Protokoll der Sitzung vom 31.05.2017

Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass die Solarhersteller als Teil der Energiewende in Deutschland aber nicht den gleichen Stellenwert einnehmen wie beispielsweise hoffnungslos veraltete Kohleindustrien.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Industrie wird nach wie vor trotz Klimabeschluss und staatlicher Verpflichtungen zum Klimaschutz massiv mit staatlichen Subventionen über Jahrzehnte und offensichtlich auch noch für die Zukunft hin unterstützt und subventioniert.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und zwar direkt!)

Doch wie hoch sind hingegen die Subventionen, die SolarWorld mit dem Werk im Thüringischen Arnstadt erhalten hat? Kein einziger staatlicher Euro ist bis zum Insolvenzantrag an SolarWorld in Arnstadt geflossen. Nicht ein einziger. Das bedeutet im Umkehrschluss: Klimasünder wie die Kohleindustrie werden subventioniert, Klimaretter auf der anderen Seite wie die Solarindustrie in Thüringen werden dies nicht.

(Abg. Hausold)

Sehr geehrte Damen und Herren, das SolarWorldWerk in Arnstadt ist nicht nur irgendein Produktionsstandort für Solarmodule. Das Werk ist ein Unternehmensstandort, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis hin zum fertigen Solarsystem integriert ist und mit Hunderten von engagierten und hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen großen Schatz eigener technologischer Kompetenz und Innovation erarbeitet hat.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier ist mehr bedroht als der jeweilige Produktionsstandort, hier droht der endgültige Verlust von nationaler und europäischer Kompetenz in einer entscheidenden Schlüsselbranche für die Energiewende. Die Energiewende können wir mit dem Kohleabbau nicht meistern. Hierfür benötigen wir Solarsysteme, die innovativ, auf dem neuesten Stand der Technik sind, die hier erforscht und hier produziert werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Photovoltaik als Technologie ist mit dem Insolvenzantrag von SolarWorld beileibe nicht am Ende. Allein im letzten Jahr ist der globale Markt um etwa 50 Prozent geradezu explodiert. Die Bundesrepublik allerdings, deren Solarindustrie und Forschung einst Technologie-, Markt- und Kostenführer war, hatte 2016 gerade noch 2 Prozent Anteil am globalen Zubau. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – mickrige 2 Prozent. Und das in einer Industrie, bei der wir weltweit Innovationsmotor gewesen sind. Konsequent hat die Bundesregierung über ihre EEG-Novellierung in den letzten Jahren das fehlende Bekenntnis zu einer zukunftsorientierten Technologie in der Bundesrepublik negiert,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um nicht zu sagen: bewusst zerstört. Besonders bitter ist es, dass das weltweite Wachstum der Solarindustrie gerade erst begonnen hat. Nur Deutschland läuft Gefahr, nicht mehr dabei zu sein, wenn es nach all den Entwicklungsanstrengungen der letzten Jahrzehnte endlich um das Geschäft mit Systemen zur Deckung eines wesentlichen Teils des Energiebedarfs der gesamten Menschheit geht. Deshalb muss sich vor allem die Bundesregierung fragen lassen, was für ein verheerendes Signal diese mögliche Insolvenz für den Technologiestandort Deutschland aussendet. Das Signal heißt: Wir klammern uns an schmutziges energiepolitisches Gestern mit Kohle und Co. und überlassen die Zukunftstechnologien den chinesischen Herstellern, die massiv staatlich unterstützt werden in einem Maße, wie wir es uns in der Bundesrepublik und auch in Europa eigentlich nicht vorstellen können. China ist keine Marktwirtschaft, wie wir sie kennen, denn der Staat hat sich derart massiv um die Welt

marktherrschaft bemüht, dass er in weiten Bereichen im internationalen Kontext Mitanbieter vom Markt verdrängt hat.

