Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Götze das Wort.

Ach, ich freue mich doch, Herr Fiedler, wenn ich vor Ihnen stehe.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Oh, ich freue mich immer, wenn der Staatssekretär kommt!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, seit dem Inkrafttreten des Vorschaltgesetzes wurde insbesondere im kommunalen, aber auch im politischen Raum weiterhin über Alternativen zu den im Vorschaltgesetz geregelten Gemeindestrukturen diskutiert. Insbesondere bewegte viele kommunale Vertreter das Anliegen, zum Auslaufen des Verwaltungsmodells

der Verwaltungsgemeinschaften eine Alternative zu erhalten. Speziell wurde eine Verbandsgemeinde wie zum Beispiel in Rheinland-Pfalz ins Auge gefasst. Diese Frage stand auch im Rahmen der Erarbeitung des Vorschaltgesetzes zur Debatte und wurde bereits umfassend diskutiert.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das hätte Herr Kuschel mal genauer erklären müssen!)

Letztlich entschied sich der Gesetzgeber nach Abwägung verschiedener Alternativen, die auch hier breit diskutiert wurden, die Verbandsgemeinde nicht in Thüringen als weiteres und neues Verwaltungsmodell für die Gemeinden einzuführen. Die Einführung des Modells der Verbandsgemeinde löst nicht die Probleme der in Thüringen vorhandenen kleinteiligen Gemeindestrukturen. Sie hat im Vergleich zu den Verwaltungsgemeinschaften kaum Vorteile, unter anderem weil in Verbandsgemeinden ebenso wie bei Verwaltungsgemeinschaften ein hoher Koordinierungs- und Einigungsaufwand erforderlich ist. Die Stärkung der Selbstverwaltungskraft bleibt hinter Einheits- und Landgemeinden vergleichbarer Größe zurück, da die gemeinsame Aufgabenerfüllung nur in Teilbereichen des eigenen Wirkungskreises erreicht wird. Insofern verweise ich auch hier nochmals auf die Gesetzesbegründung.

Die Landesregierung und auch insbesondere der Ministerpräsident waren – wie Sie wissen – in den letzten Monaten bereit, mit dem Verein „Selbstverwaltung für Thüringen e.V.“ über Änderungen des Vorschaltgesetzes zu sprechen. Dabei wurde auch die Frage der Einführung einer Verbandsgemeinde erneut aufgegriffen. Ziel der stattgefundenen Gespräche war das Ausloten von möglichen Kompromissen. Die Gespräche mit dem Vorstand des Vereins „Selbstverwaltung für Thüringen e.V.“ zielten darauf ab, die Bedenken an der Notwendigkeit einer Gebietsreform auszuräumen und gegebenenfalls einen Kompromiss zu finden. Klargestellt war dabei seitens der Landesregierung von Anfang an, dass über das Wie der Umsetzung der Gebietsreform verhandelt werden kann, nicht aber über das Ob. Denn die Landesregierung ist von der Notwendigkeit der Durchführung der umfassenden Gebietsreform zutiefst überzeugt. Eine Beibehaltung des Status quo angesichts der Herausforderungen, denen sich der Freistaat in den kommenden Jahren zu stellen hat, stellt keine verantwortungsbewusste und zukunftsorientierte Alternative dar. Das Ziel der Gebietsreform ist die Schaffung leistungs- und verwaltungsstarker Kommunalstrukturen, die dauerhaft in der Lage sind, die ihnen obliegenden Aufgaben sachgerecht, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich wahrzunehmen.

Der Verein „Selbstverwaltung für Thüringen e.V.“ – und das wurde hier bereits dargelegt – hat unmissverständlich klargemacht, dass das Vorschalt

gesetz in Gänze außer Kraft gesetzt werden müsse und es Verhandlungen über Teilaspekte nicht geben könne. Letztlich wurde auch dem Vorstand des Vereins durch die Mitgliederversammlung kein Mandat erteilt, über konkrete Varianten und Alternativen für die Gemeindeneugliederungen zu verhandeln. Insofern bleibt es nun bei dem Vorschaltgesetz und den darin geltenden Gemeindemodellen.

