Özcan Mutlu
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viel ist zum Grundschulgutachten gesagt worden. Ich werde dazu nichts mehr sagen.
Wir behandeln hier jetzt Anträge, die einem einzigen Ziel dienen, nämlich dem Wahlkampf.
Dumm, Herr Schlede, dass die Kameras nicht mehr laufen! Sie können damit nichts mehr anfangen! Damit kommen Sie nicht mehr durch. Die Berlinerinnen und Berliner nehmen Ihnen das auch nicht mehr ab. Die Umfrageergebnisse sprechen eine deutliche Sprache.
Ich möchte noch zwei Anmerkungen zu dieser Gesetzesänderung machen. Vor ungefähr einem Jahr haben wir das Schulgesetz geändert. Damals hieß es: Wir wollen das Gesetz präzisieren und das Problem des Übergangs von der Grundschule zur Oberschule regeln. – Schon damals haben wir gesagt, dass das Grundschulgutachten in keiner Weise dazu geeignet ist. Schon damals haben wir gesagt, dass wir nicht akzeptieren können, dass der Eltern- und der Schülerwunsch eingeschränkt werden. Und schon damals haben wir gesagt: Dies wird keinem Gericht standhalten. – Jetzt wissen wir es. Jetzt wissen wir, dass auch die Gerichte nicht damit konform gehen und sagen, dass das Gesetz in dieser Hinsicht auf jeden Fall verbessert werden muss. Aber der Vorschlag, den Sie machen, Herr Schlede – mir ist egal, woher der Vorschlag kommt, von der Senatsschulverwaltung oder woher auch immer –, wird dieses Problem auch nicht lösen. Aus dem Grund sage ich: Keine Schnellschüsse!
Wir werden dieses Problem im Rahmen der Schulgesetznovelle lösen, zumal das Schuljahr schon angelaufen ist und wir erst einmal ein bisschen Luft haben.
Ich sehe ein, dass es einen Veränderungsbedarf gibt. Wir müssen auf jeden Fall eine Antwort auf die Frage finden, wie man dem Elternwunsch, dem Schülerwunsch und der geringen Kapazität an den Schulen gerecht werden kann – aber so nicht! Aus diesem Grunde lehnen wir Ihren Antrag ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schlede, Sie haben gesagt, wir wollen sachlich diskutieren. Das tun Sie selber nicht. Schauen Sie sich doch einmal Ihren
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eigenen Gesetzesantrag an. Mit dieser Gesetzesänderung werden Sie die Islamische Föderation nicht aus der Schule heraushalten können.
Hier steht nämlich unter Absatz 3: Der Religionsunterricht wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kirchen und Religionsgemeinschaften durchgeführt. Und soweit wir wissen, hat ein hohes Gericht entschieden, dass die Islamische Föderation eine Religionsgemeinschaft ist. Also, dann schreiben Sie bitte einen anderen Antrag oder reichen Sie einen neuen Antrag ein, wo auch die Überschrift lautet: Wie schmeiße ich die Islamische Föderation aus der Schule heraus? Aber bitte nicht so etwas.
Seit dem 11. September 2001 wissen wir, wie wichtig interkultureller und interreligiöser Dialog und Austausch
in dieser großen Metropole ist, die multikulturell und multireligiös ist. Seit dem 11. September müssen wir dieses Thema auch ganz anders behandeln. Nicht mit solchen Schnellschüssen, dafür ist dieses Thema zu wichtig.
Die Gesetzesänderung, die Sie hier vorschlagen, hat nämlich eines zum Ziel: nach Konfessionen zu trennen, zu separieren.
Das ist alles andere als etwas Integratives. Wir sind der Meinung, das Sie damit viel mehr den Keil zwischen den Kulturen und Religionen vergrößern, als dass Sie verbinden, als dass Sie den Dialog vergrößern, als dass Sie den Austausch gewährleisten.
Wir lassen die Extremisten nicht in die Schule. Wir waren von Anfang an immer dagegen, dass die Islamische Föderation in die Schule kommt. Wir haben aber auch zu akzeptieren, dass ein Gericht – und das war nicht irgendein Gericht, sondern das war das Bundesverwaltungsgericht – diese Organisation als Religionsgemeinschaft anerkannt hat. So lange Sie keine Nachweise in der Hand haben, dass diese Organisation fundamentalistisch oder gegen das Grundgesetz arbeitet, sollten Sie sich lieber zurückhalten. Ich bin in dieser Stadt jedenfalls nicht gerade als Freund der Islamischen Föderation bekannt, und das wissen Sie auch.
Wir fordern einen ganz anderen Weg in dieser Frage: Wir fordern, dass endlich in der Berliner Schule ein Fach eingerichtet wird, das wertneutral und konfessionsübergreifend allen Schülern, allen Religionsgemeinschaften die Möglichkeit bietet, sich auszutauschen, wo der Dialog im Vordergrund steht. Alles andere wird den Realitäten dieser Stadt, und der Republik unserer Meinung nach nicht gerecht.
Ich sage es noch einmal: Schnellschüsse sind hier nicht angebracht. Dieses Thema ist auch zu wichtig, als dass man es für den Wahlkampf missbraucht.
Nein! Er hat schon eine Zwischenintervention gehabt. –
Wir sind der Meinung, dass sich diese Schnellschüsse nicht eignen. Aus dem Grund halten wir daran fest, dass im Rahmen des neuen Schulgesetzes auch dieses Problem gelöst wird. Warten Sie es einfach ab. Sie werden sehen, wir werden ein Modell finden, dass auf keinen Fall Wahlpflichtfach heißt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Seite höre ich, ein toller Beitrag! Als ich in der Fraktionssitzung erfahren habe, dass die CDU-Fraktion zu diesem Punkt Beratung wünscht, dachte ich mir, der Herr Gewalt wird uns hier etwas erzählen, was wir noch nicht im Ausschuss behandelt haben. Er wird uns wieder die Geschichte erzählen, dass die
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innere Sicherheit gefährdet ist, nur weil wir hier ein Gesetz ändern. Er ist davon ausgegangen, aber als langjähriger Abgeordneter müsste er wissen, wenn dieser Tagesordnungspunkt kommt, dann laufen die Kameras nicht mehr. Infolgedessen braucht er keine Schaumschlägerei zu betreiben.
Er hat auch von seinen fünf Minuten lediglich zwei Minuten verwendet.
Was Sie hier erzählen, ist schlichtweg eine Lüge. Sie machen sich damit lächerlich, dass hier etwas ersetzt wird und wir eine Entweder-oder-Regelung einführen. Nein! Wir wollen, dass Pfefferspray eingesetzt wird, weil es ökologischer ist, weil es weniger gesundheitsgefährdend ist. In Fällen, wo es große Demonstrationen gibt, wo der Einsatz von Pfefferspray einfach nicht ausreicht – und das hat der Innensenator im Ausschuss ganz deutlich gesagt –, wird weiterhin CN-Gas eingesetzt. Aus dem Grunde frage ich mich: Was wollen Sie überhaupt noch? – Es geht nicht um andere Bundesländer, es geht um Berlin. Die Polizeiführung in Berlin begrüßt diese Gesetzesänderung. Wir haben einen richtigen Schritt getan. Sie sollten zur Sachpolitik zurückkehren, statt mit solch einer banalen Sache Wahlkampf zu machen, und die Sitzung nicht unnötig verlängern.
Auf der anderen Seite weiß ich nicht, was Sie damit bezwecken oder was Sie damit meinen, die SPD habe gegenüber ihrem Koalitionspartner Grün-Alternativ ein Opfer bringen wollen. Ich sehe hier gar kein Opfer. Ich sehe kein Problem. Die Polizeiführung unterstützt diese Gesetzesänderung. Hier sind wir auf dem richtigen Weg. Wie es in anderen Bundesländern ist, interessiert mich nicht.
Ich sehe hier noch zwei Minuten signalisiert. Das heißt, ich habe eine Minute länger geredet als Herr Gewalt. Dabei belasse ich es und bitte um Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung.
Sind für diese 25 weiteren verlässlichen Halbtagsgrundschulen auch zusätzliche Stellen eingerichtet worden, oder wird das durch Umschichtungen und Versetzungen gewährleistet? – Es gab das Gerücht, dass man in Bezirken oder Regionen mit relativ hohem Migrantenanteil beabsichtige, die Klassenfrequenzen herunterzusetzen. Gab es in dieser Hinsicht Fortschritte? Wenn ja, welchem Stellenumfang würde das entsprechen? interjection: [Zurufe von der CDU]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich. Ich freue mich, dass die CDU-Fraktion sich so schnell in ihrer Oppositionsrolle eingefunden hat und uns heute mit 30 Anträgen – das ist legitim – die Tagesordnung bis in die Mitternachtsstunden vollgepackt. hat. Das ist gut so, das ist auch nicht zu kritisieren. Das sind aber Anträge, die zusammen die CDU nicht einmal in den letzten anderthalb Jahren hier eingereicht hat, und das ist schon ein bisschen komisch.
Ich kann nur sagen: Machen Sie weiter so. Denn je eher Sie sich an Ihre Oppositionsrolle gewöhnen, umso eher werden Sie sich auch mit dem Gedanken anfreunden, dass Sie noch länger da sitzen werden.
Und die Qualität Ihrer Zwischenrufe lässt auch zu wünschen übrig; daran sollten Sie auch arbeiten.
Gegenstand dieser Debatte sind zwei Anträge der CDU zur Änderung zweier Paragraphen des bestehenden Schulgesetzes. Daran ist im Grunde nichts auszusetzen. Aber wenn wir uns vor Augen führen, dass wir derzeit in der Stadt und in diesem Parlament ein neues Schulgesetz diskutieren – und im Übrigen sind wir uns alle darüber einig, dass ein neues Schulgesetz für diese Stadt längst überfällig ist –, dann frage ich mich, was diese Schnellschüsse sollen, dann frage ich mich, was diese Anträge sollen.
