Ich glaube, wir haben Raum genug für gute Ideen. Lassen Sie uns zusammensetzen, lassen Sie uns die Bürger wirklich ernst nehmen und nicht nur mal anhören, sondern mit ihnen gemeinsam ein tolles Konzept für diese Pfefferminzbahn – im Übrigen noch ökologisch, das Ministerium für Landwirtschaft, Infrastruktur – Bau und Verkehr ist ja in Infrastruktur, Landwirtschaft eingegangen –, das ist eigentlich Ihr Thema, ökologisch angebaute Kräuter, Pfefferminz weltweit im Vertrieb und dann mit dieser Bahn, mit Historie, aber eben auch hochmodern als Region im europäischen Wettbewerb. Dafür werbe ich und deswegen keine Fünf-MinutenBeiträge, sondern ernsthafte Arbeit. Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucher und Zuschauer am Livestream! Ich glaube, jeder Abgeordnete hier im Saal ist gegen die Stilllegung einer Bahnstrecke. Keiner von uns möchte willkürlich eine so bedeutsame Nebenstrecke in Thüringen, wie es die Pfefferminzbahn ist, stilllegen.
Dass die Landesregierung und die zuständige Nahverkehrsgesellschaft diesen Schritt leider gehen müssen, hat wohl seine Gründe. Wenn wir auf die Auslastung der Strecke schauen, sehen wir, dass die Bahnstrecke sehr wenig benutzt wird. Täglich fahren nur circa 100 Fahrgäste mit der sogenannten Pfeffibahn. 4.000 demonstrieren zwar, aber wahrscheinlich fahren nur 40 mit dieser Bahn. Warum nicht mehr Personen dieses Angebot nutzen, kann man nur vermuten. Ich gehe davon aus, dass das Angebot dieser Bahnlinie einfach zu uninteressant ist. Außerdem halte ich persönlich die Fahrpreise für den ÖPNV in Thüringen einfach für zu hoch. Um den ÖPNV dauerhaft attraktiv zu gestalten, müssen wir die Fahrpreise senken.
Ein anderer Grund für die schlechte Auslastung ist, dass wir Menschen immer bequemer werden und auf den Pkw zurückgreifen. Schauen wir mal nur uns Abgeordnete an, der kleinste Teil von uns nutzt
Ein Grund, auf das Auto zurückzugreifen, ist auch, weil wir zwischen Terminen und Bürgergesprächen mit dem Auto flexibler und schneller sind. Oft kommt man mit der Bahn einfach nicht zum gewünschten Zielort, was auch für den normalen Bürger zutrifft.
Auch wenn die Bahnverbindung eine große Bedeutung hat, was nützt das denn, wenn diese Bahnlinie vom Bürger nicht angenommen wird? Können Sie mir das mal erklären, liebe AfD-Fraktion? Wenn man Ihren Antrag zur Aktuellen Stunde sieht, merkt man sofort, dass Sie sich mit diesem Thema überhaupt nicht auseinandergesetzt haben. Sie schreiben zwar, dass sich Bürger und Amtsträger formiert haben, aber haben Sie auch mal nachgefragt, wer von diesen Bürgern und Amtsträgern diese Bahnstrecke nutzt?
Zur Stimmungsmache sind Sie gut, sachlich und fachlich argumentieren können Sie leider nicht. So hätten Sie sich den letzten Satz zur Begründung Ihres Antrags auch sparen können. Sie sprechen von „Kahlschlagpolitik“. So einen Käse habe ich lange nicht gelesen. Seit Rot-Rot-Grün an der Regierung ist, wurde bislang nicht eine Bahnstrecke in Thüringen stillgelegt. Also kann von „Kahlschlagpolitik“ wohl nicht die Rede sein.
