Protokoll der Sitzung vom 03.11.2017

Kommen Sie bitte zum Schluss!

(Beifall AfD)

Eine weitere Wortmeldung kommt vom Abgeordneten Dr. Hartung von der SPD-Fraktion.

Ja, es ist eigentlich alles gesagt, aber ich möchte trotzdem auf was kommen, was wir wahrscheinlich in den nächsten Wochen noch einmal in der Zeitung lesen werden. Ich finde es unerträglich, wie hier Demokratie und unsere Gepflogenheiten herabgewürdigt werden. Es ist hier von allen schon gekennzeichnet worden.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Gewöhnen Sie sich daran!)

Ich muss mich nicht daran gewöhnen. Genau deswegen bin ich hier vorn.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wir bleiben hier drin. Das können Sie wissen!)

Ja, wir werden das sehen. Im Herbst werden die Schweinchen gezählt. Aber, Herr Möller, eine Sache ist mir wichtig: Nach dem, was Sie heute gesagt haben, brauche ich mir keine Gedanken machen, ob ich Sie jemals zum Vorsitzenden des Ver

(Abg. Adams)

fassungsausschusses wählen werde. Das werde ich nicht tun. Das möchte ich noch mal klarmachen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie brauchen keine Verschwörungstheorien zu bemühen, wenn Sie nicht gewählt werden. Gucken Sie sich die Plenarprotokolle an mit Ihren Reden, gucken Sie sich das an, was Sie hier herabwürdigen, nämlich unsere Verfassung. Unser demokratisches System würdigen Sie herab und dann wollen Sie den zuständigen Ausschuss leiten? Dem werde ich niemals zustimmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe und ich wünsche unseren Abgeordneten in der Koalition – Sie könnten sich noch einmal melden, wenn Sie Zeit hätten – das Rückgrat, solche Leute nicht in den Ausschuss als Vorsitzenden zu wählen, weil das wirklich ein Tiefpunkt unserer demokratischen Kultur wäre. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Falsche Mei- nung darf nicht gewählt werden, schon klar!)

Jetzt noch mal Abgeordnete Müller von der Fraktion Die Linke.

Ich habe mich noch mal zu Wort gemeldet, weil Frau Herold hier einiges dargelegt hat. Aus ihrem Kreisverband oder aus ihrer Struktur hätten sich Leute beworben, um ehrenamtlich als Wahlhelfer aktiv zu sein, und die wurden dann abgelehnt. Natürlich ist es so, dass zunächst in einer Gemeinde geguckt werden muss, wie viel Hauptamtliche haben die, die da mitarbeiten? Dann wird natürlich entschieden, wie viele Ehrenamtliche dazukommen. Wenn sich die Ehrenamtlichen vielleicht zu spät beworben haben und alles schon besetzt war, dann kann man nicht schon wieder diese Unterstellung anbringen, nur weil sie womöglich aus Ihrem Spektrum, aus Ihrem Kreisverband kamen, dass die da abgelehnt worden sind. Also das muss man hier noch mal deutlich klarstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Was Sie hier immer alles propagieren, wo es angeblich Unterstellungen gibt gegen die ehrenamtlichen Wahlhelfer, dazu möchte ich – mit Verlaub – noch einmal aus der Zeitung vom 23.06.2017 zitieren. Brandner sagte dazu: Noch sei es so, dass Wahlverfälschungen in Deutschland selten angeordnet seien und sie aus einer Vielzahl aus Faktoren resultieren. Also wer davon spricht, dass in Thüringen Wahlverfälschungen angeordnet werden, der hat die Demokratie nicht verstanden. Vielleicht, Frau Muhsal, Sie sind bildungspolitische

Sprecherin, nutzen Sie das mal, um den Akteuren in Ihren Reihen das Prinzip der Wahlen darzulegen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten sehe ich jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Die Landesregierung erhält das Wort, und zwar Staatssekretär Höhn für das Innenministerium.

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Jungfern- rede!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Scherer, ich habe schon viele Jungfernreden von hier gehalten, das können Sie mir glauben. Da kommt es auf eine mehr oder weniger auch nicht an.

Meine Damen und Herren, die Fraktion der AfD fordert die Landesregierung auf, die in der Thüringer Landeswahlordnung und in der Thüringer Kommunalwahlordnung im Einzelnen aufgeführten konkreten Vorkehrungen gegen eine vermeintliche Verfälschung von Wahlergebnissen zu treffen. Sie bezieht sich dabei auf bestimmte Vorfälle vergangener Bürgerschaftswahlen. „Bürgerschaftswahlen“ heißt das, Herr Kollege Rudy, nicht „Bürgermeisterschafts-“, bzw. Landtagswahlen in anderen Bundesländern, namentlich Bremen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen.

