Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

(Beifall AfD)

Der Streit steht exemplarisch dafür, wie der Freistaat untätig zuschaut, wie Arbeitsplätze in unserem Land vernichtet und ein Traditionsunternehmen wie das von Herrn Steinbrück in die Insolvenz getrieben werden.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Im Nationalsozialismus passiert das nicht! Da macht das der Führer!)

Aber zunächst einmal, was passiert ist: Der Busunternehmer Wolfgang Steinbrück und die RVG streiten sich nun seit fast zwei Jahren um die Bezahlung von offenen Forderungen. Die RVG hält die Forderung Steinbrücks für die Bedienung von Buslinien im Landkreis Gotha für zu hoch. Ende 2016 hatte die Gesellschaft ihm deshalb den Vertrag gekündigt. Weil der Unternehmer Steinbrück die Kündigung nicht für rechtens erachtete, fuhr er seit Monaten weiterhin mit seinen Bussen parallel zu denen der RVG. Ende März 2017 hatte das Landgericht Erfurt dann entschieden, die RVG müsse die Leistungen Steinbrücks mit 700.000 Euro bezahlen und auch die der anderen Unternehmen, welche die RVG mit dem Nahverkehr ab Januar 2017 beauftragt hatte – so weit, so gut.

Nun aber beginnt etwas, was ich bisher in Thüringen nicht und auch in keinem anderen Bundesland erlebt habe. Ende März stellte die RVG Insolvenzantrag. Als Grund nannte sie drohende Zahlungsunfähigkeit, weil Steinbrück die RVG nach der Gerichtsentscheidung pfänden wollte. Damit bleibt Steinbrück vorerst einmal auf seinen Kosten sitzen, da sich der Insolvenzverwalter Rombach, welcher auch Präsident des hiesigen Fußballklubs RotWeiß Erfurt ist, nicht an dieses Urteil gebunden fühlt.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Das interessiert aber keinen!)

(Abg. Dr. Pidde)

Da durch die Doppelbelastung und die Nichtbegleichung der Forderung auch dem Unternehmen Steinbrück ein immenser Schaden entstanden ist, hat mittlerweile nicht nur die RVG, sondern auch Steinbrück Insolvenzantrag gestellt. Es bleibt mir die Bemerkung erlaubt, dass ich hoffe, dass Herr Rombach bei der RVG anders vorgeht, als er es sonst oft tut, indem er das betreute Unternehmen zerschlägt.

(Beifall AfD)

Das Ende vom Lied ist also, dass wir mittlerweile zwei insolvente Firmen haben. Ähnlich wie die CDU sehen auch wir von der AfD ein mögliches Versagen der Rechtsaufsicht, die durch ihr Nichthandeln diese beiden Insolvenzen bereitwillig in Kauf genommen hat.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich würde einen Untersu- chungsausschuss vorschlagen!)

Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Abgeordneter Kobelt das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, für Außenstehende ist das Konstrukt in Gotha, das zu diesem Fall geführt hat und es bis in die „heute-Show“ geschafft hat, nicht ganz so einfach zu verstehen. Deswegen habe ich mich zu Hause hingesetzt und das mal als Dreieck aufgezeichnet. In dem Dreieck gibt es im Grunde drei Player. Der eine ist Herr Steinbrück, der als Privatmann, aber auch als Inhaber der Firma und auch als Politiker in Erscheinung tritt. Auf der zweiten Seite ist die RVG. In der RVG, die für den Landkreis die Busfahrten betreibt, sind die Gesellschafter, fünf Busunternehmen, eines davon ist die Firma Steinbrück, der zweite Gesellschafter ist der Landkreis. Der Landkreis wiederum wird repräsentiert von Herrn Landrat Gießmann, der in der CDU ist, und – jetzt kommt‘s – seit mehren Jahren bis 2016 auch vom stellvertretenden Landrat, das ist wiederum Herr Steinbrück, der sozusagen als ehrenamtlicher Landrat mit sich selbst verhandelt hat oder in ein Konstrukt getreten ist. Und das, was das ganze Dreieck zusammenhält, das haben wir ja heute auch gesehen, ist – leider, muss man sagen – die CDU.

Wir haben mal recherchiert; es gab ja einige Presseberichte dazu. Es wurde sozusagen zugegeben, dass die Firma Steinbrück den Landrat der CDU, Herrn Gießmann, 2012 für den Landratswahlkampf

mit mehreren Tausend Euro an Geldern und Sachspenden unterstützt hat, und 2014 hat dann auch noch Herr Steinbrück als Privatmann den CDULandtagsabgeordneten Herrn Kellner im Landtagswahlkampf unterstützt. Ich frage mich natürlich schon, warum Sie jetzt im Landtag – wir haben recherchiert, das gab es, glaube ich, noch nie – sozusagen einen Fall, der sich mit einer Firma oder einer Privatperson beschäftigt, in die Aktuelle Stunde nehmen oder auch im Ausschuss thematisieren. Das finden wir schon grenzwertig, ehrlich gesagt.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das ist grenzwertig, was Sie erzählen!)