Wir wollen mal die Kirche im Dorf lassen. Ich darf Sie mal daran erinnern, dass seit 1990 insgesamt 37 Bahnstrecken in den letzten 24 Jahren stillgelegt wurden, davon redet hier plötzlich keiner mehr. Wenn man nur an die Ohratalbahn denkt. Diese wurde mit einigen Millionen Euro saniert und dann wurde sie stillgelegt, obwohl täglich zwischen 400 und 450 Personen diese Linie von Gotha nach Gräfenroda und zurück genutzt haben. Die Abbestellung des Personenverkehrs auf der Pfefferminzbahn ist leider eine Konsequenz der über Jahrzehnte verfehlten Eisenbahnpolitik in unserem Freistaat. Die weitere Bedienung des in Rede stehenden Streckenabschnitts ist aufgrund der sehr niedrigen Fahrgastzahlen wirtschaftlich nicht vertretbar. Man könnte sie interessanter gestalten, wenn man sie erhalten will. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste und Zuhörer auf der Tribüne und am Livestream! Die Aktuelle Stunde zur Pfefferminzbahn halten wir für entbehrlich, und zwar, weil sich der Petitionsausschuss mit dem Thema jüngst befasst hat und das Thema damit zum einen bereits im Fokus des Landtags steht und zum anderen auch öffentlich hier im Hause behandelt wird.
Stichwort „Petition“: Die Petition, die sich auch, aber nicht nur gegen die Einstellung des Bahnverkehrs auf der Strecke zwischen Straußfurt und Großheringen wendet, hat schon um die 4.000 Unterschriften gesammelt. Das zeigt, dass die Pfefferminzbahn in der Region einen großen Rückhalt genießt. In diesem Zusammenhang danke ich den Initiatoren und auch denen, die die Petition unterschrieben haben, für ihre Mühen und die damit verbundene Arbeit. Ich finde, das ist ein sehr guter Weg, Themen auf die Agenda zu setzen und sich so für Lösungen einzusetzen. Einen Wermutstropfen gibt es jedoch: Es wäre besser gewesen, den bestellten Verkehr besser auszulasten. Züge und Busse haben nun mal einen Zähler, der die Benutzung zählt. Aber das Schicksal der Schließung teilen auch Gaststätten und kleine Dorfläden. Wenn man nun auf der grünen Wiese einkaufen fährt und seine Feiern zu Hause oder im Vereinshaus durchführt, stärkt das eben gerade nicht die gemeindliche Infrastruktur. Das zeigt, dass das eigene Nutzerverhalten durchaus Einfluss auf die eigene Wohnumfeldgestaltung hat. Daher sind Initiativen, die die Wiedereröffnung eines Dorfladens zum Ziel haben, nicht nur zu begrüßen, sondern auch von uns zu fördern.
Zurück zur Pfefferminzbahn: Eine lange Geschichte und die Tatsache, dass insbesondere auch diese Bahnstrecke eine wesentliche Lebensader der Region war, reichen eben allein nicht aus, um auf der Strecke auch in Zukunft im bisherigen Umfang Verkehr zu bestellen. Man muss es wohl so deutlich sagen: Die Entscheidung, die das Thüringer Infrastrukturministerium getroffen hat, ist aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen durchaus nachvollziehbar.
Wie jedoch kann eine Lösung aussehen? Nun, das ist nicht einfach. Der Rückgang der Regionalisierungsmittel, der stetige Anstieg der Kosten, die Anpassung und die bessere Vertaktung des Nahverkehrs im ganzen Land, natürlich auch die mangelnde Auslastung und Nutzung der Bahnstrecken durch Menschen lassen sich nicht wegdiskutieren, ebenso wenig übrigens wie die Tatsache, dass es nicht damit getan sein kann, einfach mehr Geld zu geben und so wie bisher weiterzumachen. Geld ist auch in Thüringen endlich und Geld allein kann die Probleme nicht lösen. Züge und Busse leer herum
fahren zu lassen, macht nun mal keinen Sinn. Allerdings gehört auch dazu, dass in Großheringen aktuell keine vernünftigen Anschlussverbindungen angeboten werden, und dies ist auch einer der Gründe für die mangelhafte Nutzung. Wer die Pfefferminzbahn erhalten will, braucht also mehr: ein neues Gesamtkonzept für die gesamte Strecke, am besten von Sömmerda bis nach Jena, gegebenenfalls auch länderübergreifend bis nach Halle/Leipzig. Das ist die Herausforderung. Ich bitte das Infrastrukturministerium, dies zu prüfen und herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen dies möglich ist und – ganz wichtig und meine persönliche Bitte – die vorgestellten Ideen der Petenten mit in diese Bewertung einzubeziehen. Das können wir, das wollen wir leisten und auf der Basis lässt sich ganz sicher erneut eine Entscheidung treffen. Ob diese allerdings anders ausfällt als heute, das können wir hier und heute auch nicht versprechen. Was wir stattdessen tun können und auch wollen, habe ich dargestellt. Persönlich hoffe ich darauf, dass es uns gelingt, ein attraktives Konzept für die Strecke auf die Beine zu stellen, damit mehr Fahrgäste generiert werden, und so die Strecke auch künftig mit ausreichend Verkehren zu bedienen. Für die Region wäre es ein Segen.
