Das wollte ich Ihnen quasi hier nur zurufen, weil ich es äußerst undifferenziert fand, was Sie heute hier abgeliefert haben. Schönen Dank.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier auch noch einmal auf den kulturellen Aspekt der deutschen Leitkultur hinweisen. Herr Möller, Sie haben ja gesagt, es gebe sozusagen vieles oder fast alles an hervorragenden Dingen, an Kunst, Wissenschaft oder sonst wie, das hätte dann auch einen deutschen Anteil. Daher möchte ich jetzt hier mal speziell das Thüringer Weltkulturerbe in den Blick nehmen. Alles, was wir hier in Thüringen an Weltkulturerbe haben, lohnt sich, es mal genauer zu betrachten. Als Allererstes ist in die Weltkulturerbeliste das Bauhaus gekommen. Das Bauhaus stammt aus Weimar, wie es immer so schön heißt. Wie wir wissen, war der Belgier van de Velde ein maßgeblicher Gründungsvater dieses Bauhauses und hat deswegen auch den Ruhm unseres Landes gemehrt. Das ist Herr van de Velde, von dem wir heute auch noch ein Wohnhaus besichtigen können. Das Bauhaus kommt aus Weimar, aber die Bauhauserschaffer nicht – nicht nur dort. Auch das ist ein Beispiel kultureller Entwicklung.
Als Nächstes kommen wir zur Weimarer Klassik. Die Weimarer Klassik hat sich nicht von selbst durch Herrn Goethe oder andere Menschen gebildet, sondern die bedeutendste Förderin war die russische Großfürstin Maria Pawlowna, die in die Dynastie, die damals hier in Thüringen herrschte, einheiratete und die als maßgebliche Gründerin der Weimarer Klassik gilt. Seit 1998 schmücken wir uns der Maria Pawlowna und ihres Erbes als des Weltkulturerbes „Klassisches Weimar“.
(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Sie können Franz Liszt hinzufügen – war Ungar!)
Der Franz Liszt war ein Ungar. Wir haben viele Künstler, die hier gewirkt haben und die unseren Ruf hier gemehrt haben. Also wenn es eine Leitkultur oder überhaupt Kultur hier in Thüringen gibt, dann ist die auch durch solche Menschen erheblich geprägt.
Das nächste Weltkulturerbe, das wir haben, das ist die Wartburg in Eisenach, 1999. Die erscheint uns als die superklassisch deutsche Burg überhaupt. Die war aber irgendwann mal eine Ruine. Von Maria Pawlowna haben wir eben schon gesprochen, sie war verheiratet mit dem Erbprinzen Karl Friedrich und ein Sohn der beiden war Karl Alexander. Dieser Karl Alexander hat dann wiederum seine Cousine geheiratet, das war eine Sophie von Oranien, die wiederum auch mit dem russischen Zarenhaus verwandt gewesen ist. Die beiden, also der Karl Alexander, der Sohn von der Maria Pawlowna, und die Prinzessin Sophie von Oranien, haben die damals sehr verfallene Wartburg, die nur noch aus Grundmauern bestand, dann wieder aufgebaut in der Form, in der wir sie heute kennen und schätzen. Wenn man also so will, ist es eine sehr russische Überformung eines klassisch deutschen Burgenbauwerks.
Also ist auch die Wartburg, wie wir sie heute kennen und als urdeutsch ansehen, kein Werk deutscher Leitkultur, sondern auch wieder ein Weltkulturerbe im besten Sinne.
Und das letzte Erbe, auf das ich Sie noch hinweisen will – wir haben ja sogar ein Naturwelterbe, das ist 2007 hinzugekommen –, das sind die alten Buchenwälder Deutschlands. Da haben wir hier in Thüringen geschützte Bestände, aber selbst die
Buchenwälder gehören nicht zur deutschen Naturleitkultur, sondern die gehören zur Gattung Fagus und die ist mit acht bis elf Arten in der nördlichen gemäßigten Zone Europas, Nordamerikas und Asiens verbreitet.
Was will ich Ihnen damit sagen? Dass wir hier in den Dingen, die wir als typisch deutsch glauben erkennen zu können, auch ein Ergebnis haben der Verschmelzung von Weltkultur und von Einflüssen vieler gebildeter Menschen, die wir uns hier zunutze gemacht haben. Das werden wir auch weiterhin tun und deswegen könnten wir auch unsere ganzen Weltkulturerben, die wir hier in Thüringen haben, auch nicht Leitkulturerben nennen in Ihrem Sinne, denn das wären sie nicht. Das sollte Ihnen vielleicht – ich versuche es noch mal – zu denken geben. Herzlichen Dank.
Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat Minister Lauinger das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Fraktion der AfD legt einen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen vor, durch den in einem zusätzlichen Absatz in Artikel 30 der Thüringer Landesverfassung das Staatsziel des Schutzes und der Förderung einer deutschen Leitkultur verankert werden soll. Ich möchte hier nicht über die Gründe mutmaßen, die die Fraktion der AfD bewogen haben, eine solche Verfassungsänderung vorzuschlagen. Der Respekt vor der Verfassung gebietet es jedoch, dass ich als Justizminister in der gebotenen Kürze versuche, in rechtlicher Hinsicht zu dem Vorschlag Stellung zu nehmen.
Wie ich vorwegnehmen kann, ist dieser Entwurf für eine Verfassungsänderung schon im Grundsatz rechtlich fehlerhaft.
