Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

Aber die Absicht, dass Strafrechtsverstöße im Netz nicht geduldet werden können und dass man da schnell Abhilfe schaffen muss, ist ein Bedürfnis oder eine Anforderung, die uns alle hier im Hause eint. In der Frage haben wir auch keinen Dissens mit Linken und Grünen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wie gesagt, es geht um das Gesetz. Und jetzt, wie das so schön auch bei dem Portal netzpolitik.org

(Abg. Scherer)

geschildert worden ist, setzen Sie sich als Rechtspopulisten da oben drauf und sagen: Oh Gott, die allgemeine Meinungsfreiheit ist in Gefahr. Was Sie aber immer meinen, ist, Ihre Meinungsfreiheit ist in Gefahr,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ist die weni- ger schützenswert?)

die Privilegierung zu verlieren, dass Sie auch strafrechtswürdige Inhalte im Internet bisher locker und lustig verbreitet haben. Dann gerieren Sie sich als Hüter der Freiheit, die Sie eigentlich missachten und die Sie selbst auch einschränken wollen. Das ist das Widersprüchliche bei Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann man sehr gut nachlesen in den Chats, die jetzt veröffentlicht worden sind, aus denen die Kollegin König-Preuss schon zitiert hat. Da war von der Abschaffung oder von der Entmachtung der Medien die Rede, wenn die Machtergreifung – das steht wortwörtlich so in dem Chat – denn endlich gelungen sein würde. Es gibt noch einen anderen Passus, den möchte ich hier zitieren. Das ist ein Zitat, Frau Präsidentin, ich zitiere: „Ohne die Medien zu kriegen, keine Macht. [...] Das wusste schon der kleine Doktor und selbst die 68er-Arschlöcher haben das erkannt und geschafft. Wir müssen die Medien unterwandern, sonst wird es ganz schwer.“ Das ist Ihr Begriff von Pressefreiheit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn Sie uns dann hier Ratschläge erteilen wollen, dass wir in die Verfassung schreiben sollen, dass wir eine Zensur nicht nur für unzulässig halten – das gibt es auch bisher schon, das ist Verfassungsrecht, ohne dass man das neu formulieren müsste. Aber dass man eben auch private Institutionen, die sich an der Bildung von Meinungen beteiligen, nicht unterstützen dürfte, dann wird auch wieder klar, was Sie meinen. Sie wollen die Vielfalt unterdrücken. Meinungsfreiheit meinen Sie nicht wirklich, Sie meinen das Recht, Ihre merkwürdigen Positionen unbeschwert und unbegrenzt im Netz verteidigen und verteilen zu dürfen. Da machen wir nicht mit und die ganzen ausführlichen Begründungen sind, glaube ich, hier schon sehr tiefschürfend und sehr weitreichend von allen anderen Vorrednerinnen und Vorrednern kritisiert worden.

Wie gesagt, Änderungen am Netzwerkdurchsetzungsgesetz werden zurzeit auf Bundesebene diskutiert, dazu brauchen wir Sie nicht. Aber was Sie wollen, nämlich unbegrenzt weiter im Netz pöbeln und hetzen und Straftatbestände schleifen, das findet hier keine Unterstützung – vom gesamten Haus nicht. Deswegen wird Ihr Gesetzentwurf diesen Landtag hier nicht positiv verlassen, sondern wir

werden ihn hängen lassen und ablehnen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Herr Abgeordneter Höcke, Sie haben 50 Sekunden.

Dann erspare ich mir die Begründung. Frau Marx, wenn Sie das nächste Mal AfD-Positionen glauben hier kommunizieren zu müssen, dann tun Sie das auch bitte in redlicher Art und Weise und zitieren Sie nicht irgendwelche Chatprotokolle, von denen wir nicht wissen, ob sie vielleicht selbst von Ihnen oder von irgendwelchen Zuträgern produziert worden sind,

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern einfach mal unsere AfD-Programmatik.

(Beifall AfD)

Herr Scherer, Ihre Ausführungen waren auch sehr erhellend. Sie haben nämlich vom Rednerpult hier vorn letztlich den Gesetzentwurf Ihrer Bundesregierung auseinandergenommen, herzlichen Glückwunsch dazu.

(Beifall AfD)

Es geht uns auch nicht um die Konkretisierung der Landesverfassung, es geht uns darum, dass wir die Zeit in der Landesverfassung abbilden. Die Landesverfassung stellte Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen unter den Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit. Heute hat das Internet eine größere Bedeutung als das Radio und das Fernsehen. Das konnten Verfassungsväter damals nicht ahnen, deswegen ist es geboten, das Internet entsprechend den anderen Medien gleichzustellen – das noch mal zur Erläuterung.

Frau Präsidentin, einen Satz lassen Sie mich bitte noch gerade zu Ende führen. Natürlich bricht das Bundesrecht Landesrecht, Herr Scherer – dieser Grundsatz ist uns natürlich auch bekannt –, dasselbe gilt aber nicht für verfassungswidriges Bundesrecht. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Dr. Voigt hat sich zu Wort gemeldet.