Bevor ich hier die Position der Landesregierung darlege, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung als ehemaliges langjähriges Mitglied dieses Hauses. Ich habe mich gefragt, welches Ziel verfolgt dieser Antrag. Ich komme zu dem eindeutigen Schluss, dass dieser Antrag nur einem Ziel dient, nämlich der permanenten Unterstellung von Zweifeln an der demokratischen Legitimation unserer Parlamente bis hinein in die Kommunalvertretungen. Das ist eine Unterminierung der Demokratie, die ich als Demokrat niemals zulassen werde, meine Damen und Herren. So viel vorab als persönliche Bemerkung.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Fraktion der AfD unterstellt in dem vorliegenden Antrag – und Sie haben ja diesen Begriff bewusst gewählt, den Begriff „Wahlverfälschungen“. Was ist das? Das sind bewusste Manipulierungen einer Wahl oder man könnte auch sagen, es ist die Unterstellung von Wahlbetrug. Dies ist nun wirklich ein

(Abg. Dr. Hartung)

untauglicher und geradezu ungeheuerlicher Versuch, das Wahlsystem und die Wahlorganisation in unserer Demokratie zu diskreditieren. Deshalb weise ich namens der Landesregierung diesen Vorwurf mit aller Entschiedenheit zurück.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den von der AfD genannten Ländern handelt es ich im Wesentlichen – das ist geprüft und festgestellt – um Übertragungsfehler bei der Weitergabe der Wahlergebnisse am Wahlabend, die dadurch entstanden sind, dass entsprechende Spalten, in welchen die Wahlergebnisse bei den Einzelparteien eingetragen sind – und wer die Protokolle kennt, weiß, wie eng das da zugeht, ich weiß das aus eigener Erfahrung –, durch Wahlvorstände verwechselt wurden. Solche Fehler ehrenamtlicher Wahlhelfer können passieren, insbesondere vor dem Hintergrund der Erwartung, dass die Wahl kurzfristig ausgewertet und das vorläufige Ergebnis nicht erst Tage danach der Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Das ist aber kein Grund, um rund 30.000 ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfern pauschal einen Vorwurf der Wahlmanipulation zu machen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Während der Vorbereitung und Durchführung von Landtags- und Kommunalwahlen bis hin zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses sowie der Sitzverteilung sind von den Wahlbehörden – jeder, der das schon einmal mitgemacht hat, weiß das – vor Ort zahlreiche Entscheidungen und Maßnahmen zu treffen. Die Wahlergebnisse werden von den Wahlhelfern am Wahlabend händisch ausgezählt und vorläufig festgestellt. Aus der Natur der Sache folgt, dass hierbei im Einzelfall auch Unsicherheiten auftreten und Fehler passieren können, ich erwähnte es schon. Das ist, wie wir alle wissen, menschlich und niemals vollständig auszuschließen. Übrigens ist bei elektronischer Auszählung wie in manchen Ländern dieser Erde – ich habe das Vergnügen gehabt, das in den USA selbst zu verfolgen – die Fehlerquote mindestens genauso hoch wie bei händischer Auszählung hier bei uns in Deutschland.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Dann ist ja al- les gut! Dann ist ja alles bestens!)

Dafür – das wurde heute von allen anderen Rednern, außer dem der AfD, schon richtigerweise festgestellt – stehen aber auch entsprechende Rechtsinstrumente von der Neuauszählung bis hin zur Wahlanfechtung zur Verfügung. Darüber hinaus, meine Damen und Herren, führt nicht jeder Fehler, so bedauerlich er auch sein mag, schon zur Ungültigkeit der Wahl. Eine Unregelmäßigkeit bei der Vorbereitung und Durchführung einer Wahl bewirkt

nur dann deren Ungültigkeit, wenn sie die Sitzverteilung beeinflusst hat oder haben könnte, wenn also eine Mandatsrelevanz gegeben ist. Dieser Erheblichkeitsgrundsatz dient dem aus dem Demokratieprinzip folgenden Ziel, die Wahl aufrechtzuhalten und die Arbeitsfähigkeit der Parlamente bzw. der Kommunalvertretungen zu gewährleisten. Im Hinblick auf die vergangenen sechs Landtagswahlen in Thüringen seit 1990 und die zahlreich stattgefundenen Kommunalwahlen sind uns auch nach Rücksprache mit dem Landeswahlleiter keine gravierenden oder umfangreichen Wahlfehler bekannt geworden, die eine Ungültigkeit einer der genannten Wahlen mit sich gebracht hätten.