Jedoch kann unser Ziel nicht sein, gegen Dumpingangebote zu konkurrieren. Wir müssen weiter auf Innovation und auf bessere Technologien setzen. Das ist in der Vergangenheit unsere Stärke gewesen, und wir denken, dass hierin auch die Zukunft liegt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb wird diese rot-rot-grüne Landesregierung alles in ihrer Macht stehende tun, um die Forschungskompetenz und möglichst viele Produktionsarbeitsplätze des letzten großen europäischen Solarunternehmens in Arnstadt zu erhalten. Wir unterstützen den Insolvenzverwalter bei der Suche nach einer Fortführungsperspektive und nach Investoren. Um die gut qualifizierten Arbeitskräfte mache ich mir dabei keine Sorgen, aber wir müssen uns darum bemühen, diese Arbeitskräfte und diese Qualifikationen in Thüringen zu halten und hier eine Perspektive aufzuzeigen. Denn hier geht es nicht um die letzte Generation eines auslaufenden Tagebaubetriebs oder Kohlekumpel-Romantik, sondern um ein Stück echte Zukunftsfähigkeit in Industrie und Forschung.

Ein abschließendes Wort möchte ich noch an Herrn Möller richten: Offensichtlich scheinen Ihnen die Menschen in Arnstadt am Allerwertesten vorbei zu gehen. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da habt ihr nicht richtig zugehört bei unserer Rede!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat Abgeordneter Wirkner für die CDU-Fraktion das Wort.

Bevor ich beginne, meine Damen und Herren: Es ist immer gut, zuletzt an die Reihe zu kommen, da kann man auf einiges reagieren. Es ist eigentlich bedauerlich, erleben zu müssen, dass man so ein ernstes Thema populistisch missbraucht. Das hilft auch den Menschen vor Ort in Arnstadt nicht. Herr Möller, das sage ich jetzt mal ganz besonders zu Ihnen.

(Beifall SPD)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Gäste, vor über vier Jahren gab es schon eine ähnliche Situation in Arnstadt. Am 22. März 2013 verkündete Bosch Solar Energy den Ausstieg aus der Solarbranche. Die Beschäftigten am Standort Arnstadt haben damals ebenfalls in ei

(Abg. Müller)

ne sehr ungewisse Zukunft geblickt. Doch die damalige CDU-geführte Landesregierung hat alles unternommen, um die Arbeitsplätze am Standort Arnstadt zu sichern.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium!)

Gemeinsam mit Bosch wurde schließlich eine Lösung mit dem Bonner Solarkonzern SolarWorld gefunden, um den Standort zu sichern, das Know-how dieser wichtigen Branche konnte in Thüringen erhalten bleiben und den Beschäftigten eine Perspektive gegeben werden. Jetzt – vier Jahre später – haben die Rahmenbedingungen der Solarbranche dazu geführt, dass Unternehmen aus Fernost mit ihren Produkten den europäischen Markt für Solarpanels überschwemmt haben. Europa hat bereits reagiert und hat die chinesischen Solarmodule nach langwierigen Untersuchungen wegen Dumpings mit Strafzöllen belegt, um die europäischen Unternehmen vor der unfairen Konkurrenz zu schützen und ihnen letzten Endes ein Überleben zu ermöglichen. Leider konnte diese Maßnahme nicht verhindern, dass das Schwergewicht der deutschen Photovoltaik-Branche SolarWorld Insolvenz anmelden musste. Wieder steht der Standort Arnstadt mit seinen rund 800 Beschäftigten vor einer sehr ungewissen Zukunft. Wir müssen resümieren, dass die Strafzölle nicht gewirkt haben. Sie haben deshalb nicht gewirkt, weil der technologische Fortschritt auch mit der Hilfe deutscher Firmen so weit vorangeschritten ist, dass die Produktion von Solarzellen so einfach geworden ist, dass sie auch in Vietnam und Bangladesch billig hergestellt werden können – und das ohne große staatliche Subventionen.

Meine Damen und Herren, vielleicht wird die einfache Produktion von Solarpanels das gleiche Schicksal ereilen wie die Textilfabriken im vorigen Jahrhundert – eine Abwanderung in die Entwicklungsländer. Aber das heißt auf keinen Fall, dass wir den Kampf um den Standort Arnstadt aufgeben sollen. Nein, vielmehr müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um Arnstadt mit seinem Knowhow zu erhalten. Alleine Bosch hatte vor Ort 500 Millionen Euro – eine gigantische Zahl – investiert und eine der modernsten Fertigungsstätten aufgebaut. Deshalb muss die Landesregierung gemeinsam mit SolarWorld einen Investor suchen, der das Potenzial erkennt und den Produktionsstandort sowie die Arbeitsplätze dort erhält. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels müssen wir unbedingt die Fachkräfte vor Ort sichern. Es ist sehr erfreulich, dass die Bänder in Arnstadt nicht stillstehen, sondern dass weiter produziert wird. Wie der Wirtschaftsminister bereits erklärt hat, ist dieser Fakt von besonderer Bedeutung, denn für eine Zukunftslösung sei es wichtig, einen produzierenden Standort zu haben.

Meine Damen und Herren, wir brauchen diese moderne Fabrik, wir brauchen das Know-how und wir brauchen die klugen Köpfe in Thüringen. Der Sektor der erneuerbaren Energien ist und bleibt ein Zukunftsmarkt. Gerade erst hat die Solarbranche neuen Optimismus verbreitet, die Geschäfte mit Energiespeichern haben angezogen und nach wie vor besteht beim Ausbau von erneuerbaren Energien ein hoher Bedarf. Deshalb sieht der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft trotz der Insolvenz weiterhin gute Wachstumschancen rund um die Sonnenenergie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Umstand sowie eine intensive Begleitung durch das Land müssen genutzt werden, um einen Investor nach Arnstadt zu holen. Die Insolvenz von SolarWorld ist zwar für die Solarbranche keine gute Nachricht, aber es gibt weiterhin in Deutschland Hersteller und Entwickler von Qualitätsmodulen. Vielleicht ist hier eine Nische für Arnstadt, technisch anspruchsvolle und qualitativ hochwertige Produkte zu fertigen, die die höheren Herstellungspreise rechtfertigen würden. Eine weitere Idee könnte sein, dass man eventuell die vorhandenen Kapazitäten nutzen kann, um eine Entwicklungsplattform für die gesamte Solarbranche am Standort Arnstadt zu schaffen. Wir stehen zum Standort Arnstadt, genauso wie wir vor vier Jahren dazu standen. Deshalb haben wir sofort die Insolvenz und die möglichen Folgen für die Beschäftigten von SolarWorld zum Thema im Wirtschaftsausschuss gemacht, um frühzeitig in den Prozess eingebunden zu sein und ihn zu begleiten.

Herr Abgeordneter Wirkner, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich wünsche, dass all die, die in diese Problematik und deren Lösung eingebunden sind, in Zukunft eine glückliche Hand haben, um diesen Standort zu erhalten. Danke sehr.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wirkner. Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Mühlbauer für die SPD-Fraktion zu Wort gemeldet.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Ich habe mich zu Wort gemeldet als Arnstädterin, als die Abgeordnete, die auch persönlich mit den Men

(Abg. Wirkner)

schen in Kontakt steht, die heute hier um ihre Arbeitsplätze fürchten.

Herr Wirkner, lassen Sie mich zwei Dinge sagen. Es war damals das SPD-geführte Wirtschaftsministerium unter Minister Machnig, das sich massiv für die Arbeitsplätze bei Bosch eingesetzt hat.

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Es geht doch um die Menschen, Frau Mühlbauer!)