Und um in Ihrem Bild von der heißen Luft zu bleiben: Wenn man die heiße Luft als den Monsunwind versteht, der das Schiff der Gemeindegebietsreform nun vorantreibt, dann will ich diese heiße Luft durchaus begrüßen. Was Sie aber wollen, das ist die Flaute, damit Sie die Segel einholen können und in Thüringen überhaupt nichts mehr passiert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ihr werdet die Segel einholen müssen!)

So aber, Herr Fiedler, kommen Sie garantiert mit Thüringen nicht in die Zukunft. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Der Bürger wird euch zeigen, wo es langgeht! 40.000 waren schnell zusammen!)

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: 250.000 Unterschriften!)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe den dritten Teil und rufe den vierten Teil der Aktuellen Stunde auf

d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD zum Thema: „Die Anwendung des Versammlungsrechts in Thüringen bei Aufrufen zu Gewalt beziehungsweise zu kriminellen Handlungen durch den Veranstalter“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/3625

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Abgeordneter Herold, Fraktion der AfD.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Über Meinungsfreiheit wurde ja heute hier schon einmal heftig gestritten und für uns als junge Opposition ist es sehr erheiternd zu hören, wie sich die Blockparteien gegenseitig SED-Methoden vorwerfen. Dazu jetzt ein bisschen Theorie: „Das Recht des Bürgers, durch

(Staatssekretär Götze)

Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungsbildungsprozess und Willensbildungsprozess teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens.“ So drückte es das Bundesverfassungsgericht in der Brokdorf-Entscheidung im Jahr 1985 aus. Dem ist nur zuzustimmen. Die Grundlage für diesen Ausspruch bilden der Artikel 123 der Weimarer Reichsverfassung, Artikel 8 Abs. 1 des Grundgesetzes und Artikel 10 der Thüringer Landesverfassung. Alle Deutschen haben danach das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, ohne dass es dafür einer Genehmigung bedarf. Das Versammlungsrecht ist ein Abwehrrecht gegen den Staat, ein originäres Oppositionsrecht, das Freiheitsrecht der Bürger auf Meinungsbildung und politische Mitgestaltung. Es dient dazu, die Regierung auf Missstände aufmerksam zu machen und deren Beseitigung zu verlangen. Es liegt in der Natur des Menschen, dass die Größe des echten oder vermeintlichen Missstands proportional zum Erregungszustand ist und Unmutsäußerungen auch deutlich artikuliert werden können. Aus diesem Grund steht die Versammlungsfreiheit unter besonderem Gesetzesvorbehalt, der es unter anderem erlaubt, Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit Versammlungen zu verhindern oder zu unterbinden, auch das ist sachgerecht.

Dennoch kommt es immer wieder zu Gewalttätigkeiten bei und im Umfeld von linksextremen Demonstrationen, die teilweise zuvor sogar öffentlich angekündigt wurden. Am 3. Oktober 2015 wurden in Jena Polizeibeamte beim Löschen einer brennenden Mülltonne durch circa 15 vermummte Täter angegriffen. Es erfolgten Flaschenwürfe auf Polizeibeamte. Beamte wurden von Gegendemonstranten angespuckt und beleidigt. Die Bilanz dieser friedlichen Versammlung: 15 verletzte Polizeibeamte, zwei beschädigte Polizeifahrzeuge.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Unerhört, unerhört!)

Die Ereignisse von Leipzig am 12. September desselben Jahres mit 69 verletzten Beamten und 50 beschädigten Dienstfahrzeugen veranlassten sogar den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, der linksfeindlicher Einstellungen völlig unverdächtig ist, von offenem Straßenterror zu sprechen. Thüringer Autonome und Linke waren an dieser Gegendemonstration maßgeblich beteiligt. Im Vorfeld einer Kundgebung in Saalfeld am 9. Januar dieses Jahres wurde von einer Landtagsabgeordneten dieses Hauses die Aufforderung verbreitet: „Make racists afraid again – Thügida-Nazis stoppen“, und mit einem Gefahrenzeichen einer aufschießenden Flamme versehen. Durch einen derart aufgestachelten Teilnehmer einer linksextremen Gegendemo wurde ein Kundgebungsteilnehmer durch Fußtritte gegen den Kopf schwer verletzt. Die Landtagsabgeordnete hat übrigens seitens der Strafverfolgungsbehör

