ohne die Aussicht auf Leistungen des deutschen Sozialstaats und möglicherweise auch mit einer schlechteren Sicherheitslage als hier in Deutschland. Ich will noch einmal sehr deutlich sagen: Zwischen der Sicherheitslage in Deutschland und kriegsähnlichen Zuständen, wie Sie das hier beschreiben, gibt es sehr viele Zwischenschritte und Unterschiede. Daher gilt es, die Experten erst einmal ordentlich prüfen zu lassen. Und wenn dabei herauskommt, dass Afghanistan oder nur einzelne Regionen in Afghanistan als sicher eingestuft werden können, dann ist es unsere Pflicht, die derzeit ausgesetzten Abschiebungen unmittelbar und mit aller Konsequenz zügig wieder aufzunehmen, meine Damen und Herren.
Menschen ohne Bleiberecht müssen zügig wieder in ihre Heimat zurückgeführt werden. Dies gilt nicht nur für die sicheren Regionen in Afghanistan, sondern für alle sicheren Regionen in unserer Welt.
Meine Damen und Herren, wer nicht bereit ist, auch drastische Bilder im Rahmen einer ordnungsgemäßen Abschiebung auszuhalten, der ist in der Verantwortung für unser Land fehl am Platz. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, bei Ihrer Aktuellen Stunde fällt wieder einmal auf, wie realitätsfern Ihre Politik ist. Im Gegensatz zu Ihrer postfaktischen Politik stehen wir für Fakten, Fakten, Fakten.
Was also sagt die Statistik über die afghanischen Asylbewerber und ihre sicherheitspolitische Lage in Afghanistan? Fast 6.800 Asylbewerber und über 320 unbegleitete minderjährige Ausländer aus Afghanistan lebten Ende März in Thüringen. 2016 wurden gerade einmal 948 als asylberechtigte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte anerkannt, bei 1.039 Abschiebeverboten und 1.272 Ablehnungen. Auch 2017 dominierten die Ablehnungen: 635 bis Ende März. In diesem Jahr wurde kein einziger Afghane als Asylberechtigter anerkannt und gerade einmal 298 bekamen den Flüchtlingsstatus zugesprochen.
Fassen wir also zusammen. Tatsache Nummer 1: Die Mehrheit der Afghanen bekommt keinen Schutzstatus. Die sicherheitspolitische Lage in Afghanistan ist und bleibt fragil, keine Frage. Trotzdem ging die Zahl der getöteten Zivilisten im I. Quartal 2017 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2 Prozent zurück, die der verletzten um 5 Prozent. Sie verbreiten also Fake News, wenn Sie in der Begründung für Ihre Aktuelle Stunde schreiben, dass die Zahl der verletzten und getöteten Zivilisten und Zivilistinnen in Afghanistan steigt. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Bei der Debatte um Abschiebungen nach Afghanistan und die dortige Sicherheitslage lohnt es sich doch einmal über den deutschen Tellerrand zu schauen. Die britische Regierung spricht in ihren Reisehinweisen davon, dass es durch seine geografische, ethnische und religiöse Vielfalt schwer ist, das Land als Ganzes einzuordnen. Zwar sind große Teile des Ostens, Südostens und des Südens durch die Aufständischen, vor allem die Taliban, aber auch durch den Islamischen Staat gefährdet, andere Regionen dagegen haben eine stetige Verbesserung der Sicherheitslage zu verbuchen. Tatsache Nummer 2 lautet also: Es gibt sichere Gebiete in Afghanistan.
Rückführungen sind gemäß dem internationalen Recht, namentlich der Genfer Flüchtlingskonvention, möglich. Damit wären Ihre Argumente im Wesentlichen widerlegt. Ich will nur anmerken, dass Sie offensichtlich nicht nur für postfaktische, sondern auch für heuchlerische Politik stehen,
denn während keine Afghanen aus Thüringen nach Afghanistan abgeschoben werden, wurden doch abgelehnte afghanische Asylbewerber gemäß der Dublin-Verordnung im letzten Jahr nach Großbritannien und 2015 unter anderem nach Ungarn und Italien zurückgeführt. Wer garantiert Ihnen, dass nicht von dort nach Afghanistan abgeschoben wird? Realitätsnahe und ehrliche Politik sieht anders aus, nämlich so: Asyl für die wirklich Verfolgten – dazu gehören vor allem diejenigen, die mit der Bundes
wehr vor Ort zum Beispiel als Übersetzer kooperierten – und konsequente Rückführung in die sicheren Regionen für alle anderen. Vielen Dank.
Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete RotheBeinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Herrgott, Sie müssen sich schon fragen lassen, wie ernst Sie es hier mit Ihrem Redebeitrag gemeint haben.
Sie haben behauptet, derzeit würde der Lagebericht aktualisiert und erst dann könnte man neue Entscheidungen treffen. Was aber ist die Realität? Die Realität ist – und das ist gestern vom sogenannten Rückkehrreferat des BMI mitgeteilt worden –, dass für den 28. Juni bereits die nächste Sammelabschiebung nach Afghanistan angekündigt ist.
Ich nenne das zynisch. Warum nenne ich das „zynisch“? Weil nämlich zum einen der aktualisierte Lagebericht – ich sagte es gerade – bislang überhaupt noch nicht vorliegt und weil – jetzt hören Sie mir gut zu! – nach Auskunft aus dem Rückkehrreferat des BMI eine Abholung der Rückgeführten durch Mitarbeiter der Deutschen Botschaft am Flughafen nicht erfolgen wird, weil die Botschaft auf absehbare Zeit nicht arbeitsfähig ist. Was sagt uns denn das, meine sehr geehrten Damen und Herren?