Zwei Anträge, sagte ich: der eine Antrag soll den Übergang von der Grundschule zur Oberschule regeln. Wir haben mit der 26. Änderung des Schulgesetzes vor knapp einem Jahr oder etwas mehr als einem Jahr dieses hier in diesem Haus diskutiert. Wir haben in den Fachausschüssen deutlich gemacht, dass wir mit dieser Gesetzesänderung nichts erreichen werden, dass wir mit einem Begriff Grundschulgutachten, das nicht ausgefüllt ist, keinerlei gerichtsfeste Zustände geschaffen haben. Aber damals haben Sie uns nicht zugehört. Damals haben Sie unseren Argumenten entgegengehalten: Nein, das würde aushelfen. Wir wissen heute, seitdem Sie auch selbst das mit diesem Antrag zugegeben haben, dass das nicht ausreicht und weiterhin auch nicht ausreichen wird, weil auch diese Behauptung oder diese Möglichkeit der Rechtsverordnung den Gerichten nicht standhalten wird.
Nun zu Drucksache 14/1373: Ich finde es schade und bedauerlich, dass gerade Ihre Partei mit dem großen C versucht, ein derartig wichtiges Thema für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen.
Das Thema Religionsunterricht ist in der ganzen Stadt seit geraumer Zeit in den unterschiedlichsten Facetten auf der Tagesordnung. Die Meinungen und Modelle gehen von der strik
ten Trennung von Staat und Kirche, soll heißen keinerlei Finanzmittel, bis hin zur Einführung eines Wahlpflichtfaches. Das ist auch ein Thema, das wir im Rahmen des neuen Schulgesetzes regeln müssen. Und ich sage, aus dem Grunde können und dürfen wir uns hier auch keine Schnellschüsse erlauben. Unsere Position zu dem Thema ist jedenfalls bekannt: Wir sind der Meinung, dass die Schule in der pluralistischen Metropole Berlin mit ihrer multikulturellen und multireligiösen Bevölkerung und der Realität einer Einwanderungsgesellschaft mehr und andere, wichtigere Probleme zu lösen hat, als sich jetzt um ein Thema Religionsunterricht auseinanderzusetzen.
Außerdem, Herr Schlede, ist die Vermittlung von Werten Aufgabe der gesamten Schule und kann weder allein an Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaften delegiert noch auf die Einrichtung eines Faches reduziert werden.
Wertebildung hängt im Wesentlichen von der Gestaltung schulischer Kontexte ab. Glaubwürdig können Werte nur vermittelt werden, wenn das schulische Leben und die dort tätigen Erwachsenen Werte vorleben und wertvolle Haltungen und Verhaltensweisen fördern.
Wir sind im Gegensatz zu Ihnen für die Einrichtung eines religiös und weltanschaulich neutralen Faches, in dem sich alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von der jeweiligen Religion und Konfession mit Werten und Sinnfragen auseinandersetzen können und ein breites Grundwissen über alle Religionen und Weltanschauungen vermittelt bekommen.
Ein solches Fach dient dem gegenseitigen Verständnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlichster kultureller und religiöser Zugehörigkeit und kann helfen, eigene und fremde Weltdeutungen des Lebens wahrzunehmen, zu reflektieren und sich mit den Begründungszusammenhängen menschlichen Handelns auseinander zu setzen.
Voraussetzung für den pädagogischen Erfolg eines derartigen Faches ist dabei, dass die Schülerinnen und Schüler voneinander lernen und nicht getrennt nach Konfession unterrichtet werden. Die Trennung fördert die Separation, ist desintegrativ und aus diesem Grund abzulehnen.
Wir halten an dem Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche fest. Religionsunterricht sollte deshalb nur auf freiwilliger Basis erfolgen, wie es derzeit in Berlin der Fall ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich lebe seit 28 Jahren in Kreuzberg und habe während dieser Zeit einiges erlebt. Meine Wahrnehmung ist eine ganz andere, Herr Wansner, als Ihre, die Sie als Arbeiter oder Beamter in diesem Bezirk mitbekommen haben. Was am 1. Mai in Kreuzberg geschehen ist, ist weder neu noch originell. Es wiederholt sich seit Jahren in ermüdender Regelmäßigkeit. Das Schema ist immer dasselbe: 1. Eine hochgerüstete Polizei demonstriert Präsenz in Armeestärke. 2. Eine Minderheit von Gewalttätern setzt sich vor diesem Hintergrund in Szene. 3. Eine etwas größere Minderheit von Gelegenheitsautonomen schließt sich der Inszenierung an und mischt aktiv mit. Gewerbetreibende und Anwohner sind die Leidtragenden. 4. Eine große Mehrheit von Kreuzbergern macht nichts anderes, als auf öffentlichen Plätzen den 1. Mai zu begehen, zu feiern oder friedlich zu demonstrieren. 5. Der Polizei kommt jedesmal die seltsame Rolle zu, potentielle Gewalttäter erst auf bestimmte Plätze zu treiben, die Plätze dann hermetisch abzuriegeln und schließlich ihre wahllosen Attacken auszuführen, wie es diesmal auf dem Familienfest geschehen ist.
Man muss dabei den Eindruck gewinnen, dass sich die Situation überhaupt nicht entschärfen oder entspannen soll. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Die bisherige Variation des Schauspiels auf dem Kinderfest am Mariannenplatz hat dieses erneut bewiesen. Dort hat die Polizeiführung – wie von meiner Kollegin Oesterheld vorhin gesagt – vorher getroffene Abmachungen gebrochen und spielende Kinder und Familien akut gefährdet. Das können und wollen wir jedenfalls nicht weiter akzeptieren.
Wohin soll das alles führen? Soll dies zu immer mehr Polizei Jahr für Jahr und zu immer monströseren Einsätzen mit immer höheren Kosten führen? Als ein Kreuzberger sage ich im Gegensatz zu Ihnen, Herr Wansner: Nein, danke!
Mittlerweile müsste jedoch jedem klar sein – auch Ihnen, Herr Werthebach –, dass diese mutwillige Eskalationsstrategie regelmäßig zur Verschärfung der Situation und nicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beiträgt. Sie, Herr Innensenator, sind – so gesehen – ein Sicherheitsrisiko und keineswegs ein Ordnungshüter, dem das Wohl der Kreuzbergerinnen und Kreuzberger am Herzen liegt.
Das allein wäre nicht das Schlimmste. Innensenatoren kommen und gehen, ihre Namen sind so vergänglich und flüchtig wie Tränengaswolken.
Schlimm und bedenklich ist hingegen die Ideologie, Eskalation und massiver Aufmarsch von Polizei seien die Ultima Ratio der öffentlichen Ordnung. Dauerhafter und noch bedenklicher ist der unangenehme Verdacht, dass gewisse Kreise aus der CDU – um nicht zu sagen: gewisse innenpolitische Rädelsführer der CDU – hoffen, auf diese Weise das Grundrecht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sukzessive aushöhlen zu können. Herr Werthebach behauptet, keine rechtsfreien Räume zu dulden, doch drängt sich der Verdacht auf, er wünsche sich demokratiefreie Zonen.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sind unersetzliche und unerlässliche Pfeiler einer funktionierenden Demokratie. Wir werden nicht zulassen, wie manche Kreise diese auszuhöhlen versuchen – weder Herr Werthebach noch sonstige Kreise!
Dasselbe gilt für die Kriminalisierung derjenigen, die gegen ein Demonstrationsverbot auf die Straße gegangen sind. Wir werden im Gegensatz zu Ihnen, Herr Wansner, jederzeit an der Seite derjenigen stehen und mit denen marschieren, die gegen ein Demonstrationsverbot auf die Straße gehen.
Was aber tut Not in der konkreten Kreuzberger Situation? – Dazu habe ich bisher kaum etwas gehört. Wie immer geht es bei den politisch Verantwortlichen darum, Schuldige zu suchen, anstatt sich um dauerhafte Lösungen zu bemühen. Ich sage: Was Not tut, ist zunächst einmal eine konsequente Deeskalationspolitik. Dass diese Deeskalationspolitik in der Vergangenheit Gewalt nicht wirklich verhindern konnte, ist aus meiner Sicht kein Argument gegen sie. Deeskalationspolitik muss Rückschläge in Kauf nehmen. Sie braucht einen langen Atem und muss Feindbilder kontinuierlich abbauen. Das dauert und ist mühsam. Patentrezepte kenne ich nicht, und es gibt sie auch nicht. Allerdings erinnere ich an die gemeinsame Entschließung dieses Hauses aus dem Jahr 1998: Rückkehr zu deeskalierenden Polizeikonzepten! – Genau das tut Not, und genau das sollte erneut ein gemeinsames Anliegen dieses Hauses sein.
Meine Damen und Herren, bedenken Sie bitte auch, vor welchem sozialen Hintergrund sich diese Ereignisse und Ausschreitungen abspielen! Kreuzberg ist der Bezirk mit der höchsten Arbeitslosigkeit, einem starken Wohlstandsgefälle und großen Defiziten in der Schul- und Berufsbildung. Nahezu 30 % der Jugendlichen verlassen die Schule ohne einen Abschluss. Damit kann man die periodischen Gewaltausbrüche weder hinreichend noch unmittelbar erklären, geschweige denn entschuldigen oder beschönigen. Herr Wansner! Wenn Sie immer wieder behaupten, ich hätte diese Gewalt gerechtfertigt und sie gutgeheißen, so ist das eine einfache Lüge. Der Wahlkampf ist erst in zwei Jahren. Lassen Sie es einfach, diese Lügen zu verbreiten! Die werden Ihnen auch nicht helfen.
Herr Werthebach, werte Mitglieder des Senats! Gewaltprävention steht nicht für sich. Sie muss einhergehen mit einer wirksamen Arbeitsmarktpolitik, einer menschengerechten und partizipierenden Stadtplanung, einer sozialen Mietenpolitik und selbstverständlich auch mit einer fundierten Bildungspolitik. Mit anderen Worten: Öffentliche Sicherheit beruht auf lange Sicht nicht so sehr auf polizeilichem Handeln, sondern stellt letzten Endes das Ergebnis vernünftiger Entscheidungen auf vielen Politikfeldern dar. – Dazu bedarf es eines breiten Bündnisses aller gesellschaftlichen Gruppierungen. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu bringen. Leisten Sie Ihren, und dann reden wir nächstes Jahr nicht in dieser Art und Weise über den 1. Mai, sondern hoffentlich über ein friedlicheres 1.-Mai-Fest! – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Ich frage den Senat, welche Schritte er im Fall des Lehrers Karl-Heinz S. am Gymnasium Steglitz unternommen hat und ob ein Disziplinarverfahren eröffnet worden ist oder nicht. Diese Frage gehört zum Thema, schließlich geht es hier um Maßnahmen gegen Rechtsextremismus an Schulen, und der betroffene Lehrer Karl-Heinz S. hat gewisse Äußerungen getätigt, die aus meiner Sicht schon rechtsextremistisches Gedankengut wiedergeben.
