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf fest, dass neben den Schutzquoten für Asylsuchende aus den betreffenden Ländern die Verhältnisse sorgfältig darzustellen sind, die für die Feststellung einer politischen Verfolgung bedeutsam sind. Die Bewertung der Bundesregierung ist aber, so die Stellungnahme des Bundesrats weiter, mit Blick auf die hohen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an eine Einstufung als sicheren Herkunftsstaat stellt, zweifelhaft und demnach weiter begründungsbedürftig. Bis heute konnte nach unserer Einschätzung die Bundesregierung die in der Stellungnahme des Bundesrats aufgezeigten Zweifel nicht ausräumen.