Auch wenn man diese Strecke möglicherweise retten kann, wird an anderer Stelle das Tischtuch kürzer werden. Denn auch dort ist der ländliche Raum betroffen und diese Sichtweise trifft also nicht den Kern der Sache. Darum kann es also nicht gehen, sondern nur darum, die Rahmenbedingungen bestmöglich zu gestalten, den Gestaltungsrahmen optimal zu nutzen und generell mehr Verkehr auf die Schienen zu bekommen. Darüber hinaus haben wir zur Stärkung des ländlichen Raums unter anderem ein Landesbusnetz neu eingeführt. Das sind unsere verkehrspolitischen Ziele und natürlich, dass wir eine Verkehrspolitik betreiben, mit der wir möglichst allen Menschen in unserem Land einen größtmöglichen Nutzen verschaffen können. Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor, sodass ich Herrn Staatssekretär Sühl für die Landesregierung das Wort erteile.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Landesregierung bekennt sich ohne Wenn und Aber zu einem attraktiven ÖPNV-Angebot auch und gerade in der Fläche und sie arbeitet daran. Deshalb, meine Damen und Herren, bedanke ich mich ganz herzlich für die
Der Vorwurf, die Landesregierung betreibe eine Politik gegen den ländlichen Raum, entbehrt jeglicher sachlichen Grundlage, denn wir sind dabei, den ÖPNV gerade im ländlichen Raum systematisch zu stärken. Zu einem klug geplanten ÖPNV gehört neben der Schiene auch die Straße. Beides muss zusammen gedacht, vertaktet und vernetzt werden. Das ist bisher noch nicht immer der Fall. Mit dem neuen Landeshaushalt werden wir zusätzliche Mittel einplanen und so die Finanzhilfe an die kommunalen Aufgabenträger auf hohem Niveau stabilisieren. Damit wollen wir den kommunalen Aufgabenträgern Planungssicherheit geben. Die Zuweisungen nach § 45a Personenbeförderungsgesetz sind höher als je zuvor und werden weiter steigen. Dies kommt insbesondere den Verkehrsunternehmen des Straßenpersonennahverkehrs in den ländlichen Regionen zugute, sie sind das Rückgrat des Schülerverkehrs. Außerdem nimmt das Land zusätzlich Geld in die Hand, um ein vertaktetes Netz landesbedeutsamer Buslinien zu schaffen und in Zukunft noch weiter auszubauen. All dies, meine Damen und Herren, nutzt dem ländlichen Raum und wir sind sehr bemüht, dass sich diese Erkenntnis möglichst bei den kommunalen und privaten Verkehrsunternehmen und deren Auftraggebern durchsetzt.
