Anlässlich des im Bundeskabinett verabschiedeten 5. Armuts- und Reichtumsberichts müssen wir als Grüne mit äußerster Deutlichkeit sagen: Trotz guter Wirtschaft klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Das ist nicht hinnehmbar. Der Bericht zeigt, Armut im Alter steigt ebenso wie die Armut von Erwerbstätigen, die Armut von Langzeitarbeitslosen verfestigt sich und die Kinderarmut ist auf einen erschreckend hohen Höchstwert gestiegen – und das im reichen Deutschland. Jedes fünfte Kind in Deutschland erlebt inzwischen Ausgrenzung und Armut. Da ist also Handeln überfällig.
Wir Grüne wollen auf Bundesebene gegen diese Missstände mit einem umfassenden Programm gegen Armut vorgehen, um damit endlich allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Mit einem Grünen-Familienbudget wollen wir die soziale Teilhabe von allen Kindern unabhängig vom Status der Eltern einfach und unbürokratisch garantieren und Familien mit kleineren und mittleren Einkommen entlasten. Mit einer Garantierente und der Weiterentwicklung der Rentenversicherung zur Bürgerversicherung schützen wir die Menschen vor Altersarmut und mit einem sozialen Arbeitsmarkt verschaffen wir Langzeitarbeitslosen wieder einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Wir wollen Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umwandeln. Für Leiharbeit muss gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten. Wir brauchen ein echtes Entgeltgleichheitsgesetz und Befristung ohne Sachgrund soll es nicht mehr geben. Schließlich wollen wir eine einfache und transparentere Grundsicherung ohne Sanktionen und diskriminierende Sonderregelungen und in einer Höhe, die auch in Phasen mit keinem oder geringem Einkommen ein Leben in Würde ermöglicht.
Konkreter möchte ich noch auf das Thema Altersarmut eingehen, denn die aktuellen Zahlen legen einen Handlungsbedarf nahe. Laut dpa ist die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei geminderter Erwerbstätigkeit gestiegen. Circa 1 Million Menschen in Deutschland bezogen Ende vergangenen Jahres diese Form von Sozialhilfe, so viele wie nie seit der Einführung 2003. Das kann keine zufriedenstellende Situation sein. Deshalb werben wir Grünen schon lange auf Bundesebene für das Modell der Mindestrente.
Sehr geehrte Damen und Herren, neben den Fakten über die Armutssituation gehört es auch dazu zu sagen, dass es diese Situation gibt, und zwar trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung. Damit können wir uns nicht zufriedengeben, nicht als Gesellschaft und nicht als Politik. Auch aus diesem Grund bringen wir als Koalition diesen Antrag ein.
Wir müssen und wollen die Lage ernst nehmen und energische Schritte unternehmen, um die Armut in Deutschland und in Thüringen nachhaltig zu bekämpfen.
Ich gehe jetzt kurz näher auf den Antrag ein, es wurde schon viel gesagt. Der Antrag – das können Sie sehen und es wurde auch schon viel berichtet – teilt sich in drei Teile, einen Berichtsteil, den wir heute schon ausführlich gehört haben, und einen Antragsteil, der auch die Bundesebene in den Blick nimmt, denn Sozialpolitik ist zum großen Teil auch Bundespolitik. Die Landesregierung wurde gebeten, zunächst über die aktuellen Lebenslagen der Menschen in Thüringen, insbesondere der von Armut
betroffenen, zu berichten. Weiterhin gab es einen Bericht zu den Entwicklungen der Arbeitslosigkeit in Thüringen, da Armut auch – und ich sage ausdrücklich auch – etwas mit Arbeit zu tun hat. Meine Kollegin Frau Pelke hat vorhin schon darauf hingewiesen, wie es in der Pflege aussieht. Da muss dringend etwas getan werden, denn wir haben heute schon damit zu kämpfen, dass wir keinen Nachwuchs bekommen, es keine jungen Menschen gibt, die in die Pflege gehen wollen. Wir müssen wirklich ernsthaft überlegen, wie wir das angehen und wie wir da Lösungen finden, damit wir diesen Berufszweig, den wir für die nächsten Jahre, für die nächsten Jahrzehnte brauchen, attraktiver gestalten, sodass man Lust hat, diesen Beruf zu lernen. Da ist Politik gefragt und das nehme ich für mich persönlich, daran zu arbeiten. Wie schon gesagt wurde, werden wir diesen Antrag überweisen und intensiv in den Ausschüssen darüber diskutieren. Ich hoffe, dass wir gute Lösungen hinbekommen.
