Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

Ausdruck von Leistungsfähigkeit ist. Deshalb kam das nicht zur Anwendung. Das hätten wir alles nicht geändert, sondern wir hätten nur vor 2006 ein Ermessen eröffnet für zwei Drittel der Gemeinden. Ab 2007 wäre alles geblieben. Jetzt hatten wir die Anhörung dazu und mussten zur Kenntnis nehmen, dass natürlich jede Stichtagsregelung sowohl verfassungsrechtlich als auch aus dem Grundsatz der Gerechtigkeit umstritten ist, denn es wird möglicherweise zweierlei Recht in einer Gemeinde geschaffen und ich behandle Beitragspflichtige unterschiedlich. Denn es liegt nicht im Ermessen der Beitragspflichtigen, ob die Maßnahme bis zum 01.01.2006 abgeschlossen war oder eben erst danach beispielsweise im Jahr 2007 oder 2008 oder noch später. Deswegen haben wir uns in der Koalition, weil wir nicht dogmatisch rangehen, sondern lösungsorientiert, verständigt, dass wir uns damit beschäftigen, eine Lösung für die Gegenwart und die Zukunft zu schaffen, von der alle etwas haben und nicht nur ein Teil. Deswegen haben wir jetzt eine Regelung gefunden, dass Kommunen sofort, wenn das Gesetz in Kraft tritt – das könnte im Mai sein –, die Beiträge absenken können auf bis zu 10 Prozent bei Hauptverkehrsstraßen, 15 Prozent bei Haupterschließungsstraßen, bei Anliegerstraßen bis auf 20 Prozent. Jetzt können es 75 Prozent sein. Das heißt, eine deutliche Entlastungsoption ist möglich.

(Unruhe CDU)

Wir erweitern den Kreis der Gemeinden, die das in Anspruch nehmen können, indem wir nämlich regeln, dass alle leistungsfähigen Gemeinden die Option nutzen können. Wir begrenzen den Erhalt der Bedarfszuweisungen auf drei Jahre und nicht auf den gesamten Zeitraum. Das heißt, jetzt können 90 Prozent der Gemeinden diese Option ziehen – 90 Prozent, sofort. Sie ist auch auf Maßnahmen anwendbar, wo die Beitragspflicht noch nicht entstanden ist. Ab 01.01.2019 gibt es die neuen Gemeinden flächendeckend, dann können diese neuen Gemeinden vollständig auf die Beiträge verzichten.

(Unruhe CDU)

Das auch nur unter der Maßgabe, dass sie einen geordneten Haushalt haben und in den letzten Jahren keine Bedarfszuweisungen gezahlt wurden. Das heißt, alle anderen Kriterien, die sich als untauglich erwiesen haben, wie eine Verschuldungsgrenze und dergleichen, sind raus. Insofern profitieren davon viel mehr Gemeinden und viel mehr Beitragspflichtige, und zwar dauerhaft. Wir lösen damit ein Problem dauerhaft und ab 2019 gilt in Thüringen die sächsische Regelung. Die Bürgerinitiativen haben immer gesagt, wenn die sächsische Regelung kommt, ist das vernünftig, weil dann auch vor Ort debattiert also konkret entschieden werden kann. Diese Option öffnen wir. Es ist ein weiterer Schritt hin zu mehr Beitragsgerechtigkeit und führt

nicht dazu, dass wieder einseitig der Landeshaushalt belastet wird. Wie gesagt, Wasser und Abwasser zum Schluss bei 1,5 Milliarden, das ist nur ein Programm für Banken, denn das meiste daran sind die Zinsen. Für einen Zeitraum von über 50 Jahren sind wir dort in der Zinsverpflichtung. Da ist diese Regelung jetzt beispielhafter und verbesserungswürdig.

