Protokoll der Sitzung vom 23.06.2017

Nein, wir müssen das als Frauen hier nicht hinnehmen, dass Sie so etwas hier sagen dürfen – Punkt, Ende, aus!

(Abg. Meißner)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind, wünsche ich Ihnen viel Spaß. Sie sind ja sonst immer so retrospektiv orientiert, dann gehen Sie doch bitte auch einfach dahin, wo das hingehört, nämlich nicht in dieses Jahrhundert und nicht in dieses Parlament.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sie hatten mit der Hose angefangen! Können Sie sich nicht erinnern?)

Genau, ich habe mit der Hose angefangen, ja, und Sie haben nicht verstanden, dass es eine Anspielung auf die Art und Weise, wie Sie hier auftreten, ist,

(Unruhe AfD)

nein, nicht auf Ihre Hose, sondern auf Ihre Art und Weise, wie Sie hier auftreten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, inhaltlich lohnt es sich fast gar nicht so richtig, auf das, was Herr Brandner sonst gesagt hat, einzugehen, aber lassen Sie mich doch noch mal ein paar Sachen klarstellen. Diejenigen, die sich hier schon seit Jahren und Jahrzehnten für eine tatsächliche Bürgerversicherung einsetzen, die sitzen links in diesem Saal, das ist nämlich Rot-Rot-Grün. Auch auf Bundesebene gibt es in den Parteien unterschiedliche Modelle für die Bürgerversicherung.

Diese Idee gibt es hier schon länger. In der besten aller Welten hätten wir tatsächlich schon eine Bürgerversicherung, die dafür sorgt, dass alle Menschen, die in diesem Land arbeitstätig sind, tatsächlich auch eine adäquate Alters- und Krankenversorgung bekommen. Leider ist das nicht so. Deswegen denken wir hier durchaus realpolitisch.

Wir befinden uns in einem System, in dem eben die Künstlersozialkasse existiert und in der wir die Künstlersozialkasse an die momentanen Gegebenheiten anpassen müssen.

Frau Meißner, wenn Sie dann behaupten, dass die Ausweitung der Tätigkeitsbereiche dazu führen würde, dass weniger Geld in der Kasse ist, dann missachten Sie schlicht und ergreifend, dass mit der Ausweitung der Tätigkeitsbereiche und auch der Berufe mehr Geld von anderen Arbeitgebern und dem Bund in der Künstlersozialkasse landen würde.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es ist also schlicht und ergreifend falsch zu sagen, wir würden dann dafür sorgen, dass für die bestehenden Einzahlerinnen und Einzahler in der Künstlersozialkasse weniger Geld da wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch ist es nicht so, dass wir hier Klientelpolitik betreiben. Immerhin handelt es sich bei der Künstlersozialkasse nicht um das einzige Versorgungswerk; ich erinnere an das Versorgungswerk von Rechtsanwälten beispielsweise, Herr Brandner, oder von Architektinnen und Architekten. Das heißt also, wir haben hier eine sehr ausdifferenzierte Landschaft. Da von Klientelpolitik zu reden, zeigt auch, dass sich die AfD hier nicht an einem sachlichen Dialog beteiligen möchte, sondern schlicht und ergreifend nur wieder ihre Polemik vorbringen möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine offene Gesellschaft braucht kulturelle Vielfalt. Für diese ist sie unverzichtbar. Die Förderung von Kunst und Kultur ist elementar für die Stärkung unserer Demokratie. Damit eine vielfältige Kulturlandschaft entstehen kann und bestehen bleibt, braucht es Rahmenbedingungen für fest angestellte sowie selbstständige Künstlerinnen und Künstler, Kreative, die Freiräume schaffen und künstlerisches und kreatives Schaffen überhaupt erst möglich machen. Allerdings sind genau diese Bedingungen insbesondere auch für Kultur- und Kreativschaffende suboptimal, besonders für diejenigen, die ohne öffentliche Kulturförderung auskommen müssen. Niedrige Honorare, eine mangelnde soziale Absicherung und als Folge dessen drohende Altersarmut fördern die Sorgen um die eigene Zukunft.

Natürlich heißt das nicht, dass wir uns deswegen nicht auch um die Altersarmut anderer Berufsgruppen kümmern, sondern wir wollen mit diesem Antrag unserem Koalitionsvertrag Rechnung tragen und hier auch noch mal die Bedeutung der Künstlersozialkasse betonen.

Zukunfts- und Existenzängste, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind jedoch eine schlechte Basis für kreative Arbeit. Daher müssen dringend Konzepte für die Existenzsicherung sowie zur Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und im Alter so angepasst werden, dass sie zur Lebenssituation von Kultur- und Kreativschaffenden passen.