Ich frage, was der Kampf um demokratische Haltung bedeutet, ob das nur eine leere Floskel ist. In welcher Art und Weise werden Sie das fördern? Insbesondere stellt sich die Frage, wie Sie mehr Raum für politische Diskussionen in den Schulen schaffen wollen, wenn wir in Betracht ziehen, wie es in den Schulen in Bezug auf Unterrichtsausfall und Lehrerpersonalmangel aussieht.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir behandeln heute einen Antrag der PDS-Fraktion, dessen Intention im Grunde von allen Fraktionen dieses Hauses getragen wird. Schließlich kann diese Drucksache auch als eine Fortsetzung der Mitteilung – zur Kenntnisnahme –, Drucksache 14/700, über Maßnahmen und Konzepte gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt angesehen werden.
Wie Sie wissen, wird seit geraumer Zeit in der ganzen Republik über das Thema Rechtsextremismus debattiert. In Berlin wird in diesem Zusammenhang ganz aktuell ein Verbot von Springerstiefeln und Bomberjacken oder – als anderes Extrem – über Schuluniformen diskutiert. Wir sind der Meinung, dass man mit derartig kurzsichtigen Maßnahmen die Gesinnung in den Köpfen der Jugendlichen nicht erreichen kann.
Dies ist auch allen Akteuren, soweit ich weiß, hinlänglich bekannt. Aber nichtsdestotrotz wird eine Scheindebatte bis in die obersten Reihen geführt. Wir lehnen aus diesem Grund jedwede Maßnahmen ab, die die Gesinnungskumpanei befördern und Kleidungsverbote einführen bzw. sonstige Uniformen von oben verordnen.
Im Gegensatz dazu benennt der vorliegende Antrag bzw. das Projekt „Standpunkt – Pädagogen gegen Rechtsextremismus“ konkrete Maßnahmen, die die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort stärken, unterstützen und zum Umgang mit dem Thema Rechtsextremismus überhaupt befähigen. Es ist richtig, die Lehrerinnen und Lehrer unserer Stadt sind sensibilisiert in Bezug auf dieses Thema, aber sie brauchen dennoch Unterstützung, wenn man sich vor Augen führt, wie manchmal Pädagogen aus Angst oder aus sonstigen Gründen lieber schweigen und es zulassen, als dass sie etwas gegen das Phänomen oder gegen die Gewalt in einer Klasse unternehmen.
Wie bereits schon gesagt, im Grunde sind wir uns über die Notwendigkeit dieses Projekts und der Förderung derartiger Maßnahmen einig. Trotzdem wird diese Drucksache von den Regierungsfraktionen abgelehnt. Dabei muss man näher betrachten, warum der Antrag abgelehnt wird. Er wird nicht
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abgelehnt, weil der Inhalt nicht genehm ist, sondern weil die Opposition – in diesem Fall die PDS-Fraktion – Urheber dieses Antrags ist.
Frau Neumann! Wir haben im Schulausschuss darüber diskutiert, und Sie haben keine überzeugenden Argumente geliefert, warum Sie gegen diesen Antrag sind. – Das ist nichts Neues in diesem Hause. Vielleicht gehört es auch zum Spiel „Regierung gegen Opposition“. Allerdings bin ich im Gegensatz zu der Mehrheit in diesem Hause der Meinung, dass dieses Thema allzu wichtig ist, als dass es zum Opfer dieser Spiele wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Spielchen von den Betroffenen vor Ort, den Bürgerinnen und Bürgern, den Schülerinnen und Schülern in der Einwanderungsmetropole Berlin nicht als angenehm empfunden werden.
Genau hier setzt das Projekt „Standpunkt – Pädagogen gegen Rechtsextremismus“ an. Genau aus diesem Grund muss das Projekt auch gefördert werden.
Manche werden sagen, und so hat sich auch gerade Herr Schlede geäußert, dass dies bereits passiere. Das stimmt zwar, die Senatsschulverwaltung steht diesem Projekt positiv gegenüber und wird es – soweit mir es bekannt ist – auch fördern.
Allerdings erübrigt sich dieser Antrag dadurch nicht. Wir drehen es einfach einmal um: Warum soll denn dieses Parlament nicht einmal ein Projekt, das bereits in der Schublade des Senats ist und dem die Verwaltung positiv gegenüber steht, mit einem Mehrheitsbeschluss in dem Sinne befördern, indem es mit dieser Zustimmung die Intention des Projekts unterstützt und die zügige Umsetzung fordert? Genau das sollten wir bei diesem Antrag tun.
Aus diesem Grund appelliere ich an Ihre Vernunft: Vergessen Sie einfach, dass dieser Antrag ein Antrag der Opposition ist, vergessen Sie das Spielchen zwischen Regierung und Opposition und stimmen Sie diesem Antrag zu. Anderenfalls werden Ihre Beteuerungen und Ihre Äußerungen zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus und der Fremdenfeindlichkeit zu einfachen Sonntagsreden degradiert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Übergangsphase zwischen Schule und Beruf ist in den letzten Jahren verstärkt ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Lehrstellenmangel und Probleme mit dem Lernen in der Schule markieren zwei zentrale Punkte dieser Diskussion. Hier genau setzt der seit 1996 laufende Schulversuch des Produktiven Lernens an. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Schulversuch belegen, dass vor allem schulmüde Jugendliche nicht nur zu neuem Lernen motiviert werden und dadurch die Gefahr des Sitzenbleibens bis hin zu Schulverweigerung gebannt wird, sondern diese Jugendlichen werden auf Grund der erzielten Schulabschlüsse und der beruflichen Anschlussperspektiven für die Gesellschaft gewonnen. Insofern ist das Produktive Lernen als ein präventiver reformpädagogischer Ansatz, der sich nicht nur einseitig an die Marktinteressen richtet, sondern an den Interessen und Erfahrungen der Jugendlichen ausrichtet, eine sehr sinnvolle Zukunftsinvestition, auch im Hinblick auf die berufliche und soziale Integration dieser Schülerinnen und Schüler.
Bei näherer Betrachtung der aktuellen Zahlen des Schulversuchs wird deutlich, dass Schülerinnen und Schüler, die am Schulversuch Produktives Lernen teilgenommen haben, zu etwa 70 % einen Schulabschluss erreicht haben und zu etwa 50 % unmittelbar im Anschluss an das Produktive Lernen eine Berufsausbildung begonnen haben. Produktives Lernen gibt nicht nur in Berlin, sondern auch in 18 europäischen und außereuropäischen Ländern mit gleichem Erfolg. Das Institut für Produktives Lernen in Europa – IPLE – betreute bis zum Beginn des Schuljahrs 2001/2002 an 13 Schulstandorten sowie 3 Jugendbildungseinrichtungen den Schulversuch Produktives Lernen. Der erfolgreiche Schulversuch ist bis 2003 genehmigt gewesen. Bis hierhin ist auch alles in Ordnung.
Allerdings hat sich die Situation im Herbst 2000 plötzlich geändert. Das Institut für Produktives Lernen in Europa bekam von der Senatsschulverwaltung die Mitteilung, dass die Mittel reduziert würden und Standorte geschlossen werden müssten. So geschah es auch: Mitten im Schuljahr, mitten im laufenden Schulversuch wurde das Projekt an fünf Sonderschulstandorten abgebrochen. Das war falsch, und wir haben das im Gegensatz zur Mehrheit in diesem Haus oder im Schulausschuss auch abgelehnt.
Die Entscheidung war nicht finanzieller Art. Die bisherigen ESFMittel in Höhe von 5,2 Millionen DM wurden nämlich nur aufgeteilt in 2,7 Millionen DM für das IPLE und 2,3 Millionen DM für einen neuen Trägerverein mit dem Namen ASIG e. V., der zum 1. Januar 2001 mit dem Projekt Schülerfirmen an 10 Schulstandorten anfangen sollte. Bisher hat er keine Arbeit aufgenom
men. Bisher sind keine Schülerfirmen initiiert worden. Bisher wissen wir nicht, wofür diese 2,3 Millionen DM Zuwendungsmittel bewilligt wurden.
Wir sind die letzten, die gegen Trägervielfalt sind. Allerdings werden und wollen wir nicht zusehen, wie ein erfolgreicher Träger für einen weiteren, zusätzlichen Träger bluten muss, der kaum bekannt ist und kaum Erfahrung in diesem Gebiet vorzuweisen hat. Wir haben in einem kürzlichen Gespräch, das wir mit den Vertretern von ASIG geführt haben, leider feststellen müssen, das die Vertreter dieses Trägervereins nicht in der Lage waren, zu erklären, wie ihre Konzeption genau aussieht; sie konnten auch nicht aufschlüsseln, wofür sie die Zuwendungsmittel von 2,3 Millionen DM bekommen haben. Ich finde, wenn ein Verein diese Summe erhält, sollte er zumindest von Leuten vertreten werden, die im Stande sind, etwas zur Konzeption zu sagen und sich dazu zu äußern, wofür sie eine derartige Summe bekommen.
Ich möchte dies nicht weiter vertiefen; es wird vermutlich an anderer Stelle weiter Diskussionsthema sein.
Kollege Schlede, Schulversuche werden nicht aus Übermut begonnen. Sie haben eine Konzeption, werden genehmigt und haben das Ziel, bei erfolgreichen Abschluss in ein Regelangebot aufgenommen zu werden. Man betritt Neuland, und es ist teilweise sehr interessant, teilweise sehr erfolgreich, wie das zuerst genannte Projekt zeigt. Mit diesem Ziel hat auch das IPLE mit dem Schulversuch Produktives Lernen seine Arbeit aufgenommen. Umso erfreulicher ist der Umstand, dass sich dieser Schulversuch nicht nur bewährt hat, sondern auch zahlreichen Schülerinnen und Schülern, die in der regulären Schule als gescheitert angesehen wurden, eine Chance gab und sie in die Lage versetzte, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Das, meine Damen und Herren von der großen Koalition, scheint Sie allerdings in keiner Weise zu interessieren.
Anders ist es nicht zu erklären, warum Sie diesen bis zum Jahr 2003 genehmigten Schulversuch zum Scheitern verurteilt haben.
