Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Da haben Sie versagt!)

wollte der damalige CDU-Finanzminister nicht einmal 150 zusätzliche Lehrerstellen zugestehen. Wir haben damals den Doppelhaushalt monatelang

(Abg. Tischner)

blockiert, um am Ende 400 Stellen herauszukriegen – gegen Ihren erbitterten Widerstand.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute stellen Sie sich hin und sagen: Da ist nichts passiert, was notwendig gewesen wäre. Wir hätten schon damals beginnen müssen, das absehbare Problem abzufangen. Das hat damals die CDU verhindert. Wenn ich hier an die finanzpolitischen Debatten mal erinnern darf.

(Unruhe CDU)

Entschuldigen Sie bitte.

Meine Damen und Herren, Abgeordneter Matschie hat hier das Wort.

Ich habe Ihnen gesagt, was die Fakten aus den letzten Jahren sind. Das hat nichts mit Schuldzuweisungen zu tun, sondern mit Klärung von Fakten. Damit fängt jede Politik an, dass man Fakten zur Kenntnis nimmt, auch von Ihrer Seite. Und wenn ich an die finanzpolitischen Debatten erinnere: Es gibt ein Stellenabbaukonzept der Landesregierung. Die CDU wollte damals noch viel weiter gehen, die etwas über 8.000 Stellen, die dann am Ende beschlossen worden sind, sollten getoppt werden. Der Fraktionsvorsitzende sitzt hier, Mike Mohring, er wollte damals über 11.000 Stellen abbauen. Was hätte denn das für die innere Sicherheit, für die Situation bei den Lehrern bedeutet? Das hätte doch viel drastischere Einschnitte bedeutet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Koalition hat erst mal den Stellenabbau gestreckt bis 2025, sonst hätten wir jetzt massive Einschnitte im Lehrerpersonal.

(Unruhe CDU)

Das ist die Wahrheit, Herr Tischner, der Sie auch mal ins Auge schauen müssen. Und dann empfehle ich Ihnen, dass Sie sich mal innerhalb der Fraktion unterhalten, was Sie eigentlich wollen: Mehr Stellenabbau, wie Ihr Fraktionsvorsitzender fordert, oder mehr Lehrereinstellungen, wie Herr Tischner hier fordert? Klären Sie das doch mal bitte intern. Sie können sich doch nicht hier hinstellen und zwei Dinge, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen, gleichzeitig fordern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stehen vor einem enormen Umbruch, da sind wir uns einig. Ich glaube auch, man kann mit Fug und Recht sagen, dass der Kampf gegen Unter

richtsausfall die zentrale bildungspolitische Herausforderung der nächsten Jahre sein wird. Und da sind die Zahlen nicht gut, das will ich hier auch ganz offen und schonungslos sagen. Wir hatten noch im Schuljahr 2013/2014 einen ersatzlosen Unterrichtsausfall, der bei 3,2 Prozent lag, inzwischen sind das 5,5 Prozent und die Tendenz steigt. Deshalb ist klar, dass wir handeln müssen. Besonders prekär ist die Situation in den Regelschulen, dort sind wir inzwischen bei fast 6,7 Prozent Unterrichtsausfall, das haben wir an anderer Stelle auch schon diskutiert.

Ja, der Stundenausfall hat inzwischen auch dazu geführt, dass im Halbjahr 2016/2017 ungefähr 10.000 Schülerinnen und Schüler in bestimmten Fächern keine vollständigen Halbjahreszeugnisse hatten. Auch beim Endjahreszeugnis gab es noch viele Schüler, die nicht alle Noten auf dem Zeugnis hatten. Die Zahl ist halbiert worden auf 5.000, aber auch 5.000 sind immer noch deutlich zu viel, das sage ich hier ganz offen.