In Thüringen ist auch zu sehen – das wurde ebenfalls schon gesagt –, dass es regionale Unterschiede bei Armut gibt. In den einzelnen Landkreisen sind Unterschiede zu beobachten, die Armut ist in einigen Landkreisen stärker und in anderen Landkreisen weniger stark. Das ist trotzdem nicht schönzureden und wir haben hier ganz viele Hausaufgaben zu erledigen. Wir wollen auch gern wissen, wie die bisher ergriffenen und eingeleiteten Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Armutsprävention in Thüringen gewirkt haben. Wir haben hier auch die Bereiche der Bildung und des Wohnungsbaus mit aufgenommen, die beim Thema „Armut“ natürlich auch eine wichtige Rolle spielen werden. Meine Kollegin Frau Rothe-Beinlich wird nachher auch noch etwas dazu sagen.
Weiterhin baten wir die Landesregierung um einen Bericht über die Wirksamkeit der konkreten Vorhaben im Bereich Arbeit, Familienunterstützung, integrierte Sozialplanung und Bildung für Armutsbekämpfung und -prävention, denn darum geht es in den nächsten Schritten. Es braucht eine integrierte Sozialplanung in Thüringen, die es schafft, auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen, Sozialdaten zu interpretieren und Armutspräventionsmaßnahmen zu etablieren.
Sehr geehrte Damen und Herren, im zweiten Teil des Antrags geht es um ganz konkrete Aufträge an die Landesregierung und ich will hier drei noch einmal herausgreifen. Erstens wollen wir, dass die Arbeitsmarktförderung – und das hat die Ministerin auch schon ausführlich gesagt – des Landes in enger Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit kontinuierlich evaluiert wird und die benachteiligten Zielgruppen weiterhin verstärkt gefördert werden. Das geht auch wieder nur zusammen mit dem
Bund gut. Ich sage, Thüringen war auch Vorreiter für dieses Programm, aber es kann auch gut fortgeführt werden, wenn eine gute Zusammenarbeit mit dem Bund herausgearbeitet werden kann.
Zweitens geht es darum, dass die familienunterstützende Infrastruktur in den Kommunen mit dem Ziel gefördert wird, für familiengerechte und vergleichbare Lebensbedingungen zu sorgen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf insbesondere angesichts der demografischen Entwicklung zu verbessern ist.
Drittens geht es darum, dass ein flächendeckender Ausbau der Thüringer Gemeinschaftsschule als leistungsstarke und sozial gerechte Schulart sowie die schulbezogene Jugendsozialarbeit und der Ausbau eines inklusiven Schulwesens geleistet werden sollen.
Im dritten Teil des Antrags geht es um die Maßnahmen, für die die Landesregierung sich auf der Bundesebene starkmachen soll. Eine der wichtigsten Maßnahmen, die auf Bundesebene gelöst werden muss, ist ein bundeseinheitliches Rentensystem, welches nachhaltig, generationengerecht und zugleich armutsfest ist. Aus grüner Sicht liegt die Lösung einerseits auf der Einkommensseite. Da ist mit der Einführung des Mindestlohns ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. Dieser müsste natürlich noch höher liegen – das wurde hier auch schon mehrfach gesagt. Zum Zweiten liegt eine Lösung in der Verbesserung bzw. Nachsteuerung bei der betrieblichen und der privaten Rente. Als Drittes liegt aus grüner Sicht die Lösung bei einer Garantierente, die in irgendeiner Form bei jeder und jedem ermöglicht werden sollte. Sie soll sicherstellen, dass auch Geringverdienende, Erwerbstätige in Teilzeit oder mit unterbrochenen Erwerbsbiografien als langjährige Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter nicht auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind. Darauf müssen sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen können. Wir brauchen eine Rentenversicherung, die verlässlich ist und vor Armut schützt. Wir benötigen flexiblere Lösungen für den Übergang in den Ruhestand und mehr Schutz der Menschen, die nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können. Wir setzen uns dafür ein, dass alle maßgeblichen Größen zur Entstehung und Berechnung der Rente kurzfristig vereinheitlicht werden, das heißt, dass es keine Unterschiede mehr bei Ost- und Westrenten geben darf. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die Erwerbstätigkeit von Frauen begünstigen und zur partnerschaftlichen Aufteilung der Sorge- und Erwerbstätigkeit anregen. Es ist so umfangreich und so wichtig. Ich beantrage deshalb, diesen Antrag an den Sozialausschuss, den Bildungsausschuss und den Gleichstellungsausschuss zu überweisen, sodass wir da noch mal gemeinsam intensiv diskutieren und uns
Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich dem Dank meiner Kollegin Pfefferlein an unsere Ministerin Frau Werner anschließen, die hier umfassend referiert hat. Danke auch allen, die an der Erarbeitung des Antrags mitgewirkt haben. Auch ich freue mich schon auf die Debatte im Ausschuss.