den nichts zu fürchten, da ja offiziell nichts gemacht wurde. Am 13. März dieses Jahres rief eine Gruppe namens „antifaschistische koordination erfurt“ dazu auf, anlässlich einer am heutigen Mittwoch stattfindenden Demo in Erfurt die zum friedlichen Protest gegen die Moscheebaupläne der Ahmadiyya-Sekte errichteten Holzkreuze durch Handarbeit zu Fall zu bringen. Bildlich werden entsprechende Werkzeuge dargestellt. Auf unsäglich unhistorische und dumme Weise werden dabei die Holzkreuze als Symbole des Ku-Klux-Klans verunglimpft, den es in Thüringen nie gegeben hat und nicht gibt.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Unhistorisch ist es, Kreuze gegen eine Moschee aufzustellen!)

Das Kreuz ist das Hauptsymbol der Christenheit.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Eine Hoch- partei!)

Es erinnert an den Tod des Religionsstifters und die Überwindung des Todes durch seine Auferstehung. Es ist damit Symbol für Erlösung und Hoffnung.

(Beifall AfD)

Als Kontaktadresse dieser gewaltaffinen Gruppe wird das Wahlkreisbüro der Bundestagsabgeordneten und Spitzenkandidatin für die diesjährige Bundestagswahl, Martina Renner, angegeben. Schon wieder ist also eine Mandatsträgerin einer auch hier im Landtag vertretenen Partei in Aufrufe zur Gewalt involviert. Wir fragen uns daher, wie eine Landesregierung, die einen bekennenden Linksextremisten derselben Partei zu ihrem Minister macht, den Bürgern dieses Freistaats glaubhaft versichern will, dass sie ihren Amtseid erfüllen, Recht und Gesetz wahren und durchsetzen will, wenn ihre führenden Personen wiederholt in Gewalttätigkeiten bei Versammlungen verwickelt sind. Wir fragen uns auch, warum die kommunalen Behörden, hier speziell die rot-rot-grüne der Stadt Erfurt, angesichts der bekannten Vorfälle in der letzten Zeit und der neuerlichen Ankündigung von Straftaten offenbar keine Veranlassung sehen, von den Möglichkeiten des Versammlungsrechts Gebrauch zu machen und dadurch geeignete Maßnahmen der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Kreuze sind ja nun zum Glück weg!)

Ich danke Ihnen.

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Henfling, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

(Abg. Herold)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin, die Aktuelle Stunde der AfD möchte Aufrufe von Gewalttaten bei Demonstrationen ahnden. Sie lässt dabei gern – das hat ja die Aufzählung von Frau Herold hier auch deutlich gemacht – Aufrufe beispielsweise von Thügida am 18.02.2017 in Saalfeld mit dem Titel „Auge um Auge“ weg und bezieht sich auf vermeintliche Aufrufe zu Gewalt aus dem – wie Sie das immer definieren – linksextremen Spektrum. Das zeigt einerseits die Engstirnigkeit und andererseits auch den Hintergrund dieser Aktuellen Stunde.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die AfD bezieht sich in ihrer Begründung explizit auf diese bis vor Kurzem – da geht mein herzlicher Dank an die Besitzer oder den Besitzer des Grundstücks in Marbach, der jetzt dafür gesorgt hat, dass diese Kreuze dort abgebaut wurden –

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

in Erfurt-Marbach gestandenen Kreuze als vermeintliche – wie Sie das hier gerade dargestellt haben – Symbole eines friedlichen Protests. Ich glaube, unhistorisch und vergessen ist, dass Sie es befürworten, dass Kreuze aufgestellt werden gegen das Errichten eines Gebetshauses einer nicht christlichen Religionsgemeinschaft.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Islamisti- schen! „Islamistischen“ heißt das!)