Deshalb müssen wir alles tun, um das Problem Unterrichtsausfall so schnell, aber eben auch so umfassend und nachhaltig wie möglich in den Griff zu kriegen. Einige wichtige Schritte dazu sind eingeleitet, ich will nur die Erhöhung der Zahl der Neueinstellungen nennen. Auch die Übernahmeangebote für die DaZ-Lehrkräfte, die Rückkehr zur Lehrerverbeamtung – auch das ist ein Thema, über das wir schon viele Jahre diskutiert haben. Und ich erinnere mich sehr genau daran, dass die CDU nicht die Rückkehr zur Lehrerverbeamtung wollte, als ich die damals gefordert habe, sondern diesen Schritt blockiert hat. Auch das hat dazu geführt, dass wir bestimmte Fachlehrer, die wir damals schon gebraucht hätten,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

eben nicht bekommen haben, weil die in Bundesländer gegangen sind, wo verbeamtet wurde. Selbstkritisch in die eigenen Reihen muss ich sagen: Wir haben auch zu lange gebraucht, um diese Entscheidung zu treffen, wieder zur Lehrerverbeamtung zurückzukehren, das hätte gleich am Anfang der Legislaturperiode erfolgen können. Aber inzwischen ist die Entscheidung getroffen und die Verbeamtung hat wieder eingesetzt.

Auch die Besoldungserhöhung bei den Regelschullehrern, wo die Situation besonders prekär ist, ist inzwischen beschlossen – auch ein wichtiger Schritt, den diese Koalition gegangen ist. Trotzdem werden diese Weichenstellungen noch nicht ausreichen und wir brauchen weitere Maßnahmen, und zwar Maßnahmen, die gut ineinandergreifen, sich sinnvoll ergänzen. Das ist nicht bei allen Dingen, die Sie vorgeschlagen haben, Herr Tischner, der Fall. Ich will es an einigen Beispielen mal deutlich machen.

Man kann sich natürlich, wie Sie das machen, auf die Situation der Lehramtsanwärterinnen und -anwärter konzentrieren, das ist auch ein wichtiger Punkt, aber es ist längst nicht

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Thema verfehlt!)

der einzige Punkt. Und wir brauchen ein Bündel von kurzfristig wirkenden Maßnahmen, aber eben auch langfristigen Maßnahmen.

Was wir jetzt in den Haushaltsberatungen stemmen müssen – nach meiner Überzeugung –, ist eine deutliche Aufstockung der Vertretungsreserve, weil eines klar ist: Wir haben gegenwärtig rund 950 Langzeiterkrankte nach Aussagen des Ministeriums, die werden wir nicht mit 100 Lehrern in der Vertretungsreserve kompensieren können.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier brauchen wir eine deutliche Aufstockung. Auch eine Rückkehr zum Programm „Geld statt Stellen“ muss damit einhergehen, damit man schnell vor Ort und unbürokratisch eingreifen und Ausfall kompensieren kann. Klar ist aber auch, dass die kurzfristigen Entlastungsmaßnahmen nicht genügen. Deshalb brauchen wir Maßnahmen, die den Lehrerberuf in Thüringen dauerhaft attraktiver machen. Ich habe eben die Rückkehr zur Verbeamtung erwähnt, auch die Besoldungsanpassung, und jetzt müssen weitere Schritte folgen. Ich glaube, dass es insbesondere notwendig ist, dass wir Lehrerinnen und Lehrern wieder rechtssichere Entwicklungs- und Beförderungsmöglichkeiten eröffnen. In den letzten Jahren hat es ja Versuche gegeben, solche Beförderungs- und Funktionsstellen über untergesetzliche Regelungen zu lösen. Das hat sich als rechtlich nicht tragfähig erwiesen. Deshalb, glaube ich, muss man eine Verankerung entsprechender Funktionsstellen im Thüringer Besoldungsgesetz vornehmen. Eine solche Anpassung halte ich für notwendig, wenn wir attraktive Karrierewege auch für Lehrerinnen und Lehrer wieder eröffnen wollen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ihr plant genau das Gegenteil, lest doch mal …!)

Nein, wir planen nicht das Gegenteil, Herr Tischner.

Attraktivitätssteigernd ist es auch, wenn wir die Eigenverantwortung der Schulen weiter ausbauen. Die schulscharfe Stellenausschreibung sollte als Regelinstrument eröffnet werden, weil so auch Lehrer und Schulen besser zueinander finden können, wir passfähigere Angebote machen und Schulen sich auch selbst auf den Weg machen können, um geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Wir brauchen mit Sicherheit auch eine breit angelegte Werbekampagne, denn das Problem, das wir hier diskutieren – Lehrermangel in bestimmten Fä

chern –, ist nicht nur ein Thüringer Problem, sondern ein bundesweites, und wir sind hier in einem bundesweiten Wettbewerb.