Wir schicken die Menschen dorthin zurück – jetzt lassen Sie doch mal Ihre zynischen Randbemerkungen wie: Die können sich selber ein Taxi nehmen! Erkennen Sie doch mal die Lebensrealitäten der Menschen an!
Es ist mehr als bedenklich, dass vor der Vorlage des aktualisierten Lageberichts das Auswärtige Amt mit der angekündigten Abschiebung erneut Fakten
schaffen will. Das zeigt uns einmal mehr: Es ist schlichtweg eine politische Entscheidung dieser Bundesregierung – und diese greifen wir an, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Mit unserer Aktuellen Stunde geht es nämlich darum, darauf hinzuweisen – und ich glaube, das wird auch niemand bestreiten –, dass die Situation in Afghanistan – ich nenne es einmal so – höchst problematisch ist und die durch den Bund befürworteten Abschiebungen mitnichten mit einer humanen, einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik, so wie wir sie in Thüringen umsetzen, vereinbar sind. Schließlich gibt es keine Sicherheit für die Zivilgesellschaft und auch nicht für staatliche Einrichtungen in Afghanistan, was dazu führt, dass die Zahl der verletzten und getöteten Zivilistinnen und Zivilisten durch Anschläge und Entführungen kontinuierlich steigt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind sehr froh darüber, dass in Thüringen zumindest in den Koalitionsfraktionen und der Landesregierung Einigkeit darüber besteht, dass eine Neuausrichtung der Asylpolitik gegenüber Afghaninnen und Afghanen auf Bundesebene längst überfällig ist. Abschiebungen nach Afghanistan müssen – und das will ich ganz deutlich sagen – dauerhaft und nicht nur zeitweilig gestoppt werden. Deswegen unterstützen wir auch jedwede Initiative der Landesregierung auf Bundesebene dahin gehend, sich für einen bundesweiten und dauerhaften Abschiebestopp starkzumachen. Ja, dauerhaften, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil wir alle wissen, wie krisengeschüttelt Afghanistan ist.
Ich weiß nicht, ob Sie die beeindruckenden Fotos von Erik Marquardt kennen. Erik Marquardt war erst vor wenigen Wochen auf einer langen Reise durch Afghanistan und hat dokumentiert, wie die Menschen dort leben. Wer dann noch behauptet, wenn man diese Bilder sieht, wenn man die Erzählungen von ihm hört, Afghanistan sei sicher, der will die Realität schlicht nicht wahrhaben!
Fakt ist, dass unsere Verantwortung nun mal auch über den Thüringer Tellerrand reicht, und genau deshalb haben wir uns so entschieden, wie wir uns entschieden haben. Wir werden uns an den Abschiebungen auch am 28. Juni 2017 nicht beteiligen, meine sehr geehrten Damen und Herren,
und wir werden uns für einen dauerhaften Abschiebestopp starkmachen, und zwar bundesweit und so lange, wie die Situation in Afghanistan so ist, wie sie ist. Vielen herzlichen Dank!
Vielen Dank! Aus den Fraktionen liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Es hat sich Abgeordneter Gentele zu Wort gemeldet.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bin ehrlich gesagt froh, dass dieses Thema hier zur Aktuellen Stunde auf den Tisch gekommen ist. Wir alle wissen und sehen täglich, was in Afghanistan passiert. Ich brauche gar nicht alles aufzuzählen. Machen Sie das Radio an oder lesen Sie Zeitungen.
Immer und immer wieder steht Afghanistan im Mittelpunkt von Gewalt und Terror. Das Land wurde 2001 von der Schreckensherrschaft der Taliban zum Teil befreit. Trotzdem konnte sich das Land im Inneren bis heute leider nicht stabilisieren. Kein Wunder, dass sich die Menschen auf den Weg nach Europa und Deutschland gemacht haben. Ich möchte auch nicht in einem unsicheren Land, geprägt von Terror und Gewalt, leben.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich unterstütze die Forderungen der Koalitionsfraktionen – danke schön – und fordere auch einen Abschiebestopp nach Afghanistan, und zwar so lange, bis sich die Lage normalisiert und stabilisiert hat, auch wenn ich weiß, dass es lange dauern kann. In der jetzigen schwierigen Phase, in der sich das Land befindet, keine abgelehnten Asylbewerber abzuschieben, halte ich für richtig. Jedem muss klar sein, egal welche Meinung vertreten wird, dass eine Abschiebung einem Freitod gleichkäme, denn von 34 Provinzen sind nachweislich 31 Provinzen unsicher. Dies schrieb erst kürzlich die stellvertretende Ministerin für Flüchtlingsangelegenheiten an die Bundesregierung.
Wie ich gestern aus den Medien entnehmen konnte, soll höchstwahrscheinlich am 28. Juli wieder eine Sammelabschiebung erfolgen. Ich fordere darum die Bundesregierung auf, diesen Wahnsinn sofort zu stoppen,
denn bis jetzt wurde ja nicht mal, wie die CDU auch schon gesagt hat, eine neue Risikobewertung für Afghanistan durchgeführt.
Sehr verehrte Damen und Herren, am 3. Juni las ich in der Zeitung „DIE ZEIT“ eine Stellungnahme des innenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion im Bundestag, Herrn Stephan Mayer. Herr Präsident, ich bitte darum, zitieren zu dürfen: „Die Union lehnt einen vollständigen Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan ab. An der Sicherheitslage in