Sie sollten sich noch mal gut überlegen, ob Sie das „islamistisch“ hier immer wieder im Raum stehen lassen wollen, das ist nämlich schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Gegen diese Kreuze formiert sich verständlicherweise Protest. Auf die Protestkundgebung heute Nachmittag spielt auch diese Aktuelle Stunde an und sie tätigt in den Augen der AfD einen Aufruf zur Straftat. Dabei lohnt sich ein genauer juristischer Blick auf den Sachverhalt. Der Flyer ruft lediglich dazu auf, dass das KKK-Kreuz in Erfurt-Marbach fallen muss. Durch wen, wann und wo wird nicht erwähnt. Auch im Demonstrationsaufruf heißt es wortwörtlich: „Dies wollen wir mit einer Demonstration bekräftigen.“ Dem ist heute sozusagen auch quasi durch den Besitzer gefolgt worden, denn die Kreuze sind sicherlich nicht einfach so entfernt worden. Wie Sie auf Twitter sehen konnten, brauchte es dazu schweres Gerät. Ein Aufruf zu einer Straftat ist hier aus unserer Sicht nicht gegeben.

Die Rechtsstellung der Kreuze ist ein wesentlicher Punkt Ihrer Aktuellen Stunde. Sie haben hier

schwerwiegende juristische Fehler begangen, wie wir finden. Nach Aussage des Grundstückseigentümers sind die Aufsteller bisher nicht bekannt, außer man schaut vielleicht auf die Seite der „Bürger für Erfurt“, dort sieht man ein Video, wie die Kreuze aufgestellt werden. Wenn wir schon bei der Frage sind, wie es denn die AfD mit gewaltbereiten Neonazis hält, dann beachte man zwei Personen in diesem Video. Einer davon war mal Mitglied der „Freien Kräfte Lörrach“. Diese Gruppe „Freie Kräfte Lörrach“ stand 2009 unter Verdacht, einen Bombenanschlag auf ein linkes Zentrum in Freiburg geplant zu haben. So viel also dazu.

Nach Aussage des Grundstückseigentümers sind die Aufsteller bisher nicht bekannt – wie schon gesagt, die Polizei ermittelt. In der TA heißt es dazu: Sobald die Verursacher mithilfe der Polizei ermittelt seien, würden sie per Anwaltsschreiben aufgefordert, die Holzkreuze umgehend zu entfernen. Da sich bisher niemand zur Eigentümerschaft an diesen Holzkreuzen bekannt hat, hätten sie nach § 946 BGB damit in das Eigentum des Grundstücksbesitzers übergehen können, wenn sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks werden. Der Grundstücksbesitzer hat bekundet, die Kreuze selber entfernen zu wollen, und dies heute getan.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Da ist eine Volljuristin am Werk!)

Daher läge im Demonstrationsaufruf auch kein Aufruf zu einer Straftat begründet. Die Maßgabe für einen wesentlichen Bestandteil findet man in § 94 BGB. So muss der mobile Gegenstand fest mit dem Grundstück verbunden sein. Das ist hier aber nicht gegeben. Damit sind keinerlei Eigentumsansprüche erkennbar. Rechtlich gesehen waren die Kreuze also herrenlos. Bei herrenlosen Gegenständen kann man zum einen keine Sachbeschädigung durchführen nach § 303 StGB, zum anderen scheint die AfD ja selber gut mit der Gruppe der „Bürger für Erfurt“ vernetzt zu sein. Ich verweise hier auf den sehr gut recherchierten Artikel unter „thueringenrechtsaussen“. Dass Holzkreuze durch das Wirken einer mit Rechtsextremisten, Neonazis und AfDlern durchtränkten Gruppe herrenlos werden, ist ein irritierender Vorgang, den man wahrscheinlich nicht hinnehmen kann. Hinzu kommt, dass die Kreuze selber widerrechtlich errichtet wurden. So konnte man in der Ausgabe der „Thüringer Allgemeinen“ vom 15. März dieses Jahres lesen, dass der Besitzer des Grundstücks den Initiatoren der Aktion widerrechtliches Betreten fremden Eigentums und widerrechtliches Aufstellen von politischen Protestzeichen vorwirft. Es hätte also im Wirkungsbereich der AfD gelegen, den Zustand von herrenlosen Holzkreuzen hier in Thüringen zu beenden und bei den Ermittlungen der Polizei behilflich zu sein. Wir fordern die AfD auf, das auch entsprechend zu unterstützen und eventuell doch, wenn sie so gut mit den „Bürgern für Erfurt“ verbunden ist, der Polizei dabei