Die Kollegin Berninger und ich waren mit den Kolleginnen und Kollegen dann bei der Hauptbetriebsleitung und haben mit denen gekämpft. Frau Berninger hat sogar die Brötchen mitgebracht, falls ich mich richtig erinnere. Aus Ihren Reihen hatte ich leider keine Begleitung. Lassen Sie mich heute zwei Dinge sagen: Der Kampf um die Energie, und zwar die Produktionsenergie, ist immer ein Kampf um die Zukunft. Das ist mir ganz wichtig, vor allem in Ihre Richtung. Und es ist richtig – die Kollegen haben es schon gesagt –, die Auftragsbücher von SolarWorld sind gefüllt. Die Zahlen gehen nach oben und wir haben hier eine Zukunftsbranche, um die wir streiten und kämpfen müssen.

Mein klarer Dank geht hier heute an den Wirtschaftsminister, der sofort einen Runden Tisch mit den Gewerkschaften, mit dem Bürgermeister und mit der Landrätin gegründet hat, der gleich vor Ort war.

Ja, wir haben hoch qualifizierte Arbeitsplätze. Wir haben einen Eins-a-Standort. Aus diesem Grund bitte ich heute um ein klares Signal für die Arbeitsplätze, für diese Zukunftstechnologie, für diesen Standort und für Arnstadt.

Zum Schluss – das fällt vielleicht ein bisschen runter: Wir hatten ein zweites Unternehmen, das in den letzten Tagen Insolvenz anmelden musste, wahrscheinlich weniger aus dem Punkt der Photovoltaikbranche heraus, sondern aus anderen Gründen. Hier geht es um BlueCell, auch dort sind 84 Beschäftigte betroffen. Auch für die werden wir streiten und für die werden wir vor Ort eine Lösung finden, denn wir brauchen jeden gut qualifizierten Kollegen, der bei uns in der Region arbeiten möchte und unsere Industrie stärkt. Aus diesem Grund herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor. Ich erteile das Wort der Landesregierung, Herrn Minister Tiefensee.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ein sehr ernstes Thema. Ich bin der SPD-Fraktion, ich bin dem Landtag sehr dankbar, dass wir heute diese Aktuelle Stunde haben. Ich bin auch dankbar für die Überschrift, weil nämlich der Bogen sehr klug von einer ganz aktuellen Situation in Thüringen, in Arnstadt hin zu der Frage gespannt wird: Was hat das eigentlich für Dimensionen, die weit darüber hinaus reichen?

Das gibt mir Gelegenheit, drei Botschaften zu senden. Die erste Botschaft ist: Die rot-rot-grüne Regierung und – wie ich jetzt einmal mehr gehört habe – der Landtag fast in Gänze stehen hinter den Standorten in Arnstadt und in Freiberg.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich lege großen Wert darauf, dass wir immer wieder in einem Atemzug beide Standorte nennen. Ich bin vor Ort gewesen wie viele andere auch, deshalb der Appell der Unterstützung und der Solidarität mit den Beschäftigen, weil die auf einzigartige Weise auf die Insolvenz Mitte Mai reagiert haben. Kann sich einer von uns in etwa vorstellen, was sich da abspielt, wenn man quasi über Nacht die Nachricht bekommt, dass der Arbeitsplatz gefährdet ist, dass er wegbrechen könnte? Was macht das mit einem selbst, mit den Familien? Und dann am nächsten Tag vollständig, vollzählig wieder ins Werk zu kommen, eine hoch qualitative Produktion abzuliefern, Produkte auf den Markt zu bringen, als wäre nichts geschehen, zusammenzustehen, sich gegenseitig zu unterstützen, das ist einzigartig. Ich bewundere die Belegschaft, ich bewundere, wie der Betriebsrat agiert, wie die Betriebsräte agieren. Deshalb höchster Respekt! Wir sagen hier alle Unterstützung insbesondere im Hinblick auf die Beschäftigten in Arnstadt und Freiberg zu.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)