Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kollegin Frau Marx hat mich gerade noch mal darauf hingewiesen, dass zu viel lachen auch vorzeitige Wehen verursachen kann. Ich bin relativ froh, dass wir das jetzt gerade noch vermeiden können. Ich hätte diesen Redebeitrag nicht mehr halten können.

Herr Kellner, ich hoffe, dass ich damit ein bisschen zu Ihrer Erhellung beitragen kann. Erstens: In dem Antrag geht es gar nicht mehr um die Absenkung des Wahlalters, sondern um Maßnahmen politischer Bildung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dazu haben Sie in Ihrem Redebeitrag verhältnismäßig wenig gesagt.

Zweitens hat der Antrag mit der Gebietsreform überhaupt gar nichts zu tun.

Drittens machen wir mit dem Antrag auch nicht den zweiten Schritt vor dem ersten, sondern den zweiten Schritt nach dem ersten, weil wir nämlich erst das Wahlalter abgesenkt haben und jetzt sagen, dass wir Maßnahmen brauchen.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Da muss man vorher mal gucken, ob das sinnvoll ist!)

Wir haben vorher geguckt, ob das sinnvoll ist. Das haben wir in einer anderen Plenardebatte schon mal relativ ausführlich diskutiert und haben gesagt, wir brauchen die Absenkung des Wahlalters und jetzt natürlich auch eine Kampagne und Maßnahmen politischer Bildung, die genau das untersetzen.

Viertens: Sie können zwar – das macht Ihr Kollege Herr Bühl immer wieder – sagen, dass Mitbestimmung und Beteiligung junger Menschen Ihnen unglaublich wichtig ist, aber dann, wenn es konkret wird, wenn es darum geht, Verantwortung und Macht abzugeben, dann zu sagen, dass man das nicht will, das ist unplausibel und es ist auch nicht redlich gegenüber den jungen Menschen in diesem Land.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es stimmt auch nicht, dass wir die Jugendlichen ignorieren. Wenn Sie sich an die Ergebnisse der Anhörung damals erinnern, dann wissen Sie, dass alle Jugendverbände – zum Beispiel auch der Landesjugendring – damals deutlich gesagt haben, dass sie die Absenkung des Wahlalters wollen. Das sind die Vertreterinnen und Vertreter der jungen Menschen in diesem Land. Wenn Sie das jetzt auch noch abstreiten wollen, müssen wir tatsächlich noch mal eine ganz andere Debatte führen. Es geht uns mit der Absenkung – das hat zwar mit dem Antrag jetzt auch nichts zu tun – auch nicht um einen Zwang zur Wahl, sondern es geht um die Möglichkeit, zur Wahl zu gehen, und darum, jungen Menschen, wenn ich sie beteiligen möchte, mit dieser konkreten Maßnahme Mitbestimmung zu ermöglichen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was stimmt – da kommen wir vielleicht langsam mal an einen Punkt, an dem wir zusammen sind –, ist, dass wir im November 2015 das Wahlalter für die kommunale Ebene abgesenkt haben, weil wir gesagt haben, dass das ein wichtiger Schritt für Mitbestimmung und Beteiligung ist und Rot-Rot-Grün damit zeigt, dass wir junge Menschen ernst nehmen und auch das Thema „Mitbestimmung und Beteiligung“ ernst nehmen, und zwar nicht nur, wenn

(Abg. Kellner)

es darum geht, mal ganz allgemein zu sagen, dass wir das brauchen, sondern auch darum, wenn es ganz konkret wird, das heißt eben auch dann, wenn es darum geht, Macht und Verantwortung abzugeben.