Dass wir uns deshalb nicht näher mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf beschäftigen, ist nahe liegend, zumal diese Punkte bereits im Innenausschuss in der Anhörung ausgiebig thematisiert und geprüft wurden und uns alle Experten abgeraten haben, die Stichtagsregelung einzuführen – egal wo der Stichtag liegt. Auch für eine Stichtagsregelung vier Jahre rückwirkend gelten die von mir beschriebenen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch die von Ihnen vorgeschlagene Änderung, die Stundung von Beiträgen betreffend, erübrigt sich, weil die jetzige Regelung tatsächlich eine Wirkung entfaltet, die gut ist und tatsächlich auch dazu geführt hat, dass den Beitragspflichtigen soziale Ängste genommen wurden, weil diese Stundung schon ab 1.000 Euro Beitragsbelastung gewährt wird, und das im Regelfall sogar zinslos. Insofern bedarf es dessen nicht. Bei der Informationspflicht ist inzwischen Ordnung, § 13 kommt zur Wirkung. Die meisten Gemeinden halten sich daran. Das ist auch vernünftig, auch weil die Bürgerinnen und Bürger es einfordern, auch die Bürgerinitiativen, denen ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich danken möchte, denn ohne das Agieren dieser Bürgerinitiativen, wären wir jetzt nicht zu der in der Koalition vereinbarten Lösung gekommen. Wie das in einer Koalition üblich ist, mussten sich drei Partner verständigen. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen, dass wir uns auf die jetzige Lösung verständigt haben, denn sie bietet tatsächlich allen Beteiligten mehr, als wir eigentlich im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Dort wollten wir nur die rückwirkende Erhebung begrenzen und jetzt schaffen wir eine Lösung für das Heute und die Zukunft. Deshalb ist das, wenn wir das Gesetz im Mai beschließen, ein guter Tag für die Kommunen und auch für die betroffenen Beitragspflichtigen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Kellner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt hat es mich doch noch einmal vorgetrieben. Herr Kuschel, ich habe immer gewartet, dass Sie auf das Gesetz von der AfD eingehen,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Bin ich!)

aber das war ja nur am Rande ab und zu mal bei Ihnen aufgetaucht. Ich war wieder überrascht, was Sie alles von sich geben. Sie philosophieren von Ihrem neuen Antrag, als hätten Sie die Anhörung nicht mitgemacht, wo das, was Sie ursprünglich vorhatten, dann infrage gestellt wurde. Sie waren bei der Anhörung dabei. Es war vernichtend für das, was Sie auf den Weg gebracht haben – vernichtend. Nicht mal einer, nicht mal Ihre Klientel hat gesagt, dass der Gesetzentwurf, den Sie einbringen, gut ist – nicht mal die, also niemand.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Sie können ja einen besseren einbringen!)

Was Sie jetzt gemacht haben: Sie haben es klammheimlich umgedreht und versuchen jetzt eine Lösung zu finden, aber auch weit weg von dem, was Sie hier jahrelang propagiert haben.

(Beifall CDU)

Sie haben es heute mehrfach gesagt: Die Beitragspflicht stammt aus dem 19. Jahrhundert, wir sind eine moderne Partei, wir sehen nach vorn – keine Beiträge mehr, denn das ist aus dem 19. Jahrhundert. Sie haben immer gesagt: Wir schaffen alle Beiträge ab. Darauf hat sich der Wähler, der Sie gewählt hat, mit Sicherheit verlassen, denn das haben Sie ja ständig wie eine Monstranz vor sich hergetragen: Wenn wir drankommen, schaffen wir die Beiträge ab.

Dann haben Sie diesen unglücklichen Versuch eingebracht bzw. versucht, das Gesetz – ich sage mal – in die Richtung zu bringen, indem Sie aber nicht die Beiträge abschaffen, sondern indem Sie einfach die Last auf die Kommunen delegieren und übertragen, indem Sie gesagt haben, die Kommunen entscheiden selbst, ob sie das Geld zurückzahlen oder nicht – das war überhaupt der Hammer schlechthin.

(Beifall CDU)

Dabei bleiben Sie auch noch. Jetzt machen Sie das aber nicht mehr so plump – ich sage es jetzt wirklich –, dass man es sofort erkennen könnte. Nun sagen Sie: Jetzt begrenzen wir einfach die Beitragspflicht auf 10 Prozent, 15 Prozent, 25 Prozent, je nach Straßenqualifizierung. Aber zum Schluss bezahlt es auch wieder die Kommune und jetzt muss ich Sie fragen: Wo nimmt denn die Kommune das Geld her? Die drucken es doch nicht selbst. Die müssen es aus ihrem Haushalt nehmen. Das sind Steuermittel, die der Bürger auch wieder zahlen muss. Um diese Entlastung herbeizuführen, müssen sie irgendwo was streichen. Wenn natürlich der KFA wie im letzten Haushalt 100 Millionen Euro weniger für die Kommunen übrig hat, ja, wo soll denn da das Geld herkommen? Sie verkaufen hier immer etwas Neues, was letztendlich dem Bür

(Abg. Kuschel)

ger vorgaukeln soll, es gibt eine Entlastung. In Wirklichkeit gibt es weiterhin eine Belastung, aber diesmal verlagert auf die Kommunen. Wenn es die Kommunen haben, haben es natürlich auch wieder die Bürger. Da müssen sie die Steuersätze hochnehmen und, und, und. Das wissen Sie doch genauso gut wie ich, was die Folge ist: Wenn ich auf der einen Seite etwas einsparen will, muss ich woanders etwas ausgeben. Das ist die Realität.

