Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Weiterlesen! Weiterlesen!)

Weiter heißt es in Ihrem Programm: „Der Vorteil einer besonderen Unterstützung durch die Solidargemeinschaft sollte nur denjenigen Alleinerziehenden gewährt werden, die den anderen Elternteil nicht aus der Teilhabe an der Erziehungsverantwortung und praktischen Erziehungsleistung hinausdrängen.“ Jetzt denken Sie mal darüber nach, was das heißt.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Denken Sie mal ganz genau nach!)

Also soll die betroffene Frau jetzt auf das Jugendamt gehen und erklären, die Situation, die ich privatermaßen zu Hause gehabt habe, war eigentlich gar nicht so schlimm oder ich habe mich bemüht, alles aufrechtzuerhalten, aber es ist trotzdem schiefgegangen?

(Unruhe AfD)

Was haben Sie denn eigentlich für eine Erwartungshaltung und wie gehen Sie denn mit Menschen um?

(Zwischenruf Abg. Muhsal: Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind!)

Ich halte das wirklich für gruselig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alleinerziehende in Deutschland müssen sich nicht für ihre Situation entschuldigen und sie müssen auch keine Gründe für ihre privaten Lebensverhältnisse darlegen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt sage ich Ihnen auch noch mal, um welche Zahlen es hier geht. Im Freistaat Thüringen leben derzeit mehr als 121.000 Alleinerziehende. Die Zahlen, Frau Meißner, sind ein bisschen unterschiedlich, aber das liegt sicher daran, bei wem man das jetzt nachgefragt hat. Davon sind über 97.000 Frauen und 23.000 Männer. Das bedeutet, dass der Frauenanteil, man höre und staune, bei über 80 Prozent liegt. In mehr als jeder vierten Familie in Thüringen wächst das Kind nur bei Mutter oder Vater auf.

Nach aktuellen Angaben der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit waren im Jahr 2015 in Thüringen 34 Prozent aller Alleinerziehenden auf Hartz IV angewiesen.

Sozialverbände – und nicht nur Sozialverbände, sondern auch Fraktionen aus diesem Haus – haben immer wieder deutlich gemacht, dass Änderungen beim Unterhaltsvorschuss vorgenommen werden müssen. Die Ministerin auf Bundesebene, Manuela Schwesig, hat diese Reform in dieser Legislatur vorangetrieben und es wurden – Gott sei Dank –

(Abg. Pfefferlein)

die Neuerungen, die von meinen Vorrednerinnen schon angesprochen worden sind, beschlossen.

Nun kommen wir zu der Situation, die die Kommunen betrifft. Die Kommunen erhalten über den KFA 100 Millionen Euro mehr als bei der Bedarfsermittlung festgestellt wurde, um das noch mal festzuhalten. Frau Pfefferlein ist schon im Detail darauf eingegangen. Das heißt, und auch das hat Frau Pfefferlein schon ausgeführt, im kommenden Doppelhaushalt wurden die Neuerungen des UVG berücksichtigt, übrigens auch mit Blick auf den personellen Mehraufwand. Es ist anzumerken, dass das Land Thüringen seit Jahren auf seine geleisteten Anteile verzichtet, wenn die Kommunen das Geld von säumigen Elternteilen zurückbekommen. Das ist ein Zugeständnis an Kommunen. Das möchte ich hier bei dieser Gelegenheit deutlich machen. Im Übrigen ist es tatsächlich nicht so, wie Sie immer tun, dass sich alle Kommunen über zu geringe Finanzzuweisungen beschweren. Nein, es gibt viele Kommunen, die auch mit dieser Situation sehr wohl zurande kommen. Viele, auch das ist schon erwähnt worden, haben sich frühzeitig darauf eingestellt, weil die Diskussion nicht erst seit gestern losgetreten worden ist.