Dass ich jetzt noch einmal nach vorn gegangen bin, hat zwei Gründe. Zum einen wissen wir alle, dass eine gute, diskriminierungsfreie Bildung für alle ein unverzichtbarer Baustein in der Armutsprävention ist. Deswegen müssen wir natürlich an dieser Stelle auch über Bildung und darüber sprechen, wie möglichst alle, die hier leben, zu guter Bildung kommen, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft.
Da bin ich auch schon beim zweiten Thema, was mich ein Stück weit nach vorn getrieben hat. Es ist eine übliche Strategie der AfD und insbesondere von Herrn Höcke, hier nach vorn zu gehen, markige Sprüche zu dreschen – ich muss es leider so sagen – und dann aus dem Raum zu entschwinden und der Debatte überhaupt nicht mehr zu folgen. Offenkundig geht es ihm nämlich nicht um Diskussion. Was ich allerdings wirklich schäbig fand, das war der Inhalt des Vortrags von Herrn Höcke, der hier ganz klar darauf gesetzt hat, Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer Herkunft gegeneinander auszuspielen. Da muss es einfach ein paar Klarstellungen geben. Vielleicht rufen Sie von der AfD Ihren Herrn Fraktionsvorsitzenden mal herbei. Es könnte ihm nicht schaden, zuzuhören.
Zum Kostenargument: Die 76 Millionen Euro Landesmittel für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die hier von Herrn Höcke als aus dem Fenster geschmissenes Geld vorgetragen wurden, für 2016 und circa 63 Millionen Euro für 2017 sind nicht nur gut angelegtes Geld – das sage ich aus Überzeugung, das ist übrigens auch der Unterschied zu Ihnen –, sondern es sind unabweisbare Ausgaben für uns als Land, weil Thüringen lediglich das SGB VIII umsetzt, die Sozialgesetzgebung, und dafür die entsprechenden Mittel für die Ausgaben
der Kommunen bereitstellt. Es ist Bundesgesetzgebung und daran halten wir uns natürlich. Das Gegeneinander-Ausspielen der AfD von bestimmten Ausgaben der Jugendhilfe – hier in dem Fall für unbegleitete Minderjährige – ist unerträglich. Im Übrigen machen Sie sich das einfach noch mal deutlich: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – das sind Kinder, das sind Jugendliche, die allein aus ihren Herkunftsländern hierherkommen, viele überleben das übrigens nicht. Kinder und Jugendliche haben Rechte, Kinder und Jugendliche brauchen besonderen Schutz und zum Glück kennen Kinderrechte auch keine Grenzen. Und dann hier davon zu reden, dass das Geld für diese Kinder und Jugendlichen aus dem Fenster geschmissen würde, das schürt lediglich Hass und Ressentiments, das ist schlechter Stil und das ist wirklich etwas, was sich in diesem Haus aus meiner Sicht schlichtweg nicht gehört.
Man darf nämlich dringend benötigte Mittel für Armutsprävention und die Unterstützung von sozial Benachteiligten niemals derart in Frage stellen. In Thüringen wurden im Übrigen allein im letzten Jahr mehr als 880 Millionen Euro für den Bereich der öffentlichen Jugendhilfe aufgewendet. Wenn also die AfD davon spricht, dass für die unbegleiteten Minderjährigen so unfassbar viel Geld zur Verfügung steht und für die sonstige Jugendhilfe kein Geld zur Verfügung stünde, ist das vollkommen absurd. Man kann sich das einfach mal durchrechnen.