Ich möchte mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, mit meinem letzten Satz unseren Bundespräsidenten zitieren. Dieser hat einmal gesagt:
Es gilt, aus der Fülle von guten Vorschlägen und guten, erproben Praktiken das Beste zu suchen und konsequent zu verwirklichen.
Wir sind der Meinung, wenn dieses Haus diese Drucksache ablehnt, tut es genau das Gegenteil. Deshalb appellieren wir an Sie, der Intention dieser Drucksache zuzustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Frage richtet sich an Herrn Schulsenator Böger. Herr Böger, ist Ihrer Verwaltung bekannt, dass Schülerinnen und
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Schüler angehalten werden, auch ohne unterrichtende Lehrkraft im Klassenraum zu verbleiben und im günstigsten Fall unter der Überschrift „Selbstlernzeiten“ mit der Erledigung bestimmter Arbeitsaufträge betraut werden und diese Zeiten nicht als Unterrichtsausfall gewertet werden? Wie bewerten Sie diese Maßnahme, und ist das in Ihrem Sinn?
Gehört dies auch zu Ihrem Maßnahmekatalog zur Reduzierung des Unterrichtsausfalls? Sie befürworten ja, wie es scheint, derartige Maßnahmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Zimmer, es ist nicht so einfach, wie Sie das darstellen. Sie wissen sehr wohl, dass die rot-grüne Koalition mit diesem Gesetz etwas ganz anderes beabsichtigt hat. Sie wissen auch sehr gut, wer das alles verhindert hat. Und Sie wissen auch wie zum Beispiel Herr Innensenator, wer bei der Beratung im Bundesrat die gruppenspezifischen Ermäßigungstatbestände aus den Verwaltungsvorschriften herausgekickt hat. Das war nämlich die Speerspitze Berlin und Bayern, die dieses Gesetz, das sie nicht verhindern konnte, an Hand von Verwaltungsvorschriften erschwert hat. Also erzählen Sie keine Märchen und schieben Sie nicht die Schuld auf die rot-grüne Koalition.
Wir haben dieses Thema im Frühjahr behandelt. Der Antrag der PDS kam richtig und zeitgerecht, weil damit ein Problem angesprochen wurde, das man auf jeden Fall behandeln musste. Diese Sache wurde in den Ausschüssen verschleppt, so dass wir jetzt leider den 30. November haben.
Wir sehen uns die Zahlen an. Von 33 000 Kindern, die im Rahmen dieses Gesetzes eingebürgert werden können, wurden nur für 1 200 Anträge gestellt. Wenn es im Interesse dieser großen Koalition oder im Interesse des Senators wäre, dann hätte man in der Erwartung der Gesetzesänderung für sie werben müssen, für ein Intergrationskonzept, was richtig und wichtig ist, die Jugendlichen einbürgern zu lassen. Das wollten Sie nicht, und das sieht man auch an Hand der Zahlen.
Der erneute Vorstoß der PDS mit dem Änderungsantrag, sich an den Städten Köln und Stuttgart zu orientieren, finden wir richtig, weil es auch aus der Verwaltungssicht unsinnig ist, so zu tun, als wäre es bei jedem Kind notwendig zu überprüfen, ob die Eltern die Voraussetzung für die Einbürgerung erfüllen. Was passiert bei dieser Prüfung? – Die Ausländerakte der Eltern wird hinzugezogen, man kontrolliert, ob mindestens ein Elternteil im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung ist, oder man sieht nach, ob mindestens ein Elternteil im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist und diese seit drei Jahren besteht. Mehr Verwaltungsaufwand fällt hier nicht an. Ich sehe ein, dass man beim ersten Kind den Verwaltungsaufwand hoch einschätzt und eine Gebühr von 500 DM verlangt. Aber warum fällt diese Gebühr beim zweiten Kind an, beim dritten und bei weiteren Kindern an? Erklären Sie mir bitte, warum es notwendig ist, wenn dieser Vorgang schon einmal abschließend durchgeführt wurde, ihn bei jedem weiteren Kind zu erneuern.
Ich komme zu Ihrer Aussage, dass der Innensenator die Bezirke angeschrieben hat. Ich habe hier ein Schreiben vom 6. November. In keiner Weise wird dort erwähnt, dass bei Einbürgerung des zweiten, dritten oder weiteren Kindes ein Ermessensspielraum vorliegt, den die Standesämter in den Bezirken wahrnehmen sollen. Also erzählen Sie nicht, was in dem Papier stehen soll und nicht drin steht, das der Senator an die Bezirksverwaltungen geschickt hat.
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Ich appelliere an dieses Haus, den Änderungsantrag der PDS trotz der Tatsache, dass heute der 30. November ist, anzunehmen, damit wenigstens innerhalb der verbleibenden vier Wochen ein Anreiz für viele Familien und Kinder geschaffen wird, den Einbürgerungsanspruch geltend zu machen. Alles andere würde der multikulturellen Realität dieser Metropole schaden, und alles andere würde deutlich machen, was Sie von Integrationspolitik halten.
Ich frage den Senat: Herr Werthebach! In wie vielen Fällen hat es einen Antrag auf Gebührensenkung gemäß § 38 Ausländergesetz gegeben, und wie vielen haben Sie stattgegeben? Ich möchte auch gern wissen, wie Sie den Umstand erklären, dass in Berlin als Spitzenreiter in Sachen Einbürgerung, zumindest in den vergangenen Jahren, jetzt mit eindeutigen Erleichterungen durch das neue Gesetz die Zahlen rückläufig sind. Dafür müsste es doch Gründe geben.
Herr Senator! Sie zitierten vorhin kurz die Drucksache 14/700. Wenn ich mich richtig daran erinnere, wurden darin auch Schülerclubs, Schulstationen, zweisprachige Erziehung genannt. Das sind löbliche Einrichtungen, aber das sind Einrichtungen, die laufen. Und es sind Einrichtungen die – wie wir sehr gut wissen – finanziell nach wie vor nicht abgesichert sind. Was unternehmen Sie konkret derzeit in Ihrer Verwaltung und im Landesschulamt im Hinblick auf die aktuelle Debatte in dieser Stadt? – Einen Rundbrief zum Aufruf fanden Sie nicht gut, obwohl er nicht schädlich wäre.
Meine Frage richtet sich an Herrn Schulsenator Böger. Wie gedenkt der Senat in Anbetracht der Tatsache, dass die im Schuljahr 2000/01 geschaffenen 500 Stellen für dauerkranke Lehrkräfte im Schuljahr 2001/02 nicht mehr zur Verfügung stehen, mit dem ständig steigenden Unterrichtsausfall umzugehen?
Herr Senator! Ich konkretisiere meine Frage: Wird es im kommenden Schuljahr weiterhin diese 500 Stellen, unabhängig davon, dass sie unzureichend sind, für die Dauerkranken geben, und wie lässt sich das mit Ihrem Ziel vereinbaren, den Unterrichtsausfall auf unter 1 % zu senken, wenn es diese Stellen nicht mehr gibt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Erstes möchte ich mit Verwunderung feststellen, dass der zuständige Senator zu diesem Thema nicht im Raume ist. Das ist schon mehr als verwunderlich.
Und zu Ihnen, Frau Schultze-Berndt: Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Ich hatte aber ein kleines Problem bei Ihren Ausführungen. Sie haben völlig vergessen, dass diese Maßnahme, die gegen die Stellungnahme des Landesschulbeirats getroffen wurde, gar keine Einsparungen bringt. Das hat in dem Sinne mit der Gebietsreform nichts zu tun. Wir haben die Gebiets
reform, als sie auf der Tagesordnung war, nicht ohne Grund abgelehnt. Eine Gebietsreform ohne die Möglichkeit von Bürgerentscheiden und ohne Abschluss der Verwaltungsreform, um nur zwei Beispiele zu nennen, konnte nicht der Wurf sein und wurde auch nicht der Wurf. Nun stehen wir aber vor einer anderen Situation. Diese stellt sich folgendermaßen dar: Sämtliche bezirklichen Mitbestimmungsgremien – wir sind der Meinung, dass dieses ein wichtiges demokratisches Instrument für die Partizipation ist – sollen auf Grund der Gebietsreform auf die Zahl der Bezirke reduziert und damit die Mitwirkungsrechte dieser Gremien deutlich eingeschränkt werden. Die Reduzierung der Mitgliederzahl in den Gremien bedeutet nämlich auch, dass nicht nur die Mitarbeit in diesen Gremien auf Grund der Mehrbelastung erschwert, sondern nahezu unmöglich gemacht wird. Sie müssen sich vorstellen – ich gehe von meinem Bezirk aus, Kreuzberg-Friedrichshain: Bis dato haben zum Beispiel bei den Schülern zwei die Schüler vertreten, jetzt soll es nur einer sein. Neukölln oder Reinickendorf oder Spandau können nicht Maßstab sein und nicht immer bei diesen Diskussionen als Beispiel herhalten.
Der Landesschulbeirat hat in seiner Stellungnahme zu der vorliegenden Gesetzesänderung deutlich gemacht, dass diese Maßnahme seine Arbeit konterkariert, und den Senat aufgefordert, statt einer Reduzierung die Zahl der Mitglieder des Beirats zu erhöhen, nämlich je drei Schülerinnen und Schüler, je drei Lehrerinnen und Lehrer und je drei Erziehungsberechtigte aus den jeweiligen Großbezirken. Dieser Empfehlung ist weder der Senat gefolgt noch die große Koalition. An dieser Stelle muss ich einfach sagen: Wenn solche Gremien existieren und eine deutliche Stellungnahme zu einer Gesetzesänderung abgeben, warum wird sie nicht übernommen? Da kann ich nur das Demokratieverständnis der angesprochenen Parteien anzweifeln.