Meine Damen und Herren, wir werden auch erstmals wieder originäre Landesmittel für den ÖPNV einsetzen. Hier wünschte ich mir mehr finanziellen Spielraum; aber der, den das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat, wurde genutzt. Gleichzeitig kommen wir nicht daran vorbei, Prioritäten zu setzen. Ab Dezember 2017 werden auf der oben genannten Strecke der sogenannten Pfefferminzbahn Schienenpersonennahverkehrsleistungen, also SPNV-Leistungen, auf dem Abschnitt Sömmerda–Buttstädt bestellt. Für die 143.000 Zugkilometer pro Jahr werden wir bis 2024 fast 25 Millionen Euro aufwenden. Damit ist der Streckenbestand gesichert. Dies tun wir im Interesse der Erhaltung der Trasse, obwohl die Nachfrage mit circa 200 bis 250 Reisenden am Tag im Querschnitt auf diesem Abschnitt eigentlich zu schwach ist. Die Pfefferminzbahn bleibt damit für den Eisenbahnverkehr erhalten und damit auch für den Güterverkehr. Zu mehr, etwa der Fortführung der Bestellung im Abschnitt Buttstädt–Großheringen, reicht die zur Verfügung stehende Finanzausstattung jedoch nicht aus. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmittel sind bis zum Jahr 2031 ausbilanziert, Spielräume zur Bestellung weiterer SPNV-Leistungen gibt es derzeit nicht. Das Thüringer Verkehrsministerium ist daher gezwungen, auf Sicht zu fahren, das heißt, Jahr für Jahr zu prüfen, was noch geht. Die im Abschnitt Butt
städt–Großheringen bestehende Fahrgastnachfrage ist sehr gering. Es wurden hier lediglich 50 bis 100 Reisende am Tag im Querschnitt gezählt, dies entspricht einer durchschnittlichen Besetzung der Züge von etwa drei bis sechs Fahrgästen pro Zug. Wenn der Schienenpersonennahverkehr bis 2024 wie bisher bis Großheringen weiter bestellt werden soll, würden nach den uns vorliegenden Berechnungen für die 106.000 Fahrplankilometer zusätzlich Mittel in Höhe von über 2,5 Millionen Euro pro Jahr benötigt. Bis 2024 würden Kosten von über 18 Millionen Euro entstehen, dafür fehlt die Deckung im Haushalt. Zum Vergleich: Die Gesamtsumme der Bestellaufwendungen für Buttstädt–Großheringen entspricht annähernd dem Finanzvolumen, das dem Freistaat im kommenden Jahr für die gesamte ÖPNV-Investitionsförderung zur Verfügung stehen wird. Diese Mittel belaufen sich für das Jahr 2018 auf 19,6 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund ist die Weiterbestellung des SPNV ab Dezember 2017 auf dem Abschnitt Buttstädt–Großheringen derzeit nicht möglich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend dennoch etwas betonen: Mit der Wiederherstellung der Fernverkehrsanbindung Ostthüringens im Jahr 2023 sowie mit der Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung werden sich die Rahmenbedingungen auch für den Thüringer ÖPNV mittelfristig deutlich verbessern. Wir werden bereits im neuen Nahverkehrsplan 2018 bis 2022 einen Prüfauftrag verankern, ob wir gemeinsam mit dem VMT, dem MDV, den Aufgabenträgern des Straßenpersonennahverkehrs sowie den benachbarten Bundesländern eine Perspektive für die Pfefferminzbahn eröffnen können. Dabei werden alle Möglichkeiten der Attraktivitätssteigerung geprüft, die Vertaktung, Umsteigeund Anschlussbeziehungen usw. Hierfür sind wir allerdings auch auf das Engagement aller Verantwortlichen, auch der Verantwortlichen vor Ort, angewiesen. Ich bin fest davon überzeugt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es uns gemeinsam gelingen kann, ein attraktives und finanzierbares Angebot zu entwickeln, das den Verkehrsbedürfnissen der Region in optimaler Weise gerecht wird. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich sehe eine weitere Wortmeldung von Frau Abgeordneter Herold. Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin a. D., zu Ihrem Einwurf, das Thema taugt nicht für Fünf-Minuten-Reden: Sie haben
völlig recht. Wir werden uns weiter und vertieft mit diesem Thema beschäftigen. Herr Kobelt, ich habe mich mit diesem Thema als Mitglied des Petitionsausschusses beschäftigt, denn ich war zu der Anhörung zugegen und nehme meine ganz normalen Abgeordnetenrechte wahr.
Was die hier vorgebrachten Bemerkungen zu den Fahrgastzahlen angeht, ich habe mich dort mit den Petenten und mit den Interessenten und Beteiligten vor Ort unterhalten. Die Fahrgastzählung ist mangelhaft und fragwürdig. Wenn man den Bahnverkehr morgens zu einer Zeit beginnen lassen würde, wo der Berufsverkehr Interesse daran hat, würden die Fahrgastzahlen automatisch steigen. Vielen Dank.
Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht. Damit schließe ich die Aussprache zum zweiten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den Tagesordnungspunkt 2
Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Deutsche Leitkultur in die Verfassung) Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/4370 ZWEITE und DRITTE BERATUNG
Der Landtag war bei Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, wenn keine Ausschussüberweisung beschlossen wird, nach der zweiten dann auch die dritte Beratung durchzuführen. Wir beginnen jetzt mit der zweiten Beratung. Ich eröffne die Aussprache. Abgeordneter Scherer hat für die CDU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, also wir haben als CDU-Fraktion ja schon in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs uns gegen die Aufnahme einer Leitkulturklausel in die Thüringer Verfassung ausgesprochen und daran hat sich mittlerweile naturgemäß nichts geändert.