Wir brauchen selbstverständlich sehr viel Geld für die Kinder- und Jugendhilfe. Ich werde auch gleich noch etwas dazu sagen. Aber für uns als Koalition jedenfalls gilt, dass kein Jugendlicher und kein Kind in Thüringen zurückgelassen wird, egal welche Herkunft der- oder diejenige hat.
Wenn Sie von unseren Kindern oder von unseren Arbeitslosen reden, dann ist das eine vollkommen andere Definition, als wir sie haben. Für uns sind unsere Kinder in Thüringen, unsere Jugendlichen, unsere Arbeitslosen alle Menschen, die hier leben, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft, denn die Menschenwürde ist auch migrationspolitisch nicht zu relativieren.
Ich will auch noch etwas zu der Forderung sagen, die Herr Höcke hier vorgetragen hat, zur Absenkung von Standards in der Kinder- und Jugendhilfe. Davor wollen wir in jedem Falle warnen. Das konterkariert im Übrigen auch alle Vorhaben mit Blick auf die Integration. Abgesenkte Standards oder Parallelsysteme für unbegleitete Minderjährige mit ei
genen Vorgaben lehnen wir grundsätzlich ab, weil wir sagen: Tatsächlich müssen alle Kinder und Jugendlichen selbstverständlich auch den gleichen Standards unterliegen. Kinderrechtswidrige Diskriminierungen von unbegleiteten Geflüchteten durch drastische Standardabsenkung gehen an den Bedarfen der Jugendlichen vorbei und sind natürlich auch mit uns als Koalition nicht zu machen.
Wir dürfen die für die unbegleiteten Minderjährigen so wichtige Unterstützung für die Jugendhilfe nicht zurückfahren. Im Gegenteil, ein Scheitern der für die Gesellschaft so wichtigen Integrationsanstrengungen wäre sonst vorprogrammiert. Zudem ist uns die bundesweit einheitliche Kinder- und Jugendhilfe ein hohes Gut, das es auch zu verteidigen gilt.
Jetzt lassen Sie mich noch ein paar Sätze zum Bereich der Bildung sagen; der Antrag der Koalitionsfraktionen soll ja auch in den Bildungsausschuss verwiesen werden. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass Bildung tatsächlich bei den Kleinsten beginnt, das heißt mit der frühkindlichen Bildung sowohl in den Familien als auch in der Erziehungspartnerschaft in unseren Kindertagesstätten, wo tagtäglich eine sehr, sehr gute Arbeit geleistet wird. Sie muss aber mit einem diskriminierungsfreien Zugang zu tatsächlich allen Schularten und für alle Kinder fortgesetzt werden. Es muss uns nämlich auch in Thüringen zu denken geben, dass es nach wie vor so ist, dass das Bildungswesen auch in unserem Land soziale Ungleichheit verfestigt. Ich will es an einem Beispiel deutlich machen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder aus einer sogenannten Akademikerfamilie später eine Hochschule besuchen, ist dreimal höher als bei Kindern aus einer Arbeiterfamilie. Das ist für uns nicht hinnehmbar. Alle sollen den Zugang zu bestmöglicher Bildung haben. Ich sage auch immer wieder: Es geht nicht darum, jedes Kind zum Abitur zu bringen – das ist überhaupt nicht Sinn und Zweck der Sache –, es geht darum, jedes Kind zu einem für ihn bestmöglichen Schulabschluss zu bringen. Und da ist noch eine ganze Menge zu tun.