Im Gegensatz dazu schließen wir uns der Forderung des Landesschulbeirats an und fordern die große Koalition auf, von diesem Schritt Abstand zu nehmen. Diese Maßnahme ist auch aus finanzpolitischen Gründen ohne einen Sinn, weil sie keinerlei Einsparung bringt, Frau Schultze-Berndt! Dinge, die im Zusammenhang mit der Gebietsreform finanztechnische Auswirkungen haben könnten und Einsparpotentiale besitzen, werden nicht im Geringsten angegangen. Welche das sind? – Ganz einfach, beispielsweise die Doppelzuständigkeit bei der Bauverwaltung, bei der Straßenbehörde, beim Landesschulamt, bei der Bezirksaufsicht und bei den Bürgerdiensten bei SenInn usw. Diese Beispiele zeigen deutlich, dort gibt es auch Einsparpotentiale. Die werden nicht angegangen. Das ist nicht im Interesse der großen Koalition. Aber überall dort, wo wirklich die Bürgerinnen und Bürger und die Betroffenen, hier in diesem Fall Schülerinnen und Schüler, beteiligt werden, soll wenig mitgesprochen werden, soll wenig mit abgestimmt werden. Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren können. Wir lehnen aus diesem Grund die Änderung ab. Sie ist eine Einschränkung der Mitwirkungsrechte. Wir können nur nochmals an Sie appellieren, davon Abstand zu nehmen und dieser Beschlussempfehlung des Schulausschusses nicht ihre Zustimmung zu geben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bildungspolitische Misere, in der dieses Land steckt, ist nicht über Nacht gekommen. Sie ist das Resultat jahrelanger kurzsichtiger Kürzungspolitik und falscher Prioritätensetzung. Ich weiß das, Sie wissen das, und die Bevölkerung da draußen weiß das auch. Nicht ohne Grund haben Sie beispielsweise auch im Koalitionsvertrag diesen Bereich als einen der wichtigen Bestandteile festgehalten. Herr Präsident, ich zitiere mit Ihnen Erlaubnis aus dem Koalitionsvertrag:
In der kommenden Legislaturperiode stellt die Schulpolitik einen der Schwerpunkte in der Regierungsarbeit der Koalition von CDU und SPD dar.
Weiter heißt es dort:
Die Koalitionspartner wollen die Berliner Schule in der kommenden Legislaturperiode strukturell und qualitativ weiterentwickeln. Das umfasst die Förderung der Selbständigkeit der Schulen, die vollständige Versorgung der Schulen mit Unterricht und mit Lehrkräften
usw. usf. Das sind Dinge, die ich auch problemlos unterschreiben kann.
Allerdings sieht die Realität nach einem Jahr große Koalition ganz anders aus. Selbstverständlich können Sie sich hinstellen und sagen, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Schließlich ist Ihre Politik in diesem Bereich nicht anders zu deuten, eine Politik, die meiner Meinung nach auf ganzer Linie gescheitert ist. Nichts von dem, was versprochen wurde, wurde eingelöst. Der zuständige Senator hat inzwischen den Ruf eines Ankündigungssenators. Es geht hierbei nicht nur um die Zukunft unserer Kinder, es geht auch um die Zukunft dieser Stadt, und so haben Sie es auch damals im Koalitionsvertrag festgehalten.
Aber was Sie jetzt tun, widerspricht dem in Gänze. Das kann und darf so einfach nicht weitergehen.
Das werden Ihnen auch am 11. November 2000 – Sie haben wahrscheinlich schon überall die Plakate gesehen – zahlreiche Eltern, Schülerinnen und Schüler und engagierte Bürger dieser Stadt in aller Deutlichkeit zeigen und sagen. Ich wünsche von dieser Stelle jedenfalls den Veranstaltern der Demonstration viel Erfolg.
Und ich wünsche mir, dass am 11. November nicht nur 60 000 auf den Straßen sind, wie es am 13. April der Fall war, sondern weitaus mehr. Schließlich – so scheint es zumindest – verstehen Sie keine andere Sprache, und diese Sprache wird sehr deutlich sein. Wir werden – im Gegensatz zu Ihnen – am 11. November an der Seite der Eltern, an der Seite der Schülerinnen und Schüler mit marschieren und Ihnen dabei noch einmal deutlich machen, dass wir Ihre Bildungspolitik nicht weiter tragen können. Und wir werden auch in unserer parlamentarischen Arbeit auf jeden Fall versuchen gegenzusteuern.
Nun zu der vorliegenden Drucksache „Sicherstellung der Bildung und Erziehung in der Berliner Schule“: Dieser Antrag wurde von uns im Vorfeld der Beratungen zum Haushalt 2000 eingebracht. Anhand eines Maßnahmenkatalogs sollte der bildungspolitische Misere zumindest Einhalt geboten werden. Leider hat die Mehrheit in diesem Hause kein Interesse an der Umsetzung dieser Maßnahmen gehabt. In Anbetracht der Situation sind unsere Vorschläge heute dringender denn je. Der Unterrichtsausfall ist im vergangenen Schuljahr um ein Drittel auf 4,8 % gestiegen. 5,6 % des Unterrichts mussten vertreten werden. Kaum eine Schule kommt in den Genuss der versprochenen 105-prozentigen Unterrichtsversorgung. Nach wie vor ist unklar, ob die 500 Stellen, die für Dauerkranke eingesetzt werden sollten, im nächsten Schuljahr noch existieren. Jetzt sollen auch noch Lehrkräfte im angestellten Verhältnis verbeamtet werden – schließlich müssen die nachfolgenden Generationen die Kosten tragen. Last not least engagieren sich jetzt sogar Eltern so weit, dass sie bereit sind, die Kosten für die Lehrkräfte selbst zu übernehmen, aber das wird ihnen auch noch verwehrt.
Bei derartigen Problemen findet eine Diskussion um strukturelle und qualitative Verbesserung in der Berliner Schule gar nicht mehr statt. Sie aber halten nichtsdestotrotz an Ihrer kurzsichtigen Politik fest. Man sieht es auch an den Haushaltsberatungen, dass in diesem Bereich nicht alles so ist, wie Sie in der Presse immer behaupten. Wir wissen – spätestens seit gestern –, dass die Senatsschulverwaltung pauschale Minderausgaben in Höhe von 19,1 Millionen DM aufzulösen hat.
Herr Präsident! Ich möchte noch eine letzte Bemerkung machen. – Das sind 13 Millionen DM aus dem vergangenen Haushalt und 6,1 Millionen DM aus dem neuen Haushalt. Man braucht aber nicht mehr Geld in diesem Bereich, sondern man müsste nur eine vernünftige Politik machen. Allein in der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport haben Sie genügend Möglichkeiten. Sie hätten schon längst die Storkower Straße abstoßen können, Sie hätten längst die Überhangkräfte vom JAW auflösen können, Sie hätten längst die festen Stellen beim FEZ durch Honorarkräfte ersetzen können, Sie hätten längst die Doppelzuständigkeiten beim LSA auflösen können. Und schließlich hätten Sie auch einmal erklären können, warum Sie einem Millionenklub wie Hertha BSC mit 9,5 Millionen DM unter die Arme greifen wollen, wenn die Berliner Schule in einer solchen Misere steckt.
Bedenken Sie die Folgen Ihrer Politik! Die Jugend von Heute und die Jugend von Morgen wird es Ihnen spätestens bei den nächsten Wahlen zeigen.
Herr Senator! Ich bin anderer Meinung, was das Rundschreiben betrifft, vor allem hinsichtlich der Interpretationsweise, die Sie hier vorgenommen haben. Das Rundschreiben ist in den Schulen entsprechend angekommen.
Ich möchte Sie fragen: Welche Schulangebote werden Sie demnächst noch kürzen, damit Sie ihr Ziel erreichen, den Unterrichtsausfall unter ein Prozent zu senken; was wird mit der Qualität der Berliner Schule, wenn Sie sich nur nach diesem einen Prozent richten?
Herr Senator! Wie viele Kräfte gibt es derzeit in Teilzeit im Berliner Schulwesen? Wie viele davon haben einen Antrag auf Aufstockung gestellt, und in wie vielen Fällen wurde – Sie haben das zwar genannt, aber akustisch kam das nicht an – schon eine Anerkennung ausgesprochen?
Soll ich fliegen?
Herr Präsident, das nächste Mal werde ich rennen, damit Sie zufrieden sind. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie gestern den Fernsehbildern entnehmen konnten oder heute in den Zeitungen gelesen haben, waren gestern nicht 60 000 Menschen versammelt, sondern das war eine Massendemonstration von Schülerinnen und Schülern, von Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern, Herr Schlede. Das war keine reine Ansammlung, das war eine Massendemonstration, die die Berliner Innenstadt in letzter Zeit kaum gesehen hat. Diese Menschen sind auf die Straße gegangen, um gegen Ihre kurzsichtige Haushaltspolitik zu demonstrieren, sie sind auf die Straße gegangen, weil sie mit der Bildungspolitik Ihrer großen Koalition nicht einverstanden sind. Ich weiß nicht, ob Sie dort waren. Die Stimmung war einfach überwältigend. Die Beteiligung insbesondere der Schülerinnen und Schüler war einfach Spitze. Ich kann nur sagen: Weiter so. Eine andere Sprache scheinen Sie nicht zu verstehen.
Wir werden weiterhin die Proteste der Schüler, der Eltern, der Lehrer unterstützen, und es wird sich auch in unserer Arbeit im Parlament niederschlagen.
Mag ja sein, dass das Beamtenrecht, Herr Schlede, für Lehrer kein Streikrecht vorsieht.
Mag ja sein, dass die Entschuldigungszettelaktion der Elternvertretungen nicht korrekt war. Jetzt ist Herr Steffel nicht da, aber ich kann es ja trotzdem mal in seine Richtung sagen: Es mag ja sein, dass Ihnen die ganzen Proteste der letzten Monate nicht schmecken. Aber ich sage Ihnen, trotzdem sind diese Proteste gerechtfertigt, trotzdem ist dieser Streik legitim. Eine andere Sprache verstehen Sie nämlich nicht.
Ich sage, der bögersche Konfrontationskurs und die Bildungspolitik der großen Koalition in den vergangenen neun Jahren ließen keinen anderen Weg und sind Grund genug, um auf die Straße zu gehen. Unsere Solidarität ist mit denen, die auch in Zukunft auf die Straße gehen werden, um gegen die verfehlte Politik der großen Koalition zu demonstrieren.
Unterrichtsausfall kann nicht durch Unterrichtsausfall bekämpft werden. Da stimme ich Ihnen völlig zu. Allerdings muss ich Ihnen auch sagen, falls Sie nicht da gewesen sind: Der gestrige Streik, die Demonstration gestern, das war der beste Sozialkundeunterricht, den die Schülerinnen und Schüler in Berlin erlebt haben, am eigenen Leibe erfahren haben.