Es ist unredlich vonseiten der AfD, sich als Retter und Fürsprecher von Alleinerziehenden hinzustellen und unter der Überschrift „Alleinerziehende ‚nicht im Regen stehen lassen‘ “ zu argumentieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hätten in Ihrer Aktuellen Stunde, wenn Sie sich überhaupt mit dem Thema beschäftigen wollen, titeln müssen: „Kommunen nicht im Regen stehen lassen“. Aber das haben wir jetzt auch deutlich gemacht, auch das wiederum ist nur Populismus und Angstmache. Insofern brauchen wir uns zu diesem Thema auch nicht mehr weiter zu äußern. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Kalich das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Zuhörer! Der Antrag zur Aktuellen Stunde der AfD ist erneut ein Beitrag aus der Rubrik „Aufgeschnappt, nicht verstanden, aber verbreitet“. So wird im Antrag behauptet, ich zitiere mit Ihrer Genehmigung: „Obgleich die Landesregierung durch Sozialministerin Werner selbst eine Erhöhung des Unterhaltsvorschusses forderte, ist die Landesregierung jetzt nicht gewillt, einen im erforderlichen Umfang erhöhten Beitrag zur Finanzierung des Unterhaltsvorschusses bereitzustellen.“ Ich möchte

mich ausdrücklich dafür bedanken, dass meine Vorrednerinnen aus den demokratischen Fraktionen sich erst mal mit dem Menschenbild aus dem Parteiprogramm der AfD auseinandergesetzt haben, und komme nun zu den Fakten in der Umsetzung des Gesetzes. Das Gesetz wurde am 17. August 2017 vom Bundespräsidenten unterzeichnet und ist rückwirkend zum 1. Juli 2017 in Kraft getreten. Dabei wurde der Bundesanteil von 33,5 auf 40 Prozent erhöht, was wir ausdrücklich begrüßen. Die Höchstbezugsdauer von 72 Monaten bis zum zwölften Lebensjahr wurde aufgehoben und bis zum 18. Lebensjahr verlängert. Weiterhin wurden im Unterhaltsvorschussgesetz die Sätze für die Kinder von null bis fünf Jahren, von sechs bis elf und von zwölf bis 17 Jahren neu geregelt. Die anfallenden Gesamtausgaben für das Land Thüringen steigen somit auf circa 55,89 Millionen Euro. Die angesetzte Fallzahl wurde genau mit 23.963 Fällen angegeben, die sicherlich auch hin und wieder schwanken kann. Finanziert wurde sie mit einem Anteil – es ist schon genannt worden – von 30 Prozent durch die Kommunen. Das entspricht übrigens 16,77 Millionen Euro der Gesamtsumme, 30 Prozent vom Land in derselben Höhe und 40 Prozent vom Bund, wie bereits erwähnt, das entspricht 22,36 Millionen Euro.

Ab dem Jahr 2018 ergeben sich jährliche Mehrausgaben von bis zu 19,5 Millionen Euro. Beim Rückgriff verzichtet das Land auf seinen Landesanteil. Davon ist hier nun überhaupt noch nicht geredet worden. Das waren bis jetzt 33,25 Prozent. Somit standen den Kommunen bis jetzt 66,5 Prozent zur Verfügung. Da der Anteil in den einzelnen Kommunen sehr unterschiedlich ist, profitieren vor allem die, die eine hohe Quote zu verzeichnen haben. Diese schwankt in den Kreisen zwischen 9,12 Prozent in Nordhausen und 34,65 Prozent in Greiz per Stichtag 31.12.2016. Insgesamt betrug diese Summe nach Abzug des Bundesanteils 4,272 Millionen Euro. Das Land verzichtete also auf 2,136 Millionen Euro, die den Kreisen auch für mehr Personal in diesem Jahr wie auch in den letzten Jahren – denn das stand ja auch schon von der Vorgängerregierung zur Verfügung – bereitstehen. Personell – es ist schon gesagt worden – hat die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses eine Erhöhung von circa 90 VbE zur Folge. Davon sind nach unserem Kenntnisstand bis jetzt circa zwei Drittel eingestellt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, meinen Worten kann man also entnehmen, dass alle Mittel weitergeleitet werden und vollumfänglich für alleinerziehende Mütter und Väter zur Verfügung stehen. Im Kommunalen Finanzausgleichsgesetz für das Jahr 2018, das wir morgen in erster Lesung beraten, sind zudem 13,7 Millionen Euro mehr für Zweck- und Verwaltungsaufgaben eingestellt, was die kommunalen Spitzenverbände begrüßen.