So wird aus dem Wortlaut der Inhalt der Rechtsänderung nicht deutlich. Was soll ein über das alles hinausgehende Wertegerüst eigentlich sein? Was sollen Gesetzgebung und Exekutive und letztlich natürlich auch Judikative mit diesem vermeintlichen Staatsziel überhaupt anfangen? Das Vorblatt und die Begründung enthalten Aussagen, nicht belegbare Behauptungen und politische Polemik, die in einem Gesetz zur Änderung der Verfassung völlig fehl am Platz sind.
So wird beispielsweise im Vorblatt behauptet, dass es in Thüringen religiös motivierte Polygamie gäbe, für eine moderne mitteleuropäische Frau herabwürdigende Kleidungsvorschriften gelten würden, archaische Ehrbegriffe um sich greifen würden, eine Nichtakzeptanz des Rechts und eine exzessive Auslegung der Religionsfreiheit vorherrsche sowie muslimischer Terror, Ausländerkriminalität und sich eine Umstellung der Alltagsgewohnheiten der Thüringerinnen und Thüringer vollzogen hätte. Ein Beleg für diese Aussagen fehlt vollkommen.
Des Weiteren – und auch das ist ein rechtlicher Fehler – wird in der Begründung des Gesetzentwurfs ein Bundesverfassungsgerichtsbeschluss vom 21. Oktober 1987 falsch wiedergegeben. Der Gesetzentwurf behauptet, das Bundesverfassungsgericht habe hier die Pflicht der Staatsorgane betont, die Identität des deutschen Staatsvolks zu erhalten, sich also inzident gegen Migration, Zuwanderung und Einbürgerung ausgesprochen. Diese Behauptung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ist schlicht und ergreifend falsch.
Richtig ist dagegen, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Kern Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes zum Gegenstand hatte. Mit der Identität des deutschen Staatsvolks war das Festhalten an der deutschen Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes und gerade nicht die Verhinderung von Migration und Zuwanderung gemeint.
Es bleibt also festzustellen: Der Wortlaut der vorgeschlagenen Verfassungsänderung genügt schon nicht mal im Ansatz den Anforderungen an eine ausreichend bestimmte Regelung.
Der Entwurf entspricht nicht den Anforderungen an Normenklarheit und Normenwahrheit, die wahren Absichten bleiben verschleiert und diffus. Eine hinreichende Begründung für die beabsichtigte Verfassungsänderung fehlt ebenfalls; der Entwurf beschränkt sich insoweit allein auf politische Programmsätze.
Der Gesetzentwurf der Fraktion der AfD hält damit nicht einmal den formellen Anforderungen an eine solche geplante Verfassungsänderung stand.
Lassen Sie mich aber dennoch wie viele meiner Vorredner auch noch ein paar Sätze zum Inhalt sagen, auch wenn ich darauf wirklich nur kurz eingehen möchte: Der Gesetzentwurf übersieht, dass Kultur und die darin enthaltenen Traditionen und Normen keine leblosen Gebilde sind. So wurde gerade die deutsche Kultur über Jahrhunderte hinweg – und das haben etliche der Vorredner hier ausgeführt – von Zuwanderern und dem Austausch mit unterschiedlichen Kulturen geprägt und bereichert.
Zudem lässt der Entwurf die kulturelle Vielfalt in den Regionen und Landstrichen Deutschlands außer Acht. Welche Sitten und Gebräuche sollten denn eigentlich gelten: die friesischen, die niederbayerischen oder vielleicht die thüringischen?
Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Prozess, den eine staatlich gelenkte Leitkultur gerade verhindern würde. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes und der Thüringer Verfassung haben nicht zwei Diktaturen überwunden, um dann erneut den Staat die Lebensweise der Menschen durch eine Leitkultur vorschreiben zu lassen. Die Änderung der Thüringer Verfassung, wie von der AfD gefordert, widerspricht unserer Landesverfassung, die den kulturellen Reichtum – ich betone: Reichtum – bewahren will, aber eben gerade nicht einfrieren will und die Freiheit und die Würde des Einzelnen vor Eingriffen des Staats schützt.
Um all das zu verdeutlichen, möchte ich an dieser Stelle noch mal aus der Präambel der Thüringer Verfassung zitieren. Sie lautet wie folgt: „In dem Bewusstsein des kulturellen Reichtums und der Schönheit des Landes, seiner wechselvollen Geschichte, der leidvollen Erfahrungen mit überstandenen Diktaturen und des Erfolges der friedlichen Veränderungen im Herbst 1989, in dem Willen, Freiheit und Würde des Einzelnen zu achten, das Gemeinschaftsleben in sozialer Gerechtigkeit zu ordnen, Natur und Umwelt zu bewahren und zu schützen, der Verantwortung für zukünftige Generationen gerecht zu werden, inneren wie äußeren Frieden zu fördern, die demokratisch verfasste Rechtsordnung zu erhalten und Trennendes in Europa und der Welt zu überwinden, gibt sich das Volk des Freistaats Thüringen in freier Selbstbestimmung und auch in Verantwortung vor Gott diese Verfassung.“ Ich glaube, diesen Worten ist nichts hinzuzufügen.
Wir beantragen die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und an den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien. Letzterer soll federführend sein.
Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer einer Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die AfD-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? Das sind die restlichen Fraktionen des Hauses und der Abgeordnete Gentele. Damit ist diese Ausschussüberweisung abgelehnt.
Als weitere Ausschussüberweisung war die Überweisung an den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien beantragt. Wer stimmt dieser Überweisung zu? Das sind wiederum die Mitglieder der AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? Das sind die restlichen Fraktionen des Hauses und der fraktionslose Abgeordnete Gentele. Damit ist auch diese Ausschussüberweisung abgelehnt.