Wir haben das auch begründet, und zwar im Wesentlichen damit, dass Leitkultur oder – wie es aus meiner Sicht besser heißen würde – gesellschaftlicher Wertekonsens nicht kodifizierbar ist. Es sind soziale Regeln des Zusammenlebens, die sich zwar im Laufe der Zeit sicher auch ändern, über deren Einhaltung aber in der Gesellschaft ein allgemeines Einverständnis besteht, und diese Werte
beziehen ihren Anspruch, eingehalten zu werden, eben nicht aus normativen Regelungen, sondern daraus, dass sie von der weit überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft als allgemein verbindlich angesehen werden, und vor allem daraus, dass sie ständig angewandt werden oder – das habe ich das letzte Mal schon gesagt –, was wesentlich besser ist, auch vorgelebt werden. Ich hatte bei der ersten Lesung einige Beispiele für diesen Wertekonsens genannt und will noch einmal betonen, dass wir diesen Wertekonsens auch als Grundlage von Integration ansehen, also Identifikation mit unseren Grundwerten, und das ist genau genommen kulturelle Integration, so wie sie eigentlich immer auch gefordert wird. Die Ausgestaltung und Anerkennung solcher sozialer Werte lässt sich nicht in Gesetzesform gießen, das wäre eine hohle Rechtsnorm, eine hohle Regelung. Sie wird mit Leben gefüllt, indem jeder Einzelne sie für sich anerkennt und für sie auch eintritt, und deshalb bleibt es bei der Ablehnung dieses Gesetzentwurfs.
Danke schön, Herr Abgeordneter Scherer. Für die Fraktion Die Linke hat Frau König-Preuss um das Wort gebeten. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Fraktion Die Linke hatte ich das letzte Mal bereits erklärt, dass wir diesen Gesetzentwurf der AfD ablehnen. Damals hatte ich bereits ausführlich ausgeführt, was Gründe dafür sind, aber um das zu ergänzen, will ich hier noch einige weitere anführen. Zum Ersten: Leitkultur, sofern die Begrifflichkeit überhaupt benötigt wird – meines Erachtens nicht –, ist am Ende das, was im Grundgesetz steht, und das, was das Grundgesetz auch als gemeinsamen Wertekonsens – so nenne ich es jetzt mal – vorgibt. Dabei ist das Wichtigste das, was im Artikel 1 steht, nämlich: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, aber auch der Gedanke der Gleichberechtigung, die individuellen Freiheitsrechte und die Neutralität des Staates. Das sind Sachen, an die sich die AfD hier im Thüringer Landtag, aber genauso auch in anderen Parlamenten nur zum Teil hält bzw. die sie kontinuierlich immer wieder infrage stellt. Da sei nur als ein entscheidender Punkt genannt die Religionsfreiheit, die Sie grundsätzlich infrage stellen. Ich möchte an der Stelle zitieren, was der von Ihnen vorgeschlagene Kandidat im Bundestag für das Bundesvizepräsidentenamt gesagt hat: „Der Islam ist eine Konstruktion, die selbst die Religionsfreiheit nicht kennt und die sie nicht respektiert. Und die da, wo sie das Sagen hat, jede Art von Religionsfreiheit im Keim erstickt. Und wer so mit einem Grundrecht umgeht,
dem muss man das Grundrecht entziehen.“ Das sagt eigentlich alles darüber aus, was die AfD sowohl mit diesem Antrag zur Leitkultur will, aber auch was die AfD unter Grundrechten und vor allem der Gewährung von Grundrechten für Menschen, die in Deutschland leben, versteht: Nämlich nur dann, wenn sie sich so verhalten, wie es die AfD gern hätte und wollte, stehen ihnen diese Grundrechte zu. Sonst werden sie ihnen weggenommen. Das ist so ein schlechtes, schlimmes und falsches Verständnis von Grundrechten und ist darüber hinaus auch so ein falsches Verständnis und auch ein ahistorisches – so nenne ich es jetzt mal – Verständnis vom Islam.