(Abg. Marx)

Werte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ein herzliches Willkommen an die Besuchergruppe aus Eisenberg! Ich will vielleicht noch mal etwas zu Herrn Höcke und auch zu den Ausführungen zum Gesetz sagen.

Die Frage, was verfassungsgemäß ist und was nicht, entscheiden in Deutschland im Zweifelsfall immer noch Gerichte, wenn sie dazu angefragt werden.

(Beifall CDU)

Das ist auch der Vorwurf, den wir als Unionsfraktion bisher diesem Gesetz gemacht haben, und zwar dem Bundesgesetz. Wenn Sie sich die Anhörung, die am Montag im Deutschen Bundestag stattgefunden hat, angeschaut haben, dann werden Sie schnell feststellen, dass angefangen von der Digitalwirtschaft über Rechtsprofessoren bis hin zu „Reporter ohne Grenzen“ alle unisono gesagt haben, dass dieses Gesetz verfassungswidrig ist, was wir offen gestanden als Union schon seit Januar dieses Jahres erzählen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber ihr habt es mitgetragen!)

Vorsicht! – Deswegen gibt es ganz konkrete Änderungsvorschläge, weil wir uns eine Grundsatzfrage stellen – und da kommen wir wieder zu der Verfassungsmäßigkeit. Wir stellen uns die Grundsatzfrage: Soll es in unserer Rechtssystematik eine Umkehr geben? Die Umkehr, dass bisher Gerichte darüber entscheiden, was letztlich strafrechtlich relevant ist oder nicht oder ob das quasi eine Selbstzensur der Anbieter sein soll. Da sagen wir als Union: Das kann doch bitte schön nicht unser Ernst sein, dass wir in die Hände von Facebook oder anderen sozialen Medien die Entscheidungen darüber legen, was letztlich rechtmäßig bzw. strafbar ist oder nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube, das ist die Debatte, die wir führen müssen. Aber ein bisschen zur Aufklärung, wie die Faktenlage ist: Schon jetzt ist es so, dass Facebook 3.500 Kommentare pro Woche löscht, die nachweislich Hate Speech, Hasskommentare, sind. Das ist deren eigene Selbstkontrolle, was sie in Deutschland machen. Aber deswegen muss man es auch klar auseinanderhalten – und ich bin dem Kollegen Scherer dankbar, dass er die Unterscheidung zwischen Fake News und Hate Speech gemacht hat. Wer soll denn Fake News auseinanderhalten, wo da die Grenzen verschwimmend sind? Ich mache nur mal ein Beispiel: Den Kommentar, dass der Papst Franziskus Donald Trump als amerikanischen Präsidenten unterstützt, hat sich 1 Million Amerikaner angeschaut. Das sind klare Fake News. Aber das ist nicht strafrechtlich. Deswegen

kann so etwas natürlich objektiv nicht verboten werden. Aber was klar sein muss, ist, wenn es strafrechtlich relevant ist, muss es schnell bearbeitet werden, aber von einem deutschen Gericht.

Frau Marx, Sie haben das auf die 24-Stunden-Regel bezogen gesagt. Ja, aber das Gesetz von Ihrem Parteikollegen Maas sah vor, das innerhalb von sieben Tagen zu lösen. Sie sind selbst Juristin und wissen, dass der Abwägungsbereich in der Fragestellung, was offensichtlich rechtswidrig ist bei Beleidigung oder Verleumdung, manchmal auch in deutschen Gerichten sehr lange und sehr unterschiedlich diskutiert wird. Insofern ist mir wohler zu sagen, das macht auch weiterhin ein deutsches Gericht, selbst wenn es etwas Zeit braucht, als wenn ich das in die Hände von Facebook gebe. Ich verstehe Ihre Herangehensweise, ich verstehe schon die Sorge, die Sie haben, dass dann solche Unternehmen hergehen und sagen: Wir löschen tendenziell schneller, weil wir die Sorge haben, dass das gegebenenfalls strafrechtlich relevant sein könnte und wir deswegen hohe Strafzahlungen bekommen, dass dann quasi der offene demokratische Dialog, den wir brauchen, vielleicht nicht mehr vonstatten geht.