Was Sie die ganze Zeit hier erzählt haben, lässt mich schon ein Stück weit erschrecken, muss ich sagen. Sie haben an der Stelle wirklich – wie soll ich sagen – eine Mentalität, dass das, was Sie gestern gesagt haben, heute gar nicht mehr gilt. Und was Sie heute sagen, haben Sie gesagt, das habe ich schon immer gesagt! Wenn man aber in die Protokolle reinguckt und auch in Ihre Vorschläge, die Sie immer gebracht haben, sind das Welten zwischen dem, was Sie heute sagen und damals gesagt haben, wo Sie nicht in der Regierung waren.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was Ihnen vollkommen fremd zu sein scheint!)

Das war aber Schwerpunkt im Wahlkampf, Beiträge abzuschaffen. Das war Schwerpunkt im Wahlkampf! Der Bürger verlässt sich natürlich darauf. Ich bin gespannt, wie der Wähler das werten wird. An der Stelle bin ich guter Dinge, dass mittlerweile auch der Letzte erkennt, dass das nicht ganz so ist, wie Sie uns oder dem Bürger vielleicht glauben machen möchten, dass das doch recht schnell entzaubert wird. Auch mit dem neuen Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben – wir werden die Anhörung ja erleben –, ich bin sehr gespannt, was davon übrig bleibt. Mit dem ersten sind Sie kläglich gescheitert und ich bin fest davon überzeugt, beim zweiten wird auch nicht mehr allzu viel übrig bleiben.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Also trampeln wir weiter auf der Stelle!)

An der Stelle möchte ich auch einmal bitten, dass wir wirklich, wenn es um einen Gesetzentwurf geht, darüber sprechen, und nicht dass Sie – wie soll ich sagen – versuchen, hier Ihre ganzen Ideologien wieder zu streuen. Das hilft uns an der Stelle auch nicht weiter.

(Beifall CDU)

Die Anhörung warten wir ab und danach werden wir uns intensiv über Ihren Gesetzentwurf unterhalten. Ich bin gespannt, was davon übrig bleibt. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung von Herrn Abgeordneten Kuschel.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es wäre einmal interessant gewesen für die Öffentlichkeit, dass die CDU sagt, was sie denn will.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nie! Seit zwei Jahren sagen Sie hier keinen Ton! Zum Landeshaushalt werden keine Vorschläge gemacht, zur Gebiets- und Funktionalreform keine Vorschläge!

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Aus gutem Grund!)

Hier wieder das Gleiche: Sie sagen nicht, was Sie wollen. Sie sind übrigens nicht die moralische Instanz, hier etwas zu bewerten.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ihr seid in der Verantwortung!)

Sie haben in den letzten 20 Jahren in diesem Bereich einen Scherbenhaufen hinterlassen! Wir räumen ihn weg.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Unruhe CDU)

Schritt für Schritt! Ich sage noch einmal: Ich bleibe dabei, ich persönlich halte dieses Instrument der Straßenausbaubeiträge für nicht mehr geeignet. Aber im Vergleich zu dem, was im Koalitionsvertrag steht, haben wir jetzt eine Lösung, die weit darüber hinausgeht.

(Unruhe CDU)

Im Übrigen: Wenn in einer Anhörung alle Anzuhörenden Unzufriedenheit äußern, dann ist der Gesetzentwurf ausgewogen, weil keine Seite bevorzugt wird. Das haben wir übrigens 20 Jahre bei Ihnen auch erlebt. Dass Sie anders agieren müssen in Ihrer Hilflosigkeit, das verstehe ich. Aber ich lasse mir die Freude an der jetzigen Vereinbarung nicht nehmen und ich sage noch einmal: Es haben sich hier in der Koalition viele Leute bewegt,

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Sie werden in Ihrer Freude untergehen!)

ich auch. Ich sage den Leuten offen – ich war gestern bei einer Veranstaltung der Bürgerinitiative in Elgersburg; die sind nicht alle begeistert, aber die sagen, es bewegt sich wenigstens etwas –: Wieder ein nächster Schritt, nicht gleich von null auf hundert, aber wir sind auf gutem Wege.

Meine Damen und Herren, KFA, 100 Millionen Euro zu wenig, stimmt nicht! Die Gemeinden haben 2016 374 Millionen Euro mehr als 2014, das ist rot-rotgrüne Politik.

(Abg. Kellner)

(Heiterkeit CDU)

Die Zahlen lügen nicht, es ist so.

Jetzt noch eine letzte Anmerkung: Kommunale Selbstverwaltung lebt von eigenen Entscheidungen. Das Ermessen eröffnen wir jetzt wieder.

Herr Abgeordneter Kuschel.