(Abg. Pelke)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, all das, was zwischen den Ministerien in den letzten Wochen beraten worden ist, betrifft somit nicht die Alleinerziehenden, wie die AfD behauptet. Sie bekommen vollumfänglich alle Leistungen, die ihnen zustehen. Der Titel Ihres Antrags zur Aktuellen Stunde sollte also geändert werden: „Alleinerziehende werden bessergestellt“. Aber das hätte ja etwas mit Mut zur Wahrheit zu tun

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und wendet sich gegen das eigene rückständige Familienbild. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete Muhsal hat sich noch zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Pelke, ich danke Ihnen wirklich sehr herzlich für Ihre Rede. Jetzt fragt sich wirklich keiner mehr, warum die SPD bei dem Thema „Soziale Gerechtigkeit“ nicht mehr punkten kann.

(Beifall AfD)

Ich möchte Ihnen auch mal einen Satz aus unserem Wahlprogramm zitieren, und der heißt: „Die AfD möchte Alleinerziehenden helfen“. Vielleicht orientieren Sie sich auch mal daran und interpretieren nicht immer irgendwie komisches Zeug da hinein.

Frau Pfefferlein, Sie haben für die Grünen viel geredet – nichts gesagt. Das Wichtige hat Ihre Frau Kollegin Rothe-Beinlich gesagt, als meine Kollegin Corinna Herold gesprochen hat. Frau Herold hat gesagt: Väter bleiben Unterhalt schuldig. In dem Moment rief Frau Rothe-Beinlich rein: Ja, das müssen Sie sich vorher überlegen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

Das finde ich ganz schön krass, dass die Grünen hergehen und sagen: Die Frauen sind so doof. Da müssen sie sich vorher überlegen, wenn sie Kinder kriegen, was sie hinterher machen. Das ist ganz schön krass, das ist zu verurteilen.

(Beifall AfD)

Und Frau Meißner, Sie haben uns tatsächlich gerade als familienfreundlich entlarvt. Herzlichen Dank.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie lügen ja, wo es nur geht!)

Weitere Wortmeldungen vonseiten der Abgeordneten liegen mir nicht vor. Frau Staatssekretärin Feierabend, Sie haben das Wort für die Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchertribüne, auf Bitten der AfDFraktion wurde das Thema „Alleinerziehende in Thüringen ‚nicht im Regen stehen lassen‘ – Landesanteil am Unterhaltsvorschuss erhöhen“ auf die heutige Tagesordnung gesetzt. Wie Sie wissen – und das ist hier auch schon von fast allen Fraktionen gesagt worden –, trat die Ausweitung des Unterhaltsvorschussgesetzes rückwirkend zum 1. Juli 2017 in Kraft. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, die wesentlichen Änderungen noch einmal vorzutragen, weil die Abgeordneten Frau Pfefferlein und auch Frau Pelke und andere bereits erwähnt haben, was die wesentlichen neuen Gesetzesänderungen im UVG sind. Das will ich hier an dieser Stelle also nicht noch einmal wiederholen. Ich lege aber besonderen Wert darauf, noch mal festzustellen, dass durch Politik und Wissenschaft lange gefordert wurde – und nun im Ergebnis auch vorliegt –, die Unterstützung der alleinerziehenden Elternteile und deren Kinder auf andere Füße zu stellen. Und das ist mit dem neuen Unterhaltsvorschussgesetz auch passiert.