(Beifall DIE LINKE)

Daraus schließt die Landesregierung in Übereinstimmung mit dem Landeswahlleiter, dass sich die bestehenden Thüringer Wahlvorschriften bewährt haben. Sie stellen einen ordnungsgemäßen Wahlablauf sicher und es besteht insoweit kein Änderungsbedarf.

Meine Damen und Herren, im Übrigen erscheinen die in dem Antrag der AfD enthaltenen Vorschläge auch nicht geeignet, eine bessere Ermittlung des Wahlergebnisses zu erreichen. Im Gegenteil: Die Vorschläge sind wenig praktikabel und zum Teil auch rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Einige Beispiele: Zu der geforderten zweistündigen Sperrfrist ist zunächst anzumerken, dass eine zeitliche Frist für die Ermittlung des Wahlergebnisses in den bestehenden Wahlordnungen nicht bestimmt ist. Den Wahlvorstehenden steht mithin die Zeit für die Ermittlung des Wahlergebnisses zur Verfügung, die sie bei Anwendung entsprechender Sorgfalt benötigen. Wer die letzte Wahl, die Bundestagswahl – ich habe das am Internet getan – aufmerksam verfolgt hat, die Zeitumfänge sind durchaus unterschiedlich, die sie gebraucht haben, um die entsprechenden Wahlergebnisse zu ermitteln. Das zeigt, dass diese Vorgehensweise funktioniert. Die Einführung einer zweistündigen Sperrfrist würde auch die Wahlvorstände in kleineren Gemeinden, bei denen die Ergebnisse schnell zu ermitteln sind, verpflichten, länger im Wahlraum zu verbleiben, um das Ende der Sperrfrist abzuwarten. Das erscheint wenig praktikabel und überflüssig. Die Ergebnisermittlung würde unnötig hinausgezögert.

Zweitens ist zu der vorgeschlagenen Einführung eines zweistufigen Verfahrens zur Ermittlung des Wahlergebnisses unter Beteiligung des Landesverwaltungsamts Folgendes anzumerken – ich weiß nicht, welcher der Redner das richtigerweise schon angemerkt hat –: Die Regelungen zum Kommunalwahlrecht sehen bereits ein zweistufiges Verfahren zur Ermittlung des Wahlergebnisses vor. Der Ermittlung des Wahlergebnisses durch die Wahlvorstände in den Stimmbezirken nach § 45 Thüringer Kommunalwahlordnung folgt die Feststellung des

(Staatssekretär Höhn)

Wahlergebnisses für das Wahlgebiet durch den Wahlausschuss nach § 47 Thüringer Kommunalwahlordnung. Die nach § 45 Thüringer Kommunalwahlordnung zu erstellende Wahlniederschrift umfasst auch die Ermittlung des Ergebnisses, sodass eine entsprechende Dokumentation sichergestellt ist. Ergeben sich aus der Wahlniederschrift des Wahlvorstands oder aus sonstigen Gründen Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Auszählung des Wahlvorstands, ist auf Anordnung des Wahlausschusses eine erneute Auszählung zulässig. Auch das wird in der Praxis oft praktiziert. Damit ist die Möglichkeit einer zeitnahen Überprüfung des Wahlergebnisses sichergestellt.

Meine Damen und Herren, im Landeswahlrecht in den §§ 71 und 72 der Thüringer Landeswahlordnung ist sogar nicht nur ein zwei-, sondern ein mehrstufiges Verfahren geregelt.

Wie Sie sehen können, meine Damen und Herren, gehen die bestehenden Regelungen bereits jetzt über die angeblichen Verbesserungsvorschläge der AfD hinaus. Das zeigt mir auch, dass sich die AfD nun nicht wirklich mit den bestehenden Wahlvorschriften auseinandergesetzt hat bzw. nicht über ausreichende inhaltliche Kompetenz in diesem Bereich verfügt,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

was meine eingangs dargelegte Vermutung durchaus untermauert.

Ein drittes und letztes Beispiel: Zu der Forderung nach Verwendung durchsichtiger oder transparenter Wahlurnen ist zu bemerken, dass dies nach Auffassung der Landesregierung dem verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der geheimen Wahl widerspräche. Auch das haben schon mehrere Redner hier richtigerweise festgestellt.

Meine Damen und Herren, all diese von mir genannten Beispiele zeigen, dass die geforderten Maßnahmen nicht nur nicht erforderlich, sondern zum Teil auch rechtlich bedenklich sind. Aus Sicht der Landesregierung ist deshalb dieser Antrag der AfD-Fraktion abzulehnen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Debatte und wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag. Wer diesem Antrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/4052 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der AfD-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion der CDU und des fraktionslosen Abgeordneten Krumpe. Gibt es