Bisher sind die meisten künstlerisch-publizistisch Selbstständigen in der Künstlersozialkasse organisiert, das haben meine Kollegin Marx und die Kollegin Mitteldorf hier schon erwähnt. Im Jahr 2016 belief sich die Zahl der Versicherten auf rund 185.000. Trotzdem, Frau Meißner, wird oft der Künstlersozialkasse ihre Existenzberechtigung abgesprochen. Deswegen haben wir in dem Titel des Antrags auch „Erhalt“ stehen. Besonders die Unternehmerverbände sehen in ihr eine unzulässige Bevorteilung gegenüber anderen Selbstständigen. Auch die Forderung nach einer Abschaffung der Künstlersozialkasse wird vom Unternehmerverband vorgenommen. Wir haben uns im Koalitionsvertrag klar positioniert. Wir stehen dazu, dass wir die Künstlerso

zialkasse stärken wollen, und sehen bei den bestehenden Regelungen durchaus Handlungsbedarf.

So entspricht die Ausrichtung der Sozialversicherung auf das normale Arbeitsverhältnis nicht mehr der Lebensrealität vieler Kultur- und Kreativschaffender. Teilzeit, Selbstständigkeit und atypische Beschäftigung werden gerade für kreativ Tätige immer normaler. Unsere Sozialversicherungssysteme bilden diesen Wandel jedoch nicht ab. Dabei sind Künstlerinnen und Künstler kreative Vorreiterinnen und Vorreiter für die Entwicklung neuer Arbeits- und Beschäftigungsformen insbesondere im Bereich der Kreativwirtschaft. Unregelmäßige und in der Höhe kaum kalkulierbare Einkommen sind weit verbreitet. Zudem sind Teile der Kreativen wegen einer zwischenzeitlichen Festanstellung nicht berechtigt, in die finanziell günstigere Künstlersozialkasse einzutreten. Mit unserem Antrag wollen wir genau dieses Ungleichgewicht beheben. Dies kann nur bedingt auf der Landesebene erreicht werden. Das ist jetzt auch nicht überraschend. Aber es wäre irgendwie auch ein bisschen apolitisch, wenn wir uns hier nur damit beschäftigen würden, was wir tatsächlich auch ändern können, und unseren Einfluss, den wir sowohl im Bundesrat als auch auf den Bund haben, nicht nutzen würden. Es ist völlig gaga, so zu argumentieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Daher bitten wir die Landesregierung, sich auf der Ebene der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, der Kulturministerkonferenz sowie gegebenenfalls im Bundesrat für die Stärkung der Künstlersozialkasse einzusetzen und über die Bedeutung der Künstlersozialkasse für Thüringer Künstlerinnen und Künstler zu berichten. Wir werben noch mal darum, auch wenn es hier vonseiten der CDU quasi schon abgelehnt wurde, diesem Antrag zuzustimmen. Ich denke, er ist auch eine gute Diskussionsgrundlage, um über die Notwendigkeit und die Veränderungen in der Künstlersozialkasse zu sprechen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Brandner.

Ich wollte nur noch etwas klarstellen. Frau Henfling, ich weiß nicht, wo Sie da mit Ihren Gedanken waren. Aber wir haben vor einiger Zeit hier über die Abgeordnetenrenten gesprochen und wollten diese auch an die Rentenverhältnisse anpassen. Damals waren Sie alle dagegen. Wir hatten gesagt, 1.400 Euro Rentenanspruch nach sechs Jahren Thüringer Landtag geht nicht, lasst uns eine solida

rische Rentenversicherung aufbauen, wozu auch – ich habe es in meiner Rede so erwähnt – gehört, beispielsweise Versorgungswerke für Rechtsanwälte abzuschaffen. Da haben Sie offenbar nicht zugehört. Wir wollen eine gleiche Rente, nach Lebensleistung natürlich, ein Rentensystem für alle, nichts anderes. Sie wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, das verstehen wir nicht.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Dass Sie das nicht verstehen, verstehen wir wiederum nicht!)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen jetzt keine Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat Ministerin Werner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie mich bitte aus Sicht der Landesregierung noch auf den Antrag eingehen. Es wurde schon gesagt, die Künstlersozialkasse ist ein Geschäftsbereich der Unfallversicherung Bund und Bahn. Sie sorgt mit der Durchführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes dafür, dass selbstständige Künstler und Publizisten einen ähnlichen Schutz in der gesetzlichen Sozialversicherung genießen wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie ist selbst kein Leistungsträger, sondern sie koordiniert für ihre Mitglieder die Beitragsabführung zu einer gesetzlichen Krankenversicherung freier Wahl und zur gesetzlichen Rentenund Pflegeversicherung.

Selbstständigen Künstlern und Publizisten steht der gesamte gesetzliche Leistungskatalog zu. Sie müssen dafür nur die Hälfte der jeweils fälligen Beiträge selbst zahlen. Die Künstlersozialkasse stockt die Beiträge aus einem Zuschuss des Bundes und aus Sozialabgaben von Unternehmen, die Kunst und Publizistik verwerten, auf. Welchen Monatsbeitrag ein Künstler, Publizist im Einzelnen an die KSK zahlt, hängt von der Höhe seines Arbeitseinkommens ab.