Und da bin ich bei einer Problematik, die heute hier noch keine Rolle gespielt hat, nämlich die hohe Quote von Schulabbrecherinnen und Schulabbrechern, insbesondere an den Berufsschulen. Auch das ist ein Faktor, der letztlich zur Armut beiträgt. Mehr als 12 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler an den Berufsschulen verlassen diese ohne einen Schulabschluss. Die Folgen einer solchen Entwicklung sind für jeden Einzelnen dramatisch. Es sind schlechte Aussichten auf dem Ausbildungsund Arbeitsmarkt für diejenigen, die viel zu oft in Arbeitslosigkeit und im besten Fall in prekäre Be
schäftigung – Frau Stange hatte das vorhin hier ausgeführt – oder im Niedriglohnbereich münden. Frau Werner hat im Übrigen auch völlig zu Recht den Arbeitsmarkteinstieg für Geflüchtete angesprochen. Auch hier sind fehlende Schulabschlüsse und eine fehlende Ausbildung ganz klar ein dauerhaftes Armutsrisiko für Menschen, die ihren Lebensunterhalt sehr wohl gern selbst bestreiten wollen. Deshalb werben wir ganz vehement für ein diskriminierungsfreies Recht auf Bildung, auf Sprachkurse und den Schulbesuch, damit es uns gelingt, diese Menschen ebenfalls zu einem Schulabschluss zu bringen. Da wir wissen, dass die schulischen Regelsysteme mitunter mit diesen Herausforderungen überfordert sind, brauchen wir selbstverständlich auch entsprechende Übergangsprogramme. Diese haben wir ja mit Start Deutsch und anderen Angeboten auch schon geschaffen.
Ich komme jetzt abschließend noch mal zu dem Bereich der Jugendhilfe, das hatte ich ja vorhin schon angesprochen, auch hier gibt es eine Menge zu tun, um Benachteiligungen entgegenzuwirken. Als Koalition bauen wir deshalb darauf, die örtliche Jugendförderung und auch die Förderung über den Landesjugendförderplan konsequent auszubauen und stellen den Kommunen und den Jugendverbänden, den Trägern der Jugendhilfe, auch mehr Mittel als in den vergangenen Jahren zur Verfügung.
Ein Letztes lassen Sie mich noch ansprechen, was sicher mindestens dann bei der Beratung im Bildungsausschuss auch eine Rolle spielen sollte, das ist die Problematik des funktionalen Analphabetismus. Etwa 10 Prozent der Menschen, auch in Thüringen, leiden darunter, es fehlt ihnen dadurch an Zugängen sowohl zum Arbeitsmarkt als auch zur Weiterbildung, zur Qualifizierung. Das ist ein Thema, was ganz oft als Tabu gilt, bei dem sich Menschen schämen, dies anzusprechen. Es sind im Übrigen auch viele Menschen, die in Arbeit sind, aber trotzdem als funktionale Analphabetinnen und Analphabeten gelten müssen. Das ist eine Herausforderung, der sich auch und gerade die Erwachsenenbildung gestellt hat, der wir ja auch mehr Gelder zur Verfügung gestellt haben. Aber auch das ist ein Baustein, der mit Armut zu tun hat und deshalb freue ich mich auf eine umfangreiche Debatte dazu in den Ausschüssen. Vielen herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, liebe Besucher auf der gut gefüllten Tribüne! Jetzt unterhalten wir uns seit etwa zweieinhalb Stunden über Armut in Thüringen und haben eigentlich außer der tollen Rede von Björn Höcke relativ wenig Gehaltvolles von hier vorne gehört.
Auf drei Aspekte möchte ich mal eingehen, zum einen der Armutsbegriff. Herr Höcke hat schon darauf hingewiesen, dass alles eine Frage der Definition ist. Der Armutsbegriff, der hier zugrunde gelegt wird, ist schlicht und ergreifend ein politischer Kampfbegriff und hat mit Armut nichts zu tun. Das wird an einem ganz einfachen Beispiel deutlich, wenn man sich die Definition anschaut. Wenn derjenige von Armut bedroht sein soll, der weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat, dann ändert sich auch dann nichts an der Armut, wenn man alle Einkommen verzehnfachen würde. Dann wäre derjenige immer noch bei den 60 Prozent. Daran sehen Sie mal, dass diese Definition der Armut eine politische Definition ist, die nur denjenigen nützt, die davon profitieren und das ist die Armutsindustrie.
(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Es geht um Ungleichheit!)
Es geht um Ungleichheit. Genau darum geht es, Frau Werner, und um nichts anderes. Also von Armut brauchen wir hier gar nicht zu reden, also jedenfalls nicht bei dieser Definition.