Wir haben damals in der Debatte schon gesehen, dass das nicht alle hier im Hohen Haus so sehen, sondern dass einige Menschen sagen, dass junge Menschen gar nicht in der Lage sind, oder sie selbst auch sagen, sie sind nicht in der Lage. Deswegen haben wir damals schon angekündigt – und das hätten Sie gesehen, wenn Sie sich die Plenardebatte vernünftig angesehen hätten –, dass wir begleitende Maßnahmen zur Absenkung des Wahlalters brauchen, weil politische Bildung in unserem System immer eine besondere Bedeutung hat. Deswegen fördern wir zum Beispiel die Landeszentrale für politische Bildung. Deswegen fördern wir politische Stiftungen, weil wir sagen, dass das einen wichtigen Beitrag leistet. Natürlich ist das auch dann wichtig, wenn ich so eine Maßnahme wie die Absenkung des Wahlalters mache, junge Menschen darüber zu informieren, dass sie zum einen jetzt die Möglichkeit haben, zu wählen, zum anderen aber sie auch dabei zu begleiten, sie zu unterstützen und sie in die Lage zu versetzen, sich kritisch mit Programmen, mit Parteien, mit Politikern auseinanderzusetzen und auf dieser Basis zu einer Entscheidung zu kommen, die ihre persönliche Entscheidung ist. Genau das wollen wir mit diesem Antrag. Wir wollen, dass junge Menschen über das Kommunalwahlsystem informiert werden, dass sie zum Beispiel darüber informiert werden, wen sie überhaupt wählen, welche Bedeutung Wahlen haben. Deswegen wollen wir – da knüpfen wir an Erfahrungen aus anderen Bundesländern an – zum einen eine Kampagne, die öffentlich darüber informiert, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, mit 16 zur Wahl zu gehen. Das wissen schlicht und ergreifend noch nicht alle jungen Menschen in diesem Land.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Die werden doch angeschrieben!)

Ja. Und jetzt wissen sie es trotzdem noch nicht. Herr Kellner, akzeptieren Sie doch, dass es so ist. Das gehört auch dazu, sie darüber zu informieren und nicht erst, wenn sie angeschrieben sind, sondern den Prozess zu begleiten, der das vorbereitet. Deswegen wollen wir darüber hinaus Bildungsangebote im schulischen und im außerschulischen Bereich. Das werden die zuständigen Ministerien erarbeiten. Das ist das Innenministerium, aber auch das Bildungsministerium, die Landeszentrale für politische Bildung und zum Beispiel Akteure der Jugend- und Erwachsenenbildung – weil Sie gefragt haben, wer eigentlich diese zivilgesellschaftlichen Akteure sind. Das ist zum Beispiel auch der Landesjugendring als wichtiger Akteur, den man da sicherlich mit einbinden muss. Wir wollen außerdem, dass entsprechende Haushaltsmittel bereitgestellt

werden, weil – auch das zeigen die Erfahrungen aus den anderen Ländern – es dafür zusätzliche Mittel braucht. Sie zeigen auch, dass mehr Geld nicht unbedingt immer zu den besseren Ergebnissen führt, aber auf jeden Fall, dass wir das brauchen.

Genau das nehmen wir mit diesem Antrag auf. Ich bitte um Zustimmung für diesen Antrag für die 30.000 jungen Menschen, die unter 18 sind und bei der nächsten Kommunalwahl das erste Mal wählen dürfen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat Abgeordneter Brandner, AfD-Fraktion, das Wort.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Hose vorher hochziehen! Nicht, dass sie rutscht!)

Frau Henfling, wenn ich Sie sehe, dann ziehe ich die Hose das nächste Mal runter. Was halten Sie denn davon? Der war gut, oder?

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ekelhaft!)

Aber Sie müssen noch ein Stückchen warten, ich muss erst zu Ende reden, Frau Henfling. Jetzt müssen Sie nicht schon rausgehen!

Herr Kellner, Sie haben den Finger schon gut in die Wunde gelegt, muss ich Ihnen sagen. Diese Angriffslust, ich darf Sie mal loben von hier vorne, ich hoffe das schadet Ihrem weiteren Fortkommen nicht, die Angriffslust finde ich klasse, zumal Sie genau die Wunde getroffen haben. Ich werde den Finger noch ein bisschen weiter in diese Wunde reinbohren, in diese schwärende rot-grüne Jungwählerkampagnenwunde.

Meine Damen und Herren, vor etwa zwei Jahren diskutierten wir hier zum ersten Mal den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Sie von den deutschen demokratischen Ramelow-Fraktionen wurden nicht müde, faktenfrei, wie es Ihr Markenzeichen ist und wie es Ihrer Politik immanent ist, uns und den Menschen draußen das Märchen als wahr verkaufen zu wollen, dass nahezu alle Jugendlichen das wollten und eine Absenkung des Wahlalters die Wahlbeteiligung auch noch erhöhen würde. Wir von der AfD wurden nicht müde, hart an den Fakten zu argumentieren und zu versuchen, Sie davon zu überzeugen, dass weder das eine stimmt noch das andere eintreten wird.