Die Aufsicht über die Künstlersozialkasse führt das Bundesversicherungsamt gemäß § 46 Künstlersozialversicherungsgesetz. Der Freistaat Thüringen übt keine Aufsicht über die Künstlersozialkasse aus. Auch ist die Zahl der Thüringer Künstlerinnen und Künstler, welche über die Künstlersozialkasse abgesichert sind, nicht bekannt. Gleichwohl kann die Bedeutung der Künstlersozialkasse für die Thüringer Künstlerinnen und Künstler nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Künstlersozialkasse koordiniert die Beitragsabführung ihrer Mitglieder und ermöglicht damit die Teilhabe der Künstlerinnen

(Abg. Henfling)

und Künstler an den Leistungen der Sozialversicherung. Sie ist damit ein Instrument im Rahmen der sozialen Absicherung und der Integration von selbstständigen Kulturschaffenden in die bestehenden Sozialversicherungssysteme.

Ich möchte noch einmal betonen, die Künstlersozialversicherung leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur sozialen Sicherung, einem Bereich, der von klassischen Sozialversicherungssystemen derzeit nicht erfasst wird. Die Künstlersozialkasse ist in ihrer Ausgestaltung auf die ganz speziellen Arbeitsund Lebenssituationen ihrer Mitglieder, die vor allem durch oft wechselnde Beschäftigungsformen und häufig geringe Einkommen geprägt sind, zugeschnitten. Vor ihrer Einführung hatten selbstständige Künstler und Publizisten vielfach keine soziale Absicherung und waren im Notfall auf die Unterstützung durch das Sozialamt angewiesen.

Heute ist die Künstlersozialversicherung als Pflichtversicherung für diesen Personenkreis anerkannt und etabliert. Eine stabile und zukunftsfähige Künstlersozialversicherung sorgt dafür, dass sich künstlerische Kreativität und Ideenreichtum entfalten können. Dies ist auch die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg und die weitere positive Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Thüringen. Es ist daher ein wichtiges Anliegen, die Künstlersozialkasse zu erhalten und auszubauen. Sie ist eine der wesentlichen sozialpolitischen Errungenschaften, hat sich grundsätzlich bewährt und ist auch längerfristig aufrechtzuerhalten. Voraussetzung dafür ist, dass ihre Finanzierung gesichert ist. Die Künstlersozialkasse steht hier vor wachsenden Problemen. Da immer mehr Künstlerinnen und Künstler freiberuflich tätig sind, wächst die Zahl derer, die Mitglied in der Künstlersozialkasse werden wollen, stetig. Das heißt, dass auch der Finanzbedarf der Künstlersozialkasse steigt. Die Einnahmen aus der Abgabe der Verwerter sind in den letzten Jahren gesunken; damit gerät die Finanzierung in eine Schieflage. Es ist dringend notwendig, dass alle Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Künstlersozialabgabe nachkommen. Die Entrichtung der Künstlersozialabgabe sollte deshalb künftig intensiv im Rahmen einer effizienten, einheitlichen Prüfung aller Arbeitgeber durch die Deutsche Rentenversicherung überprüft werden.

Für die Weiterentwicklung der Künstlersozialkasse ist es besonders wichtig, dass am offenen Kunstbegriff festgehalten und der vorhandene Spielraum zur Aufnahme neu entstandener Berufsgruppen im künstlerischen und kulturellen Bereich in die Künstlersozialkasse weitestmöglich ausgeschöpft wird. Darüber hinaus müssen Lösungen für die kurzzeitig unständig und in wechselnden Erwerbsformen Tätigen sowie für die wachsende Zahl von selbstständigen Freiberuflern in anderen Berufsfeldern gefunden werden. Die bestehenden Sozialsysteme müs

sen für diese Gruppen geöffnet und entsprechend ihres spezifischen Bedarfs weiterentwickelt werden. Ich empfehle daher dem Hohen Haus, den Antrag in Ziffer II anzunehmen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt worden, deshalb stimmen wir ab. Herr Abgeordneter Blechschmidt.

Namens meiner Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung.

Es ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Wir stimmen über die Nummern I und II des Antrags der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/3934 ab. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. Ich eröffne die Abstimmung.

Hatten alle die Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um Auszählung.

Ich darf Ihnen das Ergebnis bekannt geben. 85 Abgeordnete sind anwesend, es wurden 78 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 44, mit Nein 34. Damit ist der Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/ 3934 angenommen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich gehe davon aus, dass es Übereinstimmung gibt, dass wir jetzt in die Mittagspause gehen. Wir setzen die Beratung 13.25 Uhr mit der Fragestunde fort. Der Haushalts- und Finanzausschuss trifft sich 5 Minuten nach Beginn der Mittagspause, also ungefähr 13.00 Uhr.

Wir setzen die Sitzung fort mit dem Aufruf des Tagesordnungspunkts 28

Fragestunde

Die erste Frage stellt Herr Abgeordneter Bühl von der CDU-Fraktion in der Drucksache 6/4079.

Verfolgung von Christen in Thüringen in der Zeit von 1945 bis 1989?

(Ministerin Werner)