In der Begründung zu ihrem Antrag führt die AfDFraktion aus, dass mit der Ausweitung des Unterhaltsvorschussgesetzes zum 1. Juli 2017 für die Kommunen eine massive finanzielle Mehrbelastung einhergeht, die eine Neuverhandlung über den Anteil des Landes an den Kosten für den Unterhaltsvorschuss notwendig macht. Die AfD-Fraktion legt in ihrer Begründung weiterhin dar, dass die Landesregierung nicht gewillt sei, einen im erforderlichen Umfang erhöhten Betrag zur Finanzierung des Unterhaltsvorschusses bereitzustellen.

Zunächst möchte ich an dieser Stelle nochmals klarstellen, dass das Unterhaltsvorschussgesetz ein Bundesgesetz ist – das ist auch hier schon besprochen worden – und damit der Bund natürlich in wesentlicher Verantwortung steht und diese Verantwortung auch wahrgenommen hat. Das will ich auch gleich noch mal begründen.

Doch bereits vor der Änderung zum Juli 2017, in der vormals geltenden Fassung, war die Regelung der Finanzierung grundsätzlich von Bund, Land und Kommunen zu je einem Drittel festgelegt. Im Rahmen der Verhandlungen zur Änderung des Gesetzes wurde die von mir und von vielen bereits genannte Änderung auch zur Entlastung der Kommunen möglich, nämlich dass der Bund mit 40 Prozent finanziert. Entgegen Ihrer Aussage, dass das Land

(Abg. Kalich)

sich ungenügend an den Kosten beteiligt, möchte ich dazu klarstellen, dass mit der Ausweitung des Unterhaltsvorschussgesetzes neben den Kommunen sowohl der Bund als auch das Land Mehrkosten haben und diese auch mitgetragen werden.

Wie hier schon betont und auch richtig ausgeführt wurde, werden die zukünftigen jährlichen Gesamtausgaben zur Finanzierung des Unterhaltsvorschussgesetzes in Thüringen – prognostisch berechnet – 55,89 Millionen Euro jährlich betragen, ausgehend von einer Fallzahl von circa 23.916. Ich möchte insofern gegenüber der Abgeordneten Meißner – sie ist zwar jetzt nicht im Saal – aber trotzdem noch mal klarstellen: Das ist eine Prognose und eine Berechnung, die das Landesverwaltungsamt auf Grundlage der gesamten Thüringer Landkreise erstellt und mit meinem Haus und dem Finanzministerium abgestimmt hat. Insofern kommt es natürlich immer darauf an, wie jeder rechnet, aber in dieser Prognose wurden eben landesweite Fallzahlen berücksichtigt. Wir gehen davon aus, dass hier die Anspruchsberechtigten erfasst sind.

Wie wird finanziert werden? Das ist hier auch schon angesprochen worden. 30 Prozent Kommune bedeutet jährlich nach den Prognosen und Berechnungen 16,77 Millionen Euro für die Kommunen, 30 Prozent Land bedeutet dann auch 16,77 Millionen Euro für das Land und 40 Prozent Bund bedeutet für Thüringen dann eben auch 22,36 Millionen Euro, die vom Bund für Thüringen für das Unterhaltsvorschussgesetz finanziert werden.

Für das laufende Haushaltsjahr 2017 lässt sich feststellen – das ist hier auch schon erwähnt worden –, dass die Landkreise und kreisfreien Städte im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs Zuweisungen in Höhe von 100 Millionen Euro über dem ermittelten Bedarf erhielten und erhalten, sodass ein Mehraufwand im Zuge der Umsetzung des UVG im Jahr 2017 abgedeckt sein sollte. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen aber auch künftig bei der Finanzierung. Auch das ist hier schon angesprochen worden. Für den Haushaltsplanentwurf und für den kommunalen Finanzanteil 2018/19 gilt: Wir haben die Zweckausgaben für 2018/19 in Höhe von zusätzlich 6,71 Millionen Euro und Verwaltungsausgaben in Höhe von zusätzlich 7 Millionen Euro – jährlich natürlich – in die Berechnungen der Finanzausgleichsmasse aufgenommen. Diese werden zu einer auskömmlichen Finanzierung des Unterhaltsvorschusses hier in Thüringen insgesamt führen.