(Beifall AfD)

(Abg. Lehmann)

Im November 2015 passierte dann Ihr Gesetzentwurf das Parlament und Sie von Rot-Grün öffneten entgegen aller Vernunft die Wahlkabinen bei Kommunalwahlen für 16- und 17-Jährige. Ihre inhaltlichen, faktenbasierenden Beiträge zur Debatte waren – wir erinnern uns alle mit Schaudern – sehr bescheiden.

Was passierte noch? Es gab eine Anhörung, bei der sich 13 Organisationen für die Absenkung des Wahlalters aussprachen, nur drei dagegen. Das mag auf den ersten Blick beeindruckend sein, wenn man mal davon absieht, das Sie von Rot-Grün selbstverständlich nur solche Organisationen anhören wollten und dann auch angehört haben, die Ihrem Anliegen positiv gegenüberstehen und die Qualität ja bekanntlich entscheidender ist als die Quantität. Mir fällt in dem Zusammenhang etwas auf, worauf ich dann zu späterer Stunde noch einmal eingehen werde.

Meine Damen und Herren, in Teilen Thüringens waren bereits im Jahr 2016 Kommunalwahlen. Naheliegend bei einer Absenkung des Wahlalters wäre es daher gewesen, eine Untersuchung spätestens dann vorzunehmen und herauszufinden, wie diese Absenkung des Wahlalters angekommen war und angenommen wurde.

(Beifall AfD)

Nachzulesen in der Antwort auf die Kleine Anfrage 1245 ist aber, dass die Landesregierung auch hier mal wieder keine Ahnung hat. Sie sieht keine Möglichkeit, die Daten zu erheben, da in kleinen Gemeinden angeblich und möglicherweise das Wahlgeheimnis gefährdet wäre. Niemand weiß also bis heute, welchen Effekt die Absenkung des Wahlalters tatsächlich hatte. Aber vieles deutet darauf hin, dass Rot-Grün auch hier mit den Annahmen falsch und wir von der AfD, ausnahmsweise auch mal die CDU, richtig lagen. Sie wissen also nichts. Wie schon vorher sind Sie ahnungslos und wissen nichts und wieder begehen Sie den gleichen, zweiten Fehler – Herr Kellner hatte darauf hingewiesen – analog so ein bisschen zur Gebietsreform, und laufen mit dem Kopf – zum zweiten Mal – gegen dieselbe Wand, und das ist der Gesundheit und dem logischen Denken weiß Gott nicht förderlich, wie man gleich auch sieht. Ihre pawlowsche Reflexreaktion ist jetzt diese Erstwählerkampagne. Sie wollen mit einer Kampagne etwas nachbessern, was Sie gar nicht wissen, und neben der Information der Jugendlichen sollen auch die Selbstorganisation und Diskursfähigkeit der Heranwachsenden innerhalb des demokratischen Gemeinwesens gefördert werden. Meine Damen und Herren, bei einer normalen Regierung wäre das vielleicht eine Idee, über die man nachdenken könnte, aber hier bei einer linken, möglicherweise noch schlimmeren Regierung in Thüringen kann man nur sagen: Nachtigall, ick hör dir trapsen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht witzig!)

Wenn ich mir anschaue, wie das umgesetzt werden soll und wo das herkommt, dann denke ich gleich wieder an einen bekennenden Linksextremisten aus der Staatskanzlei und sehe da genau, wer die Hand bei der Formulierung dieses Antrags geführt hat. Bei der Umsetzung sollen neben den staatlichen Stellen nämlich auch nebulöse und dubiose – Herr Kellner hatte darauf hingewiesen – zivilgesellschaftliche Akteure mitwirken. Da sind wir bei dem Punkt der Anhörung. Ich hatte vorhin schon mal darauf hingewiesen: Das sind genau die Organisationen, die die Herabsetzung des Wahlalters bei Ihrer dubiosen, nebulösen Anhörung befürworteten. Es sind wieder die üblichen Verdächtigen

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Landesjugendring zum Beispiel!)

dazu komme ich noch –, es sind wieder die üblichen Verdächtigen aus dem linken Thüringer Kahane-nahen und steuergemästeten Toleranz- und Gedönssumpf.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Landesjugendring ist links – aber holla!)

Ich zähle die mal auf: der Landesjugendring, die DGB-Jugend, die Naturfreundejugend, das Jugendforum, der Stadtjugendring, die Jusos – wo sind eigentlich die Schwusos oder gibt es nur alte Schwusos? –, die Linksjugend Solid, SJD – Die Falken und natürlich auch die Jungen der doch eigentlich berufsjugendlichen Grünen. Alle die, die in der Anhörung dafür waren, sollen jetzt plötzlich bedacht werden. Da haben wir also und wohl kaum zufällig wieder dieselben zivilgesellschaftlichen Akteure, die haben sich da wieder zusammengefunden, die von einem Gesetz profitieren wollen, das sie vor zwei Jahren in die Spur gesetzt hatten. Rot-grüner Zufall, so eine Art politischer Nepotismus? Es wird sich zeigen. Wieder soll also – aus einer neuen Quelle diesmal freilich – Staatsknete für unsinnige Projekte fließen, die dann Personalstellen und die Versorgung eigentlich verkrachter Existenzen aus dem linken Lager möglich machen. Das ist klassisches Gemauschel im rot-grünen „Ramelüringen“, so wie „Ramelüringen“ unter Herrn Ramelow leibt und lebt. Armer Freistaat als Beute der Nationalen Front! Anders kann ich das nicht nennen.

Vielleicht mal ein kleiner Applaus zwischendrin, das wäre nicht schlecht, ich muss mal einen kleinen Schluck trinken. Müssen wir mal „Martin, Martin!“ rufen!

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, bei diesen Akteuren, die ich gerade erwähnt habe, ist ja auch klar, in welche

Richtung diese Erstwählerkampagne gehen soll und gehen wird. Kampf gegen alles Bürgerliche, gegen alles Vernünftige, gegen alles, was nicht links ist, das wird das Ziel sein. Kurz gesagt: Ihr Antrag ist Ausdruck einer verfehlten, blinden, ideologischen Politik. Das Gesetz war überflüssig und schlicht mistiger Murks. Jetzt wollen Sie diesen mistigen Murks nachbessern, wieder ohne Faktengrundlage, wieder aus dem Bauch heraus und nur, um Ihrer Klientel noch mehr Steuergeld zuzuschustern. Das steckt dahinter und nichts anderes.

(Beifall AfD)

Sinnvolle Jugendpolitik sieht aber anders aus. Wenn Sie nämlich wirklich Jugendlichen zutrauen würden, verantwortlich ihr Wahlrecht wahrzunehmen, dann müssten sie nicht von irgendwelchen dubiosen Vereinen überredet werden und sich zur Wahlurne tragen lassen. Auch wenn Sie die Wahlbeteiligung erhöhen wollen, gilt: Von der AfD lernen, heißt siegen lernen. Warum? Weil nur wir von der AfD für eine bürgernahe Politik und klare Alternativen zu Ihrem Altparteien-Einerlei-Willen stehen. Und genau das fehlte bis 2013. Gucken Sie sich die Statistiken und die Erhebungen doch an, genau das fehlte bis 2013 in Deutschland. Mit der AfD stieg und steigt die Wahlbeteiligung deutlich. Nur so geht es, meine Damen und Herren: klare Kante für die Bürger, klare Kante für Deutschland, Argumente statt Gefühle und Fakten statt Geschwafel.

(Beifall AfD)

So bekommen Sie auch Jugendliche an die Wahlurne, so bekommen Sie die Wahlbeteiligung nach oben. Das sollten Sie eigentlich jetzt merken. So, wie Sie es machen wollen, funktioniert es nicht. Staatlich finanzierte links- und krawallideologisch durchdrungene Laber-, Quassel- oder Kuschelkurse à la „IM Victoria“ und Landesprogramm für Gedöns, angereichert mit allgemeinem Geschwalle – ich höre es schon in meinem Ohr. Das bringt nichts. Das bringt nie etwas und es bringt vor allem auch hier nichts, was die Jugendlichen angeht, meine Damen und Herren. Sie ahnen es, deshalb werden wir Ihren mehr als entbehrlichen Antrag ablehnen. Er ist schlicht schlecht, überflüssig und schädlich für Jugendliche und schädlich für Thüringen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als Nächste hat Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.