Ich glaube, für dieses Facebook-Gesetz darf es kein Like geben. Deswegen werden wir als Unionsfraktion im Deutschen Bundestag sehr konkret an drei Sachen ansetzen. Ich denke, dass es dann vielleicht auch zu einem Kompromiss kommen wird. Das eine ist: Wir haben in Deutschland ein etabliertes System der regulierten Selbstregulierung. Das kennen wir aus dem Jugendmedienschutz und das gibt es auch an vielen anderen Stellen. Ich glaube, das werden wir natürlich auch in der Bundestagsdebatte erleben. Gleichzeitig wird es um Fragen wie Clearingstellen gehen. Wenn wir es schaffen sollten, dieses Gesetz auf seinen Kern zurechtzustutzen, nämlich, dass wir auch Regulierung im Internet brauchen, dann ist auch dem Kollegen Maas bei seinem überbordenden Regulierungswahn geholfen und er hat es charmant mit unserer Hilfe letztlich zu einem Gesetz bringen können, das in gewisser Weise noch die Intention, die vielleicht nicht mal schlecht ist – Kollege Scherer hat es zu Recht gesagt, es ist gut gemeint, aber schlecht gemacht –, dass wir das wieder auf diese Sache komprimieren. Denn eines muss uns als Demokraten gemeinsam wichtig sein, dass wir auch in einem öffentlichen Raum wie dem Internet nicht zulassen, dass etwas unreguliert passiert. Wir wollen klare Rechtsrahmen setzen. Ich denke, wenn wir das hin zu einer regulierten Selbstregulierung bringen, dann haben wir in Deutschland gute Erfahrungen damit. Und wenn wir es dann am Ende bei Gerichten lassen, ist es auch der richtige Weg und dann kann auch so ein Gesetz kommen. Vorher nicht. Dafür werden wir als Union Sorge tragen. Schönen Dank.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Es hat sich Abgeordnete König-Preuss, Fraktion Die Linke, zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Besuchertribüne, ich möchte insbesondere Herrn Dr. Mario Voigt danken, der das noch mal klargestellt hat, wie dieses Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu bewerten ist. Vom fachlichen her, da teilen wir die Meinung und ich hoffe auch, dass es entsprechend dann im Bundestag zu einer Änderung bzw. in der jetzigen Form auch zu einer Ablehnung des Gesetzes kommen wird.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für Herrn Scherer: Für die Gleichsetzung in Bezugnahme auf Herrn Höckes Rede und meine Rede bekommen Sie von mir zehn Extra-Punkte auf der Extremisten-Theoretiker-Bingo-Liste – da führen Sie aktuell.

Und als Letztes: Herr Höcke zweifelte hier vorn an, dass diese WhatsApp-Chat-Gruppe, die in dieser Woche öffentlich geworden ist, echt wäre. Es gibt mittlerweile sowohl die Bestätigung des Gründers der WhatsApp-Gruppe, der die strukturelle Echtheit bestätigt, und es gibt auch die Bestätigung von Herrn Poggenburg,

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Sie haben nicht zugehört!)

der gleichzeitig auch erklärt hat, er habe weder die Aufgabe noch das Recht – Zitat –, „hier irgendwelche Meinungsäußerung einzuschränken“. Da ist sozusagen der konkrete Beleg wieder für das, worum es der AfD geht, nämlich die Form der Hetze, die Form des Hasses, die überall von Ihnen und von Ihren Kollegen und Kolleginnen in den unterschiedlichen Parlamenten, von Ihren Sympathiesanten und Wählern und Parteimitgliedern verbreitet wird. Das wollen Sie legalisieren. Dem stellen wir uns entgegen.

Und eine letzte Sache will ich dann doch noch sagen an die Verteidiger, vermeintlichen Verteidiger der Meinungsfreiheit hier rechts außen von mir: Ich glaube, die meisten von uns – wir hatten das hier auch schon im Plenum – kennen ja Deniz Yücel, den Journalisten der „Welt“, der jetzt seit mehren Monaten in der Türkei in Haft sitzt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist doch ein Knacki, oder?)

Genau, es ist ein Knacki – darüber machen Sie sich lustig! Wissen Sie, der sitzt in Haft, weil er für Meinungsfreiheit eingetreten ist. Und darüber machen Sie sich lustig!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Genau das ist nämlich Ihre Vorstellung von Meinungsfreiheit – immer nur dann, wenn es konform ist in Ihrem rassistischen Weltbild, Ihrem antisemitischen Weltbild und Ihrem Verschwörungsweltbild, wie es Kollegin Henfling hier vorn sehr gut dargestellt hat. Die Kollegen von Ihnen äußern sich nämlich zu Deniz Yücel und dessen Haft in der Türkei wie folgt: „Von mir aus kann er bleiben, wo er ist“, so Holger Ape. Oder eben auch: „In Deutschland hätte er schon längst wegen Beleidigung und Volksverhetzung ins Gefängnis kommen müssen.“

Und da sage ich Ihnen ganz im Ernst: Sich hier hinzustellen, uns einen Gesetzentwurf für die Meinungsfreiheit vorzulegen, zu erwarten, dass wir diesem auch nur im geringsten Zustimmung geben, gleichzeitig da, wo Meinungsfreiheit in Gefahr ist, nämlich sowohl hier in Deutschland durch konkrete Bedrohungen von Journalisten, durch konkrete Bedrohungen von Menschen, die sich nicht in Ihrer Ideologie äußern, da nicht entgegenzutreten, entlarvt Sie und zeigt ganz klar, worum es Ihnen geht. Es geht Ihnen darum, Rassismus zu legitimieren und zu legalisieren. Dafür bekommen Sie keine Zustimmung – von niemandem.