Gleichzeitig brauchen wir, glaube ich, eine Studienberatung, die sich stärker an den Bedarfen orientiert, und ein Landesstipendium für Lehramtsstudierende in Mangelfächern oder für solche, die sich bereit erklären, in bestimmte Regionen mit Lehrermangel zu gehen.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Hätte schon längst passieren können!)

Ich habe hier nur einige wenige Punkte aus unserem Antrag herausgegriffen, die anderen sind ja im Papier nachzulesen.

Ich will Ihnen auch noch mal sagen, dass bestimmte Punkte, die Sie in Ihrem Papier vorgeschlagen haben, nach meiner Überzeugung nicht wirklich tragfähig sind, auch rechtlich nicht tragfähig. Wenn Sie zum Beispiel sagen, wir müssen bestimmten Gruppen von Lehramtsstudierenden eine Einstellungsgarantie geben oder Bonuspunkte bei der Vergabe von Referendariatsplätzen, dann wissen Sie auch, dass das mit den grundgesetzlichen Bestimmungen nicht in Einklang zu bringen ist. Das ist doch alles rechtlich durchdiskutiert und ausgeurteilt. Es macht doch keinen Sinn, Scheinlösungen vorzuschlagen, die am Ende vor den Gerichten wieder scheitern.

Geradezu kontraproduktiv wäre Ihr Vorschlag, wenn man sämtlichen Lehramtsanwärtern einen Referendariatsplatz verspricht. Die Hälfte der Bewerbungen um einen Referendariatsplatz bezieht sich auf die Schulart Gymnasium. Das ist aber nicht die Schulart, wo wir die meisten Referendare brauchen, sondern das ist in anderen Schularten der Fall. Würden wir Ihrem Vorschlag folgen, würden wir Referendariatsplätze blockieren, die wir für andere Schularten brauchen und den Lehrermangel in Regelschulen und Grundschulen noch weiter vergrößern. Das ist völlig kontraproduktiv.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wir müssen schulartbezogen sinnvoll die Plätze zur Verfügung stellen.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Wo haben Sie das denn jetzt hergeholt?)

Deshalb, glaube ich, ist Ihr Papier nicht wirklich zielführend. Da sind Vorschläge drin, die auf den ersten Blick gut klingen, die aber weder rechtlich durchsetzbar noch zum Teil wirklich sinnvoll sind. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. Unserem Antrag empfehle ich die Zustimmung, denn er enthält die Maßnahmen, die kurz- und mittelfristig notwendig sind, um die Situation an den Thüringer Schulen zu verbessern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordnete Muhsal nun das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Abgeordnete, ich möchte beim Personal der Landesregierung anfangen: Nach Klaubert kam Hoff und jetzt kommt Holter. Trotz personeller Umstellung steht die Ramelow-Regierung für Kontinuität. Wo sie kann, richtet sie Chaos an und andernfalls arbeitet sie langsam oder träge bis gar nicht.

(Beifall AfD)

Dass der Unterricht in Thüringer Schulen oft ausfällt, ist kein Geheimnis. Dass die Landesregierung nicht einmal die Statistiken transparent und offen führt, wurde von mir durch Kleine Anfragen schon herausgearbeitet.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Wo ist denn Ihr Antrag?)

Den haben Sie schon längst abgelehnt, Herr Wolf, leider, leider. Hätte ich gewusst, Sie wollten ihm zustimmen, hätte ich ihn noch mal eingebracht, extra für Sie, Herr Wolf. Machen Sie mal ein bisschen Überzeugungsarbeit in Ihrer Fraktion, dann klappt das schon.

Im März ist der Unterricht an allgemeinbildenden Schulen in Thüringen in 5,5 Prozent der Fälle ersatzlos ausgefallen. Herr Matschie von der SPD hat das erwähnt. Was er nicht erwähnt hat, ist, dass weitere 6,8 Prozent der Unterrichtsstunden vertreten wurden. Wie viel Zeit der Schüler mit Stillarbeit verbracht hat oder in wie vielen Fällen Klassen zusammengelegt wurden, wissen wir nicht, weil das Ministerium die Daten nicht erhebt. Mit einer verantwortungsvollen Absicherung des Unterrichts hat das nichts zu tun.

(Beifall AfD)