Noch authentischer hätte man den Schülerinnen und Schülern Demokratie nicht mehr beibringen können. Ich habe gestern mehrere Tausend Schülerinnen und Schüler gesehen, die den Streik nicht als Gelegenheit genutzt haben, um blau zu machen, sondern sie sind mit ihren Lehrerinnen und Lehrern auf der Straße gewesen, um deutlich zu machen, dass es so nicht weitergehen kann. Wir sehen es ebenso.
Meine Damen und Herren von der großen Koalition, Sie wissen wie ich, dass es in dem Streik gestern und in den Demonstrationen davor nicht nur um die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit ging, sondern um viel mehr. Wir unterscheiden uns allerdings in der Schlussfolgerung. Ihnen sind die Proteste scheinbar egal – uns nicht. Alle Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen – allen voran Herr Böger – fahren ihren Kurs fort – aber nicht mit uns! Die Ablehnung des Haushalts durch die Fraktion der Grünen sicher wir zu.
Die Parteien der großen Koalition scheinen nicht nur ihre Wahlversprechen vergessen zu haben, sondern sie haben auch schnell vergessen, dass am 11. März 40 000 Eltern, Schülerinnen und Schüler auf der Straße waren. Vor knapp einer Woche, am 5. April, waren über 10 000 Lehrerinnen und Lehrer auf der Straße. Gestern waren es über 60 000 Menschen. Beim Fußball würde man das so werten: am 11. März haben Sie die gelbe Karte bekommen, Herr Böger, gestern die rote. Damit sind Sie faktisch des Platzes verwiesen worden. Akzeptieren Sie, dass Ihre Politik der vergangenen Monate falsch war.
Was muss noch passieren, damit Sie als verantwortlicher Schulsenator einlenken und sich gegen den Finanz- und Innensenator durchsetzen können? Wollen Sie französische Verhältnisse? – Keine Sorge, wenn Sie so weitermachen, werden wir sie haben.
Als nächstes kommt die Schülerdemo. Im Gegensatz zu Ihnen werden wir an der Seite der Schülerinnen und Schüler für eine zukunftsorientierte und qualitative Bildungspolitik marschieren. Die Berliner Schule braucht dringend eine Qualitätsverbesserung und eine Verjüngung der Lehrerschaft. Ich weiß, dass das viel Geld kostet. Die finanzielle Situation Berlins ist außerordentlich dramatisch.
Allerdings ist die finanz- und wirtschaftspolitische Misere, in der Berlin steckt, weder nach dem 10. Oktober 1999 entstanden noch ist sie über Nacht gekommen. Sie ist das Resultat von neun Jahren großer Koalition und Klientelpolitik.
Bitte kommen sie mir nicht mit dem Märchen, dass die Haushaltssituation Berlins auf die Herstellung der Einheit zurückzuführen ist. Der weitaus größere Teil der Verschuldung des Landes ist das Ergebnis einer jahrelang verfehlten Prioritätensetzung in der Berliner Haushaltspolitik und Ihrer Klientelbedienungspolitik.
Wenn man sich den Einzelplan 10 im Bezug auf Schule etwas genauer ansieht – ich konzentriere mich auf einige Details –, dann fallen diverse Dinge auf. Das ist einerseits die Erhöhung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl gemäß Haushaltssanierungsgesetz. Das ist eine Maßnahme, die die Belastung der veralteten Berliner Lehrerschaft verstärkt. Zudem verhindert sie die Verjüngung der Lehrerschaft. Andererseits wurde die Lehrmittelfreiheit für die Berufsschule faktisch aufgehoben. Ferner heißt es im Haushaltssanierungsgesetz im Artikel 1 § 4:
Die Einsparungen nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 werden bei den Lehrerstellen auch durch Erhöhung von Klassenfrequenzen, Reduzierung der Mittel für Vertretungsstunden, Reduzie
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rung von Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden ohne Besitzstandswahrung und ohne gleichzeitige Reduzierung von mit der Fusion verbundenen Aufgaben erbracht.
Jemand aus den Reihen der Verantwortlichen möge mir erklären, wie dieser Passus zu verstehen ist! Auch wenn Deutsch nicht unbedingt meine Muttersprache ist, meine ich, diesen Passus verstanden zu haben. Für mich schließt diese Formulierung weder die Reduzierung der Ermäßigungstatbestände aus noch die der Anrechnungsstunden und auch nicht die Erhöhung der Klassenfrequenzen. Uns blühen schlechte Zeiten. Alle Schülerinnen und Schüler, alle Lehrerinnen und Lehrer und alle Eltern, die diesen Passus näher betrachten, können sehen, was auf sie zukommt. Wir lehnen das ab.
Ein weiteres Beispiel sind die ehemaligen Standorte des Landesschulamts in der Storkower Straße sowie Am Karlsbad. Beide werden nicht mehr genützt. Trotzdem werden für die Storkower Straße 9,4 Millionen DM Miete gezahlt. Für den Standort Am Karlsbad werden 160 000 DM Bewirtschaftungskosten aufgebracht. Hier hat jemand geschlafen, seine Hausaufgaben nicht gemacht und den Haushalt grundlos belastet. Das müsste angesichts der desolaten Situation nicht sein.
Zu den drei Sportoberschulen: Diese sind nicht ausgelastet und überproportional mit Lehrkräften ausgestattet. Das selbe gilt für die Zahl der Erzieherinnen der beiden Sportinternate. Ein weiteres Beispiel ist die Internationale Gesamtschule, an die sich die Schulverwaltung trotz erheblicher Zweifel hinsichtlich der Finanzierbarkeit klammert und die sie auf Teufel komm raus im kommenden Schuljahr gründen will.
Einige Bemerkungen zum Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm: Es wird mit Stolz verkündet, dass 100 Millionen DM für die Sanierung der maroden Schulbauten und Sportanlagen zur Verfügung gestellt werden. Dabei fällt kein Wort über die Versäumnisse der letzten Jahre und darüber, wie die Bezirke ihren Aufgaben nicht nachgekommen sind und nachkommen könnten. Weshalb sind die Anlagen in einem solch desolaten Zustand? Scheinbar haben Sie in den vergangenen Jahren Ihre Aufgaben nicht erfüllt, denn sonst hätten wir diese Situation nicht. Die 100 Millionen DM sind unzureichend. Sie verkaufen uns und der Bevölkerung das als eine Erfolgsstory. Das werden die Bürger Ihnen auf Dauer nicht abnehmen.
Mit unserem Dringlichkeitsantrag „Sicherstellung der Bildung und Erziehung in der Berliner Schule“ haben wir klare Vorschläge gemacht, wie der bildungspolitischen Misere entgegengetreten werden kann – beispielsweise durch die Ausfinanzierung des Lehrerstellenplans, die Einstellung von jungen Lehrkräften, die finanzielle Absicherung der Schulstationen und die Ausstattung mit Computern. Da wir kein Geld drucken können, haben wir konkrete Vorschläge gemacht, woher Geld aus dem Haushalt kommen könnte. Unsere Haushaltspolitiker haben etwa 100 Millionen DM an Kürzungsvorschlägen gemacht, die Sie abgelehnt haben. Das zeigt, wohin Sie mit Ihrer Politik wollen. Sie werden heute entscheiden, was für Berlin wichtiger ist: Jugend oder Prachtbauten und Hauptstadtwahn. Wir werden uns für die Jugend entscheiden und deshalb Ihren Haushalt ablehnen. Ich appelliere an das Haus, das ebenfalls so zu tun!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Etwa 40 000 Schülerinnen und Schüler sowie Eltern und Lehrer sind am 11. März auf die Straße gegangen, um gegen die bildungspolitische Misere in der Stadt zu protestieren. Wir haben den Sternmarsch der Eltern unter dem Motto: „Aktion Bildung“ unterstützt und stehen hinter den Forderungen der Schüler und Eltern. Permanenter Unterrichtsausfall, überaltete Kollegien, Schließung von dringend benötigten Schulstationen, schlechter baulicher Zustand und mangelnde Ausstattung insbesondere auch in der Informations- und Kommunikationstechnologie sind Probleme, die in der Berliner Schule seit Jahren zum Alltag gehören. Das kann und darf so nicht weitergehen.
Seit 1996 wurden ca. 4 000 Lehrerstellen abgebaut. Die Abwesenheitsrate unter der Lehrerschaft beträgt etwa 8 %, und das entspricht einem Stellenumfang von etwa 2 500 Stellen, die für den Unterricht nicht zur Verfügung stehen. Die Krankheitsrate unter der Lehrerschaft ist im vergangenen Jahr von 2 auf 3 % gestiegen, und der Unterrichtsausfall hat in einzelnen Schulen dramatische Ausmaße angenommen. Diese Zustände sind aus unserer Sicht nicht weiter tragbar.
Mit der Großen Anfrage „Die Berliner Schule in der Krise“ wollen wir vom Senat hören, wie er der seit Jahren anhaltenden Misere Herr werden will.
Wir fordern konkrete Antworten, wir fordern Taten und keine blumigen Worte, wie sie in der Koalitionsvereinbarung verfasst sind.
Mit unserem dringlichen Antrag „Sicherstellung der Bildung und Erziehung in der Berliner Schule“ zeigen wir, wie mit entsprechender Prioritätensetzung im Haushalt die Situation im Bildungsbereich entschärft werden kann.
Die Lehrerverbände und die GEW haben in der Vergangenheit über Teilzeit- und Arbeitszeitkonten ihren Beitrag geleistet. Nun setzt der Senat ohne Absprachen Maßnahmen durch, die wir im höchsten Maße hinterfragen. Dass diese Maßnahmen nur haushaltspolitisch begründet sind, ist Herrn Böger und seiner Verwaltung durchaus bekannt. Auch die negativen Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Pädagogik, die Schulen, die Schülerinnen und Schüler sind kein Geheimnis.
Herr Böger! Ich frage Sie: Warum halten Sie an diesem Konfrontationskurs gegen die Beteiligten fest? – Letztendlich sind die Kinder und Jugendlichen die Leidtragenden ihrer Politik. Das tragen wir nicht mit!
Ich frage Sie: Was muss noch passieren, damit endlich Prioritäten im Haushalt gesetzt werden, die eine Investition in Bildung und Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen zum Ziel haben?
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Die Diskussion um die Greencard ist ein Resultat der verfehlten Bildungspolitik der letzten Jahrzehnte.
Wenn heute nicht die Weichen gestellt werden, wird auch in 20 Jahren der Ruf nach qualifiziertem Fachpersonal aus dem Ausland nicht ruhen. Wir befürchten, dass dann nicht nur der Ruf nach IT-Fachkräften laut wird, sondern noch zahlreiche weitere Berufe davon betroffen sein werden. Das kann nicht in unserem Sinn sein.
Wir wissen, Kinder und Jugendliche wachsen heute unter völlig anderen Bedingungen auf als die jetzige Erwachsenengeneration. Deshalb muss die Schule auf die veränderten Realitäten von Kindheit, Jugend und familiärer Sozialisation und die rasanten Umwälzungen in der Arbeitswelt angemessen reagieren. Schule muss so gestaltet werden, dass sie zu einem Lern- und Lebensort wird, der Kindern und Jugendlichen die notwendigen Kompetenzen vermittelt und Raum zur Bewältigung und Verarbeitung ihrer Erfahrungen gibt. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es einer grundlegenden Reform der Schule. Neue Unterrichtsinhalte und neue Formen der Lernorganisation, Stärkung der Schulsozialarbeit, mehr Eigenverantwortung für die Einzelschule und eine Veränderung der Rolle sowie der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer. Dazu gehört beispielsweise auch die Abweichung vom 45-Minuten-Takt.
Mit der jetzt geplanten pauschalen Wochenarbeitszeiterhöhung der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Reduzierung der Anrechnungsstunden und der Ermäßigungstatbestände, erschwert der Senat eine von allen Beteiligten getragene qualitative Weiterentwicklung der Schulen und verhindert zudem die dringend notwendige Verjüngung der Lehrerschaft. Das sind Schritte in die falsche Richtung.
Der Senat und insbesondere Herr Böger begründen die Verschlechterung der Finanz- bzw. Personalausstattung der Schulen – wie zum Beispiel die jetzige Leherarbeitszeiterhöhung – immer wieder mit den Aussstattungsvorsprüngen Berlins. Aus dem Bericht des Senats über die Finanzplanung Berlins von 1999 bis 2003 geht jedoch eindeutig hervor, dass der Ausstattungsvorsprung Berlins zu allen Bundesländern im Schulbereich am geringsten ist und sogar um rund 20 Prozent unter der Ausstattung der anderen Stadtstaaten liegt. In Hamburg werden beispielsweise pro Schüler etwa 2 500 DM mehr ausgegeben als in Berlin. Kein Wort auch darüber, dass die Durchschnittsfrequenz in Berlin um drei Schüler höher ist als im Bundesdurchschnitt.
Die vielfältigen Probleme der Schulen können allein durch mehr Geld und mehr Personal nicht behoben werden. Es geht um eine Kombination von strukturellen Maßnahmen, die eine höherer Effizienz der eingesetzten Mittel ermöglichen, und es geht um finanzielle Verbesserungen im Schulbereich. Hierzu machen wir Vorschläge, die wir in unserem Dringlichkeitsantrag „Sicherstellung der Bildung und Erziehung in der Berliner Schule“ konkretisieren.
Vertretungsstunden und Unterrichtsausfall haben in Berlin dramatische Ausmaße angenommen. Jedem Schüler, jeder Schülerin wird statistisch gesehen Unterricht im Umfang eines dritten Schuljahres vorenthalten. In einzelnen Schulen beträgt der Ausfall sogar zehn Prozent. Ein Beispiel aus Prenzlauer Berg: Eine Schülerin des Heinrich-Schliemann-Gymnasiums hat sich die Mühe gemacht und die Unterrichtsausfälle des 2. Schulhalbjahres bis zum heutigen Tag festgehalten. Ich zitiere daraus:
10. Februar: Sport, 3 Stunden, Ausfall; 16. Februar: Physik, 1 Stunde, Ausfall; 17. Februar: Erdkunde, 1 Stunde, Ausfall; Sport, 3 Stunden, Ausfall; 18. Februar: 1 Stunde Vertretung in Musik durch einen Mathelehrer.
Die Liste geht so weiter. In der besagten Klasse haben sich innerhalb von 28 Schultagen 29 Vertretungs- bzw. Ausfallstunden angesammelt. Herr Böger! Ich werde Ihnen das Protokoll im Anschluss übergeben, damit Sie als früherer Lehrer sehen, wie sich die Situation tatsächlich darstellt.
Ein weiteres Beispiel ist die Eichenwald-Grundschule in Spandau. Der Bezirksschulbeirat schreibt die Mitglieder des Schulausschusses an und beklagt das Fehlen von circa 75 Lehrerstunden, die zu unerträglichen Ausfällen führten. Bei dieser Diskussion dürfen wir nicht vergessen, dass jede ausgefallene Unterrichtsstunde den Schülerinnen und Schülern den Eindruck vermittelt, dass der gesamte Unterricht nicht so ernst gemeint sein kann, ansonsten hätte man Lösungen gesucht.
Offiziell steht der Berliner Schule ein Lehrerstundenansatz von 105 Prozent des Bedarfs zur Verfügung. Fünf Prozent dienen als Vertretungsmittel. Allerdings ist dieser Stellenplan nicht ausfinanziert, weil die Durchschnittssätze auf Grund einer abweichenden Altersstruktur nicht ausreichen und die Besetzung von Beamtenstellen mit Angestellten teurer kommt. Deshalb fordern wir die Ausfinanzierung des Lehrerstellenplanes.
Weiter fordern wir, dass den Schulen im Rahmen der Stärkung der Eigenverantwortung der Schulen ein Teil der Vertretungsmittel als Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, die die Schule je nach Bedarf für entsprechend qualifiziertes Personal einsetzen kann, um bei Krankheiten oder anderen Ausfällen unter drei Monaten flexibler reagieren zu können.
Die große Koalition hat nicht nur die Stadt in den finanziellen Ruin getrieben, der Mehltau aus Bürokratie und Arroganz verhindert auch jede Reformidee im Schulbereich. Die Einführung des Landesschulamtes und die bisherigen Erfahrungen mit diesem Amt sind ein Paradebeispiel dafür.
Wesentlich verschlechtert hat sich die Situation der Schulen auch in der Versorgung mit Lehr- und Lernmitteln. Die Verfügung der pauschalen Minderausgaben für die Bezirke hat zu drastischen Einschnitten geführt. Wir lehnen diesen Kurs entschieden ab!
Ich komme zum Schluss, obwohl – –
Ein letzter Satz noch: Wir haben heute auch noch eine Beschlussempfehlung des Schulausschusses zur Schulgesetzänderung auf der Tagesordnung. Dazu liegt uns jetzt ein Gutachten vor, das rechtliche Probleme aufzeigt und auf die Einschränkung des Elternwahlrechts aufmerksam macht. Wir bitten deshalb um die Rücküberweisung der Beschlussempfehlung in den Ausschuss, damit wir die geplante Gesetzesänderung noch einmal auf der Grundlage dieser neuen Erkenntnisse diskutieren können.
Summa summarum ist die große Koalition, die in ihrer Koalitionsvereinbarung für den Bildungsbereich sehr blumige Worte gefunden hat, bereits in den ersten 100 Tagen gescheitert. Herr Böger, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition! Der Kessel steht bereits unter Druck, hören Sie auf, das Ventil zuzudrehen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mir erst gar nicht die Mühe machen, Herrn Wruck zu übertreffen. Das schaffe ich einfach nicht. – Es war aber auch interessant zu beobachten, wie bei der Debatte um dieses Thema ständig Lehrerinnen und Lehrer an dieses Pult kamen und gingen. Ich weiß nicht, ob das eine Bereicherung für diesen Bereich oder eine Verlust ist, wenn man sich die bildungspolitische Situation in dieser Stadt anschaut.
Herr Böger! Sie haben einige Ausführungen gemacht, die eigentlich relativ gut und unterstützenswert sind. Man muss sich aber fragen, wo Sie in den letzten zehn Jahren waren. Warum haben Sie in den letzten zehn Jahren als Teil dieser großen Koalition nicht all das, was Sie uns jetzt erklären wollten, durchgesetzt, damit nicht jetzt 40 000 Schülerinnen und Schüler, Lehrer und Eltern auf die Straße gehen müssen?
Ich kann dazu nur sagen: Schade, dass die Realität eine andere ist! Nicht wahr, Herr Böger! – Jetzt ist er nicht da. Das Thema scheint ihn ja sehr zu interessieren.
Ach, da vorne sitze er! Entschuldigung, aber ich habe zur Senatsbank geschaut! – Ich frage mich, ob Sie selbst an das glauben, was Sie uns weismachen wollen. Zum einen schätzen Sie das Engagement und die Leistungen der Lehrerinnen und Lehrer, belohnen Sie aber mit einer Arbeitszeiterhöhung, die von den Lehrerinnen und Lehrern gänzlich abgelehnt wird. Denken Sie tatsächlich, damit Bündnispartner für die Zukunft zu gewinnen? – Ich möchte das sehr bezweifeln. Herr Böger! Sie werben bei uns um Unterstützung, aber ich kann Ihnen nur sagen: Überzeugen Sie erst einmal Ihren Koalitionspartner, bevor Sie bei uns an der Tür klopfen!
Wer den Erziehungsauftrag der Schule tatsächlich verbessern will, muss neben dem traditionellen Unterricht Kindern und Jugendlichen mehr Raum geben, gemeinsam mit den Lehrkräften die Schule neu zu gestalten. Das Ziel muss eine Schule sein, die in weit größerem Ausmaß als bisher von allen Beteiligten als ihr gemeinsames Werk erfahren wird und deren Veränderung Ergebnis ihrer gemeinsamen Anstrengungen ist. Eine solche Veränderung der Schule wird sich in vielen Einzelschritten vollziehen. Sie erfordert mehr Entscheidungskompetenzen für alle Beteiligten, und sie erfordert auch eine andere Definition der Lehrerrolle. Damit Schule den veränderten Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen gerecht wird und gerecht werden kann, bedarf es nicht nur einer grundlegenden Veränderung der Rolle von Lehrerinnen und Lehrern, sondern auch neuer Formen der Unterrichtsorganisation oder veränderter Arbeitszeitmodelle. Wenn Sie tatsächlich ernsthafte Bemühungen in dieser Richtung unternehmen wollen, Herr Böger, werden Sie auch unsere Unterstützung bekommen, aber ich sehe Ihre Bemühungen nicht.
Sehr geehrter Herr Schlede! Sie sind hoffentlich nicht im Begriff zu gehen, weil ich gerade auf Ihre Fragen antworten wollte. Sie fragen nach der Finanzierung, und das zu Recht. Aber Sie müssten doch wissen, dass unsere Anträge in der Regel – und das gilt auch für diesen, wenn Sie ihn richtig gelesen haben – niet- und nagelfest sind.
Wir verlangen nicht einfach nur Geld, sondern wir geben auch vor, woher das Geld kommen soll. Unsere Haushälter haben erst kürzlich im Hauptausschuss diverse Vorschläge für eine Kürzungssumme im Berliner Haushalt in Höhe von 60 Millionen DM gemacht. Und was haben Sie bzw. Ihre Fraktion gemeinsam mit der SPD-Fraktion gemacht? – Sie haben diese Kürzungsvorschläge abgelehnt. Diese 60 Millionen hätten sehr wohl in den Schuletat umgeschichtet werden können.
Herr Böger, Sie sprechen von einem Zukunftsfonds. Wir begrüßen das sehr. Unser Antrag „Mehr Mäuse für die Schule“ sah für dieses Jahr bereits 15 Millionen DM für diesen Bereich vor. Ich frage Sie: Warum lehnen Sie das ab? Nehmen Sie es doch an! Beginnen Sie doch mit ihrem Zukunftsfonds schon in diesem Haushaltsjahr und nicht erst im Jahr 2001!
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Nun zu den konkreten Finanzierungsvorschlägen: Das, was ich hier in aller Kürze vortrage, ist auch Teil der Begründung unseres Antrags. Wir fordern die Ausfinanzierung des Lehrerstellenplans. Dieses Jahr werden für diese Maßnahme ca. 22 Millionen DM benötigt, in den Folgejahren ca. 50 Millionen DM. Ein Vorschlag für die Finanzierung dieser Maßnahme zielt auf die Bauverwaltung. Wie Sie wissen, war 1995 ein Mitarbeiter der Bauverwaltung für eine Bausumme von ca. 2,2 Millionen DM zuständig. Heute ist derselbe Mitarbeiter für ca. 0,9 Millionen DM zuständig. Der Stellenrahmen der Bauverwaltung hat sich allerdings kaum verändert. Unser Vorschlag ist, dieses Mehr an Personal in der Bauverwaltung für den Bereich der Schule umzuschichten, und zwar in Form der Personalmittel für 150 Stellen.
Eine weitere Möglichkeit sind die Fachbereichsleiterstellen. Wir meinen, die Höhergruppierung, die für das kommende Schuljahr geplant ist, muss – in Anbetracht der Situation der Berliner Schule – nicht erfolgen. Dadurch würden wir weitere 19 Millionen DM einsparen, die wir für die Ausfinanzierung des Lehrerstellenplans und für zusätzliche Stellen nutzen können.
Es ist auch mehrfach die Frage nach den Medienwarten gestellt worden. Im Moment haben wir ungefähr 36 Medienwarte, die wir über den Personaletat der Schulen bezahlen. Herr Schlede, was Sie gesagt haben, deckt sich völlig mit unseren Vorstellungen. Wir meinen, das mit einem Betrieb nach § 26 LHO die Medienwarte viel effektiver eingesetzt werden könnten. Wenn sich der Betrieb bewährt, dann besteht er, wenn nicht, wird die Leistung von den Schulen nicht abgerufen, und der Betrieb geht ein. Aber die Schulen hätten über ihre Sachmittel viel mehr Möglichkeiten, Serviceleistungen auch außerhalb eines LHO-Betriebes zu nutzen.
Ich finde, dass die Medienwarte, an deren Stellen sich ein kw-Vermerk befindet, in solch einem LHO-Betrieb viel effektiver eingesetzt werden könnten.
Wenn Sie unsere weiteren Finanzierungsvorschläge wissen wollen, kann ich Ihnen nur raten, lesen sie die Begründung unseres Antrages oder richten Sie ihren Mitgliedern des Hauptausschusses aus, welche konkreten Vorschläge wir machen und nehmen Sie die Vorschläge einfach an, dann werden Sie sehen, wie dieser Bereich ausgeglichen und ausfinanziert wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehöre diesem Hause nicht so lange an wie die meisten hier im Saal. Umso mehr bin ich erstaunt und irritiert über die Art und Weise des Umgangs mit manchen Themen. Unsere Fraktion hat unter der Überschrift: „Die Berliner Schule in der Krise“ eine Aktuelle Stunde beantragt. Allerdings war die Mehrheit in diesem Haus leider der Meinung, dass dieses Thema zweitrangig sei. Scheinbar ist den Damen und Herren in diesem Hause nicht bekannt, dass am Samstag, den 11. März Tausende Eltern, Schülerinnen und Schüler, Kinder und Jugendliche auf den Straßen sein werden, um ihrem Unmut über die bildungspolitische Misere, in der diese Stadt seit Jahren steckt, Ausdruck zu verleihen. Scheinbar ist nicht bekannt, in welcher Situation sich die Berliner Schule insgesamt befindet. Anders ist der Umgang mit diesem Thema aus meiner Sicht nicht zu erklären.
Warum dieses Thema so aktuell ist, erklärt sich ganz einfach: Wir befinden uns inmitten der Haushaltsberatungen und wissen, welche Vorschläge die Senatsschulverwaltung für den Schuletat vorgelegt hat.
Zum einen ist da die Erhöhung der Wochenarbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer um eine Stunde, um das Fehlen der Stellen von etwa 1 600 Stellen auszugleichen. Der Senat hat ohne vorhergehende Absprache mit den Lehrerverbänden diese extrem kontraproduktive Maßnahme beschlossen und aus unserer Sicht damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: erstens die Erhöhung der Belastung der Berliner Lehrerschaft, die nicht gerade die Jüngsten sind,
zweitens die Verjüngung der Berliner Lehrerschaft verhindert und damit nicht nur die Qualitätsverbesserung unterbunden.
Zum anderen ist da die Reduzierung der Lehrmittel im Berufsschulbereich. Wir sehen dies als einen Einstieg in den Ausstieg in Sachen Lehrmittelfreiheit.
Vom baulichen Zustand der Schulen möchte ich gar nicht anfangen. Jeder im Saal weiß, dass wir mit jährlich 100 Millionen DM in dieser Frage nicht weiterkommen.
Aus diesen Gründen ist das Thema aktueller denn je. Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, mit welchen Schlagworten die Parteien der großen Koalition vor dem Wahlkampf ins Rennen gegangen sind. Am besten war der Spruch der SPD: „Mehr Mäuse für Schulen“. Heute heißt es: „Was juckt mich mein Geschwätz von gestern?“ – Aber warum so weit in die Vergangenheit gehen? Herr Wowereit, der gerade telefoniert, hat am 15. Dezember in der „Berliner Zeitung“ etwas von sich gegeben, was ich zitieren möchte:
Ausgeschlossen ist kein Ressort außer dem Schulressort. 30 456 Lehrerstellen sind mit der CDU fest vereinbart, um die Unterrichtsversorgung abzudecken. Da kann man keinen Sparbeitrag leisten.
Herr Böger als zuständiger Schulsenator hat dies am 5. Januar im „Tagesspiegel“ nochmals bestätigt. Natürlich können Sie sich als Haushaltsexperte auch zurücklehnen und erzählen, in welcher Finanzsituation diese Stadt steckt, die ganz überraschend und völlig unerwartet über die Stadt kam. Allerdings dürfen Sie nicht vergessen, welchen Schaden Sie damit verursachen. Sie schaden mit derartigem Verhalten nicht nur Ihrer eigenen Partei – schließlich hat der Wahlausgang am 10. Oktober 1999 einen Grund –, Sie schaden damit auch der Demokratie. Können Sie sich vorstellen, welchen verheerenden Eindruck Kinder und Jugendliche von einer Demokratie bekommen, die an ihren Zukunftschancen spart? Können Sie sich vorstellen, welchen Eindruck junge Menschen von Politikern und von Politik insgesamt bekommen, wenn Parteienvertreterinnen und -vertreter sich nach den Wahlen stets anders verhalten, als sie im Wahlkampf versprechen? – Dieses Thema ist aktueller denn je.
In dieser Stadt wurden – um ein paar Zahlen zu nennen – seit 1996 etwa 4 000 Lehrerstellen eingespart. Die Ausfallrate an den Schulen beträgt 8 %, das entspricht ungefähr 2 500 Stellen. Diese Stellen stehen für den Unterricht nicht zur Verfügung. Die Krankheitsrate hat sich im vergangenen Jahr von 2 auf 3 % erhöht. Der Unterrichtsausfall nimmt dramatische Zustände an, und an manchen Schulen fehlen bis zu 10 % der Lehrerinnen und Lehrer.
Ich könnte diese Liste fortsetzen. Wir sind allerdings an einem Punkt angekommen, wo der Bundeskanzler höchstpersönlich bei der Eröffnung der CeBIT um Intelligenz aus dem Ausland geworben hat. Ich kann nur feststellen: Dieses Land hat einst Zeiten erlebt, in denen Intelligenz in das Ausland exportiert wurde. Dass diese Zeiten sich verändert haben, ist das Resultat der Bildungspolitik der vergangenen 20 Jahre – und Sie möchten hier nicht über den Zustand der Berliner Schule sprechen. Und Sie möchten nicht darüber sprechen, wie eine vernünftige, zukunftsorientierte Prioritätensetzung in der Finanzpolitik vorgenommen werden soll. Als Bildungspolitiker bedauere ich, wie mit diesem Thema hier umgegangen wird. Ich kann nur an die Berlinerinnen und Berliner und an Sie alle hier im Saal appellieren, am 11. März mit den Eltern und mit den Schülern auf die Straße gehen, um ihnen Ihre Solidarität zu zeigen. – Ich danke Ihnen!
Meine Frage richtet sich an Herrn Senator Böger. Herr Senator, inwieweit sind die Bedenken der betroffenen Verbände und Gewerkschaften bei der Erhöhung der Arbeitszeit für Lehrerinnen und Lehrer berücksichtigt worden? Oder wollen Sie hier in Anbetracht Ihrer Erläuterungen in der Presse einen Konfrontationskurs fahren?
Herr Senator, welche Vergleichbarkeit meinen Sie, wenn der Ausstattungsgrad und die Klassenfrequenzen im Bundesvergleich relativ unterschiedlich sind und Berlin beispielsweise mit Hamburg, das Sie in der Presse immer wieder als Vergleich nennen, wenig vergleichbar ist?