Nein, das hat bis jetzt alles gestimmt! Das war die Sachlage, wie die Zusammenhänge sind. All diese Dinge sind Fakten, die Sie nachlesen können und die untersucht werden.

Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie das hier ins Parlament tragen und nicht die Gerichte entscheiden lassen, sondern – jetzt komme ich zum Punkt Ihres Anliegens – der Landesregierung vorhalten, dass sie sich nicht neutral verhält. Was haben Sie denn erwartet? Dass bei dieser Konstellation die Landesregierung noch mit speziellen Förderprogrammen oder Konjunkturmaßnahmen oder wie auch immer eine einzelne Firma unterstützt? Das funktioniert doch nicht. Ich finde, die Landesregierung hat das sehr gut gemacht. Sowohl der Innenminister als auch der Wirtschaftsminister haben versucht, in diesem Streit zwischen dem Landkreis und der Firma und der RVG zu vermitteln. Mehr kann eine Landesregierung in so einem speziellen Fall meiner Meinung nach auch nicht tun. Ich habe auch nicht verstanden – weil Sie ja die Landesregierung angegriffen haben –, was Sie jetzt eigentlich von der Landesregierung gefordert haben als CDU, außer vielleicht noch mehr Unterstützung zu geben, als Sie sozusagen schon in Ihren Funktionen im Landkreis unternommen haben.

Ich bin eigentlich sehr froh, dass die Landesregierung so agiert und nicht auf Verwaltungen eingewirkt hat und schon gar nicht mit zusätzlichen Geldern Einzelfälle unterstützt hat. Deswegen verstehe ich Ihr Anliegen nicht. Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie das heute hier angebracht haben und dass Sie das, was Sie im Landkreis als CDU mit Spenden usw. angefangen haben, hier auch in den Landtag tragen. Da haben Sie sich, glaube ich, keinen Gefallen getan. Das finde ich nicht in Ordnung und deswegen kann ich Sie nur bitten, das vielleicht noch mal aufzuklären. Und wenn Sie der Meinung sind, dass hier von dem Kollegen der SPD oder von mir Dinge geäußert wurden, die nicht stimmen, dann haben Sie jetzt noch mal Gelegenheit, sich dazu zu äußern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Rudy)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Können wir dann auch machen!)

Es gibt eine weitere Wortmeldung, und zwar vom Abgeordneten Kellner, Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich habe mich nach hier vorn begeben, weil das so nicht im Raum stehen bleiben kann. Ich habe nur eine Minute, ich will es ganz kurz sagen. Der Antrag ist sehr wohl berechtigt, dass heute noch mal darüber verhandelt wird, weil die Fragen im Ausschuss bei Weitem nicht erschöpfend beantwortet wurden. Deswegen sehen wir uns auch gezwungen, das heute noch mal aufzurufen, und ich kündige gleich noch an, wir werden das sicherlich auch im Innenausschuss noch mal thematisieren, weil wir denken, dass das Landesverwaltungsamt

(Unruhe Die Linke)

so nicht davonkommt. Ich habe eben gehört, dass man versucht hat, nach dem Motto „Haltet den Dieb!“ abzulenken. Dr. Pidde – Entschuldigung, dass ich das sage –, Sie wissen es viel, viel besser als das, was Sie hier vorne gesagt haben. Wenn Spenden aufgeführt werden, dann vergessen Sie bitte nicht den Oberbürgermeister Kreuch, der auch von Wolfgang Steinbrück in der Wahl unterstützt wird, was völlig legitim ist – das muss ich ganz klar sagen –, was völlig legitim ist, wie das letztendlich jeder hier von den Abgeordneten wahrscheinlich auch bekommen hat, wenn jemand ihn unterstützen will. Also auch das greift an der Stelle nicht. Und wenn ich was zum Doppelverkehr sagen darf, warum dafür das Landesverwaltungsamt, was gerade gesagt wurde, gar nicht zuständig ist –

(Beifall CDU)

um vielleicht noch mal ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen –: Es gab eine Untersagung der Vergabe durch die Vergabekammer, den Doppelverkehr durchzuführen. Das wurde ignoriert. Damit hat man letztendlich die RVG und die Firma Steinbrück in Gefahr gebracht. Das Ergebnis kennen wir beide: Die RVG hat Insolvenz angemeldet,

Herr Abgeordneter Kellner, Ihre Redezeit ist zu Ende.

nachdem die Forderung gegen die RVG aufgemacht wurde, und die Firma Steinbrück auch – 80 Arbeitsplätze. Ich finde es abenteuerlich, wie man hier darüber verfährt und nun versucht, das in

eine politische Schiene zu bringen. Da gehört es nicht hin, das ist wirklich eine Wirtschaftssache …

Herr Abgeordneter Kellner, bitte!

Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Danke. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen jetzt keine Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat Ministerin Keller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Doppelbedienung von Buslinien in der Stadt und im Landkreis Gotha ist beendet. Der Busunternehmer Herr Steinbrück hat am Freitag, dem 15. September 2017, die Busbedienung der streitig gestellten Buslinien aufgegeben, mit dem bitteren Beigeschmack, das betone ich hier noch mal, dass das traditionsreiche Unternehmen Insolvenz angemeldet hat.

Sehr geehrte Damen und Herren, zurückweisen möchte ich aber für die Landesregierung den Vorwurf, dass die Insolvenz darauf zurückzuführen sei, dass das Land seine Aufsichtspflicht gegenüber dem Landkreis vernachlässigt habe.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Fragen und Kritikpunkte sind allein bei den Verantwortlichen vor Ort richtig aufgehoben. Staatlicherseits ist der Landkreis der richtige Adressat für die Aufklärung der entstandenen Probleme. Er ist der Aufgabenträger für den Straßenpersonennahverkehr. Das Prinzip, dass die Landkreise und nicht der Freistaat als Aufgabenträger für den straßengebundenen Nahverkehr verantwortlich sind, bleibt richtig und gilt auch in diesem Fall. Das Land unterstützt die Aufgabenträger mit erheblichen Zuschüssen dabei, ihren ÖPNV zu planen und zu organisieren. Für die Ausgestaltung im Einzelnen sind sie selbst verantwortlich. Über die Angelegenheiten eines Landkreises kann nämlich vor Ort besser entschieden werden als von Erfurt oder Weimar aus. Fehlentwicklungen, die es im vorliegenden Fall zweifellos gegeben hat, sind auf lokaler Ebene zu diskutieren und aufzuklären. Von einem Versagen der Aufsicht durch das Land kann hier nicht die Rede sein.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Abg. Kobelt)

Der ÖPNV ist nach der Thüringer Kommunalordnung und auch nach unserem ÖPNV-Gesetz eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises. Im eigenen Wirkungskreis findet nur eine Rechtsaufsicht statt. Da der ÖPNV eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises ist, waren wir insbesondere auch nicht berechtigt, im Wege der Fachaufsicht einzugreifen. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hatte deshalb von vornherein keine Möglichkeit, auf die Geschehnisse im Landkreis Gotha Einfluss zu nehmen. Da im Bereich des ÖPNV nur eine Rechtsaufsicht besteht, war es auch der Kommunalaufsicht beim Landesverwaltungsamt gesetzlich verboten, eigene Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen und politische Weichenstellungen der Verantwortlichen auf Kreisebene zu korrigieren. Dies mag man im Ergebnis bemängeln, die Rechtslage bleibt jedoch eindeutig.

Sie alle kennen den sogenannten Ausgangspunkt des sogenannten Gothaer Busstreits. Die RVG, Linienverkehrsinhaber für den Busverkehr im Landkreis Gotha, hatte zum Jahresende 2016 die Leistungsverträge mit dem Omnibusunternehmen von Herrn Steinbrück, der als eines von mehreren privaten Unternehmen Leistungen im Auftrag der RVG erbrachte, gekündigt. Kern des Konflikts waren Meinungsverschiedenheiten über die Abrechnung der Busfahrten. Die Beteiligten strengten mehrere Klagen in unterschiedlichen Angelegenheiten gegeneinander an, die vor verschiedenen Gerichten ausgefochten wurden bzw. auch noch werden. Die Situation war und ist damit äußerst verworren.

Trotz allem hatte sich der Präsident des Thüringer Landesverwaltungsamts um die Vermittlung einer gütlichen Einigung zwischen der Firma Steinbrück und der RVG unter Einbindung des Landrats als Vertreter des Landkreises bemüht. Zu diesem Zweck hatte er die Beteiligten zu einem Gesprächstermin für den 1. März 2017 eingeladen. Leider konnte eine Einigung nicht erzielt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, kommunalaufsichtsbehördliche Maßnahmen, die Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, hier anmahnen, sind nicht möglich, da der Rechtsstreit rein zivilrechtliche Fragestellungen berührt, die auf dem Zivilrechtsweg zu klären sind. Aus Sicht des für den ÖPNV zuständigen Ministeriums kommt es nun darauf an, nach vorn zu schauen. Die künftige Struktur des ÖPNV muss durch den Landkreis Gotha unter Beachtung der europarechtlichen Vorgaben neu gestaltet werden. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft ist gern bereit, den im Landkreis Verantwortlichen beratend zur Seite zu stehen, soweit dies vor Ort gewünscht ist. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe die Aktuelle Stunde und auch den Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 1

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gaststättengesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/3684 dazu: